Spruch:
Dem Revisionsrekurs der Beklagten wird nicht Folge gegeben, wohl aber jenem des Klägers.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung, einschließlich des bestätigten Teils, insgesamt wie folgt zu lauten hat:
"Einstweilige Verfügung
Zur Sicherung des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wird der Beklagten geboten, es ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils zu unterlassen, Bildnisse des Klägers zu veröffentlichen, wenn der Kläger im Zusammenhang mit derartigen Bildnisveröffentlichungen als 'Pinkelprinz' bezeichnet und/oder im Wege der Fotomontage mit einer Krone abgebildet wird und ihm hiedurch sowie durch den Begleittext (und die sonstigen Umstände der Veröffentlichung) tatsachenwidrig unterstellt wird, er hätte sich zumindest werbend für ein Buch bzw die darin angeblich zum Ausdruck gebrachten Anliegen, wonach er Anspruch darauf hätte, die englische Queen vom 'Brit-Thron' zu 'verdrängen', zur Verfügung gestellt."
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Beklagte hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Beklagte ist Medieninhaberin der periodischen Druckschrift NEWS. In der Ausgabe Nr 38 vom 19. 9. 2002 erschien folgender Artikel:
Der Kläger war im Rahmen eines offiziellen Besuchs der EXPO 20002 in Hannover einem dringenden Bedürfnis nachgekommen und hatte mehr oder weniger öffentlich in unmittelbarer Nähe des türkischen Pavillons uriniert. Über diesen Vorfall und die Reaktionen darauf berichteten mehrere Zeitungen und Zeitschriften; er war auch Gegenstand einer Fernsehshow.
Der Kläger begehrt zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten zu gebieten, es zu unterlassen, Bildnisse des Klägers zu veröffentlichen, wenn der Kläger im Zusammenhang mit derartigen Bildnisveröffentlichungen als „Pinkelprinz" bezeichnet und/oder im Wege der Fotomontage mit einer Krone abgebildet wird und ihm hiedurch sowie durch den Begleittext (und die sonstigen Umstände der Veröffentlichung) tatsachenwidrig unterstellt wird, er hätte sich zumindest werbend für ein Buch bzw die darin angeblich zum Ausdruck gebrachten Anliegen, wonach er Anspruch darauf hätte, die englische Queen vom „Brit-Thron" zu „verdrängen", zur Verfügung gestellt. Die Bildnisveröffentlichung verletze die berechtigten Interessen des Klägers und gebe jedenfalls zu Missdeutungen Anlass. Mit der Bezeichnung „Pinkelprinz" werde der Kläger substratlos öffentlich beschimpft und verspottet. In Betonung des Gegensatzes zur gleichsam als Anmaßung hingestellten Bezeichnung als „König?" werde die beschimpfende und verspottende Wirkung dieser Bezeichnung noch erhöht. Die Behauptung über „öffentliches Urinieren an ehrwürdiges Gemäuer" sei jedenfalls in dieser Form unrichtig und vermöge die beleidigende Bezeichnung keineswegs zu rechtfertigen.
Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Der Leser gewinne nicht den Eindruck, dass sich der Kläger mit dem Inhalt des Buches identifiziere. Der Artikel werde als satirische Rezension verstanden. Überschriften, Text und Bilder stellten nicht darauf ab, den Kläger bösartig zu verhöhnen, sondern in ironischer Art und Weise über den Inhalt des neu erschienenen Buches und auch über das Auftreten des Klägers in der Öffentlichkeit zu berichten. Die Bezeichnung „Pinkelprinz" sei zum satirischen Beinamen des Klägers geworden. Damit fehlten bereits die für einen Anspruch nach § 78 UrhG notwendigen schutzwürdigen Interessen; wären sie gegeben, so bestehe ein überwiegendes Interesse an der Veröffentlichung. Der Kläger nehme seit seiner Heirat mit einer monegassischen Prinzessin ein öffentliches Amt wahr. Sein Fehltritt bei einem offiziellen Besuch der EXPO habe weitreichende politische Diskussionen ausgelöst. Der Kläger müsse sich daher mehr Kritik als ein Durchschnittsmensch gefallen lassen.
Das Erstgericht verbot der Beklagten, Bildnisse des Klägers zu veröffentlichen, wenn der Kläger im Zusammenhang mit derartigen Bildnisveröffentlichungen als „Pinkelprinz" bezeichnet wird, und wies das Mehrbegehren ab. Die Beklagte habe ihre Behauptung, die Bezeichnung des Klägers als „Pinkelprinz" sei „durch die gesamte europäische Presse gegangen", nicht bescheinigt. Es komme aber auch nicht darauf an, wer die Bezeichnung erfunden habe. Maßgebend sei, dass sie beleidigend und verhöhnend sei. Die Beklagte könne sich nicht auf Art 10 MRK berufen, denn die Abbildung des Klägers direkt unter der plakativen Zwischenüberschrift „Pinkelprinz" trage zur Förderung der öffentlichen Meinungsbildung und Meinungsvielfalt nichts bei. Anders sei hingegen der Bericht über das neu erschienene Buch zu beurteilen. Dem Begleittext sei nicht zu entnehmen, dass sich der Kläger in irgendeiner Weise mit dem Inhalt des rezensierten Buches identifiziert oder sich „zumindest werbend dafür zur Verfügung gestellt" haben könnte. Berücksichtige man, dass der gesamte Artikel ausgesprochen ironisch gehalten sei und dass auch an der Verbreitung eines mit dem aktuellen Geschehen nicht unmittelbar im Zusammenhang stehenden Lichtbilds einer am öffentlichen Leben teilnehmenden Person ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestehen könne, so sei der Anspruch des Klägers insoweit zu verneinen.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Kläger werde durch die Bezeichnung „Pinkelprinz" verunglimpft, ohne dass ein Informationswert zu erkennen sei. Überwiegende Interessen der Beklagten, die die Bildnisveröffentlichung rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Das Recht der Beklagten auf freie Meinungsäußerung werde mit dem Verbot der Verbreitung der Bezeichnung „Pinkelprinz" nicht beschnitten. Der Abbildung des Klägers mit Krone sei auch im Zusammenhang mit Überschrift und Text des Artikels in keiner Weise zu entnehmen, dass sich der Kläger zumindest werbend für das Buch oder die darin zum Ausdruck gebrachten Anliegen zur Verfügung gestellt hätte. Gegen den vom Kläger behaupteten Eindruck spreche auch seine Behauptung, es sei allgemein bekannt, dass er auf die Achtung seines Privatlebens Wert lege und trotz seiner „Prominenz" nichts mit dem bloß auf Befriedigung von Neugier und Sensationslust sowie Auflagensteigerung gerichteten Journalismus zu tun haben wolle.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diesen Beschluss gerichteten Revisionsrekurse beider Parteien sind zulässig; der Revisionsrekurs des Klägers ist auch berechtigt, jener der Beklagten ist nicht berechtigt.
Gemäß § 78 UrhG dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt würden. Durch diese Bestimmung soll jedermann gegen einen Missbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit geschützt werden, also namentlich dagegen, dass er durch die Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt, dass dadurch sein Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Missdeutungen Anlass geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt. Das Gesetz legt den Begriff der „berechtigten Interessen" nicht näher fest, weil es bewusst einen weiten Spielraum offenlassen wollte, um den Verhältnissen des Einzelfalls gerecht zu werden. Bei der Beurteilung, ob berechtigte Interessen verletzt würden, ist darauf abzustellen, ob Interessen des Abgebildeten bei objektiver Prüfung als schutzwürdig anzusehen sind (stRsp ua 4 Ob 75/94 = ÖBl 1995, 136 - Marmor, Stein und Eisen; 4 Ob 100/94 = ÖBl 1995, 233; 4 Ob 2247/96m = ÖBl 1997, 138 - Ich werde dafür sorgen).
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Veröffentlichung eines Bildnisses nach objektiven Grundsätzen berechtigte Interessen verletzt, kann der Bekanntheitsgrad der abgebildeten Person nicht außer Betracht bleiben. Steht der Abgebildete nicht im öffentlichen Leben, dann wird durch die Bildnisveröffentlichung die Identifikationsmöglichkeit erst geschaffen. Durch die Beigabe eines Bildes kann ein für den Abgebildeten abträglicher Text noch verschärft und eine „Prangerwirkung" erzielt werden. Ist jedoch die abgebildete Person allgemein bekannt, dann werden ihre Interessen durch die Bildnisveröffentlichung selbst in aller Regel nicht beeinträchtigt. Die Verbreitung des Bildes einer allgemein bekannten Person ist aber (ua dann) unzulässig, wenn das Bild die Privat- und Intimsphäre einer solchen Person betrifft oder wenn es den Abgebildeten durch den Begleittext der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit preisgibt (stRsp ua 4 Ob 75/94 = ÖBl 1995, 136 - Marmor, Stein und Eisen; 4 Ob 100/94 = ÖBl 1995, 233; 4 Ob 2247/96m = ÖBl 1997, 138 - Ich werde dafür sorgen).
Werden diese Grundsätze im vorliegenden Fall angewandt, dann muss der Unterlassungsanspruch des Klägers zur Gänze bejaht werden:
Die Beklagte hat den Kläger im Begleittext zur Bildnisveröffentlichung einerseits als „Pinkelprinz" bezeichnet, andererseits hat sie ihn mit einem Buch in Verbindung gebracht, in dem dem Kläger Chancen und auch Ambitionen auf den englischen Thron unterstellt werden. Was die Bezeichnung „Pinkelprinz" betrifft, so macht die Beklagte geltend, dass zwischen dem Verhalten des Klägers in der Öffentlichkeit und seiner Eigenschaft als Adeliger und „public figure" ein Kontrast bestehe. Der Kläger müsse davon ausgehen, dass eine solche Handlung aufgrund seiner Rolle als Person der Zeitgeschichte entsprechenden Widerhall finde. Die in Deutschland übliche Bezeichnung „pinkeln" für „urinieren" sei absolut geläufig; als Prinz bezeichne sich der Kläger selber. Es sei daher geradezu naheliegend, bei Berichten und Kommentaren zum Verhalten des Klägers diese Bezeichnung zu wählen. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Artikel von einer „königlichen Karriere" spreche und über ein Buch berichte, wonach der Kläger „im Buckingham Palace einziehen (solle), zumindest wenn man dem Biografen Andrew Wilson Glauben schenke". Der Kläger bestreite nicht, dass er öffentlich uriniert habe. Dieses Verhalten sei Anlass für eine sarkastische Formulierung, die zwar pointiert, aber nicht beleidigend sei.
Dem kann nicht gefolgt werden. Die Bezeichnung „Pinkelprinz" beleidigt den Kläger; ein Recht dazu kann die Beklagte weder aus dem vorangegangenen Verhalten des Klägers noch aus ihrer Rolle als Medium ableiten. Auch eine Person, für deren Leben sich ihrer Herkunft wegen breite Bevölkerungskreise interessieren und die immer wieder Gegenstand von Medienberichten ist, hat Anspruch darauf, dass ihre Privatsphäre respektiert wird. Der beanstandete Bericht über das öffentliche Urinieren des Klägers greift nicht nur in dessen Privatsphäre ein, er würdigt ihn durch die Bezeichnung „Pinkelprinz" auch herab und verhöhnt ihn.
Die herabsetzende Wirkung wird noch dadurch verstärkt, dass dem Kläger Chancen und auch Ambitionen auf den englischen Thron unterstellt werden, weil der Gegensatz zwischen dem Anspruch, mit dem der Kläger danach aufzutreten scheint, und seinem tatsächlichem Verhalten noch krasser erscheint. Zwischen der Bezeichnung „Pinkelprinz" und dem Bericht über die „Anwartschaft" des Klägers auf den englischen Thron besteht aber auch insofern eine Wechselwirkung, als jedenfalls ein nicht unerheblicher Teil der Leser es für möglich halten wird, dass eine in ihrem Verhalten auffällige Persönlichkeit den gewagten Thesen eines Autors glaubt, sich Chancen auf den englischen Thron ausrechnet und auch bereit ist, sich in entsprechender Pose fotografieren zu lassen.
Nach dem Gesamtinhalt des Artikels entsteht damit für einen nicht unerheblichen Teil der Leser der Eindruck, dass der Kläger eine in Verhalten und Zielsetzungen sehr eigenwillige Persönlichkeit sei, auch wenn sich NEWS, wie die Beklagte behauptet, „an eine Zielgruppe von überdurchschnittlich gebildeten Lesern" wendet, „die die intellektuelle Auseinandersetzung mit Inhalten und Problemstellungen gewöhnt sind". Diese Auseinandersetzung erfolgt nämlich regelmäßig nicht bei Berichten, wie sie die Klatschspalten füllen. Gerade der „überdurchschnittlich gebildete" NEWS-Leser wird den Bericht nur flüchtig streifen und den durch Bild und Überschrift erweckten Eindruck nicht weiter hinterfragen, ein „Pinkelprinz" glaube, ein Anrecht auf den englischen Thron zu besitzen. Ihm muss nicht bewusst werden, dass der Artikel Spekulationen eines Buchautors als Sensation aufbauscht und eine durch eine Fotomontage hergestellte Abbildung des Klägers mit Königskrone und vor einer „Ahnengalerie" als Blickfang einsetzt. Damit werden die berechtigten Interessen des Klägers auch dadurch verletzt, dass durch den beanstandeten Artikel der Eindruck entsteht, der Kläger stehe dem Buch über seinen angeblichen Anspruch auf den englischen Thron positiv gegenüber und werbe dafür.
Dem Revisionsrekurs des Klägers war Folge zu geben; der Revisionsrekurs der Beklagten musste erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.
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