Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben, soweit sie nicht Ansprüche wegen unlauteren Wettbewerbs betreffen. Die Rechtssache wird mit Ausnahme solcher Ansprüche an das Erstgericht zurückverwiesen, dem die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen wird.
Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Rechtsvorgängerin der zweitbeklagten Gesellschaft wurde nach Verschmelzung mit der zweitbeklagten Gesellschaft (FN 114425y) gelöscht. Die erstbeklagte Gesellschaft (FN 337411v) hat mit Spaltungs- und Übernahmsvertrag den Betrieb der Rechtsvorgängerin der zweitbeklagten Gesellschaft erworben.
Die Klägerinnen machen als ehemalige Aktionäre Schadenersatzansprüche gegen die Aktiengesellschaft [richtig: deren Rechtsnachfolger] in Höhe von 7.263,46 EUR sA geltend. Sie hätten Aktien an der Rechtsvorgängerin der zweitbeklagten Gesellschaft erworben, die nach dem Erwerb wegen Verstößen der Beklagten gegen das Kapitalmarktrecht einen erheblichen Wertverlust erlitten hätten. Die Beklagten hätten besondere Schutzgesetze und allgemeine Rechtspflichten verletzt, weshalb die Klägerinnen ihre Gesellschaftsanteile später nur mehr mit Verlust wieder verkaufen hätten können. Die Klage werde auf § 1300 ABGB, § 1295 Abs 2 ABGB, § 1295 ABGB iVm § 1311 ABGB iVm § 146 StGB, § 255 AktG, § 48 a‑d BörseG, §§ 1 und 2 UWG und §§ 4, 11 und 15 KMG sowie „auf jeden weiteren erdenklichen Rechtsgrund“ wegen rechtswidriger und schuldhafter Täuschung der Klägerinnen gestützt. Die Klägerinnen erheben folgende Vorwürfe:
a) Die Beklagten hätten systematisch und ohne zeitgerechte Information des Anlegerpublikums eigene Aktien zurückgekauft und damit den Markt unzulässig manipuliert; sie hätten Insiderinformationen missbraucht und gegenüber den Anlegern vorsätzlich Informationen in Bereicherungsabsicht verschwiegen (Verstöße gegen das StGB, BörseG, AktG, KMG).
b) Sie hätten weiters erhebliche Teile der Anlegergelder entgegen ihren öffentlichen Ankündigungen nicht für Investitionen in Immobilien verwendet; dies führe zur Haftung nach dem KMG.
c) Schließlich hätten die Beklagten die Aktien der Rechtsvorgängerin der Zweitbeklagten zum Zweck der Aufbringung von Kapital im Inland intensiv beworben und dabei bei den Anlegern arglistig den irreführenden Eindruck erweckt, es handle sich bei den Immobilienaktien um eine besonders werthaltige Veranlagungsform. Dieser Eindruck sei durch ein in Auftrag gegebenes Gutachten betreffend die Mündelsicherheit der genannten Aktien verstärkt worden. Die Klägerinnen hätten aufgrund des Gesamteindrucks der Verkaufsprospekte und anderer Werbemittel auf die Wertbeständigkeit der Veranlagung vertraut; dies eröffne die besondere Haftung der Beklagten nach dem UWG.
d) Die Beklagten hafteten weiters für ihren Emissionsprospekt nach § 4 Abs 3 KMG, wonach Werbeaussagen nicht unrichtig oder irreführend sein dürften, sowie
e) für die wissentliche Verbreitung unrichtiger und irreführender Informationen auch nach § 1300 zweiter Fall ABGB.
Das Erstgericht wies die Klage a limine zurück. Klagen über Streitigkeiten wegen unlauteren Wettbewerbs fielen gemäß § 51 Abs 2 JN ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands in die handelsgerichtliche Zuständigkeit.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs wegen uneinheitlicher Rechtsprechung zur Zuständigkeit bei Klagenkonkurrenz zulässig sei. Die Klägerinnen leiteten aus einem einheitlichen Sachverhalt mehrere Rechtsschutzbegehren ab, die auf dasselbe wirtschaftliche Ergebnis, also auf dieselbe Leistung, gerichtet seien (Klagenkonkurrenz). Werde ein einheitliches Begehren auf verschiedene Sachverhalte gestützt, von denen jeder einzelne für sich allein zur Begründung des Begehrens ausreiche, lägen mehrere „Rechtsgründe“ vor (kumulative Klagenhäufung, in der Lehre auch als Anspruchs- oder Realkonkurrenz bezeichnet). Lägen mehrere Klagen mit Begehren, die auf denselben Gegenstand gerichtet seien, vor, bestehe keine Streitanhängigkeit, wenn die Identität der rechtserheblichen Tatsachen nicht gegeben sei. Hier hätten sich die Klägerinnen gegen eine mehrfache Klagsführung und für eine gleichzeitige Geltendmachung sämtlicher Ansprüche in einer Klage entschieden. In diesem Fall werde angenommen, dass die Ansprüche ihre Selbständigkeit verlören, sodass eine Klagenhäufung iSd § 227 ZPO nicht vorliege. In der Lehre werde vertreten, dass eine sinnvolle und rechtsschutzfördernde Auslegung der Zuständigkeitsnormen verlange, dass für ein auf mehrere Klagsgründe gestütztes identisches Begehren jedes Gericht zuständig sei, das zur Erledigung auch nur eines Klagsgrundes zuständig sei; dieses Gericht habe dann auch über die konkurrierenden Ansprüche mitzuerkennen. Dieser Lehrmeinung sei jedoch entgegenzuhalten, dass die als Beispiele des allgemeinen Prinzips des Sachzusammenhangs angeführten §§ 76a, 89, 91, 93‑96 und 100 JN Bestimmungen des zweiten Abschnitts über die örtliche Zuständigkeit beträfen und es bei der hier zu beantwortenden Frage um eine Angelegenheit der sachlichen Zuständigkeit gehe, die im ersten Abschnitt des zweiten Teils der JN geregelt werde. § 236 ZPO iVm § 259 Abs 2 ZPO beschränke die Möglichkeit eines Zwischenantrags auf Feststellung auf das sachlich zuständige Gericht. Für die Frage der Zulässigkeit der gemeinsamen Einklagung eines identischen Begehrens, das auf mehrere Klagsgründe gestützt werde, lasse sich daraus daher keine taugliche Analogiegrundlage gewinnen. Vielmehr sei aus den Bestimmungen über die Eigenzuständigkeit der Gerichte bei bestimmten Klagsgründen in der JN, aus § 227 ZPO über die Klagenhäufung sowie aus § 236 ZPO ableiten, dass das Gesetz im Falle des Vorliegens einer Eigenzuständigkeit eine Verschiebung des Einzelanspruchs möglichst verhindern wolle. Dafür könne auch § 104 Abs 2 JN ins Treffen geführt werden, wonach Angelegenheiten, die ausschließlich den Gerichtshöfen erster Instanz zugewiesen seien, nicht vor ein Bezirksgericht gebracht werden könnten. Der Gesetzgeber wolle daher eine gewillkürte Einklagung von Ansprüchen, die in die Eigenzuständigkeit des Gerichtshofs fielen, möglichst hintanhalten. Nichts anderes könne für die Anspruchskonkurrenz von Ansprüchen, die kraft Wertzuständigkeit in die Zuständigkeit des Bezirksgerichts fielen, mit Ansprüchen, die kraft Eigenzuständigkeit in die Zuständigkeit des selbständigen Handelsgerichts fielen, gelten. Seien für ein identisches Begehren mehrere Klagsgründe angeführt und falle ein Klagsgrund in die Eigenzuständigkeit eines Gerichts, sei allein dieses Gericht für die Erledigung sämtlicher Klagsgründe zuständig. Ob den Klägerinnen als Verbraucherinnen überhaupt ein individueller Schadenersatzanspruch nach den Bestimmungen des UWG oder anderen wettbewerbsrechtlichen Grundlagen zustehe, sei hingegen eine Frage der Sachlegitimation, habe ‑ ebenso wie die Schlüssigkeit der Klage ‑ nichts mit der Zulässigkeit der Klage zu tun und sei (materielle) Vorfrage ihrer Begründetheit, über die mit Urteil, nicht jedoch im Rahmen der a limine Überprüfung der Klage mit Beschluss zu entscheiden sei. Da sich die Klägerinnen auch auf einen Anspruch iSd § 51 Abs 2 Z 10 JN stützten, habe das Erstgericht die Klage zu Recht wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.
Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, sie hätten ihre Ansprüche aufgrund eines einheitlichen Sachverhalts auf mehrere Anspruchsgrundlagen gestützt; in diesem Fall der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz sei das angerufene Gericht zuständig, wenn es die Zuständigkeit auch nur hinsichtlich einer der anzuwendenden konkurrierenden Normen besitze. Solches sei für das angerufene Gericht hier kraft Wertzuständigkeit der Fall.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist dann, wenn ein und derselbe Tatbestand verschiedenen Gesetzesnormen unterstellt werden kann, das angerufene Gericht zuständig, wenn es die Zuständigkeit auch nur hinsichtlich einer der anzuwendenden konkurrierenden Normen besitzt (RIS‑Justiz RS0045485 [T11]; zuletzt 4 Ob 1010/94). Maßgebliche Voraussetzung ist insofern, dass über einen einheitlichen Sachverhalt zu entscheiden ist, in Ansehung dessen verschiedene Rechtsgründe das nach dem Urteilsbegehren angestrebte Ergebnis tragen könnten (siehe dazu etwa auch Ballon in Fasching² I § 41 JN Rz 10; Mayr in Rechberger³ § 41 JN Rz 4).
2.1. Hier machen die Klägerinnen indes unterschiedliche Klagegründe ‑ also unterschiedliche rechtserzeugende Tatsachen (näher dazu Fasching in Fasching/Konecny² III § 226 Rz 88; Rechberger/Klicka in Rechberger³ Vor § 226 Rz 15) ‑ geltend, wobei jeder dieser Klagegründe für sich dem Urteilsbegehren insgesamt zum Erfolg verhelfen können soll.
2.2. Einerseits resultiert der Schaden nach dem Vorbringen aus der Verletzung besonderer Schutzgesetze und allgemeiner Rechtspflichten infolge unzulässiger Marktmanipulation und Verwendung großer Teile der Anlegergelder entgegen den öffentlichen Ankündigungen der Beklagten nicht für Investitionen in Immobilien; andererseits sei auch die besondere Schadenersatzhaftung der Beklagten nach dem UWG dadurch eröffnet, dass sie bei den Anlegern arglistig einen irreführenden Eindruck über wesentliche Eigenschaften der Anlage hervorgerufen hätten, der für den Ankauf kausal gewesen sei. Weiters hafteten die Beklagten für ihren Emissionsprospekt nach § 4 Abs 3 KMG, wonach Werbeaussagen nicht unrichtig oder irreführend sein dürften (zum eigenständigen Anwendungsbereich dieser Norm in Abgrenzung zum Lauterkeitsrecht siehe 4 Ob 188/08p; RIS‑Justiz RS0124475), sowie für die wissentliche Verbreitung unrichtiger und irreführender Informationen auch nach § 1300 zweiter Fall ABGB.
2.3. Damit liegt aber kein einheitlicher Sachverhalt im Sinne der referierten Rechtsprechung vor, sondern die Klägerinnen bringen unterschiedliche rechtserzeugende Tatsachen zu verschiedenen Rechtsgründen vor, die zum Zuspruch des Urteilsbegehrens führen sollen. Die Klägerinnen machen damit in einer einzigen Klage mehrere Ansprüche geltend, die alle auf ein und dasselbe Ziel gerichtet sind und damit im Verhältnis der Erfüllungskonkurrenz stehen: Die Erfüllung des einen Anspruchs bringt auch die anderen zum Erlöschen (Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts8 Rn 393: Anspruchs‑ oder Realkonkurrenz; auch „kumulierte Klagenhäufung“, RIS‑Justiz RS0037814).
3.1. Gemäß § 227 Abs 1 ZPO können mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten, auch wenn sie nicht zusammenzurechnen sind, in derselben Klage geltend gemacht werden, wenn für sämtliche Ansprüche 1. das Prozessgericht zuständig und 2. dieselbe Art des Verfahrens zulässig ist.
3.2. Im Fall einer bloß wegen Verschiedenheit der vorgesehenen Verfahrensart unzulässigen Verbindung mehrerer Ansprüche in einer Klage hat das Prozessgericht erster Instanz von Amts wegen das Verfahren über das in einem besonderen Verfahren zu verhandelnde Begehren vom Verfahren über das restliche Begehren zu trennen und die getrennten Verfahren ‑ mit allen geschäftsverteilungsmäßigen, geschäftsordnungsmäßigen und gebührenrechtlichen Folgen ‑ so weiterzuführen, als wären mehrere Klagen angebracht worden (RIS‑Justiz RS0037789).
3.2. Hier steht nicht die Verschiedenheit der vorgesehenen Verfahrensart, sondern die Zuständigkeitsordnung in Widerspruch zu einer einheitlichen Behandlung aller in der Klage kumuliert geltend gemachten Ansprüche: In die Wertzuständigkeit des angerufenen Bezirksgerichts für Handelssachen Wien fallende Ansprüche konkurrieren mit Ansprüchen wegen unlauteren Wettbewerbs, die gemäß § 51 Abs 2 Z 10 JN in die Eigenzuständigkeit des Handelsgerichts Wien fallen. Damit fehlt die in § 227 Abs 1 Z 1 ZPO geforderte Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verbindung der unterschiedlichen Ansprüche in einer Klage.
4.1. Ist die Anspruchshäufung in einer einzigen Klage wegen Unzuständigkeit unzulässig, das angerufene Gericht aber mindestens für einen der in einer Klage verbundenen Ansprüche zuständig, hat bei der Zuständigkeitsprüfung von Amts wegen eine Teilzurückweisung hinsichtlich jener Ansprüche zu erfolgen, die nicht in die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts fallen (Fasching in Fasching, ZPO III² § 227 Rn 19; Rechberger/Klicka in Rechberger, ZPO³ § 227 Rn 3). Dies gilt ganz allgemein, mangels Ausnahmeregelung daher auch für Ansprüche, die zueinander im Verhältnis der Erfüllungskonkurrenz stehen.
4.2. Die klagszurückweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen entsprechen daher nur insoweit der Rechtslage, als sie die Ansprüche wegen unlauteren Wettbewerbs betreffen; in Ansehung der auf andere Rechtsgründe gestützten Ansprüche ist die mit Unzuständigkeit begründete Zurückweisung aufzuheben. Dem Revisionsrekurs kann deshalb nur teilweise Erfolg beschieden sein.
6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.
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