Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit je 1.680,84 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 280,14 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger, ein Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, der seine Ordination bislang als Wahlarzt führte, bewarb sich um eine ausgeschriebene Kassenplanstelle. Für diese Stelle wurde eine Mitbewerberin an erster Stelle gereiht, wovon die bisherige Inhaberin der Kassenplanstelle verständigt und eingeladen wurde, Verhandlungen zur Nachfolge der Ordinationsstätte aufzunehmen. Die Zweitbeklagte, die örtlich zuständige Landeszahnärztekammer, teilte dem Kläger mit, dass seine Bewerbung nicht berücksichtigt werden könne und er aus dem Reihungsverfahren auszuscheiden gewesen sei, weil er zum Ausschreibungszeitpunkt das 55. Lebensjahr bereits vollendet habe.
Mit daraufhin beim Erstgericht eingebrachter Klage begehrte der Kläger, die Erstbeklagte, die örtlich zuständige Gebietskrankenkasse, zu verpflichten, mit ihm einen Einzelvertrag in Ansehung der ausgeschriebenen Kassenplanstelle abzuschließen, und die Zweitbeklagte zu verpflichten, dem genannten Abschluss des Einzelvertrags zuzustimmen. Zur Sicherung dieser Ansprüche beantragte er, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, die ausgeschriebene Kassenplanstelle an dritte Personen zu vergeben oder über diese in sonstiger Weise zu verfügen. Da bereits ein anderer Bewerber eingeladen worden sei, Verhandlungen betreffend die Nachfolge der Ordinationsstätte aufzunehmen und in Ansehung der gesamtvertraglichen Möglichkeit zur Beendigung einer Kassenplanstelle habe der Kläger ernsthaft zu besorgen, dass ohne Erlassung des beantragten Verbots die gerichtliche Verfolgung oder Verwirklichung seines Klageanspruchs durch eine Veränderung des bestehenden Zustands vereitelt oder erheblich erschwert werde. Nach den Reihungskriterien des Gesamtvertrags erreiche der Kläger 70,96 von 72 möglichen Punkten und sei damit erstgereihter Bewerber für die Kassenplanstelle. Seine Ausscheidung aus dem Reihungsverfahren beruhe auf der gesamtvertraglichen Altersklausel, die gegen § 17 Abs 1 iVm § 18 Gleichbehandlungsgesetz verstoße und den Kläger beim Zugang zur selbständigen Erwerbstätigkeit als Vertragsarzt der Erstbeklagten diskriminiere.
Die Erstbeklagte wendete ein, die Bewerbung des Klägers um eine Kassenplanstelle sei bereits früher abgelehnt worden, weil sich dieser im Rahmen seiner Vertragstätigkeit bei einer anderen Gebietskrankenkasse vertragswidrig verhalten habe und deshalb mit Kündigung des Vertrags bedroht worden sei. Infolge der Verurteilung des Klägers wegen schweren Betrugs sei die vertragsärztliche Tätigkeit im Jahr 1996 durch Erlöschen des damals bestehenden Kassenvertrags endgültig beendet worden. Die Erstbeklagte habe für eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten zu sorgen, die beantragte einstweilige Verfügung würde die Vergabe der freien Kassenplanstelle blockieren.
Die Zweitbeklagte wendete ein, das Gleichbehandlungsgesetz sei nicht anwendbar, weil der Kläger als niedergelassener Wahlarzt freiberuflich tätig sei und den Abschluss eines Kassenvertrags anstrebe. Das Gleichbehandlungsgesetz sehe überdies nicht den Ersatz des Erfüllungsinteresses vor, das Klagebegehren sei daher verfehlt. Der Bewerber habe keinen durchsetzbaren Anspruch auf Abschluss eines Einzelvertrags, weshalb eine Sicherung des geltend gemachten Anspruchs ausscheide. Auch bestünden erhebliche Bedenken gegen die Person des Klägers, weil es bereits 1984 zu Beschwerden gekommen sei, weil er über Wochen hindurch nicht in seiner Ordination anzutreffen gewesen sei und er bei Patienten gesunde Zähne behandelt hätte. Der Kläger sei überdies wegen Kreditbetrugs verurteilt worden, über sein Vermögen sei 1989 das Konkursverfahren eröffnet und erst 2003 wieder aufgehoben worden. Der Kläger sei charakterlich nicht geeignet, dem gesetzlichen Versorgungsauftrag nachzukommen.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Ein sicherungsfähiger Anspruch des Klägers bestehe nicht.
Das Rekursgericht bestätigte die Antragsabweisung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein Rechtsanspruch auf Abschluss eines Kassenarztvertrags bestehe, der durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden könnte. Zwar sei das alleinige Abstellen auf das Alter als Ausschlusskriterium bei einer Bewerbung um eine Kassenplanstelle grundsätzlich unsachlich und widerspreche dem Gleichbehandlungsgebot, nicht ausreichend geklärt sei überdies, ob der Kläger von der Warteliste gestrichen worden sei und allenfalls seine neuerliche Eintragung beantragt habe; der Sicherungsantrag sei aber schon deshalb abzuweisen, weil der vom Kläger geltend gemachte Hauptanspruch auf Abschluss des Einzelvertrags über die ausgeschriebene Kassenarztstelle nicht bestehe. Auf die Zulassung als Vertragsarzt bestehe grundsätzlich kein Rechtsanspruch. Der Einzelvertrag begründe weder ein Arbeitsverhältnis noch ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, der Vertragsarzt trete vielmehr als freiberuflich Selbständiger in eine Rechtsbeziehung zu einer Körperschaft öffentlichen Rechts, weshalb ein Vergleich mit dem Recht der öffentlichen Auftragsvergabe naheliege. Nach den Vergabegesetzen sei jedoch grundsätzlich nur die Feststellung der Rechtswidrigkeit und im Anschluss daran die Möglichkeit einer Schadenersatzforderung vorgesehen. Ein „Einstellungsanspruch“ des übergangenen Bewerbers sei in Österreich weder im Arbeitsrecht noch im öffentlichen Dienstrecht anerkannt; auch die Bestimmungen im Gleichbehandlungsgesetz sowie im Bundesgleichbehandlungsgesetz würden keinen Einstellungsanspruch vorsehen, sondern sanktionierten Diskriminierungen mit einem pauschalierten Schadenersatzanspruch. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht bescheinigen habe können, dass er der bestgereihte Bewerber für die ausgeschriebene Kassenplanstelle sei, könne sein Anspruch schon deswegen nicht durch die beantragte einstweilige Verfügung gesichert werden, weil diese voraussetze, dass er ein Recht auf den Abschluss eines Kassenarztvertrags hätte bescheinigen können. Ein solcher Anspruch bestehe aber rechtlich nicht.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Klägers, mit dem er die Stattgebung des Sicherungsantrags anstrebt, ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
Zutreffend hat das Rekursgericht klargestellt, dass die vom Kläger beantragte einstweilige Verfügung voraussetzt, dass der zu sichernde Anspruch auf Abschluss eines Einzelvertrags auf Grundlage und mit Inhalt des der Klage angeschlossenen Muster-Einzelvertrags besteht. Dies ist aber zu verneinen.
Im Schrifttum wird einhellig die Auffassung vertreten, dass kein Anspruch auf Zulassung als Vertragsarzt besteht, weil die das Verfahren zur Vergabe der Einzelverträge regelnden gesetzlichen Bestimmungen einen solchen, vom übergangenen Bestqualifizierten durchsetzbaren Rechtsanspruch nicht vorsehen (Schneider, ärztliche Ordinationen, 403; Mosler, Probleme bei der „Vergabe“ von Kassenverträgen an Ärzte/Ärztinnen, DRdA 1996, 430 ff; Kopetzky in Jabornegg/Resch/Seewald, Der Vertragsarzt im Spannungsfeld zwischen gesundheitspolitischer Steuerung und Freiheit der Berufsausübung 32; Resch in Jabornegg/Resch/Seewald aaO, 168; Strasser, Arzt und gesetzliche Krankenversicherung 268; Kletter in Sonntag, ASVG2 § 343 Rz 18). Verwiesen wird auf einen Vergleich mit dem Recht der öffentlichen Auftragsvergabe und dem dort grundsätzlich auf Schadenersatzansprüche beschränkten Rechtsanspruch des übergangenen Bestbieters, den fehlenden „Einstellungsanspruch“ im privaten wie öffentlichen Arbeitsrecht, aber auch auf die Bestimmungen im Gleichbehandlungsrecht.
Der Verfassungsgerichtshof hielt in seinem Erkenntnis zu AZ B 367/06 (VfSlg 17.824) fest, dass weder das Gesetz (§ 343 ASVG) noch die auf seiner Grundlage erlassene Reihungskriterien-Verordnung einem Bewerber einen Rechtsanspruch auf den Abschluss eines Einzelvertrags einräumen. Er verweist hiezu auf die Bestimmung des § 343a Abs 2 ASVG, der als Ausnahme von diesem Grundsatz einen Rechtsanspruch auf Abschluss eines Einzelvertrags für Jugendlichen- und Vorsorge- (Gesunden-) Untersuchungen vorsieht.
Wenn der Kläger vorbringt, ihm stehe aufgrund der Bestimmung des § 343 Abs 1a ASVG in der am 1. 9. 2010 in Kraft getretenen Fassung ein unmittelbarer Rechtsanspruch auf Abschluss des Einzelvertrags mit der Erstbeklagten zu, ist ihm entgegenzuhalten, dass die von ihm herangezogene Bestimmung nur das Auswahlverfahren regelt und nichts über den von ihm behaupteten Rechtsanspruch aussagt. Auch davor war bereits eine Ermächtigung zur Erlassung einer Verordnung über verbindliche Kriterien für die Reihung der Bewerberinnen und Bewerber um Einzelverträge vorgesehen. Es hat sich auch durch die letzte vom Kläger ins Treffen geführte Novellierung nichts daran geändert, dass lediglich für einen ganz bestimmten Bereich in § 343a Abs 2 ASVG ein Rechtsanspruch auf Abschluss eines Einzelvertrags vorgesehen ist. An dem vom Verfassungsgerichtshof im Jahr 2006 hervorgehobenen systematischen Argument hat sich daher nichts geändert. Dem vom Kläger angestrebten Anspruch auf Invertragnahme steht auch entgegen, dass weder ein Anspruch des zu unrecht übergangenen Bewerbers auf Schaffung einer zusätzlichen Planstelle besteht (vgl 4 Ob 198/05d), es aber auch zu keiner Doppelbesetzung einer Planstelle oder zu keiner Erweiterung des Stellenplans durch Urteil kommen kann, zumal ein (allenfalls) zu Unrecht abgeschlossener Einzelvertrag mit dem (zu Unrecht) bevorzugten Bewerber nicht aufgelöst werden kann (Kletter aaO).
Zusammenfassend ist daher festzuhalten: Ein Rechtsanspruch des bestqualifizierten Bewerbers um eine Kassenplanstelle gegenüber dem Krankenversicherungsträger auf Abschluss eines Einzelvertrags besteht nicht, weshalb zu dessen Sicherung auch keine einstweilige Verfügung erlassen werden kann.
Da der Anspruch, dessen Sicherung der Kläger anstrebt, nicht besteht, braucht auf weitere Fragen der strittigen Anspruchsbescheinigung ebenso wenig eingegangen werden wie auf die Frage, ob die von den Parteien in diesem Fall ins Treffen geführten Reihungskriterien zulässig sind.
Dem Revisionsrekurs des Klägers musste somit ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 393 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.
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