OGH 4Ob164/14t

OGH4Ob164/14t20.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin S***** Z*****, vertreten durch MMag. Dr. Erich Lackner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Beklagte R***** eGen, *****, vertreten durch Hon.‑Prof. Dr. Mag. Dietmar Czernich und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 110.487,66 EUR sA, über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Mai 2014, GZ 1 R 29/14w‑14, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 15. November 2013, GZ 12 Cg 16/13b-10, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 2.161,80 EUR (darin enthalten 360,30 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin mit Wohnsitz in Österreich kaufte am 24. 10. 2007 bei der Rechtsvorgängerin der beklagten Bank mit Sitz im Inland (im Weiteren: Beklagte) ‑ auf Rat des Direktors einer anderen Bank ‑ 1.960 Stück Solon 70 Discountzertifikate zu einem Gegenwert von rund 110.000 EUR. Diese von einer deutschen Bank emittierten Wertpapiere haben mittlerweile massiv an Wert verloren. Nach den der Geschäftsbeziehung zwischen den Streitteilen zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten führt diese Aufträge der Kunden zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren in der Regel als Kommissionär aus, bei Bestehen eines Börsen- oder Marktpreises mangels einer anderen Anzeige durch Selbsteintritt. Die Beklagte hat die gegenständlichen Wertpapiere ihren Kunden weder angeboten, noch beworben, noch hat sie selbst diese Papiere gekauft. Als sich die Klägerin mit dem Wunsch nach den Wertpapieren an die Beklagte wandte, orderten sie deren Mitarbeiter über das Computersystem. Dabei tritt die Bank im eigenen Namen auf, die Wertpapiere werden jedoch dann nicht in den eigenen Bestand der Bank übernommen, sondern dem Depot des Kunden zugeordnet. Die gegenständlichen Wertpapiere wurden unter dem Basisprospekt vom 15. 2. 2007 über Discountzertifikate bezogen auf Aktien einer deutschen Bank emittiert. Der Prospekt wurde am 17. 2. 2007 in elektronischer Form auf der Internetseite dieser deutschen Bank veröffentlicht. In weiterer Folge wurden die endgültigen Bedingungen vom 21. 9. 2007 zum Basisprospekt vom 15. 2. 2007 veröffentlicht. In diesen wurde darauf hingewiesen, dass der Basisprospekt sowie relevante Nachträge dazu auf einer Internetseite verfügbar seien. Die Informationen auf der Internetseite richteten sich ausschließlich an Personen mit dauerhaftem Wohnsitz in Deutschland. Dazu wurde ein „Disclaimer“ vorgesehen, zufolge dessen man lediglich mit der Bestätigung der „Akzeptieren“-Taste die weiteren Informationen und demnach das öffentliche Anbot abrufen konnte.

Die Klägerin führte zunächst ein Verfahren gegen die Bank, deren Direktor zum Ankauf der Wertpapiere geraten hatte, obsiegte aber nur insoweit, als diese Wertpapiere auch bei dieser Bank erworben wurden; der Anspruch hinsichtlich der bei der hier beklagten Bank angeschafften Wertpapiere wurde hingegen abgewiesen. Die Beklagte nahm sodann in einem Vorprozess die hier Beklagte auf Schadenersatz wegen Fehlberatung in Anspruch. Diese Klage wurde wegen Verjährung abgewiesen.

Im vorliegenden Verfahren stützt sich die Klägerin nunmehr auf eine Verletzung von Bestimmungen des KMG. Für das Wertpapier Solon 70 Discountzertifikat sei kein Prospekt erstellt, kein Prospekt der FMA zur Billigung vorgelegt und bei der Kontrollbank auch nicht hinterlegt worden. Da es sich um ein anonymes, an einen x-beliebigen Personenkreis gerichtetes Angebot am Bankenplatz Frankfurt am Main gehandelt habe, seien die Ausnahmen von § 3 KMG nicht anzuwenden. Der Klägerin als Verbraucherin stehe daher gemäß § 5 Abs 1 KMG das unbefristete Rücktrittsrecht bis zu dem Moment zu, in dem ein allfälliger Prospekt von der FMA gebilligt und bei der Kontrollbank hinterlegt worden sei. Die Beklagte habe diese Wertpapiere aufgrund eines öffentlichen Angebots, ohne weitere Beratung, aber auch ohne Überprüfung, ob dieses Wertpapier den gesetzlichen Bestimmungen des KMG entspreche, vermarktet und der Klägerin verkauft. Wenn ein entsprechendes Prospekt mit für Verbraucher verständlichen Hinweisen vorgelegt worden wäre, hätte die Klägerin diese Wertpapiere nicht gekauft. So aber habe sie am 15. 10. 2012 in aller Form den Rücktritt erklärt, womit die Voraussetzungen für die Rückabwicklung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen erfüllt seien. Die Klägerin begehrte daher von der Beklagten Zahlung von 110.487,66 EUR sA Zug um Zug gegen Rückgabe der Wertpapiere.

Die Beklagte wendete ein, die Klägerin sei nicht zum Rücktritt gemäß § 5 Abs 1 KMG berechtigt. Ein öffentliches Angebot im Sinne dieser Bestimmung habe nicht vorgelegen. Die Discountzertifikate seien von einer deutschen Bank und nur für den deutschen Markt emittiert worden. Die Initiative für den Ankauf sei von der Klägerin ausgegangen. Die Beklagte treffe keine Prospektpflicht. Sie habe die Papiere nie in ihrem Eigenbestand geführt, sondern lediglich vermittelt. Die Klägerin könne gegenüber der Beklagten demnach auch keinen Rücktritt nach § 5 KMG erklären. Die deutsche Bank sei bei der Veröffentlichung des Basisprospekts 2007 auf deren Derivate-Website nicht an das Publikum in Österreich herangetreten. Daher habe es in Österreich niemals ein öffentliches Angebot der Wertpapiere gegeben. Zudem sei die Klägerin schon deshalb nicht zum Rücktritt berechtigt, weil der Prospekt gleichzeitig mit dem Angebot auf der Website der deutschen Bank veröffentlicht worden sei. Auch sei beim Erwerb durch die Klägerin die Schwelle von 100 Personen nicht erreicht, weshalb der Ausnahmefall von der Prospektpflicht des § 3 Abs 1 Z 14 KMG (idF zum Zeitpunkt des Kaufvertrags) vorliege.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es verneinte den geltend gemachten Bereicherungsanspruch mit der Begründung, dass nicht sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen für einen berechtigten Rücktritt nach § 5 KMG vorlägen. Die Klägerin sei zwar als Verbraucherin anzusehen. Die Beklagte habe den Kauf als Kommissionärin durchgeführt, weshalb ihr gegenüber ein Rücktritt auch erklärt werden könne. Sie habe die gegenständlichen Zertifikate in Österreich aber nicht öffentlich angeboten. Ein allenfalls öffentliches Anbot der deutschen Emissionsbank habe auf den deutschen Markt gezielt und sei nicht als öffentliches Angebot in Österreich zu beurteilen. Bestehe aber keine Prospektpflicht in Österreich, sei auch ein die Prospektpflicht auslösendes öffentliches Angebot in Österreich zum Zeitpunkt des Kaufantrages der Klägerin zu verneinen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zur Frage einer zulässigen Beschränkung eines im Internet veröffentlichten Angebots höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Infolge des Tätigwerdens der Beklagten im eigenen Namen (als Kommissionärin) könne die Ausübung eines Rücktrittsrechts des Verbrauchers ihr gegenüber erfolgen, und zwar unabhängig davon, ob die beklagte Bank selber die Wertpapiere angeboten oder beworben habe, somit auch unabhängig davon, ob die Beklagte selbst eine Prospektpflicht getroffen habe oder sie diese verletzt habe. Zur Rechtswirksamkeit des von der Klägerin erklärten Rücktritts sei aber erforderlich, dass ein die Prospektpflicht auslösendes öffentliches Angebot ohne vorherige Prospektveröffentlichung vorgelegen sei. Von einem öffentlichen Angebot im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 KMG sei grundsätzlich dann auszugehen, wenn es an die Allgemeinheit erfolgt sei, der intendierte Adressatenkreis daher unbeschränkt oder nur nach gewissen abstrakten Kriterien beschränkt sei. Die Prospektpflicht werde nur dann ausgelöst, wenn ein öffentliches Angebot im Inland vorliege. Die Beklagte habe keine Veröffentlichungsmaßnahme gesetzt, sondern lediglich den Kaufauftrag der Klägerin ausgeführt. Sie habe somit kein öffentliches Angebot unterbreitet. Auch die deutsche Emittentin habe kein öffentliches Angebot in Österreich erstattet. Sie habe mit ihrem Disclaimer samt „Akzeptieren“-Taste klar gemacht, dass sich das Angebot nur an Anleger mit Wohnsitz in Deutschland richte. Mangels Vorliegens eines öffentlichen Angebots im Inland sei daher eine Prospektpflicht nach § 2 Abs 1 KMG zu verneinen. Da der Tatbestand für einen wirksamen Rücktritt nach § 5 Abs 1 KMG auf die Prospektpflicht des Angebots abstelle, sei schon deshalb der Rücktritt der Klägerin unwirksam.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, der Klage stattzugeben; in eventu wurde ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Anleger verwirke das Rücktrittsrecht keineswegs dadurch, dass er das anzukaufende Wertpapier selbst vorschlage. Wenn ein Wertpapier den gesetzlichen Richtlinien nicht entspreche, aber trotzdem ohne entsprechenden Hinweis verkauft werde, stehe dem Anleger nach dem KMG ein zeitlich unbefristetes Rücktrittsrecht zu. Es liege auch ein öffentliches Angebot für Konsumenten in Österreich vor, weil der Disclaimer nur dann gegenüber einem Konsumenten wirksam sein könne, wenn dieser nachweislich davon Kenntnis erlange und damit einverstanden sei.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Gemäß § 5 Abs 1 KMG können Anleger, die Verbraucher im Sinne des § 1 Abs 1 Z 2 KSchG sind, im Fall eines prospektpflichtigen Angebots ohne vorhergehende Veröffentlichung eines Prospekts oder der Angaben nach § 6 KMG (Nachtrag zum Prospekt) von ihrem Angebot oder vom Vertrag zurücktreten.

2. Eine Voraussetzung für die Ausübung eines Rücktrittsrechts nach § 5 KMG ist, dass ein die unterlassene Prospektveröffentlichungspflicht auslösendes öffentliches Angebot vorlag. Von einem öffentlichen Angebot (§ 1 Abs 1 Z 1 KMG) ist grundsätzlich dann auszugehen, wenn es ‑ direkt oder indirekt ‑ an die Allgemeinheit erfolgte, also der intendierte Adressatenkreis prinzipiell unbeschränkt war bzw an einen nur nach gewissen abstrakten Kriterien beschränkten Kreis von Adressaten gerichtet wurde und allen Personen, die diese Kriterien erfüllten, Zugang gewährte bzw gewähren sollte. Bei namentlicher bzw persönlicher Auswahl der Adressaten ist von einem öffentlichen Angebot grundsätzlich nicht auszugehen (vgl 2 Ob 32/09h). Treten Finanzintermediäre persönlich an Anleger, ausschließlich im Rahmen von individuellen Beratungs- und Verkaufsgesprächen, heran, liegt kein öffentliches Angebot vor, da die Anleger individuell informiert wurden und es somit keiner standardisierten Information durch das Prospekt bedarf ( Oberndorfer , Die Prospektpflicht nach dem KMG, 45 f; vgl auch Zib/Russ/Lorenz , KMG, § 1 Rz 12). Der unbestimmte Personenkreis kann durch eine persönliche Kontaktaufnahme ausgeschlossen werden. Maßgeblich sind die Elemente der Vielzahl und der Anonymität der angesprochenen Personen ( Kalss/Oppitz/Zollner , Kapitalmarktrecht I § 10 Rz 8). Das von der Prospektpflicht verfolgte Ziel des Anlegerschutzes wird in jenen Fällen, in denen ‑ wie hier ‑ ein Wertpapier ohne öffentliches Angebot im Inland von einem Anleger aufgrund individueller Beratung erworben wird, durch das individuelle Beratungsgespräch erreicht (vgl Oberndorfer aaO).

3. Vom Begriff des öffentlichen Angebots im Sinn von § 1 Abs 1 Z 1 KMG sind nur Mitteilungen erfasst, mit denen (auch) Anleger in Österreich angesprochen werden. Es kommt dabei nicht darauf an, von welcher Stelle die Angebote ausgehen, sondern darauf, ob damit Personen in Österreich angesprochen werden sollen. Die Maßnahmen des Anbieters müssen sich jedenfalls in Österreich auswirken. Bei Verwendung des Internet kommt es darauf an, ob damit Anleger in Österreich angesprochen werden sollen; der Standort des Servers ist nicht relevant ( Zivny , Kapitalmarktgesetz [2007] § 1 Rz 20).

Die Verwendung von sog Disclaimern ist bei Emissionen weit verbreitet. Diese dienen der Abgrenzung des Adressatenkreises, indem beispielsweise US-amerikanische Investoren vom Angebotskreis ausgenommen werden. Dies kann auch für österreichische Investoren gelten, wobei jeweils die Gesamtumstände der Mitteilung zu berücksichtigen sind. Der Emittent bzw Anbieter hat aber jedenfalls „angemessene Vorkehrungen“ zu treffen, damit österreichische Anleger die Wertpapiere nicht erwerben können. Das bedeutet im Einzelnen, dass der Anbieter dafür Sorge tragen muss, dass Zeichnungsangebote von österreichischen Anlegern nicht bearbeitet werden oder dass eine Übermittlung des Prospekts erst nach vorheriger Registrierung möglich ist ( Zivny aaO Rz 21). Generell muss es bei Disclaimern oder technischen Barrieren ausreichend sein, dass der Anbieter seinen Willen erkennbar kundtut, in einem bestimmten Staat anbieten zu wollen oder eben nicht. Es kann nicht verlangt werden, dass der Anbieter sicherstellt, dass ein Erwerb eines Anlegers aus dem Inland nicht möglich ist. Eine Kombination von entsprechenden Erklärungen und angemessenen technischen Barrieren ist aber zumutbar (vgl Oberndorfer , Die Prospektpflicht nach dem KMG, 84; Russ in Zib/Russ/Lorenz , KMG § 2 Rz 3).

4. Nach den Entscheidungen 4 Ob 174/02w und 4 Ob 47/07a (= RIS-Justiz RS0121909) ist in Anerkennung des Bedürfnisses nach Gestaltungsmöglichkeiten, Werbung und Angebot im Internet auf bestimmte Staaten zu beschränken, der Hinweis auf einer Website (Disclaimer), dass das Angebot nur für bestimmte Märkte gelte, ein zusätzliches Indiz dafür, auf welche Märkte ein Angebot ausgerichtet ist; er darf aber weder durch den sonstigen Inhalt der Website noch durch das tatsächliche Verhalten des werbenden Unternehmens widerlegt sein.

5. Auch nach der deutschen Rechtsprechung kann ein Disclaimer, mit dem der Werbende ankündigt, Adressaten in einem bestimmten Land nicht zu beliefern, ein Indiz für eine Einschränkung des Verbreitungsgebiets sein. Ein wirksamer Disclaimer setzt aber voraus, dass er klar und eindeutig gestaltet und aufgrund seiner Aufmachung als ernst gemeint aufzufassen ist (BGH in GRUR 2006, 513 [515]). Allgemein wird im deutschen Aktienrecht bei grenzüberschreitenden Angeboten die Verwendung von Disclaimers, mit denen ‑ auch innerhalb der EU ‑ der Bieter deutlich macht, dass er die Angebotsunterlage nicht von sich aus in andere Länder versendet, für zulässig erachtet ( Wackerbarth in MüKoAktG 3 , § 24 WpÜG Rz 23).

6. Art 29 Abs 2 EU-ProspV regelt, dass im Fall der Zurverfügungstellung eines Prospekts bzw Basisprospekts an das Publikum für das Angebot von Wertpapieren auf der Website des Emittenten oder der Finanzintermediäre bzw der geregelten Märkte Maßnahmen zu ergreifen sind, mit denen vermieden wird, die Gebietsansässigen in Mitgliedstaaten oder Drittländern anzusprechen, in denen die Wertpapiere dem Publikum nicht angeboten werden. Dies kann etwa durch eine klare Erklärung dahingehend erfolgen, wer die Adressaten des Angebots sind.

7. Der Anbieter kann durch einen Disclaimer einen Hinweis geben, wer Adressat des Angebots ist. Der Disclaimer ist eine anerkannte Maßnahme gemäß Art 29 EU‑ProspV, falls er nicht allein der Umgehung der inländischen Prospektpflicht dient. Indizien für das Zielpublikum sind in erster Linie die Sprache des jeweiligen Landes und der Hinweis auf dort ansässige Ansprechpartner, Abwicklungs- und Zahlstellen oder Hinweise auf dort geltende Steuerregularien oder -sparmodelle. Weist das Angebot alle vorgenannten inhaltlichen Bezüge zu dem betreffenden Land auf, kann die Prospektpflicht in diesem auch durch einen Disclaimer nicht wirksam ausgeschlossen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Disclaimer die Anforderungen aus Art 29 EU-ProspV erfüllt. Liegen dagegen keine oder nur einige der vorgenannten Indizien vor, kann sich der Anbieter durch einen entsprechenden Disclaimer von der Prospektpflicht im betreffenden Land befreien. Bei Zeichnung über die Internetseiten wäre eine Maske denkbar, in der zeichnungswillige Anleger nach ihrem Herkunftsland gefragt und die Anfrage nicht weiter bearbeitet wird, wenn eines jener Länder dort eingegeben wird, auf die sich das Angebot nicht beziehen soll. Eine Pflicht des Anbieters zur Überprüfung falscher Angaben Zeichnungswilliger besteht nicht ( Heidelbach in Schwark/Zimmer , Kapitalmarktrechts-Kommentar 4 , WpPG § 3 Rz 8-11).

8. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Inhalt des maßgeblichen Basisprospekts einschließlich der endgültigen Bedingungen, insbesondere aus den dortigen nur Deutschland betreffenden Besteuerungshinweisen sowie dem Hinweis, dass man diese Informationen nur durch Betätigen der „Akzeptieren“-Taste abrufen kann, ausreichend deutlich, dass der Adressatenkreis für dieses öffentliche Angebot der Emittentin zum Verkauf der Solon 70 Discountzertifikate auf den Zielmarkt Deutschland gerichtet war. Eine gezielte Ansprache von potenziellen Anlegern in Österreich, etwa durch Nennung von hier ansässigen Ansprechpartnern, Abwicklungs- und Zahlstellen oder Hinweise auf hier geltende Steuerregularien oder -sparmodelle, ist nicht erfolgt. Deshalb ist ‑ wie auch das Berufungsgericht zutreffend erkannte ‑ davon auszugehen, dass sich das Angebot erkennbar (nur) an Anleger mit Wohnsitz in Deutschland gerichtet hat. Einer positiven Kenntnis des Inhalts des Disclaimers durch den Anleger bedarf es nicht.

9. Mangels Vorliegens eines öffentlichen Angebots im Inland besteht daher keine Prospektpflicht nach § 2 Abs 1 KMG. Ein auf § 5 KMG gestützter Rücktritt der Klägerin vom Kaufvertrag kommt damit nicht in Betracht. Die Stichhaltigkeit der weiteren Einwendungen der Beklagten ist damit unerheblich.

Der Revision der Klägerin war nicht Folge zu geben.

10. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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