OGH 4Ob14/48

OGH4Ob14/4825.9.1948

SZ 21/135

Normen

HGB §123
HGB §125
HGB §123
HGB §125

 

Spruch:

Wird der Nachlaß eines Einzelkaufmanns, dessen Firma im Handelsregister eingetragen ist, mehreren Erben eingeantwortet und das Unternehmen von diesen weitergeführt, so kommt den Erben, solange sie sich über die Form der Fortführung des Unternehmens nicht geeignet haben, die Stellung von Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft im Sinne des § 123 HGB. zu. Das Unternehmen kann im Rechtsstreit von einem Erben mit Wirksamkeit für alle vertreten werden.

Entscheidung vom 25. September 1948, 4 Ob 14/48.

I. Instanz: Arbeitsgericht Graz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtsachen Graz.

Text

Antonia S. war Inhaberin einer im Handelsregister eingetragenen Einzelfirma. Nach ihrem Tode ist ihr Nachlaß sechs Erben zu verschiedenen Quoten eingeantwortet worden. Hievon hat das Abhandlungsgericht das Handelsregister durch Zusendung einer Einantwortungsurkunde verständigt. Die Erben haben untereinander noch keine Einigung darüber getroffen, in welcher Form die Firma weitergeführt werden soll. Die Klage ist dem Hans S., einem der sechs Erben, dem während des Abhandlungsverfahrens auch die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen war, zugestellt und mit ihm allein das Verfahren in I. Instanz durchgeführt worden.

Das Berufungsgericht hat das gesamte Verfahren als nichtig aufgehoben, da die beklagte Firma, die nunmehr sechs Erben gehöre, im Verfahren nicht rechtsgültig vertreten gewesen sei.

Der Oberste Gerichtshof hat dem Rekurse der klagenden Partei gegen diese Entscheidung Folge gegeben und dem Berufungsgerichte aufgetragen, über die Berufung neuerlich zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobenen Rekurs des Klägers kommt Berechtigung zu. Es kann allerdings daraus, daß dem Hans S. vom Abhandlungsgerichte die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen worden ist, für ihn ein Recht, das Unternehmen im Rechtsstreit zu vertreten, nicht abgeleitet werden, da die Befugnisse, die ihm vom Abhandlungsgerichte hiedurch gewährt worden waren, mit dem durch die Einantwortung erfolgten Abschluß des Abhandlungsverfahrens ein Ende gefunden haben; der Oberste Gerichtshof erachtet jedoch aus einem anderen Grund die Vertretungsbefugnis des Hans S. in dem gegenständlichen Rechtsstreit als gegeben.

Das Unternehmen ist nach dem Tod der Antonia S. nicht aufgelöst, sondern unter der gleichen Firma weitergeführt worden. Solange die Erben über die Form, in der das Unternehmen weitergeführt werden soll, untereinander eine Einigung nicht getroffen haben, sind sie nach ihren Erbquoten Eigentümer des Unternehmens und kommt ihnen nach außen der Charakter von Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft zu, die noch nicht das Handelsregister eingetragen worden ist, gleichwohl aber mit ihren Geschäften bereits begonnen hat (§ 123, Abs. 2 HGB.). Die Gesellschaft ist daher nach außen nicht als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes anzusehen, weil sie das Unternehmen unter der alten Firma fortführt. Nach § 125 HGB. ist zur Vertretung einer offenen Handelsgesellschaft jeder Gesellschafter ermächtigt, sofern er nicht durch den Gesellschaftsvertrag hievon ausgeschlossen worden ist. Da ein solcher Ausschluß in Ansehung des Erben Hans S. von der beklagten Firma nicht behauptet worden ist, war die Übernahme der Klage und die Führung des Rechtsstreites durch ihn auch für die anderen Erben wirksam. Daraus ergibt sich aber, daß die vom Berufungsgerichte angenommene Nichtigkeit des Verfahrens nicht vorliegt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte