Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 1.061,50 EUR bestimmte anteilige Pauschalgebühr im Revisionsverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen; im Übrigen werden die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gegeneinander aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin erzeugt und vertreibt rezeptpflichtige Arzneispezialitäten, die die Wirksubstanz Ginkgo enthalten. Die Erstbeklagte, deren allein vertretungsbefugter Geschäftsführer der Zweitbeklage ist, vertreibt ausschließlich über Apotheken unter der Marke LUCOVITR Tabletten, die Ginko biloba enthalten. Das in den Niederlanden hergestellte Produkt wurde in Österreich als Verzehrprodukt gem § 18 Abs 1 LMG angemeldet; innerhalb der Untersagungsfrist erging kein Untersagungsbescheid. Auf dem Etikett der Verkaufspackungen befindet sich die Anwendungsempfehlung "1 Tablette pro Tag; die Tabletten sollen unzerkaut mit ausreichend Wasser eingenommen werden." Die Tabletten werden in einem in Apotheken für Letztverbraucher aufgelegten Faltprospekt damit beworben, dass sie das Gedächtnis, den Kreislauf und die Leistungsfähigkeit in Schwung hielten. In einem für Apotheker und deren Mitarbeiter bestimmten Informationsblatt werden die Tabletten zur Einnahme bei aufgezählten Beschwerden - darunter periphere und cerebrale Durchblutungsstörungen, Tinnitus, Drehschwindel, Thrombozythenaggregation ua - empfohlen. Die Rezeptpflichtverordnung BGBl Nr 475/1973 weist in ihrer Anlage Teil 3 (Pflanzen und Pflanzenteile) den Wirkstoff Ginkgo biloba als rezeptpflichtig aus. Die Klägerin begehrt zuletzt die Unterlassung des Inverkehrbringens von LUCOVITR Ginkgo biloba-Tabletten, bis dieses Produkt nach § 11 Abs 1 AMG zugelassen ist, sowie 100.000 S (= 7.267,28 EUR) Schadenersatz; sie begehrt auch die Urteilsveröffentlichung ganzseitig in zwei Tages- und zwei Fachzeitungen. Die von der Erstbeklagten vertriebenen Tabletten seien im Inland nicht als Arzneimittel zugelassen, sodass ihr Inverkehrbringen als Nahrungsergänzungsmittel gegen das Arzneimittelgesetz verstieße. Weil das Produkt die Wirksubstanz Ginkgo biloba enthalte, handle es sich per se um ein Arzneimittel; darüber hinaus erwecke die Erstbeklagte durch die Art und Form des Inverkehrbringens den Eindruck, bei den Tabletten handle es sich um ein Arzneimittel. Durch ihren Rechtsbruch verschaffe sich die Erstbeklagte einen sittenwidrigen Vorsprung im Wettbewerb, weil sie sich ein langes und teures Zulassungsverfahren erspare.
Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Die zuständige Verwaltungsbehörde habe keinen Untersagungsbescheid erlassen, weshalb das Produkt als Verzehrprodukt nach dem Lebensmittelgesetz in Verkehr gebracht werden dürfe; ein Gesetzesverstoß liege nicht vor. Die für die Konsumenten bestimmten Werbemittel enthielten keine gesundheitsbezogenen Angaben; nähere Informationen über die Anwendung des Produkts richteten sich ausschließlich an Apotheker und Ärzte und seien nicht für die Laienwerbung bestimmt. Art und Form des Inverkehrbringens der Tabletten sei nicht geeignet, einen Hinweis auf eine Arzneimitteleigenschaft zu geben. Die österreichische Einstufungspraxis als rezeptpflichtiges Arzneimittel widerspreche dem Gemeinschaftsrecht.
Das Erstgericht verpflichtete die Beklagten, es zu unterlassen, LUCOVITR Ginkgo biloba-Tabletten in Österreich - als Arzneimittel - bis zu einer Zulassung gem § 11 Abs 1 AMG in Verkehr zu bringen, und ermächtigte die Klägerin zur Urteilsveröffentlichung in zwei Zeitungen auf je einer 1/8 Seite; das Mehrbegehren, es zu unterlassen, dieses Produkt in Österreich schlechthin in Verkehr zu bringen, wies es ebenso ab wie das Leistungsbegehren und das Veröffentlichungsbegehren hinsichtlich zwei weiterer Zeitungen jeweils ganzseitig. Die Beklagten hätten arzneiliche Wirkungen ihres Produkts behauptet und es damit als Arzneimittel in Verkehr gebracht, sodass es den Zulassungsbestimmungen des AMG unterliege; eine Vermarktung ohne eine solche Zulassung sei ein Wettbewerbsverstoß. Die von den Beklagten zur Rechtfertigung ihres Handelns herangezogene Richtlinie 65/65/EWG entfalte mangels zureichender Bestimmtheit keine unmittelbare Wirkung. Bei Inverkehrbringen der Tabletten als Verzehrprodukt hätten die Beklagten hingegen nicht rechtswidrig gehandelt; der auf Untersagung dieses Verhaltens gerichtete Teil des Unterlassungsbegehrens sei unberechtigt. Das Schadenersatzbegehren sei mangels Konkretisierung von Vermögensschäden unschlüssig. Eine Urteilsveröffentlichung sei nur in angemessenem Umfang zu bewilligen gewesen.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Das als Verzehrprodukt aufgemachte Erzeugnis sei zwar (weil es den rezeptpflichtigen Wirkstoff Ginkgo biloba enthalte) nach der - nicht mehr allein maßgeblichen - nationalen Einstufungspraxis des Ministeriums ein Arzneimittel, doch sei nicht behauptet worden, dass und aus welchen Gründen eine Einstufung der Tabletten nach ihren pharmakologischen Eigenschaften als Arzneimittel zum Schutz der Gesundheit notwendig sei. Damit stehe nicht fest, dass das Erzeugnis auch ein Arzneimittel iSd RL 65/65 EWG sei. Nur in letzterem Fall wäre die Einstufungspraxis des Gesundheitsministeriums unabhängig davon mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, ob die Voraussetzungen einer Einfuhrbeschränkung zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen gem Art 30 EG (früher Art 36) erfüllt seien. Die Klägerin hätte ihrer Behauptungs- und Bescheinigungslast nur dann genügt, wenn sie auch das Vorliegen jener Tatbestandsmerkmale behauptet und bewiesen hätte, die, wenn auch nicht nach nationalem Recht, so doch nach Gemeinschaftsrecht gegeben sein müssten, damit der Klageanspruch begründet sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Arzneimittel-Eigenschaft der Tabletten unrichtig beurteilt hat; das Rechtsmittel ist auch teilweise berechtigt.
Die Klägerin bekämpft die Auffassung des Berufungsgerichts, sie habe keine Behauptungen darüber aufgestellt, dass das zu beurteilende Erzeugnis ein Arzneimittel sei, und verweist darauf, dass der darin enthaltene Wirkstoff der RezeptpflichtVO unterliege; schon aus diesem Umstand ergäbe sich die Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes bei der Qualifizierung des Produkts als Arzneimittel. Jedenfalls seien die Tabletten aber nach Art und Form ihres Inverkehrbringens als Arzneimittel zu beurteilen. Dazu ist zu erwägen:
Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen oder nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind, bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper 1. Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen, 2. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen, 3. vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen, 4. Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen oder 5. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen (§ 1 Abs 1 AMG). Keine Arzneimittel sind ua Verzehrprodukte, sofern sie nach Art und Form des Inverkehrbringens nicht dazu bestimmt sind, die Zweckbestimmung des § 1 Abs 1 Z 1 bis 4 AMG zu erfüllen (§ 1 Abs 3 Z 2 AMG). Arzneispezialitäten dürfen - von hier nicht in Frage kommenden Ausnahmen abgesehen - im Inland erst abgegeben oder für die Abgabe im Inland bereitgehalten werden, wenn sie vom Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz zugelassen sind (§ 11 Abs 1 ArzneimittelG).
§ 1 RezeptpflichtG umschreibt in Form einer Generalklausel, für welche Arzneimittel eine Rezeptpflicht besteht; es sind dies solche, die auch bei bestimmungsmäßigem Gebrauch das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder Tieren gefährden können, wenn sie ohne ärztliche, zahnärztliche oder tierärztliche Überwachung angewendet werden. Auf welche Arzneimittel dies zutrifft, entscheidet das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz durch Verordnung (§ 2 Abs 1 RezeptpflichtG) nach Anhörung der als Expertengremium eingerichteten Rezeptpflichtkommission (§ 5 Abs 1 RezeptpflichtG). Die auf Grund der VO-Ermächtigung des § 2 Abs 1 RezeptpflichtG erlassene Rezeptpflichtverordnung (RezeptpflichtV) legt fest, welche Arzneimittel in Österreich in welchem Umfang nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft der Rezeptpflicht unterliegen. In der Anlage zur RezeptpflichtV sind alle Arzneimittel und deren Zubereitungen aufgezählt, die der Rezeptpflicht unterliegen (§ 1 Abs 1 RezeptpflichtV; Ulrich, Einführung in die pharmazeutische Gesetzeskunde, 85). Die Rezeptpflicht gilt, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vermerkt ist, auch für aus Pflanzen oder Pflanzenteilen hergestellte Auszüge (Vorbemerkungen zur Anlage der RezeptpflichtV). Ob die von der Erstbeklagten in Verkehr gebrachten Tabletten schon allein deshalb, weil sie Blattextrakt von Ginkgo biloba enthalten (welcher Wirkstoff in Anlage 3 der RezeptpflichtV genannt ist), nach nationalem Recht als Arzneimittel iSd AMG zu beurteilen sind - wie die Klägerin meint -, bedarf im Streitfall keiner näheren Prüfung. Wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, ergibt sich die Beurteilung des Produkts der Beklagten als Arzneimittel nämlich schon aus seiner subjektiven Zweckbestimmung, gemessen an Art und Form seines Inverkehrbringens (§ 1 Abs 1 AMG).
Für die Beurteilung, ob ein Produkt nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt ist, bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper die Zweckbestimmung des Arzneimittelgesetzes zu erfüllen, ist die allgemeine Verkehrsauffassung maßgebend. Demnach kommt es darauf an, wie die Angaben der Beklagten auf der Verpackung ihres Produkts und in der Informationsbroschüre vom Verkehr aufgefasst werden, nicht aber darauf, wie sie die Beklagten verstanden wissen wollten. Die für die Beurteilung von Werbeankündigungen zu § 2 UWG entwickelten Grundsätze sind auch hier heranzuziehen; entscheidend ist danach der Gesamteindruck der Ankündigung, wie er sich bei flüchtiger Wahrnehmung für einen nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Kreise ergibt. Allfällige Zweifel gehen dabei auf Kosten der Beklagten, weil nach ständiger Rechtsprechung jeder Werbende bei mehrdeutigen Äußerungen die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muss (ÖBl 2001, 73 - Ginkgo biloba mwN).
Behauptet der Hersteller arzneiliche Wirkungen seines Produkts und bringt er es damit als Arzneimittel in Verkehr, so unterliegt es den Zulassungsbestimmungen des Arzneimittelgesetzes und darf nur nach seiner Zulassung als solches vertrieben werden (§ 11 Abs 1 AMG). Der Hersteller handelt demnach gesetzwidrig, wenn er das Arzneimittel vertreibt, ohne über die notwendige Zulassung zu verfügen. Dieses - wegen Verstoßes gegen § 1 UWG auch wettbewerbswidrige - Verhalten kann ihm verboten werden; ein darauf gerichtetes Verbot ist geeignet, den wettbewerbswidrigen Zustand zu beseitigen (ÖBl 2001, 73 - Ginkgo biloba mwN).
Das von der Erstbeklagten in Verkehr gebrachte Produkt wird nun zwar in jenem Faltprospekt, der direkt für die Konsumenten bestimmt und in Apotheken zur Entnahme aufgelegt ist, in seiner Wirkung nur ganz allgemein ("hält das Gedächtnis in Schwung; gut für Leistungsfähigkeit und Konzentration; positiv für Herz und Kreislauf") beschrieben. Jenes Informationsblatt, das für Apotheker und deren Mitarbeiter bestimmt ist, empfiehlt die Tabletten aber zur Einnahme bei konkret aufgezählten Beschwerden wie etwa peripheren und cerebralen Durchblutungsstörungen, Tinnitus, Drehschwindel, Thrombozythenaggregation ua. Auch der Inhalt dieses Blatts ist in die Prüfung der subjektiven Zweckbestimmung durch den Hersteller mit einzubeziehen, muss doch nach der Lebenserfahrung damit gerechnet werden, dass die darin vermittelte Information im Beratungsgespräch vom Apotheker und seinen Mitarbeitern an den Verbraucher weitergegeben wird. Damit wird aber letztlich von der Erstbeklagten ein (wenngleich aus der Natur gewonnenes pflanzliches) Arzneimittel angeboten, das die Zweckbestimmung des § 1 Abs 1 Z 1 AMG erfüllt. An dieser Rechtslage ändert auch nichts, dass die Tabletten der Erstbeklagten als Verzehrprodukt gem § 18 LMG angemeldet worden sind und ihr Inverkehrbringen nicht untersagt worden ist: Die Nichterlassung eines Untersagungsbescheids des BM für Gesundheit und Umweltschutz hat nicht die Wirkung, dass ein zu Unrecht als Verzehrprodukt angemeldetes Arzneimittel künftig als Verzehrprodukt zu beurteilen wäre; ein Produkt kann nämlich nicht zugleich Arzneimittel und Verzehrprodukt sein (ÖBl 2001, 73 - Ginkgo biloba mwN; 4 Ob 85/01f). Auch wird in der ministeriellen Bekanntgabe des Ablaufs der Untersagungsfrist (vgl Beil ./1) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine abschließende Beurteilung des angemeldeten Erzeugnisses nicht vorgenommen wurde.
Zwar hat die Erstbeklagte ihren Sitz im Inland; weil aber das von ihr im Inland vertriebene Produkt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union hergestellt worden ist, liegt insoweit ein Auslandsbezug im Sachverhalt vor, der - weil mit der Einstufung eines Produkts als Arzneimittel auch die Warenverkehrsfreiheit (Art 28 EG, früher Art 30) angesprochen ist - der Anwendung allein nationalen Rechts entgegensteht. Zu berücksichtigen ist im Streitfall daher auch Gemeinschaftsrecht.
Wie der erkennende Senat in der Entscheidung 4 Ob 126/98b = wbl 1998, 458 = ecolex 1998, 857 [Schanda] = ZfRV 1999, 37 - Beta Carotin unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH ausführlich dargelegt hat, hat die Harmonisierung des Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet des Arzneimittelrechts mit der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. 1. 1965 begonnen. Nach dieser Richtlinie sind Arzneimittel "alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten bezeichnet werden" und "alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen oder tierischen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen oder tierischen Körperfunktionen angewandt zu werden". (Art 1 der Richtlinie). Hauptzweck der Richtlinie 65/65/EWG ist es, Arzneispezialitäten einer Genehmigung für das Inverkehrbringen zu unterwerfen. Nach Art 3 darf "eine Arzneispezialität ... in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats die Genehmigung dafür erteilt hat". Nur ein Erzeugnis, das unter die gemeinschaftsrechtliche Definition des Arzneimittels fällt, kann als Arzneimittel im Sinne dieser Richtlinie angesehen werden. Auch für die gemeinschaftsrechtliche Einstufung eines Erzeugnisses als Arzneimittel oder als Lebensmittel sind somit entweder seine pharmakologischen Eigenschaften oder seine Bezeichnung als Mittel zur Heilung oder Verhütung von Krankheiten maßgebend.
An diesem gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriff hat sich auch nach der - insoweit inhaltsgleichen - Bestimmung des Art 1 Nr 2 II der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vom 6. 11. 2001 (ABl EG Nr L 311, S. 67), gemäß deren Art 128 Abs 1 die Richtlinie 65/65/EWG aufgehoben worden ist, nichts geändert (vgl dazu etwa Köhler, Die neuen europäischen Begriffe und Grundsätze des Lebensmittelrechts, GRUR 2002, 844 ff, FN 5; BGH Urteil vom 11. 7. 2002, GRUR 2002, 910 - Muskelaufbaupräparate). Damit gilt das zuvor zur subjektiven Zweckbestimmung Gesagte auch im gemeinschaftsrechtlichen Zusammenhang. Der EuGH hat dazu in stRsp festgehalten, dass das Kriterium der "Bezeichnung" in Art 1 Nr 2 der Richtlinie 65/65/EWG nicht nur Arzneimittel erfasst, die tatsächlich eine therapeutische oder medizinische Wirkung haben, sondern auch solche Erzeugnisse, die nicht ausreichend wirksam sind oder nicht die Wirkung haben, die der Verbraucher nach ihrer Bezeichnung von ihnen erwarten darf; dadurch soll der Verbraucher nicht nur vor schädlichen und giftigen Arzneimitteln als solchen geschützt werden, sondern auch vor Erzeugnissen, die an Stelle geeigneter Heilmittel verwendet werden. Der Begriff der "Bezeichnung" ist dabei nach Auffassung des EuGH weit auszulegen; ein Erzeugnis werde nicht nur dann als Mittel zur Heilung oder Verhütung von Krankheiten bezeichnet, wenn es ausdrücklich - etwa auf dem Etikett, dem Beipackzettel oder mündlich - als solches bezeichnet oder empfohlen wird, sondern auch dann, wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass dieses Erzeugnis in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse (Köhler aaO 846). Um diesen Tatbestand des "Präsentationsarzneimittels" zu erfüllen, muss es daher - im Sinne einer mündlichen Empfehlung - genügen, dass dem Produkt (wie im Streitfall) vom Vertreiber in Werbemitteln gegenüber Apothekern und deren Mitarbeitern arzneiliche Wirkungen zugeschrieben werden, weil in diesem Fall davon ausgegangen werden muss, dass diese Information im Wege mündlicher Beratungsgespräche (deren Inhalt dem Vertreiber zuzurechnen ist) an die maßgeblichen Verbraucherkreise weitertransportiert wird und so die Vorstellung der Verbraucher von der Zweckbestimmung des Erzeugnisses entscheidend bestimmt. Die Einstufung des Erzeugnisses der Erstbeklagten als Arzneimittel seiner subjektiven Zweckbestimmung nach ist demnach sowohl nach inländischem Recht als auch nach Gemeinschaftsrecht zu bejahen.
Die Klägerin vertritt nun darüber hinaus den Standpunkt, das Erzeugnis der Erstbeklagten sei auch ein Arzneimittel im objektiven Sinn. Folgerichtig hat sie ganz allgemein die Unterlassung des Inverkehrbringens der Tabletten vor einer Zulassung gem § 11 AMG begehrt und sich in ihrer Berufung dagegen gewandt, dass dem Unterlassungsbegehren nur eingeschränkt auf ein Inverkehrbringen als Arzneimittel stattgegeben worden ist. Zur Begründung ihrer Auffassung hat sich die Klägerin allein darauf berufen, dass das Erzeugnis den die Rezeptpflicht auslösenden Wirkstoff Ginkgo biloba enthalte; dass das Erzeugnis der Erstbeklagten seinen pharmakologischen Wirkungen nach tatsächlich ein Arzneimittel sei, hat die Klägerin hingegen nicht behauptet, sondern sich immer nur auf "die Gesetzeslage" (Klage S. 4) berufen, die das Erzeugnis "per se" zum Arzneimittel mache.
Diese Begründung ist aus rechtlichen Gründen unschlüssig:
Gem § 1 Abs 1 RezeptpflichtV dürfen bestimmte Arzneimittel nur gegen Verschreibung abgegeben werden. Diese Bestimmung findet somit nur auf solche Erzeugnisse Anwendung, von denen bereits feststeht, dass es sich bei ihnen um ein Arzneimittel handelt. Ob dies der Fall ist, ist aber am Maßstab des § 1 Abs 1 AMG zu messen, der für den Arzneimittelbegriff entweder an den objektiven Eigenschaften des Stoffes oder an seiner subjektiven Zweckbestimmung anknüpft. Die Aufnahme des Wirkstoffs Ginkgo biloba - noch dazu ohne jede mengenmäßige Differenzierung - in die RezeptpflichtV bewirkt demnach bei der gebotenen gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung für sich allein noch nicht, dass die Tabletten der Erstbeklagten als Arzneimittel im objektiven Sinn zu beurteilen wären. Den Beklagten ist demnach nur vorzuwerfen, ihr Produkt als Präsentationsarzneimittel unter Verstoß gegen Bestimmungen des AMG in Verkehr gebracht und damit wettbewerbswidrig iSd § 1 UWG gehandelt zu haben; (nur) in diesem Umfang erweist sich das Unterlassungsbegehren als berechtigt. Das Unterlassungmehrbegehren wurde daher vom Erstgericht zu Recht abgewiesen.
Die Abweisung des Schadenersatzbegehrens hat die Klägerin in zweiter Instanz nicht weiter bekämpft, sodass das Ersturteil insoweit in Rechtskraft erwachsen ist.
Zum Veröffentlichungsbegehren hat grundsätzlich der Kläger - dem Grunde und dem begehrten Umfang nach - zu behaupten und zu beweisen, worin sein Interesse an der begehrten Publikationsbefugnis besteht (Ciresa, Handbuch der Urteilsveröffentlichung² Rz 319 mwN). Die Klägerin hat im Streitfall dazu lediglich ganz allgemein ausgeführt, den (seinem Umfang nach nicht näher präzisierten) Kundenkreis der Erstbeklagten aufklären zu wollen, ohne weiter zu begründen, weshalb sie eine Mehrfachveröffentlichung in zwei Tages- und zwei Fachzeitungen für erforderlich hält. Es ist somit davon auszugehen, dass der Wettbewerbsverstoß der Erstbeklagten einem unbestimmten Personenkreis bekannt geworden ist; dass dieser Kreis von Personen aber besonders groß sei, wurde weder behauptet noch bewiesen. Berücksichtigt man weiters, dass das beanstandete Produkt ausschließlich über Apotheken abgegeben worden ist, erscheint dem Aufklärungsbedürfnis der Klägerin mit einer Veröffentlichung in je einer Tages- und Fachzeitung hinreichend Rechnung getragen zu sein. Da der Gesetzesverstoß nicht in einem Medium erfolgt ist und besondere Gründe für eine ganzseitige Veröffentlichung nicht vorgebracht worden sind, ist - wie schon vom Erstgericht erkannt - eine Veröffentlichung auf einer 1/8 Seite ausreichend, um den angestrebten Aufklärungszweck zu erreichen.
Der Revision ist teilweise Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 2 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO. Im Verfahren erster Instanz ist von einem gleichteiligen Prozesserfolg auszugehen, wurde doch dem Unterlassungs- und dem Veröffentlichungsbegehren nur mit Einschränkungen stattgegeben, das Schadenersatzbegehren hingegen abgewiesen. Im Berufungsverfahren blieben beide Streitteile erfolglos, im Revisionsverfahren obsiegte die Klägerin (bei einer Bemessungsgrundlage von 65.405,55 EUR) nur mit einem Teil ihres Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehrens, der mangels anderer Anhaltspunkte gleich zu bemessen ist wie der abgewiesene Teil.
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