OGH 4Ob162/01d

OGH4Ob162/01d10.7.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Gaston G*****, vertreten durch Höhne & In der Maur, Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei Verlagsgruppe N***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Lansky & Prochaska, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 1,000.000 S), infolge Revisionsrekurses des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 26. April 2001, GZ 1 R 39/01i-13, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 28. Dezember 2000, GZ 19 Cg 113/00i-8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung - einschließlich des als nicht in Beschwerde gezogen in Rechtskraft erwachsenen sowie des bestätigten Teils - insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs des Klägers wird der Beklagten bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Unterlassungsanspruch geboten, es zu unterlassen, Bildnisse des Klägers im Zusammenhang mit der Berichterstattung über dem Kläger vorgeworfene Steuerhinterziehung zu veröffentlichen.

Das Mehrbegehren, der Beklagten zu verbieten, Bildnisse des Klägers im Zusammenhang mit der Berichterstattung über einen auf den Kläger verübten Mordanschlag zu veröffentlichen, wird abgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 7.570,80 S bestimmten anteiligen Äußerungskosten (darin 1.261,80 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 20.828,70 S bestimmten anteiligen Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 3.471,45 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Kläger hat die halben Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen; die halben Kosten hat er vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger ist geschäftsführender Gesellschafter der G***** GmbH, die Faustfeuerwaffen herstellt. Die Beklagte ist Medieninhaberin der periodischen Druckschrift N*****.

In der Ausgabe Nr 44 dieser Zeitschrift vom 2. 11. 2000 erschien ein Artikel, der mit "Steuerfahndung vs. G*****" und "500-Millionen-Affäre. Spitzenfahnder haben den Waffenproduzenten Gaston G***** im Visier. Der Verdacht: Steuerhinterziehung von bis zu 500 Mio öS." überschrieben war. Der Artikel war (ua) mit einem Bildnis des Klägers illustriert, das mit folgendem Text versehen war:

"Gaston G*****. Der medienscheue Pistolen-Produzent steht im Mittelpunkt einer extrem brisanten und millionenschweren Finanzaffäre.

Hausdurchsuchung"

Der Artikel lautete auszugsweise:

"Dienstag, 31. Oktober, kurz nach 7 Uhr morgens. Im sechsten Stock des Finanzamtes in der Wiener Traisengasse 5 herrscht bereits hektischer Hochbetrieb. Hinter Panzerglas und abgesperrten Stahltüren besprechen die Steuerfahnder der PaSt (Prüfungsabteilung für Strafsachen) noch ein letztes Mal ihre Vorgangsweise für diesen Tag. Es steht viel auf dem Spiel.

Dieser Einsatz ist selbst für die Top-Ermittler von Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ) nicht alltäglich. Monatelang wurde unter strengster Geheimhaltung auf diesen Tag hingearbeitet. Jetzt wird zugeschlagen. Achtzehn PaSt-Fahnder reiten bei Haudurchsuchungen in Kärnten und in der Nähe von Wien ein wie die sprichwörtliche Kavallerie. Und zwar bei niemand Geringerem als bei Gaston G*****, seines Zeichens österreichischer Paradeindustrieller, Produzent des Exportschlagers 'G*****'-Pistolen und enger Vertrauter des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider.

Der Verdacht: bis zu 500 Mio. Steuerhinterziehung. Die Ziele der Fahnder sind klar umrissen: Sie haben beim Landesgericht Korneuburg Hausdurchsuchungen in Liegenschaften des Waffenproduzenten beantragt und dabei einen Verdacht zu Papier gebracht, der von seinem Volumen her die Vorstellungskraft von Otto Normalverdiener zu sprengen droht:

'vorsätzliche Abgabenhinterziehung im Umfang von bis zu 500 Millionen Schilling'.

NEWS liegen exklusiv umfangreiche Dokumente vor, die auch die Steuerfahndung hat - und zwar nicht durch illegale Weitergabe von Verschlussdokumenten durch Beamte, sondern durch intensive Recherchen, die durch halb Europa führten: Schriftverkehr von Anwälten G*****s, weite Teile seiner Kostenrechnung vom Schlagbolzen bis zur Kimme der Pistolen, Gerichtsakten aus Luxemburg, weltweite Kundenlisten ...

Kernstück der Dokumente ist aber zweifellos der vorliegende Schriftverkehr von G*****s österreichischen Rechtsanwälten. Dieser Schriftverkehr offenbart nahezu unglaubliche Vorgänge, die jahrelang nicht nur der heimischen Finanz, sondern auch der breiten Öffentlichkeit verborgen geblieben sind: Der mittlerweile in Kärnten ansässige 72-jährige Industrie-Tycoon G***** hat in den letzten zwei Jahren - gelinde gesagt - viel erlebt.

Mordanschlag auf Gaston G*****. 'The attempt to kill Mr. G***** was on 27th of July 1999 in Luxembourg", schrieb G*****s Wiener Rechtsanwalt Dr. Peter S***** am 10. August 1999 der Genfer Anwaltskanzlei W***** völlig trocken. Was war passiert? Aus NEWS vorliegenden umfangreichen Protokollen geht hervor, dass G***** Ende Juli 1999 nach L***** gereist ist, um den Geschäftsführer der 'U***** Holding', Charles E., aufzusuchen. Der ist unter Wirtschaftsjournalisten kein unbeschriebenes Blatt...

Das 'geheime' Attentat. G***** wurde bei seiner Ankunft in L***** von Charles E. persönlich abgeholt. Die Fahrt führte in eine Tiefgarage und hatte für den Austro-Industriellen ein überraschendes Ende:

Unmittelbar nachdem er aus dem Auto steigt, wird er von hinten mit einem Hammer attackiert. E. ergreift die Flucht, während G***** um sein Leben kämpft. Erst nach zehn Minuten kehrt E. mit der Polizei an den Tatort zurück und muss überrascht zur Kenntnis nehmen, dass der 72-jährige Wahlkärntner den deutlich jüngeren Angreifer Jacques P. im Überlebenskampf niedergerungen hat. Dann geht es Schlag auf Schlag, wie G*****s Anwalt S***** einer Genfer Kanzlei schriftlich mitteilt:

'U*****'-Mann Charles E. wird von G***** aus all seinen Positionen in der U***** 'entfernt' und kurzfristig sogar in U-Haft genommen. Der Verdacht der L***** Behörden laut S*****: E. soll den Täter Jacques P. dazu angestiftet haben, G***** zu töten.

Bleibt die Frage nach dem Warum. Warum wurde der Mordanschlag auf Gaston G***** in Österreich nie bekannt, und das, obwohl sowohl die L***** Polizei als auch das zuständige Gericht die Ermittlungen zu diesem Mordversuch bestätigen? Und noch viel interessanter: Was für ein Motiv soll E. - der bereits nach zwei Tagen U-Haft enthaftet wurde - überhaupt haben, um G***** töten zu lassen? Der Schlüssel zur Antwort liegt wohl bei der L***** 'U***** Holding S.A.' und Londoner und Dubliner Firmen in deren Umfeld.

G*****s Firmennetzwerk. Und genau hier setzt die österreichische Steuerfahndung an. Ein Fahnder: 'Nach unseren Erhebungen wurden G***** Aufwandsspesen über Dritt- und Viertstaaten unter dem Titel 'Zurverfügungstellung von Organisationsleistungen' verrechnet. Diese Aufwände - wir rechnen mit bis zu einer Milliarde Schilling - reduzieren hier in Österreich den Gewinn. Wenn man sich ansieht, wer die Empfängerfirmen dieser Spesen sind, stellt man schnell fest, dass diese bei näherer Betrachtung mehr als nur suspekt erscheinen. Da mussten wir zum Beispiel feststellen, dass ausländische Firmen Rechnungen legten, obwohl sie nach offiziellen Firmenbuchauszügen zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr existierten. Diese komplexe Firmenkonstruktion wurde offenbar gewählt, damit die Eigentümerschaft des Herrn G***** an diesen ausländischen Unternehmen und die sich daraus ergebenden steuerrechtlichen Konsequenzen verheimlicht werden'.

Brisantes Schreiben: 'E. ist nur Treuhänder'. Harte Anschuldigungen. Und die dürfte die Finanz - einmal mehr durch Briefe von G*****s Anwälten - belegen können.

So schreibt sein Anwalt S***** am 6. Dezember 1999 in Bezug auf die 'U*****': 'E. war für die G*****-Gruppe immer nur als Treuhänder und Finanzdienstleister tätig.' ...

..."

Der Kläger ist einer breiten Öffentlichkeit nicht bekannt. Sein Bildnis wurde bisher nur in Fachzeitschriften veröffentlicht.

Der Kläger begehrt zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten zu untersagen, Bildnisse des Klägers im Zusammenhang mit der Berichterstattung über ihm vorgeworfene Steuerhinterziehung und/oder einen auf den Kläger verübten Mordanschlag zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung greife massiv in die Interessen des Klägers als Wirtschaftstreibender ein. Sie sei nur durch mehrfachen Rechtsbruch möglich gewesen. Es bestehe kein schutzwürdiges Interesse der Öffentlichkeit, über ein laufendes Finanzstrafverfahren informiert zu werden. Der Kläger habe es immer abgelehnt, sich fotografieren zu lassen oder Interviews zu geben. Die Bildnisveröffentlichung schaffe eine Identifikationsmöglichkeit.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Der Artikel verletze die Unschuldsvermutung nicht. Das Material für die Veröffentlichung sei nicht durch Gesetzesbruch beschafft worden. Wie die Informationen beschafft wurden, sei aber auch unerheblich. Die Äußerungen des Fahnders seien wahrheitsgetreu wiedergegeben worden. Der Kläger sei schon bisher in "Waffenkreisen" bekannt gewesen. § 7a MedG habe nicht den Zweck, die Berichterstattung über ein Verbrechensopfer gänzlich zu verhindern; sie dürfe nur nicht unverhältnismäßig sein.

Das Erstgericht verbot der Beklagten, Bildnisse des Klägers im Zusammenhang mit der Berichterstattung über dem Kläger vorgeworfene Steuerhinterziehung zu veröffentlichen, soweit in dem zugehörigen Bericht der Kläger nicht bloß als verdächtig, sondern die Tat bereits als erwiesen hingestellt werde; das Mehrbegehren wies es ab. In der zitierten Aussage eines Fahnders werde der Kläger nicht bloß als verdächtig, sondern als der ihm angelasteten Steuerhinterziehung überführt dargestellt. Damit werde die Unschuldsvermutung verletzt. Der Bericht sei jedoch nicht zur Gänze unzulässig, weil das Informationsinteresse der Öffentlichkeit das Geheimhaltungsinteresse des Klägers überwiege. Was den Bericht über den Mordversuch betreffe, so sei der Identitätsschutz des Opfers zwar strenger als der des Täters; auch insoweit sei jedoch ein überwiegendes Informationsinteresse zu bejahen.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Fortkommen des Klägers werde durch die Bildberichterstattung nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. Es komme nicht darauf an, auf welche Weise sich die Beklagte die Informationen beschafft habe. Durch den Bericht über den Mordversuch werde weder in den höchstpersönlichen Lebensbereich des Klägers eingegriffen noch werde er in der Öffentlichkeit bloßgestellt. Die Gefahr von Nachahmungstätern bestehe bei spektakulären Straftaten immer und könne daher nicht dazu führen, dass ein überwiegendes Informationsinteresse zu verneinen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig; er ist auch teilweise berechtigt.

Der Kläger macht geltend, dass § 7a MedG zwischen Vergehen und Verbrechen unterscheide. Bei Vergehen sei - anders als bei Verbrechen - keine Interessenabwägung vorzunehmen. Da dem Kläger nur Finanzvergehen vorgeworfen worden seien, sei die Bildnisveröffentlichung von vornherein nicht gerechtfertigt gewesen. Aber auch die - gar nicht vorzunehmende - Interessenabwägung gehe zu Gunsten des Klägers aus. Der Bericht habe nur unter Bruch des Abgabengeheimnisses zustandekommen können. Es gebe kein berücksichtigungswürdiges Interesse der Öffentlichkeit, über ein Finanzstrafverfahren informiert zu werden. Beim Mordanschlag handle es sich um eine Tatsache des höchstpersönlichen Lebensbereichs. Auch insoweit bestehe daher kein Informationsinteresse.

1. Zum Vorwurf der Abgabenhinterziehung

Dem Kläger ist zuzustimmen, dass das Rekursgericht nicht ausreichend berücksichtigt hat, welche Vorwürfe gegen den Kläger erhoben werden. Im Begleittext zur Bildnisveröffentlichung wird berichtet, dass der Kläger im Verdacht stehe, vorsätzlich Abgaben von bis zu 500 Millionen Schilling hinterzogen zu haben, und dass gegen ihn ein Verfahren anhängig sei. Gleichzeitig wird der Eindruck erweckt, dass er tatsächlich Abgaben hinterzogen habe. Dem Kläger wird damit ein Finanzvergehen im Sinne der §§ 33, 53 FinStrG vorgeworfen. Im Bericht finden sich aber keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass sich der Kläger eines Betrugs und damit eines Verbrechens schuldig gemacht haben könnte. Es kann daher offen bleiben, unter welchen Umständen eine Abgabenhinterziehung als Betrug zu verfolgen sein kann.

Ob der Kläger im Verdacht steht, ein Vergehen oder ein Verbrechen begangen zu haben, ist für die Frage von Bedeutung, ob die Bildnisveröffentlichung berechtigte Interessen des Klägers verletzt.

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung sind nämlich bei der Auslegung

des § 78 UrhG die Wertungen des Medienrechts jedenfalls dort zu

berücksichtigen, wo der gleiche Sachverhalt geregelt wird. § 7a MedG

unterscheidet zwischen der Berichterstattung über Vergehen und jener

über Verbrechen. So kommt der Identitätsschutz Erwachsenen, die eines

Verbrechens verdächtig sind oder wegen eines Verbrechens verurteilt

wurden, nur dann zu, wenn durch die Veröffentlichung ihr Fortkommen

(unter Bedachtnahme auf die Umstände der Tat sowie deren Verfolgung

und Bestrafung) unverhältnismäßig beeinträchtigt werden kann (§ 7a

Abs 2 Z 2 MedG). Ist dies nicht der Fall, dann ist nach § 7a Abs 1

MedG - wegen des Zusammenhangs des (angeblichen) Verbrechens mit dem

öffentlichen Leben - ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit

an der Veröffentlichung des Bildes (und anderer Angaben zur

Identität) gegeben. In einem solchen Fall verletzt die

Bildnisveröffentlichung auch nicht die durch § 78 UrhG geschützten

berechtigten Interessen des Abgebildeten (SZ 70/183 = JBl 1998, 55 =

MR 1997, 302 = ÖBl 1998, 88 - Ernestine K.; MR 1998, 191 -

Prozessbericht ua).

Ist der Abgebildete hingegen eines Vergehens verdächtig, so verletzt die identifizierende Berichterstattung jedenfalls schutzwürdige Interessen des Betroffenen (§ 7a Abs 2 Z 2 MedG). Diese Interessen sind regelmäßig höher zu bewerten als die Informationsinteressen der Medien (MR 1998, 126 [Korn] - Ing. P). Korn (aaO) kritisiert die zitierte Entscheidung mit der Begründung, dass die Bejahung eines schutzwürdigen Interesses gemäß § 7a Abs 2 Z 2 MedG nicht in allen Fällen von vornherein ein überwiegendes Informationsinteresse ausschließe. Ein Entschädigungsanspruch nach § 7a MedG bestehe bei Verletzung schutzwürdiger Interessen nur dann, wenn weder ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung bestanden habe noch ein Ausschlussgrund nach Abs 3 vorliege.

Korn ist insoweit zuzustimmen, als die in § 7a Abs 1 MedG aufgetragene Interessenabwägung voraussetzt, dass die identifizierende Berichterstattung schutzwürdige Interessen des Betroffenen verletzt. Die Verletzung schutzwürdiger Interessen kann daher die Interessenabwägung nicht überflüssig machen. Zu beachten ist aber, dass § 7a Abs 2 MedG Fälle aufzählt, in denen der Eingriff in die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen besonders schwer wiegt, wie dies nicht nur bei der Berichterstattung über ein Vergehen, sondern insbesondere bei einer Berichterstattung über die einem Jugendlichen vorgeworfenen Straftaten (§ 7a Abs 2 Z 2 MedG) oder bei einer Berichterstattung der Fall ist, die geeignet ist, in den höchstpersönlichen Lebensbereich des Opfers einzugreifen oder es bloßzustellen (§ 7a Abs 2 Z 1 MedG). In diesen Fällen wird ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit in der Regel zu verneinen sein, so dass dies letztlich Fälle sind, in denen es zu keiner weiteren Interessenabwägung mehr kommt.

Im vorliegenden Fall ist der Beklagten aber auch dann nicht geholfen, wenn die Interessen gegeneinander abgewogen werden. Die Beklagte behauptet ein überwiegendes Informationsinteresse in Bezug auf einen Bericht, dessen Gegenstand Erhebungen sind, die gegen den Kläger wegen eines Finanzvergehens geführt werden. Derartige Erhebungen sind nicht öffentlich; für die daran beteiligten Organe besteht die Verpflichtung zur abgabenrechtlichen Geheimhaltung (§ 48a BAO). Der Bericht betrifft damit Erhebungen, die nach dem Willen des Gesetzgebers geheim zu bleiben haben. Das Bestehen einer Geheimhaltungsverpflichtung schließt es aus, ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu bejahen.

Das gilt unabhängig davon, wie sich die Beklagte die Informationen beschafft hat. Auch wenn sie einen Weg gefunden haben sollte, an die Informationen heranzukommen, ohne zum Bruch des Abgabengeheimnisses zu verleiten oder ihn auszunützen, änderte dies nichts daran, dass es sich um Informationen handelt, die geheim zu bleiben haben und an denen daher kein berechtigtes Informationsinteresse bestehen kann.

2. Zum Bericht über den Mordversuch

§ 7a MedG erfasst auch die identifizierende Berichterstattung über die Opfer gerichtlich strafbarer Handlungen. Ihre schutzwürdigen Interessen werden nach § 7a Abs 2 MedG jedenfalls verletzt, wenn die Veröffentlichung geeignet ist, einen Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich oder eine Bloßstellung des Opfers herbeizuführen. Der Identitätsschutz des Opfers ist strenger als der des Täters (Verdächtigen); bereits die abstrakte Gefahr eines Eingriffs in den höchstpersönlichen Lebensbereich oder eine Bloßstellung des Opfers löst den Identitätsschutz aus (Brandstetter/Schmid, Kommentar zum MedienG**2 § 7a Rz 22; Hager/Zöchbauer, Persönlichkeitsschutz im Straf- und Medienrecht4, 52).

Entgegen der Auffassung des Klägers kann nicht angenommen werden, dass ein Bericht über einen Mordversuch immer geeignet sei, in den höchstpersönlichen Lebensbereich des Betroffenen einzugreifen. Wie sich ein derartiger Bericht auswirkt, hängt davon ab, ob und über welche Begleitumstände berichtet wird. Das Gleiche gilt auch für die Frage, ob der Bericht geeignet ist, das Opfer bloßzustellen. Auch hier kommt es darauf an, welches Licht der Bericht auf das Opfer wirft.

Im vorliegenden Fall wird der Verdacht geäußert, dass der Geschäftsführer eines dem Kläger nahestehenden Unternehmens den am Kläger verübten Mordversuch in Auftrag gegeben habe. Dadurch wird weder der höchstpersönliche Lebensbereich des Klägers berührt, noch wird er in irgendeiner Weise bloßgestellt. Es ist auch nicht zu befürchten, dass durch den Bericht Nachahmungstäter angeregt werden könnten, nachdem die Tat weder vom Anlass noch von der Ausführung her besonders spektakulär war. Nicht geteilt werden kann auch die Befürchtung des Klägers, er könne sich nun nicht mehr wie ein ganz normaler Mensch auf der Straße bewegen, sondern müsste damit rechnen, mit entsprechenden Bemerkungen bedacht zu werden. Mit dieser Befürchtung überschätzt der Kläger sowohl das Erinnerungsvermögen des Publikums als auch die Intensität der Anteilnahme an derartigen Geschehnissen.

Durch die Bildnisveröffentlichung werden demnach im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den am Kläger verübten Mordversuch dessen berechtigte Interessen nicht verletzt. Insoweit war die angefochtene Entscheidung daher zu bestätigen und dem Revisionsrekurs war nur teilweise Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Klägers beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 43, 50 ZPO. Der Kläger ist mit einem Teilbegehren unterlegen, mit dem anderen hat er obsiegt. Die beiden Begehren sind mangels anderer Anhaltspunkte mit je der Hälfte des Streitwerts zu bewerten.

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