OGH 4Ob156/01x

OGH4Ob156/01x10.7.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter Michael P*****, vertreten durch Mag. Heinz Kupferschmid, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei O***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Moser, Rechtsanwalt in Graz, wegen Aufhebung eines Schiedsspruches (Streitwert 131.716,13 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 30. März 2001, GZ 4 R 55/01t-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 15. Jänner 2001, GZ 20 Cg 214/00f-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 8.112 S (darin 1.352 S USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger beauftragte die Beklagte mit der Durchführung von Malerarbeiten. Im Auftragsschreiben vereinbarten die Parteien die Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes laut Ö-Norm zur Schlichtung allfälliger Streitigkeiten. Wegen Auffassungsunterschieden betreffend die Höhe der berechtigten Werklohnforderung brachte die Beklagte am 3. 5. 1999 die Schiedsklage ein. Das Schiedsgericht erkannte unter dem Vorsitz des Rechtsanwalts Dr. Heimo H***** sowie der weiteren Schiedsrichter Ing. Josef B***** und Ing. Hellmut Michael B***** mit Schiedsspruch vom 25. 1. 2000 den Kläger für schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen 73.147,25 S samt 4 % Zinsen seit 25. 12. 1997 zu zahlen und die mit 58.568,88 S bestimmten Prozesskosten zu ersetzen; der Schiedsspruch verpflichtet den Kläger weiters, die mit 84.956,40 S bestimmten Kosten des Schiedsgerichts zu zahlen. Die Urschrift des Schiedsspruches wurde von allen drei Schiedsrichtern unterfertigt. Dem damaligen Vertreter des Klägers wurde am 10. 2. 2000 eine nur vom Vorsitzenden des Schiedsgerichts unterschriebene Ausfertigung des Schiedsspruches zugestellt.

Der Kläger begehrt die Aufhebung des Schiedsspruches vom 25. 1. 2000. Es liege der Aufhebungsgrund des § 595 Abs 1 Z 3 ZPO vor, weil die Ausfertigung des Schiedsspruches entgegen § 592 Abs 2 ZPO nicht von allen Schiedsrichtern unterfertigt worden sei.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die fehlenden Unterschriften auf der Ausfertigung des Schiedsspruches bildeten keinen Aufhebungsgrund.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Gemäß § 595 Abs 1 Z 3 ZPO sei der Schiedsspruch ua dann aufzuheben, wenn die Urschrift des Schiedsspruchs nicht entsprechend dem § 592 Abs 2 ZPO unterschrieben worden sei. Diese Vorschrift bestimme zwei voneinander unabhängige Erfordernisse für Urschrift und Ausfertigungen des Schiedsspruches:

Einerseits seien diese mit der Angabe des Tages der Abfassung des Schiedsspruchs zu versehen, andererseits zumindest von der Mehrheit der Schiedsrichter zu unterschreiben. Unter der Sanktion der im § 595 ZPO festgelegten Rechtsfolge stehe davon aber nur das Fehlen der nach § 592 Abs 2 ZPO erforderlichen Unterschriften (der Mehrheit der Schiedsrichter) auf der Urschrift des Schiedsspruches, nicht hingegen auch das Fehlen dieser Unterschriften auf den Ausfertigungen. Die Schiedsrichter hätten hier die Urschrift im Umlaufwege unterschrieben. Erst dann seien die Ausfertigungen mit der Unterschrift des Vorsitzenden abgefertigt worden. Da nur die Urschrift von allen bzw der Mehrheit der Schiedsrichter zu unterfertigen sei, nicht aber die Ausfertigungen, liege ein Aufhebungsgrund nicht vor.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der in Lehre und Rechtsprechung unterschiedlich beurteilten Frage der Auswirkung fehlender Unterschriften von Beisitzern auf der Ausfertigung eines Schiedsspruchs Erheblichkeit für die Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung zukomme. Nach mehreren Lehrmeinungen könne ein Schiedsspruch angefochten werden, wenn dessen für die Parteien bestimmten Ausfertigungen nicht von sämtlichen Schiedsrichtern unterfertigt seien. Gegen diese Auffassung spreche der Umstand, dass in der taxativen Aufzählung der Aufhebungsgründe nur die fehlende Unterschrift auf der Urschrift des Schiedsspruchs enthalten sei. Auch habe der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen, dass selbst das Fehlen der Unterschrift des Vorsitzenden in der Ausfertigung des Schiedsspruchs eine Aufhebung nach § 595 Abs 1 Z 3 ZPO nicht rechtfertige; diese Rechtsprechung sei sinngemäß auch in Fällen des Fehlens von Unterschriften der Beisitzer zu folgen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger steht auf dem Standpunkt, sämtliche Verletzungen der zwingenden Vorschrift des § 592 Abs 2 ZPO müssten notwendigerweise auch zur Aufhebungsklage gem § 595 ZPO berechtigen. Bei gegenteiliger Auffassung wäre ein Schiedsspruch sogar dann unanfechtbar, wenn den Parteien Ausfertigungen ohne jede Unterschrift zugestellt worden seien, obwohl in einem solchen Fall nicht erkennbar wäre, ob die Ausfertigung dem Schiedsspruch entspreche oder überhaupt ein Schiedsspruch und nicht bloß ein Entwurf dazu vorliege. An das Formerfordernis einer Ausfertigung des Schiedsspruchs seien strenge Maßstäbe anzulegen, weil mit deren Zustellung wichtige Rechtsfolgen (Beginn der Leistungsfrist, Beginn des Fristenlaufs für die Aufhebungsklage) verbunden seien. Aus den Gesetzesmaterialien zur Zivilverfahrensnovelle 1983 (ZVN 1983) ergäbe sich nur der Wille des Gesetzgebers, mit der Neuformulierung des § 595 Abs 1 Z 3 ZPO redaktionelle Verbesserungen, nicht aber inhaltliche Änderungen dieses Aufhebungsgrundes gegenüber der früheren Rechtslage herbeizuführen. Dazu ist zu erwägen:

Gem § 592 Abs 2 ZPO sind die Ausfertigungen des Schiedsspruches und die Urschrift mit der Angabe des Tages der Abfassung des Schiedsspruchs zu versehen und von den Schiedsrichtern zu unterschreiben. Die Unterschrift der Mehrheit der Schiedsrichter genügt, wenn im Schiedsspruch vermerkt wird, dass die anderen die Unterschrift verweigern oder dass der Unterzeichnung durch sie ein Hindernis entgegensteht, das nicht in angemessener Frist überwunden werden kann.

Die Aufhebung eines Schiedsspruchs kann gem § 595 Abs 1 Z 3 ZPO unter anderem dann verlangt werden, wenn die Urschrift des Schiedsspruchs nicht entsprechend dem § 592 Abs 2 unterschrieben worden ist.

Die Aufhebungsgründe sind in § 595 ZPO taxativ aufgezählt (Fasching, LB**2 Rz 2225; Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts5 Rz 965; Rechberger/Melis in Rechberger, ZPO**2 § 595 Rz 4; Backhausen, Schiedsgerichtsbarkeit unter besonderer Berücksichtigung des Schiedsvertragsrechts 164; JBl 1995, 598; RZ 1997/72); das Fehlen von Unterschriften auf Ausfertigungen des Schiedsspruchs ist in diesem Katalog der Aufhebungsgründe nicht genannt. Der Oberste Gerichtshof hat deshalb zutreffend schon in seiner Entscheidung SZ 70/156 = EvBl 1998/5 ausgesprochen, dass das Fehlen der Unterschrift des Vorsitzenden in der Ausfertigung des Schiedsspruchs eine Aufhebung nach § 595 Abs 1 Z 3 ZPO nicht rechtfertigt; für das Fehlen der Unterschrift eines (oder wie hier: beider) Beisitzer kann aber nichts anderes gelten.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und des Rechtsmittelwerbers steht dieses Ergebnis nicht in Widerspruch zu Lehrmeinungen. Nach Fasching (aaO Rz 2216) bewirkt das Fehlen der notwendigen Unterschriften noch nicht ex lege die Wirkungslosigkeit des Schiedsspruchs, sondern ermöglicht nur dessen Anfechtung durch Aufhebungsklage im Rahmen des § 595 Abs 1 Z 3 ZPO; die früheren gegenteiligen Ausführungen von Fasching (Schiedsgericht und Schiedsverfahren im österreichischen und im internationalen Recht 122; Kommentar IV § 592 Anm 3) beziehen sich noch auf eine ältere Rechtslage. Rechberger/Melis (aaO § 595 Rz 7) zitieren ohne eigene Stellungnahme nur Rechtsprechung, die noch zu einer früheren Rechtslage ergangen ist.

Mit der ZVN 1983 wurde dem § 592 Abs 2 ZPO ein zweiter Satz angefügt; im ersten Satz entfiel die bis dahin enthaltene Wendung "bei sonstiger Unwirksamkeit des Schiedsspruchs" vor der Wortfolge "von sämtlichen Schiedsrichtern zu unterschreiben"; im § 595 Abs 1 Z 3 ZPO entfiel die nach dem Wort "Urschrift" bis dahin enthaltene Wortfolge "und die Ausfertigungen". Den Gesetzesmaterialien (RV 669 Blg NR 15. GP 62f) ist als Motiv der Neufassung zu entnehmen, dass in der Praxis die bis dahin bestehende Vorschrift, dass Ausfertigung und Urschrift des Schiedsspruchs bei sonstiger Aufhebung von den Schiedsrichtern unterschrieben werden mussten, zu erheblichen Schwierigkeiten geführt habe. Nicht nur, dass ein Schiedsrichter zu der Zeit, zu der eine Ausfertigung ausgestellt werden solle, bereits verstorben oder unbekannten Aufenthalts oder zumindest schwer zu erreichen sein könne, sei solches theoretisch auch schon für die Fertigung der Urschrift möglich. Bei der Neufassung des § 595 Abs 1 Z 3 ZPO sei - neben geringfügigen redaktionellen Verbesserungen - vor allem auf die Änderung des § 592 Abs 2 ZPO Bedacht zu nehmen.

Diese Erläuterungen dokumentieren - entgegen der Auffassung des Klägers - zweifelsfrei die Absicht des Gesetzgebers, mit der Gesetzesänderung den bis dahin bestehenden Aufhebungsgrund des § 595 Abs 1 Z 3 ZPO enger zu fassen und den Fall einer fehlenden Unterschrift auf der Ausfertigung des Schiedsspruchs künftig aus dem Katalog der Aufhebungsgründe zu beseitigen. Eines der erklärten Ziele der ZVN 1983 war es im übrigen, die Vorschriften des schiedsgerichtlichen Verfahrens zu verbessern, um Österreich als Austragungsort internationaler Schiedsverfahren attraktiver zu machen (RV aaO 26); ein Schiedsverfahren wäre aber höchst unattraktiv und widerspräche jedem Grundsatz der gebotenen Verfahrensökonomie, es rasch und mit zumutbarem Aufwand abzuwickeln, würde die Rechtsordnung formale Mängel in den Ausfertigungen mit der Aufhebung des Schiedsspruchs sanktionieren.

Den vom Kläger geäußerten Bedenken, nur auf Grund einer unterfertigten Ausfertigung sei erkennbar, dass überhaupt ein Schiedsspruch vorliege und die Ausfertigung mit der Urschrift übereinstimme, ist entgegenzuhalten, dass den Parteien des Schiedsverfahrens in der Regel das Erscheinungsbild der Unterschriften der Schiedsrichter ohnehin nicht bekannt sein wird; zur Beseitigung jeglicher Zweifel in der aufgezeigten Richtung wird besonders sorgfältigen Parteien die Einsichtnahme in die Urschrift des Schiedsspruchs daher auch bei unterschriebenen Ausfertigungen nicht erspart bleiben. Die vom Rechtsmittelwerber gezogene Parallele zur Ausfertigung eines gerichtlichen Urteils vermag seinen Standpunkt schon deshalb nicht zu stützen, weil auch allfällige Mängel in den Parteien zugegangenen Urteilsausfertigungen diesen noch keine Möglichkeit zur Beseitigung des Urteils selbst eröffnen.

Die dem Kläger zugestellte, nicht von allen Schiedsrichtern unterschriebene Ausfertigung des Schiedsspruchs berechtigt ihn daher nicht, die Aufhebung des Schiedsspruchs zu begehren. Hievon unberührt bleibt das Recht der Parteien des Schiedsvertrags, eine vollständige und als Exekutionstitel taugliche (vgl zu den Voraussetzungen Jakusch in Angst, EO § 1 Rz 90) Ausfertigung des Schiedsspruchs (notfalls im Klageweg) zu verlangen.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

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