OGH 4Ob152/19k

OGH4Ob152/19k26.11.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Z***** GmbH, *****, vertreten durch Meinhard Novak Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin S***** AG, *****, Liechtenstein, vertreten durch Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Löschung der Wortbildmarke AT 285.107, über die außerordentliche Revision der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Juli 2019, GZ 133 R 20/19t‑3, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00152.19K.1126.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der Wortbildmarke AT 285.107, insbesondere für rohes oder teilweise bearbeitetes Glas, Trinkgläser und Glaswaren (Klasse 21):

Die in Böhmen gelegene Ortschaft „Sophienwald“ (tschechisch: Žofina Hut´) gehörte zunächst zu Österreich; mit dem Vertrag von Saint Germain im Jahr 1920 kam sie zur Tschechoslowakei, von 1939 bis 1945 gehörte sie zum Landkreis Gmünd und nach dem 2. Weltkrieg fiel sie wieder an die Tschechoslowakei zurück. Heute gehört diese Ortschaft zur Gemeinde „Nová Ves nad Lužnici“ und ist 10,4 km von Gmünd entfernt. In historischen Schriften wird auf die im frühen 19. Jahrhundert bestehende besondere Bedeutung des damals österreichischen und heute tschechischen Gebiets rund um „Sophienwald“ aufgrund der dort ansässigen Glashütten und Glasfabriken für die Glaskunst hingewiesen. Die Antragsgegnerin nimmt auf ihrer Internetseite auf diese historische Bedeutung der böhmischen Glaserzeugung in diesem Gebiet („ausgedehntes Waldgebiet zwischen der heutigen tschechischen Republik und Niederösterreich“) Bezug und führt dazu aus, dass sie mit ihren Waren unter der Marke „Sophienwald“ auf diese großartige Tradition in diesem Gebiet zurückgreift und das Glas mit modernen Mitteln neu interpretiert.

Die Antragstellerin begehrte bei der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts die Löschung der gegenständlichen Marke nach § 33 MSchG. Das Zeichen sei nach § 4 Abs 1 Z 4 MSchG von der Registrierung ausgeschlossen, weil es nur zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der Waren diene. Die Zusatzbezeichnung „Sw“ habe keinen überwiegenden Charakter.

Die Antragsgegnerin erwiderte, dass die österreichischen Verkehrskreise die Marke als Phantasiebezeichnung wahrnehmen würden. Außerdem stehe die Abkürzung „Sw“ im Vordergrund, weshalb das Zeichen schutzfähig sei.

Das Berufungsgericht gab dem Löschungsantrag statt und sprach aus, dass die zugrunde liegende Marke mit Wirkung vom Beginn der Schutzdauer gelöscht werde.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Antragsgegnerin keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1.1 Der EuGH hat in der Entscheidung zu C‑108/97 und C‑109/97 , Chiemsee, die Kriterien festgelegt, die für die Schutzfähigkeit einer geografischen Bezeichnung maßgebend sind. Danach sind Bezeichnungen als Marken ausgeschlossen, die Orte bezeichnen, die von den beteiligten Verkehrskreisen aktuell oder zukünftig mit der betreffenden Warengruppe in Verbindung gebracht werden können. Dabei ist zu prüfen, ob vernünftigerweise zu erwarten ist, dass mit einer solchen Bezeichnung nach Auffassung der Verkehrskreise die geografische Herkunft dieser Warengruppe bezeichnet werden kann. Insbesondere ist bei der Prüfung von Belang, inwieweit den Verkehrskreisen die betreffende geografische Bezeichnung bekannt ist und welche Eigenschaften der Ort und die Warengruppe haben.

1.2 Nach diesen Grundsätzen ist eine geografische Bezeichnung dann von der Registrierung als Marke ausgeschlossen, wenn sie den beteiligten Verkehrskreisen bekannt ist und im Geschäftsverkehr als Herkunftsangabe aufgefasst werden kann, weil die beteiligten Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen dem Ort bzw dem Gebiet und dem bezeichneten Produkt herstellen und naheliegend annehmen, dass das Produkt in enger Verbindung dazu steht. Eine Orts- bzw Gebietsbezeichnung ist vom Markenschutz somit schon dann ausgeschlossen, wenn die beteiligten Verkehrskreise darin etwa einen Hinweis auf den möglichen Herstellungsort der so bezeichneten Waren erblicken können. Dabei sind auch veraltete bzw historische Bezeichnungen insoweit vom Markenrechtsschutz ausgeschlossen, als sie von den Verkehrskreisen noch als Ortsbezeichnungen verstanden werden. Das Gleiche gilt für ausländische Bezeichnungen, und zwar sowohl in der Fremdsprache des jeweiligen Herkunftslandes als auch in ihrer deutschsprachigen Übersetzung.

1.3 Nur dann, wenn die geografische Bezeichnung ausschließlich oder doch so überwiegend den Charakter einer Phantasiebezeichnung hat, dass die daneben noch vorhandene geografische Bedeutung ganz zurücktritt, ist sie dem markenrechtlichen Schutz zugänglich (4 Ob 45/04b). In diesem Sinn kann etwa der Name eines kleinen und weniger bekannten Ortes, der weder historisch noch kulturell oder wirtschaftlich oder aufgrund seiner Naturverhältnisse Bedeutung hat und daher nur einem ganz kleinen, auf solchen Gebieten besonders versierten Kreis geläufig ist, als Marke eingetragen werden (4 Ob 45/04b).

1.4 Als Maßstab für die Eignung zur Erfüllung der Herkunftsfunktion ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise abzustellen, wozu nicht nur die aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, sondern auch der Fachhandel für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen zählen. Aus diesem Grund kann bereits die Kenntnis eines relativ kleinen Teils aller beteiligten Verkehrskreise einer Markeneintragung entgegenstehen (vgl 4 Ob 49/14f; 4 Ob 126/15f).

2.1 Das Berufungsgericht ist von diesen Grundsätzen nicht abgewichen. Die Beurteilung, es liege nahe, dass jeder, der sich mit der Geschichte der Glaserzeugung im Waldviertel und im angrenzenden Böhmen beschäftige, die fragliche Bezeichnung und den örtlichen Zusammenhang mit der Glaserzeugung kenne und sie daher als Herkunftsbezeichnung für die beanspruchten Waren verstehe, hält sich im Rahmen dieser Grundsätze.

2.2 Aufgrund der besonderen historischen Bedeutung des Gebiets rund um die Ortschaft „Sophienwald“ für die Glaskunst ist es naheliegend, dass zumindest nach dem Verständnis der Glas-Fachhändler die in Rede stehende Bezeichnung auf die Historie der Glasproduktion im fraglichen böhmischen Gebiet Bezug nimmt und auf dieses Gebiet als Produktionsstätte oder Rohstoffquelle hinweisen soll. Genau diese Verbindung stellt die Antragsgegnerin im Rahmen ihres Internetauftritts her, indem sie auf die historische Bedeutung der böhmischen Glasindustrie insbesondere im 17. Jahrhundert hinweist und dazu ausführt, mit ihren Produkten unter der fraglichen Marke auf diese großartige Tradition in diesem Gebiet zurückgreifen zu wollen. Das Argument der Antragsgegnerin, dass die fragliche Bezeichnung im Internettext nur mit dem Markenhinweis „®“ vorkomme, ist nicht überzeugend, weil ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem historisch bedeutsamen Gebiet und ihrer Marke hergestellt wird.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass die beteiligten Verkehrskreise die Marke als reine Phantasiebezeichnung verstehen. Es liegen auch keine unzulässigen überschießenden Feststellungen vor (vgl dazu RS0040318; RS0037972).

3. Die Frage, ob eine besondere bildliche oder grafische Ausgestaltung des Bildteils der zu beurteilenden Wortbildmarke (hier „Sw“ samt einer Umrandung) vorliegt, die vom Wortteil „Sophienwald“ ausreichend weit wegführt, sodass dem Wortteil nicht mehr die dominierende Bedeutung zukommt, hängt typisch von den Umständen des Einzelfalls ab. Das Wiederholen oder dekorative Hervorheben von Buchstaben oder die Verwendung einzelner Großbuchstaben innerhalb von Wörtern genügt für die Begründung eines solchen Abstands in der Regel nicht.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Wortteil der zugrunde liegenden Marke dominiere, weil sich der Bildteil in der Abkürzung der Bezeichnung erschöpfe und auch keine außergewöhnliche Schriftart verwendet werde, erweist sich ebenfalls als nicht korrekturbedürftig.

4. Insgesamt gelingt es der Antragsgegnerin mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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