OGH 4Ob175/07z

OGH4Ob175/07z13.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Nancy Birgitta D*****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Cornelius Lydwina D*****, vertreten durch Dr. Herbert Pflanzl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Rechnungslegung und Leistung (Streitwert gemäß § 56 Abs 2 JN 8.000 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 30. Mai 2007, GZ 21 R 120/07g-9, womit das Urteil des Bezirksgerichts Mondsee vom 24. Jänner 2007, GZ 3 C 298/06d-5, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 300,10 EUR (darin 50,02 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde nach rund sechs Jahren im Oktober 2005 aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten gemäß § 49 EheG geschieden. Im März 2006 forderte der Vertreter der Klägerin den Beklagten auf, der Klägerin einen monatlichen Unterhalt von 3.000 EUR zu zahlen und Rechnung über das Bestehen und den Umfang seines Vermögens und seiner Einkünfte zu legen, insbesondere die Steuerbescheide der drei letzten Jahre zu übermitteln. Seinem Antwortschreiben, in dem er die Klägerin aufforderte, selbst Nachweise über ihr Einkommen vorzulegen, legte der Vertreter des Beklagten eine Kopie des Einkommenssteuerbescheids des Beklagten für 2004 bei, aus dem von der Pensionsversicherungsanstalt ausgezahlte Einkünfte ersichtlich sind, und kündigte die Übersendung des Einkommenssteuerbescheids 2005 für die nächste Zeit an. Mit Schreiben vom 28. 4. 2006 erfüllte der Vertreter des Beklagten diese Ankündigung und erklärte, dass damit sämtliche Einkünfte des Beklagten erfasst seien; der Beklagte beziehe über die Pensionseinkünfte hinaus keinerlei Einkommen und verfüge über kein Vermögen.

Mit ihrer Klage vom 12. 5. 2006 begehrte die Klägerin, den Beklagten zu verpflichten, ihr über seine einkommens- und kapitalertragssteuerpflichtigen Einkünfte sowie seine Vermögensverhältnisse im Zeitraum 1. 6. 2003 bis 1. 6. 2006 vollständig Rechnung zu legen und ihr den sich danach ergebenden rückständigen und laufenden Unterhalt zu zahlen, dessen ziffernmäßige Angabe bis zur Rechnungslegung vorbehalten bleibe. Der Beklagte sei ihr gegenüber unterhaltspflichtig, habe ihr jedoch nur die Einkommenssteuererklärungen für die Jahre 2004 und 2005 vorgelegt und erklärt, kein Vermögen zu besitzen: die Klägerin befinde sich daher in Ungewissheit über das Vermögen des Beklagten.

Der Beklagte wandte dagegen ein, ausreichend Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse erteilt zu haben. Die Klägerin sei deshalb in der Lage, den ihr allenfalls zustehenden Unterhalt zu berechnen; es bestehe kein Anlass zur Klagsführung. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der geltend gemachte Rechnungslegungsanspruch bestehe nicht, weil der Beklagte die Auskunftserteilung nicht verweigert, sondern an der Feststellung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse mitgewirkt habe. Die Klägerin hätte auf Grund der ihr vorliegenden Unterlagen ein bestimmtes Unterhaltsbegehren stellen können.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil in der Hauptsache und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil im Schrifttum beachtliche Kritik an der höchstgerichtlichen Rechtsprechung geübt werde, wonach gesetzliche Unterhaltsansprüche keine Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht begründeten. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kommen solche Pflichten nur dann in Betracht, wenn der Kläger Umstände behaupte, die Indiz eines bestimmten Anspruchs seien, der im folgenden Leistungsbegehren verwirklicht werden solle. Da die Klägerin jedoch schon vor Klagseinbringung die Einkünfte des Beklagten aus von ihm nachgewiesenen Pensionszahlungen gekannt habe und Pensionseinkünfte aus der gesetzlichen Sozialversicherung bekanntermaßen jährlich nur geringfügig stiegen, sei sie auf Grund dieser Auskünfte in der Lage, schon ein ziffernmäßig bestimmtes Unterhaltsbegehren zu stellen. Auch sei anzunehmen, dass der Klägerin nach mehrjähriger Ehe die frühere Einkommens- und Vermögenssituation des Beklagten zumindest in groben Zügen bekannt sei. Mangels Behauptung konkreter Umstände, worin im konkreten Fall ihr Interesse an einer Rechnungslegung liege, sei ihr Begehren nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichtes - unzulässig.

1. Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zur Kritik des Schrifttums an seiner Rechtsprechung, wonach gesetzliche Unterhaltsansprüche keine Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht auslösten.

2. Für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Revisionsrekurses ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs maßgebend; liegt zu diesem Zeitpunkt bereits Rechtsprechung zur wesentlichen Frage vor, ist das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof unzulässig (E. Kodek in Rechberger, ZPO³ § 502 Rz 18, jeweils mN aus der Rsp; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 ZPO Rz 32; RIS-Justiz RS0112769 [T3]; vgl ferner zum Revisionsrekurs RS0112921). Das Vorliegen auch nur einer eingehend begründeten Vorentscheidung genügt, wenn sie im Schrifttum nicht auf beachtliche Kritik gestoßen ist und der Rechtsmittelwerber nicht - mit neuen Argumenten - substanzielle Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung wecken kann (Zechner aaO Rz 29 mwN; RIS-Justiz RS0103384).

3. Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst (10 Ob 47/07w) ausführlich zur Rechnungslegungspflicht zwischen geschiedenen Ehegatten Stellung genommen und ausgesprochen: „... im Rahmen der persönlichen Ehewirkungen [ist] von der in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Verpflichtung auszugehen, sich wechselweise über alle wesentlichen Umstände des Berufs- und Privatlebens zu informieren; diese Informationspflicht besteht für die Belange des Unterhalts vor allem auch hinsichtlich des Einkommens. Ein Ehegatte, der dem anderen Ehegatten Bestandteile seines Einkommens verschweigt, handelt pflichtwidrig. Diese wechselseitigen Informationspflichten wirken auch noch nach der Eheauflösung auf Grund des nachehelichen Abwicklungsinteresses zur Sicherung der gesetzlichen Unterhaltsansprüche weiter fort. Da in streitigen Unterhaltsverfahren keine Verpflichtung des Beklagten besteht, aktiv an der Feststellung seiner Einkommensverhältnisse mitzuwirken, muss unter diesem Gesichtspunkt auch zwischen geschiedenen Ehegatten ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung betreffend die für die Unterhaltsbemessung maßgebenden Umstände anerkannt werden. Es würde allenfalls auch einen verfassungsrechtlich bedenklichen Wertungswiderspruch darstellen, eine Mitwirkungspflicht des Unterhaltspflichtigen zur Feststellung seines Einkommens im streitigen Verfahren nur bei großjährigen Kindern, nicht aber auch bei geschiedenen Ehegatten zu bejahen. [...] Der Unterhaltsberechtigte bedarf des Einblicks in die Verhältnisse des Unterhaltsverpflichteten, um Existenz und Höhe seines Unterhaltsanspruches richtig berechnen und damit allenfalls auch einen Rechtsstreit durch Abschluss einer Unterhaltsvereinbarung vermeiden zu können. Der Rechnungslegungsanspruch nach Art XLII EGZPO setzt neben dem hier unbestrittenen Nachweis, dass der Klageanspruch auf Unterhalt dem Grunde nach zu Recht besteht, weiters voraus, dass der nach materiellem Recht aufgrund einer Sonderbeziehung Auskunftsberechtigte gegen den Auskunftsverpflichteten ein bestimmtes Klagebegehren auf Leistung nur mit erheblichen Schwierigkeiten, die durch eine solche Abrechnung vermieden werden können, zu erheben vermag und dass die Auskunftserteilung dem Verpflichteten zumutbar ist. Es muss also die Interessenabwägung zugunsten des Klägers ausfallen."

4.1. Die im Anlassfall als erheblich bezeichnete Rechtsfrage wird in der angeführten Entscheidung ausführlich behandelt und beantwortet. In ihrem Rechtsmittel stützt sich die Klägerin auf die schon in der zitierten Entscheidung berücksichtigten Lehrmeinungen.

4.2. Ob die von der Rechtsprechung geforderte Interessenabwägung im Anlassfall zugunsten der Klägerin ausschlägt, richtet sich regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls; eine krasse Fehlbeurteilung dieser Frage durch das Berufungsgericht liegt nicht vor.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Die Bemessungsgrundlage beträgt 1.460 EUR (2 x 730 EUR gemäß § 14 lit c iVm § 12 Abs 1 RATG).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte