OGH 4Ob139/18x

OGH4Ob139/18x23.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und Mmag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin M***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Beklagte M***** s.r.o., *****, vertreten durch Dr. Filip Sternberg, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung, Urteilsveröffentlichung und Zahlung (Gesamtstreitwert 68.000 EUR) sA, über die außerordentliche Revision und den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten (Revisionsinteresse 56.000 EUR) gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungs- und Rekursgericht vom 30. April 2018, GZ 5 R 165/17x‑27, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00139.18X.1023.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision und der außerordentliche Revisionsrekurs werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO und gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO und des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die in Österreich ansässige und national sowie international tätige Klägerin vertreibt dekorative Beleuchtungsprodukte. Sie ist Inhaberin der im Jahr 2003 eingereichten und 2005 eingetragenen Unionsmarke

Diese Wortbildmarke beansprucht Schutz für Waren und Dienstleistungen der Klassen 11 (dekorative Beleuchtungsgeräte), 35 (u.a. Werbung) und 37 (u.a. Bauwesen).

Die in Tschechien ansässige Beklagte verkauft, vermietet, liefert und montiert ebenfalls Leuchtdekorationen und Leucht- bzw Werbeschilder. Sie ist Inhaberin der prioritätsjüngeren Unionsmarke, bestimmt für die Waren- und Dienstleistungsklassen 16 (u.a. Papier), 20 (Möbel, Spiegel, Bilderrahmen) und 28 (Spielwaren, Christbaumschmuck)

Sie ist weiters Inhaberin der prioritätsjüngeren tschechischen Wortmarke „MK“,

Im Zuge eines Testkaufs im Jahr 2015 wurden einige Produkte der Beklagten von Österreich aus bestellt und von dieser dann nach Österreich geliefert. Die Produkte wiesen die oben bezeichneten Wort- bzw Wortbildmarken auf.

Die Klägerin begehrte, die Beklagte zu verpflichten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr (in Österreich) dekorative Beleuchtung und/oder diesbezügliche Montage-, Wartungs- und/oder Lagerungsdienstleistungen unter Verwendung eines Kennzeichens, welches das für die Klägerin geschützte Kennzeichen und/oder ähnliche Zeichen enthält, insbesondere der oben dargestellten Kennzeichen der Beklagten, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu bewerben, zum Zweck des Anbietens und/oder Inverkehrbringen zu besitzen, einzuführen, auszuführen und/oder zu erbringen. Ferner erhob sie in Ansehung der in der Verfügungsmacht der Beklagten befindlichen Eingriffsgegenstände ein Vernichtungsbegehren, beantragte Urteilsveröffentlichung und verlangte im Wege der Stufenklage Rechnungslegung und Zahlung des sich aus der Rechnungslegung ergebenden und danach zu beziffernden doppelten angemessenen Entgelts, Schadenersatzes oder Gewinns. Im Übrigen beantragte sie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Die Beklagte bestritt diese Begehren. Sie sei nicht auf dem österreichischen Markt tätig, überdies fehle es an Verwechslungsgefahr.

Das Berufungs- und Rekursgericht gab dem Unterlassungs- und Rechnungslegungsbegehren mit Teilurteil statt, wies das Vernichtungs- und Veröffentlichungsbegehren ab (die Entscheidung über das Zahlungsbegehren behielt es der Bezifferung infolge Rechnungslegung vor), erließ eine entsprechende einstweilige Verfügung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig seien.

Die Beklagte erhebt außerordentliche Revision und außerordentlichen Revisionsrekurs mit den Anträgen, die Klage und den Sicherungsantrag abzuweisen. Aufgrund des deutlichen Unterschieds der Marken sei keine Verwechslungsgefahr gegeben, wegen der Einmaligkeit des Vorfalls fehle es auch an der Wiederholungsgefahr für den Unterlassungsanspruch. Die Rechnung über diesen einzigen Geschäftsfall sei ohnedies im Besitz der Klägerin, sodass es auch keiner Rechnungslegung bedürfe.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rechtsmittel sind mangels erheblicher Rechtsfragen unzulässig.

1.1. Die Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu berücksichtigen sind die Kennzeichnungskraft der verletzten Marke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren (RIS-Justiz RS0121500). Bei einem Wortbildzeichen ist bei zumindest durchschnittlich kennzeichnungskräftigem Wortbestandteil für den Gesamteindruck in der Regel dieser maßgebend (RIS‑Justiz RS0066779 [T9, T15]). Wird er unverändert in eine andere Marke übernommen und tritt nicht gegenüber den anderen Bestandteilen des übernehmenden Zeichens, die den Gesamteindruck prägen, in den Hintergrund, ist die Verwechslungsgefahr zu bejahen (RIS-Justiz RS0079033 [T20]). Ob dies im Einzelfall zutrifft, ist grundsätzlich keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO, soweit die zweite Instanz den ihr in dieser Frage eröffneten Beurteilungsspielraum nicht überschritten hat (RIS-Justiz RS0111880; RS0112739; 4 Ob 116/16m, itikat/öz itimat).

1.2. Die Beklagte hat den Wortbestandteil „MK“ des klägerischen Zeichens unverändert übernommen. Indem die außerordentliche Revision sowohl die Warenähnlichkeit als auch die originär durchschnittliche Kennzeichnungskraft dieses Zeichens ausdrücklich zugesteht, zeigt sie mit dem Hinweis auf Abweichungen in der grafischen Gestaltung des Eingriffszeichens, die sich im Wesentlichen auf Unterschiede im Schriftzug beschränken, keine unvertretbare Fehlbeurteilung des Berufungs- und Rekursgerichts auf. Seine Beurteilung, der Wortbestandteil MK behalte in der Marke der Beklagten seine selbstständig kennzeichnende Stellung und trete im Gesamteindruck nicht völlig in den Hintergrund, bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

2. Wiederholungsgefahr ist selbst bei einem einmaligen Verstoß anzunehmen, wenn nicht ausreichende Anhaltspunkte für eine ernsthafte Änderung der Willensrichtung des Verletzers vorliegen (RIS-Justiz RS0080119; RS0079771). Zumal die Beklagte im Prozess auf ihrem Standpunkt beharrt hat, mit ihren Marken nicht in die Kennzeichenrechte der Klägerin einzugreifen (vgl RIS-Justiz RS0079894 [T1]), zeigt sie auch insoweit keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage auf (vgl RIS-Justiz RS0042818).

3.1. Zwar ist ein Rechnungslegungsbegehren abzuweisen, wenn dem Berechtigten die notwendigen Daten bereits bekannt sind, er also schon über die für die behauptete Anspruchsverfolgung erforderlichen Informationen verfügt (RIS-Justiz RS0034956 [T1]; RS0034907). Inhalt und Umfang der Rechnungslegungspflicht richten sich aber ebenso nach den Umständen des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0019529 [T7]) wie die Frage, ob eine formell vollständige Rechnung bereits gelegt wurde (RIS-Justiz RS0035044 [T6]). Insbesondere eine Frage des Einzelfalls betrifft der von der Revision angesprochene Punkt, ob der Zweck der Rechnungslegung die Vorlage von Belegen erfordert (RIS-Justiz RS0120237 [T2]). Die Rechtsprechung gewährt grundsätzlich Einsicht in die Wareneingangs- und Warenausgangsrechnungen. Erst die Vorlage von Originalbelegen an den Sachverständigen ermöglicht eine Überprüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Rechnungslegung (vgl RIS-Justiz RS0120237 [T1]).

3.2. Eine unvertretbare Fehlbeurteilung zeigt die Beklagte zur Frage der Rechnungslegung nicht auf. Ihr Einwand, die Rechnungslegung auch über die Eingangsrechnung sei aufgrund der Einmaligkeit des Verstoßes nicht erforderlich, betrifft die Frage der Richtigkeit und materiellen Vollständigkeit der Rechnungslegung, deren Prüfung dem Sachverständigen obliegt. Im Verfahren über die grundsätzliche Rechnungslegungspflicht ist diese Frage daher nicht zu prüfen (vgl 4 Ob 130/18y).

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