Spruch:
Die "zeitwidrige" Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der kürzeren Frist bzw. zum früheren Termin, es sei denn, der Gekundigte konnte zweifelsfrei erkennen, daß sein Vertragspartner tatsächlich unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen kundigen wollte
OGH 29. 11. 1983, 4 Ob 142/83 (LGZ Wien 44 Cg 68/83; ArbG Wien 8 Cr 446/82)
Text
Die Klägerin war in der Buchhandlung der erstbeklagten OHG - der Zweit- und der Drittbeklagte sind persönlich haftende Gesellschafter der erstbeklagten Partei - seit 1. 7. 1980 angestellt. Sie wurde mit Schreiben der erstbeklagten Partei vom 18. 8. 1982 zum 30. 9. 1982 "unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist" gekundigt.
Das Kündigungsschreiben vom 18. 8. 1982 hat folgenden Wortlaut:
"Betrifft: Kündigung. Auf Grund der wirtschaftlichen Situation sehen wir uns gezwungen, Ihr Dienstverhältnis für den 30. 9. 1982 unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist aufzulösen. Wir bitten um Kenntnisnahme." Die Entgeltansprüche der Klägerin wurden zum 30. 9. 1982 abgerechnet. Das der Klägerin ausgefolgte Dienstzeugnis wurde mit 30. 9. 1982 datiert.
Nachdem die erstbeklagte Partei in einem Schreiben des Klagevertreters vom 8. 10. 1982 darauf aufmerksam gemacht worden war, daß die Kündigungsfrist gemäß § 20 Abs. 2 AngG im Hinblick auf die zwei Jahre übersteigende Dauer des Arbeitsverhältnisses zwei Monate betrage, sodaß die Kündigung zum 30. 9. 1982 unzulässig gewesen sei, teilte der Beklagtenvertreter der Klägerin mit am 28. 10. 1982 zugestelltem Schreiben vom 21. 10. 1982 mit, daß die Kündigung zum 30. 9. 1982 unter Einhaltung einer unrichtigen Kündigungsfrist ausgesprochen worden sei und als Kündigung zum 31. 12. 1982 gelte. Die Klägerin wurde gleichzeitig aufgefordert, unverzüglich ihren Dienst wieder anzutreten, widrigenfalls die erstbeklagte Partei einen ungerechtfertigten vorzeitigen Austritt annehmen müßte. Der Klagevertreter vertrat in seinem Antwortschreiben vom 28. 10. 1982 die Auffassung, das Arbeitsverhältnis sei zum 30. 9. 1982 beendet worden, sodaß die Klägerin zu einer weiteren Dienstleistung nicht mehr verpflichtet sei.
Die Klägerin begehrt von den beklagten Parteien aus dem Rechtsgrund des § 29 AngG die Zahlung eines der Höhe nach außer Streit stehenden Bruttobetrages von 40 477.50 S sA an Entgelt für die Zeit vom 1. 10. bis 31. 12. 1982 samt anteiligen Sonderzahlungen mit der Behauptung, sie sei mit Schreiben der erstbeklagten Partei vom 18. 8. 1982 zum 30. 9. 1982 zeitwidrig gekundigt worden. Mit Rücksicht auf ihr seit 1. 7. 1980 ununterbrochen bestehendes Arbeitsverhältnis habe die Kündigungsfrist zwei Monate betragen, sodaß die Kündigung erst zum 31. 12. 1982 hätte ausgesprochen werden dürfen.
Die beklagten Parteien beantragten Klageabweisung. Die Kündigung sei wohl zu einem verfehlten Termin ausgesprochen worden, doch hätten die beklagten Parteien die Klägerin mit Schreiben vom 21. 10. 1982 im Hinblick auf die darin richtiggestellte Kündigungsfrist aufgefordert, ihren Dienst wieder anzutreten. Da die Klägerin dieser Aufforderung nicht nachgekommen sei, liege ein ungerechtfertigter vorzeitiger Austritt der Klägerin vor.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die erstbeklagte Partei habe im Kündigungsschreiben durch die Worte "unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist" der Klägerin gegenüber unmißverständlich ihre Absicht zum Ausdruck gebracht, nach den gesetzlichen Bestimmungen zu kundigen. Die versehentliche Einhaltung einer kürzeren als der gesetzlichen Kündigungsfrist schade der erstbeklagten Partei deshalb nicht, weil der Wortlaut des Kündigungsschreibens bei objektiver Betrachtungsweise nur als Kündigung zum nächstmöglichen gesetzlichen Termin, sohin zum 31. 12. 1982, zu verstehen sei. Daraus folge, daß die Klägerin auf Grund des Aufforderungsschreibens der erstbeklagten Partei vom 21. 10. 1982 zur Erbringung weiterer Dienstleistungen bis zum 31. 12. 1982 verpflichtet gewesen sei. Die Ablehnung dieser Dienstleistungen sei einem ungerechtfertigten vorzeitigen Austritt gleichzuhalten.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Es führte das Verfahren gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG neu durch. Bei der rechtlichen Beurteilung ging es von der Auffassung aus, im Fall einer zeitwidrigen Kündigung ende das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der verfehlten Kündigungsfrist, sodaß nach diesem Zeitpunkt eine Arbeitspflicht nicht mehr bestehe. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum verfehlten Termin berechtigte den dadurch benachteiligten Angestellten, die Ansprüche nach § 29 AngG geltend zu machen. Wenn der Arbeitgeber bei Ausspruch der (objektiv) zeitwidrigen Kündigung in einer für den gekundigten Arbeitnehmer erkennbaren Weise unmißverständlich zum Ausdruck bringe, daß er das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der hiefür geltenden gesetzlichen Bestimmungen auflösen wolle, liege in Wahrheit eine Kündigung zum nächstmöglichen gesetzlichen Termin vor. Das gegenständliche Kündigungsschreiben habe jedoch von der Klägerin nur so verstanden werden können, daß das Arbeitsverhältnis zum 30. 9. 1982 ende. Der Zusatz "unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist" habe an diesem objektiven Erklärungsinhalt nichts geändert und habe insbesondere nicht unmißverständlich einen davon abweichenden Erklärungswillen zum Ausdruck gebracht. Es sei nicht Sache des Arbeitnehmers zu ermitteln, ob die von seinem Arbeitgeber eingehaltene Kündigungsfrist dem Gesetze entspreche; für den Arbeitnehmer sei lediglich der im Kündigungsschreiben genannte Termin maßgebend. Der vorerwähnte Zusatz sei für den Arbeitnehmer bloß eine floskelhafte Verweisung. Die Klägerin sei durch die Abrechnung zum 30. 9. 1982 und durch die Ausstellung eines Dienstzeugnisses vom selben Tag in ihrer Auffassung, der Erklärungswille der erstbeklagten Partei sei auf eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 30. 9. 1982 gerichtet gewesen, noch bestärkt worden. Für eine Irrtumsanfechtung lägen die Voraussetzungen des § 871 ABGB nicht vor.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Vorweggenommen werden kann, daß der OGH auch im gegenständlichen Fall an seiner jüngeren Rechtsprechung weiterhin festhält, wonach auch eine mit einer kürzeren als der vertragsmäßigen oder gesetzlichen Kündigungsfrist oder zu einem früheren als dem vertragsmäßigen oder gesetzlichen Kündigungstermin ausgesprochene Kündigung das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der kürzeren Frist bzw. zum früheren Termin grundsätzlich beendet und für die Beurteilung der Rechtsfolgen einer solchen Beendigung die Bestimmungen der §§ 29 AngG, 1162 b ABGB analog heranzuziehen sind (ausführlich Arb. 9259 mit Judikatur- und Literaturhinweisen; ferner Arb. 9583, 9663, 9777, 9866 uva., zuletzt etwa 4 Ob 53/83). Da diese auch von den Untergerichten zutreffend vertretene Auffassung in der Revision nicht in Zweifel gezogen wird und die von einigen Vertretern der Literatur in jüngster Zeit an dieser Auffassung geübte Kritik (etwa Binder, RdA 1980, 231 ff., wiedergegeben in der von Strasser herausgegebenen Sammlung Fälle und Lösungen zum Arbeitsrecht, 58 ff.; Jabornegg, ZAS 1982, 93; Fitz, RdA 1983, 105 ff.) keine neuen und vor allem keine überzeugenden Argumente enthält (grundsätzlich zustimmend in jüngster Zeit hingegen Schrank, Möglichkeiten und Grenzen der einseitigen Berichtigung zeitwidriger Kündigungen, Strasser-FS 309 ff.; zustimmend ferner Martinek - Schwarz, Abfertigung 102 ff.), erübrigt sich eine neuerliche Erörterung und Begründung der vom OGH in Übereinstimmung mit einem jedenfalls beachtlichen Teil der Lehre vertretenen Auffassung über das sogenannte Schadenersatzprinzip.
Entscheidend ist hier vielmehr die Beantwortung der Frage, ob eine vom Erklärungswillen der erstbeklagten Partei umfaßte zeitwidrige Kündigung oder bloß eine auf einer Wissenserklärung in bezug auf den im Kündigungsschreiben angegebenen gesetzwidrigen Kündigungstermin beruhende, in Wahrheit daher zum gesetzlichen Kündigungstermin ausgesprochene Kündigung vorliegt.
Bei der Beantwortung dieser Frage ist davon auszugehen, daß auch bei einseitigen Rechtsgeschäften wie einer Kündigung eine Erklärung so zu beurteilen ist, wie sie der Empfänger nach ihrem Wortlaut und dem Geschäftszweck unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände und bei objektiver Betrachtungsweise verstehen mußte und durfte; auf eine damit nicht übereinstimmende subjektive Auffassung des Erklärenden kommt es nicht an (Arb. 9473, 9259, 9142, 8904 uva., zuletzt etwa JBl. 1983, 559 sowie 4 Ob 1/82). Nur wenn der Empfänger der Auflösungserklärung zweifelsfrei erkennen konnte, daß der Kundigende nur unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist kundigen wollte und die Nennung eines verfehlten Kündigungstermines (einer verkürzten Kündigungsfrist) somit nur die Folge einer unrichtigen Wissenserklärung ist, kann eine Wirkung der Kündigung (erst) zum nächsten zulässigen Kündigungstermin angenommen werden (JBl. 1983, 559; ZAS 1982/11). In diesen Fällen liegt somit eine zeitwidrige Kündigung bei richtiger Auslegung der Kündigungserklärung im oben dargelegten Sinn nicht vor. Soweit die Revisionswerber in der Rechtsrüge ausschließlich auf die subjektive Absicht, zum gesetzlichen Kündigungstermin zu kundigen, abstellen, beruhen ihre Ausführungen auf einer unrichtigen Rechtsansicht; sie müssen daher unbeachtet bleiben.
Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung kommt hier der Anführung des Kündigungstermins "30. 9. 1982" nicht die Eigenschaft einer Wissenserklärung zu. Bei der Beurteilung dieser Frage ist davon auszugehen, daß die Kündigungserklärung die Anführung einer Kündigungsfrist oder eines Kündigungstermines nicht enthalten muß (Arb. 9259, 6264;4 Ob 131/81 ua.; Spielbüchler, JBl. 1968, 485; Schrank aaO 313; Martinek - Schwarz, AngG[5], 345). Daraus kann aber weder der Schluß gezogen werden, daß eine allfällige Konkretisierung in zeitlicher Hinsicht in jedem Fall eine Willenserklärung sei (so Binder aaO FN 69), noch kann daraus gefolgert werden, daß es sich hiebei um eine jederzeit auswechselbare Wissenserklärung handle (so Spielbüchler, JBl. 1970, 538 f.). Ob die eine oder die andere Form einer Erklärung vorliegt, muß vielmehr im Einzelfall anhand des Wortlautes der Erklärung und allfälliger näherer Umstände, wie im Zusammenhang stehender Erklärungen und/oder Verhaltensweisen der Beteiligten, geprüft werden, wobei von der oben erwähnten objektiven Betrachtungsweise auszugehen ist. Von Bedeutung wird hiebei sein, auf welche Weise die Kündigungsfrist und/oder der Kündigungstermin in die Kündigungserklärung integriert sind (Schrank aaO 315 FN 37), ob also die Zeitangabe ein Bestandteil der auf die Rechtsgestaltung (Vertragsauflösung) gerichteten Willenserklärung ist oder ob sie davon unabhängig lediglich in einer für den Erklärungsempfänger unmißverständlichen Weise nur eine die - erkennbar auf die Anwendung der dafür maßgebenden Norm oder Vertragsbestimmung gestützten - Rechtsgestaltung nicht berührende unverbindliche Meinungskundgebung des Erklärenden zum Ausdruck bringen soll. Erklärt der Kundigende, er löse das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten, datumsmäßig konkretisierten Termin "unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist" auf, ist diese Terminangabe in die rechtsgestaltende Wissenserklärung voll integriert und läßt nicht bloß eine davon unabhängige unverbindliche Meinungskundgebung erkennen (davon abweichend ZAS 1982/11 = RdA 1983, 104). Der - zudem nicht näher konkretisierte - Hinweis auf die Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist bringt in diesem Zusammenhang bloß die vom Gekundigten ohnehin als selbstverständlich vorausgesetzte, grundsätzlich erwartete und von ihm in vielen Fällen zumindest nicht sofort überprüfbare Meinung des Kundigenden zum Ausdruck, dieser habe hiebei (nach seinem Wissen) die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten (vgl. dazu Schrank aaO 312 f. FN 25). Unklarheiten gehen dabei zu Lasten des Erklärenden (Schrank aaO 314 f.).
Im gegenständlichen Fall konnte die Klägerin auf der Grundlage dieser Auffassung die Kündigung zum 30. 9. 1982 ungeachtet des - noch dazu nicht konkretisierten - Hinweises auf die "Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist" bei objektiver Betrachtungsweise nur als eine auf die Kündigung zum 30. 9. 1982 gerichtete Willenserklärung verstehen. In dieser Auffassung mußte sie, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, in der Folge noch dadurch bestärkt werden, daß die erstbeklagte Partei das Arbeitsverhältnis zum 30. 9. 1982 tatsächlich beendete, die Entgeltansprüche der Klägerin zu diesem Termin abrechnete und ihr ein mit diesem Tag datiertes Dienstzeugnis ausfolgte. Dazu kommt noch, daß die erstbeklagte Partei erst am 28. 10. 1982, also vier Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und fast drei Wochen nach Geltendmachung der von der Klägerin aus der zeitwidrigen Kündigung abgeleiteten Ersatzansprüche, der Klägerin erstmals mitteilte, daß die Kündigungsfrist unrichtig sei, der Kündigungstermin nunmehr richtiggestellt werde und die Klägerin während der restlichen Zeit der Kündigungsfrist weiterhin arbeiten müsse. Das der Klägerin etwa eine allfällige Absicht der erstbeklagten Partei, das Dienstverhältnis erst zum 31. 12. 1982 aufzulösen, noch während des Arbeitsverhältnisses bekannt geworden wäre, wurde von den Parteien weder behauptet, noch von den Untergerichten festgestellt. Die Klägerin konnte der Kündigungserklärung aber auch nicht entnehmen, ob die erstbeklagte Partei, die sich nur auf die Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist berufen hatte, das Gesetz in jeder Hinsicht, also auch bezüglich des Kündigungstermines, einhalten wolle (in diesem Sinn auch JBl. 1983, 559 ff.).
Entgegen der Meinung der Revisionswerber lag daher keine "wissenserklärte", sondern eine "willenserklärte Kündigung" zum 30. 9. 1982 vor. Auf die Frage, ob eine (allfällige) Wissenserklärung die Annahme eines Vertrauensschutzes der Klägerin mit Erfüllungswirkung rechtfertigt (vgl. dazu Bydlinski, ZAS 1976, 134 f.), ob also die Klägerin in ihrem Vertrauen auf eine, wenn auch nur "wissenserklärte" Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. 9. 1982 zu schützen sei, muß daher nicht mehr eingegangen werden. Ebensowenig ist die in der Revision ausführlich behandelte Frage eines Irrtums der erstbeklagten Partei (§ 871 ABGB) zu erörtern, weil die beklagten Parteien vor den Untergerichten nicht einmal ein in die Richtung eines Irrtums hinweisendes Vorbringen erstattet, geschweige denn einen Irrtumseinwand erhoben haben.
Da somit das Arbeitsverhältnis der Prozeßparteien aus den dargelegten Erwägungen zum 30. 9. 1982 beendet wurde, war die Klägerin auch nicht verpflichtet, der Aufforderung der erstbeklagten Partei, nach diesem Zeitpunkt bis zum 31. 12. 1982 weiterhin Arbeitsleistungen zu erbringen, nachzukommen, sodaß entgegen der Meinung der Revisionswerber ein ungerechtfertigter vorzeitiger Austritt nicht vorliegt. Der Klägerin stehen vielmehr, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, in analoger Anwendung des § 29 AngG die dort genannten und von der Klägerin geltend gemachten, der Höhe nach außer Streit stehenden Ersatzansprüche zu.
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