OGH 4Ob158/99k

OGH4Ob158/99k13.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johannes M*****, vertreten durch Dr. Christoph Leon, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. M. K*****, 2. K***** GmbH, 3. K***** F***** GmbH, *****, alle vertreten durch Dr. Wilfried Haslauer und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 450.000 S), infolge Revisionsrekurses des Klägers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Linz vom 5. Mai 1999, GZ 3 R 88/99b-9, mit dem der Beschluß des Landesgerichts Salzburg vom 17. März 1999, GZ 5 Cg 50/99w-3, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger erzeugt und vertreibt unter der Bezeichnung "Mad*****" quadratische Fußbodenelemente, die aus einem Rahmen und einer Füllung bestehen, für die verschiedene Materialien (zB Steinholz, Kunststoffe), verwendet werden. Zwischen ihm und der "K*****-Gruppe" begannen im Mai 1995 Lizenz- und Kooperationsverhandlungen, die die "K*****-Gruppe" im Dezember 1997 beendete. Zu der in Aussicht genommenen Zusammenarbeit kam es nicht.

Die Drittbeklagte ist ein Unternehmen der "K*****-Gruppe". Sie erzeugt und vertreibt seit 1997 einen Laminatboden, der aus Doppelelementen mit je zwei quadratischen Flächen besteht. Der Boden ist Holz-, Stein- und Fliesenböden nachgebildet; teilweise haben die Elemente eine nachgebildete Holzumrahmung. Die Drittbeklagte vertreibt ihren Laminatboden unter der Bezeichnung "Mast*****".

Der Kläger begehrt, den Beklagten zu untersagen, Fußböden herzustellen und/oder zu vertreiben, die in ihrer optischen Anmutung (dem Erscheinungsbild) dadurch gekennzeichnet sind, daß sie den Eindruck erwecken, daß sie aus quadratischen Elementen bestehen, die wiederum aus Rahmen und Füllung bestehen, wobei Rahmen- und Füllungsbreite im Verhältnis 1 : ca. 5-7 stehen und für Rahmen und Füllung verschiedene Materialien verwendet werden, insbesondere Holz für Rahmen und Steinholz für die Füllung, insbesondere Fußböden wie dem "Mast***** 60/30", dargestellt in den einen integrierenden Bestandteil bildenden angeschlossenen Abbildungen in der Zeitschrift "Design". Der Kläger habe das Bodenelement "Mad*****" in jahrelanger Arbeit mit großem Kostenaufwand entwickelt. Die Technologie sei geschützt; ein Patentverfahren anhängig. Die Beklagten hätten sich verpflichtet, alle ihnen in den Lizenz- und Kooperationsverhandlungen zugänglich gemachten Informationen vertraulich zu behandeln und die Produktidee weder selbst noch durch Weitergabe an Dritte zu verwerten. Die Beklagten hätten diese Verpflichtung nicht eingehalten, sondern die Informationen systematisch für die Entwicklung eines eigenen Produkts verwertet. Dieses Produkt, der "Mast*****", sei den Bodenelementen des Klägers verwechselbar ähnlich. Die Beklagten hätten das Arbeitsergebnis des Klägers in sittenwidriger Weise ausgebeutet. Dem Kläger drohe dadurch ein unwiederbringlicher Schaden. Durch das wesentlich billigere Erzeugnis der Beklagten werde der Markt für "Mad*****" ruiniert; die für den angesprochenen Kundenkreis wichtige Exklusivität sei nicht mehr gegeben.

Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Der Kläger sei an die Erstbeklagte wegen einer Zusammenarbeit herangetreten; die Zweitbeklagte sei an den Gesprächen nicht beteiligt gewesen. Die Erstbeklagte erzeuge seit 1997 keine Fußbodenbeläge mehr; dies sei nunmehr ausschließlich Aufgabe der Drittbeklagten. Erst- und Zweitbeklagte seien nicht passiv legitimiert. Die von der Erstbeklagten bis 1997 und von der Drittbeklagten derzeit vertriebenen Fußbodenbeläge seien den Bodenelementen des Klägers nicht verwechselbar ähnlich. Das Design der Bodenelemente des Klägers sei nicht neu, sondern seit Jahrhunderten gebräuchlich. Die Erstbeklagte sei nicht am Design, sondern ausschließlich an der vom Kläger entwickelten Kombination hochwertiger Materialien interessiert gewesen. Die Gespräche seien jedoch an den irrealen finanziellen Forderungen des Klägers gescheitert. Die Bodenelemente hätten auch keine ausreichende "Dimensionsstabilität" aufgewiesen. Die Beklagten hätten sich nicht verpflichtet, Informationen geheimzuhalten und nicht zu verwenden.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Das Erzeugnis des Klägers habe eine gewisse Verkehrsbekanntheit erreicht; die Beklagten hätten es in sittenwidriger Weise nachgeahmt. Daß die Nachahmungen Produkte minderwertiger Qualität seien, sei unerheblich. Der Durchschnittsbetrachter verwechsle die Erzeugnisse der Streitteile. Die Beklagten seien als Unternehmen der "K*****-Gruppe" passiv legitimiert; das wettbewerbswidrige Verhalten umfasse sowohl den Produktions- als auch den Vertriebsvorgang.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Beklagten hätten die Fußbodenelemente des Klägers nicht nachgeahmt. Materialien und Verarbeitung seien völlig verschieden. Selbst Laien könnten die beiden Produkte nicht verwechseln. Sie unterschieden sich fast so deutlich voneinander wie keramische Fliesen von einem Kunststoffbelag mit Fliesendekor. Die Gestaltung der Fußbodenelemente (quadratischer Rahmen mit andersfarbiger Füllung) sei seit vielen Jahren allgemein verbreitet. Das Muster sei so einfach, daß es nicht geeignet sei, beim Publikum Herkunftsvorstellungen auszulösen. Der Unterlassungsanspruch lasse sich auch nicht aus der "Geheimhaltungserklärung" vom 4. 8. 1995 ableiten. Sie beziehe sich auf "alle Muster und Informationen technischer und/oder wirtschaftlicher Art betreffend das Verfahren zur Herstellung von flächenhaften Bauelementen, zB die unter dem Markennamen 'Mad*****' vertriebenen Fußbodenfliesen", nicht aber auf deren optische Gestaltung. Die Geheimhaltungserklärung gelte auch nicht für Informationen, die zum Zeitpunkt ihres Erhalts der Öffentlichkeit zugänglich waren oder danach zugänglich wurden oder den Empfängern bereits bekannt waren oder von Dritten übermittelt wurden.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Der Kläger hält an seiner Auffassung fest, daß die Erzeugnisse der Streitteile einander verwechselbar ähnlich seien. Das Rekursgericht habe nur auf die verwendeten Materialien abgestellt und die "optische Anmutung" zu Unrecht als "Allerweltsmuster" abgetan. Das Erzeugnis der Beklagten sei so "gelungen", daß es ein Durchschnittsbetrachter mit den Bodenelementen des Klägers verwechsle.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Die Verwendung verschiedener Materialien schließt die Verwechslungsgefahr zwar nicht von vornherein aus; keine Verwechslungsgefahr besteht aber dann, wenn das jeweils verwendete Material das Aussehen maßgeblich bestimmt und zwischen den verwendeten Materialien tiefgreifende Unterschiede bestehen. Das trifft im vorliegenden Fall zu:

Selbst ein flüchtiger Betrachter erkennt, daß für die "Mad*****"-Bodenelemente des Klägers und den "Mast*****"-Bodenbelag der Beklagten verschiedene Materialien verwendet werden, deren Eigenschaften den Gesamteindruck entscheidend prägen. Die "Mad*****"-Bodenelemente erwecken den Eindruck hochwertiger Materialien und sorgfältiger Verarbeitung; der "Mast*****"-Bodenbelag ist auf den ersten Blick als Kunststoffbodenbelag zu erkennen. Die Gestaltung ist nur insofern ähnlich, als bei beiden Böden quadratische Elemente mit einem farblich abgesetzten Rahmen verwendet werden. Das reicht aber nicht aus, um die Verwechslungsgefahr zu bejahen.

Der Kläger hat seinen Anspruch aber auch darauf gestützt, daß sich die Beklagten in den Lizenzverhandlungen verpflichtet hätten, auch die Informationen über das optische Konzept/Design weder selbst noch durch Weitergabe an Dritte zu verwerten. Die Beklagten hätten sich verpflichtet, sämtliche Informationen geheimzuhalten und von den erhaltenen Informationen keinen wirtschaftlichen Gebrauch zu machen. Zur Bescheinigung seines von den Beklagten bestrittenen Vorbringens hat sich der Kläger auf die von ihm vorgelegte eidesstättige Erklärung, auf seine Vernehmung als Auskunftsperson und auf weitere Urkunden berufen.

Dem Beschluß des Erstgerichts ist nicht zu entnehmen, welchen Sachverhalt es aufgrund welcher Erwägungen als bescheinigt angenommen hat. Da es die Verwechslungsgefahr - zu Unrecht - bejaht und die einstweilige Verfügung schon aus diesem Grund antragsgemäß erlassen, hat es sich mit dem Vorbringen des Klägers zu den von den Beklagten eingegangenen Verpflichtungen nicht weiter auseinandergesetzt. Das Rekursgericht hat sich damit zwar befaßt; es hat sich dabei aber auf die Geheimhaltungserklärung vom 4. 8. 1995 beschränkt und diese Erklärung dahin ausgelegt, daß sie sich nicht auf die optische Gestaltung beziehe.

Dabei hat das Rekursgericht übersehen, daß sich der Kläger nicht bloß auf die Geheimhaltungserklärung berufen hat. Er hat behauptet, die Beklagten hätten sich verpflichtet, auch die Informationen über das neue optische Konzept/Design geheimzuhalten und die Produktidee weder selbst noch durch Weitergabe an Dritte zu verwerten. Zur Bescheinigung seines Vorbringens hat der Kläger nicht bloß seine eidesstättige Erklärung vorgelegt, sondern auch seine Vernehmung als Auskunftsperson angeboten. Während die eidesstättige Erklärung der gefährdeten Partei, mit der sie ihre Behauptungen bestätigt oder wiederholt, kein geeignetes Bescheinigungsmittel ist, trifft dies für die nicht beeidete Vernehmung der Parteien, die grundsätzlich mit beiden Parteien durchzuführen ist, nicht zu (SZ 50/25; JBl 1978, 424). Mit der von ihm beantragten Vernehmung als Auskunftsperson hat der Kläger demnach ein geeignetes Bescheinigungsmittel angeboten.

Das Erstgericht hätte sich daher mit dem Vorbringen des Klägers auseinandersetzen und ihn als Auskunftsperson vernehmen müssen. Darüber hinaus hätte es aber auch die von den Beklagten angebotenen Bescheinigungen aufnehmen müssen. Es trifft nämlich nicht zu, daß, wie der Kläger behauptet, die Beklagten seinem Vorbringen nicht entgegengetreten wären. Sie haben es vielmehr vehement bestritten und mehrere Auskunftspersonen genannt.

In Stattgebung des Revisionsrekurses waren daher die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu fällende Entscheidung aufzutragen (§§ 78, 402 Abs 4 EO, § 527 Abs 2 ZPO).

Im fortzusetzenden Verfahren wird das Erstgericht die angebotenen Beweismittel aufzunehmen und festzustellen haben, ob die Beklagten die vom Kläger behaupteten Verpflichtungen eingegangen sind. Sollte das Bescheinigungsverfahren ergeben, daß sich die Beklagten dem Kläger gegenüber verpflichtet haben, keine Fußbodenbeläge herzustellen, die ähnlich aussehen wie seine "Mad*****"-Bodenelemente, so hätten sie mit der Erzeugung und dem Vertrieb ihres "Mast*****"-Bodenbelags einen Vertragsbruch begangen. Der Unterlassungsanspruch des Klägers wäre daher berechtigt. Eine einstweilige Verfügung könnte allerdings nur bei Vorliegen einer Gefährdung im Sinne des § 381 EO erlassen werden, weil § 24 UWG bei Sicherung vertraglicher Ansprüche nicht anwendbar ist. Das Erstgericht wird daher zu prüfen haben, ob dem Kläger, wie von ihm behauptet, ein unwiederbringlicher Schaden droht, sollte die einstweilige Verfügung nicht erlassen werden.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.

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