Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 20.781,36 (darin enthalten S 3.463,56 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Medieninhaberin und Herausgeberin der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung". Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin und Herausgeberin der "Vorarlberger Nachrichten"; der Zweitbeklagte, die Drittbeklagte und der Viertbeklagte sind die persönlich haftenden Gesellschafter der Erstbeklagten.
In den Ausgaben der "Vorarlberger Nachrichten" vom 26. Jänner 1988 und 2. Februar 1988 warb die Beklagte unter der Überschrift "Mitbestimmen - und gewinnen bei der Hitparade!" mit folgenden Worten für die Teilnahme an der Zusammenstellung einer "VN-Leser-Hitparade":
"Mitbestimmen und gewinnen: Die 'VN'-Hitparade - jede Woche im 'VN'-Magazin - ist ein echter Schlager. Aus einer Flut von Einsendungen ergibt sich wöchentlich die topaktuelle Rangliste - ganz nach dem Geschmack der Pop-Fans im Ländle. Denn Ihr seid die Jury. Und noch dazu Anwärter auf einen der schönen Plattenpreise!
Die 'VN'-Leser-Hitparade zeigt, was in Vorarlberg gefällt. Und zwar jeden Freitag im 'VN'-Magazin. Jede Woche kannst Du mitentscheiden bei der Auswahl der Top-Hits im Ländle. Und hast dabei noch die Chance, die neuesten Langspielplatten mit Superhits zu gewinnen. Als anregende Gedankenstütze - und nicht mehr - dienen die Hitparaden aus Österreich, England und den USA, die Du wöchentlich am Freitag im 'VN'-Magazin findest. Aber selbstverständlich kannst Du auch jeden anderen Titel zu Deinem Favoriten machen.
Und so einfach kannst Du teilnehmen - und gewinnen: Den Kupon oder eine Postkarte ausfüllen und mit Namen und Adresse den 'Vorarlberger Nachrichten' schicken."
Bei diesem Text war ein Kupon in der Gestalt einer an die Erstbeklagte gerichteten Postkarte abgedruckt, in welchen Datum, Lieblingstitel sowie Name und Adresse des Teilnehmers eingetragen werden konnten.
In den - den Freitagsausgaben der "Vorarlberger Nachrichten" beiliegenden - "VN-Magazinen" vom 22. Jänner 1988, 29. Jänner 1988, 5. Februar 1988 und 4. März 1988 veröffentlichte die Erstbeklagte jeweils die "VN-Leser-Hitparade". Auf derselben Seite befand sich dabei jeweils ein gleichartiger Teilnahmekupon wie in den Tageszeitungs-Ausgaben vom 26. Jänner und vom 2. Februar 1988; weiters wurden die fünf Gewinner der jeweiligen Runde mit Namen und Anschrift veröffentlicht. Neben der Hitparade abgedruckte Artikel enthielten Hinweise auf die Möglichkeit der Teilnahme an der Zusammenstellung der Hitparade sowie auf die (fünf) Preise, die in jeder Runde zu gewinnen sind.
Die Erstbeklagte erstellt die Hitparade auf Grund der Einsendungen ihrer Leser. Wöchentlich werden zwei Langspielplatten im Wert von je S 150 bis S 170 und drei Singles im Wert von je S 50 verlost. Ausgeloste Einsender werden mit eingeschriebenem Brief von ihrem Gewinn verständigt; sie erhalten einen Gutschein für die gewonnene Schallplatte, welchen sie in einem Schallplattengeschäft in Hohenems einlösen können. Die fünf Gewinner jeder Runde werden - ohne entsprechende Vorankündigung - wöchentlich mit Namen und Adresse veröffentlicht.
Die Erstbeklagte führt das Gewinnspiel nach wie vor in gleicher Weise durch.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb der "Vorarlberger Nachrichten" das Ankündigen und Durchführen von Gewinnspielen oder anderen Werbemaßnahmen zu unterlassen, bei denen Preise nicht unbedeutenden Wertes verlost werden oder das Erhalten eines Preises von einem Zufall abhängig gemacht wird, wenn durch die Teilnahmebedingungen oder durch eine sonstige Art der Durchführung des Gewinnspiels der Eindruck erweckt wird, daß zur Teilnahme am Gewinnspiel der Erwerb der "Vorarlberger Nachrichten" notwendig oder zumindest förderlich sei, und solche Werbespiele zu unterlassen, für welche die Spielbedingungen für die Teilnahme unklar sind, wie zB das Kriterium der Gewinnermittlung, die Verständigung des Gewinners oder andere wichtige Informationen für den Spielinteressierten; weiters hätten die Beklagten die Veröffentlichung der Gewinner und/oder Verteilung von Gewinnen zu unterlassen. Außerdem begehrt die Klägerin die Ermächtigung zur Veröffentlichung des Urteils in den Tageszeitungen der beiden Streitteile.
Die Beklagten gewährten den durch Auswahl oder Los ermittelten Gewinnern wöchentlich Zuwendungen nicht geringen Wertes; sie verknüpften die Spiellust des Publikums durch den Teilnahmekupon, aber auch durch die wöchentliche Veröffentlichung der Gewinner, in unzulässiger Weise unmittelbar mit dem Absatz der "Vorarlberger Nachrichten". Die Möglichkeit der Teilnahme mit einer Postkarte sei der Verwendung des aus der Zeitung auszuschneidenden Kupons nicht gleichwertig; auch werde bei einem überwiegenden Teil des angesprochenen Publikums der Eindruck entstehen, daß die Gewinnchancen bei Verwendung des Kupons höher seien als bei Verwendung einer Postkarte. Die Teilnehmer würden aber auch durch die wöchentliche Veröffentlichung der Gewinner zu der Meinung veranlaßt, daß man die "Vorarlberger Nachrichten" kaufen müsse, um von einem Gewinn Kenntnis zu erlangen. Insbesondere für jugendliche Leser begründe die Aussicht auf den Gewinn einer Langspielplatte einen starken Kaufanreiz; für diesen Publikumskreis sei es auch erstrebenswert, als Gewinner und damit als "Kenner der Pop-Szene" in einer Tageszeitung namentlich genannt zu werden. Die Beklagten übten somit durch das beanstandete Gewinnspiel zumindest in psychischer Hinsicht einen Zwang zum Kauf ihrer Tageszeitung aus. Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Die wöchentlichen Einsendungen ihrer Leser seien ein wertvoller Beitrag zur Aufstellung der Hitparade; das wöchentliche Verlosen von Schallplatten sei nur eine geringfügige Gegenleistung hiefür. Die Beklagten führten daher ein zulässiges Leistungspreisausschreiben durch. Die ausgelosten Einsender würden schriftlich von ihrem Gewinn verständigt; sie erhielten einen Gutschein, den sie in einem Schallplattengeschäft einlösen könnten, ohne dabei den Betrieb der Erstbeklagten aufsuchen zu müssen. Die Gestaltung des Spiels erwecke nicht den Eindruck, daß der Kauf der "Vorarlberger Nachrichten" dabei irgend einen Vorteil bringe. Ein besonderer Anlockeffekt gehe davon nicht aus, weil dem Durchschnittspublikum bekannt sei, daß die Gewinnchancen bei derartigen Verlosungen ungewiß seien; das gelte auch für das durch die Aktion vorwiegend angesprochene jugendliche Publikum. Das über das Unterlassen des Ankündigens und des Durchführens der "VN-Leser-Hitparade" hinausgehende Unterlassungsbegehren sei durch das Vorbringen in der Klage nicht gedeckt.
Das Erstgericht verneinte einen Verstoß der Beklagten gegen § 1, § 2 und § 28 UWG und wies die Klage ab.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. In rechtlicher Hinsicht führte es folgendes aus:
Die im Rahmen des Gewinnspiels verlosten Schallplatten seien nicht geringwertige Kleinigkeiten; die auch bei zufallsbedingten Nebenleistungen zu einer Hauptware anzuwendende Ausnahme vom Zugabenverbot gemäß § 3 Abs 1 lit c ZugG liege daher nicht vor. Im übrigen biete die Beteiligung an einem Preisausschreiben nur eine bekanntermaßen geringe und vom Zufall abhängige Gewinnchance; häufig herrsche der Eindruck vor, daß es mehr um ein nettes, unterhaltsames Spiel gehe als um eine reale Möglichkeit, zu hohen Gewinnen zu kommen. Ein wirksamer Druck, eine Zeitung zu kaufen, könne damit nicht erzeugt werden; sittenwidriges Anlocken zum Kauf der Tageszeitung der Beklagten sei mit diesem Gewinnspiel nicht verbunden. Eine gewisse Belohnung der Teilnehmer sei im Hinblick darauf gerechtfertigt, daß die Erstellung der Hitparade ohne die Mitwirkung der Einsender nicht möglich wäre.
Das Gewinnspiel der Beklagten verstoße aber auch nicht gegen § 28 UWG, weil die Art seiner Durchführung nicht geeignet sei, einen Zwang zum Kauf der "Vorarlberger Nachrichten" auszuüben. Die Teilnahme mit einer Postkarte sei der Teilnahme mit dem in der Zeitung abgedruckten Kupon gleichwertig, weil mühsames Abzeichnen entfalle; Kupon und Postkarte müßten in gleicher Weise frankiert und zur Post gegeben werden. Es sei aber auch anzunehmen, daß die wöchentliche Veröffentlichung der Gewinner das vorwiegend jugendliche Publikum nicht zu der Annahme bewegen könne, daß die Gewinner nicht gesondert verständigt würden, selbst wenn dies nicht ausdrücklich angekündigt wurde; auch damit werde kein psychischer Kaufzwang ausgeübt. Aber auch wegen der Geringwertigkeit der Preise und der Geringfügigkeit der Gewinnchancen könne psychischer Kaufzwang nicht angenommen werden. Warum dies bei einem jugendlichen Publikum anders sein sollte, sei nicht zu sehen. Die Art der Durchführung des Spiels erwecke auch nicht den Eindruck, daß die Gewinnchancen bei einem Kauf der Zeitung höher seien. Auch das Bestreben Jugendlicher, als Gewinner in einer Zeitung veröffentlicht zu werden, rechtfertige nicht die Annahme unzulässigen Kaufzwanges oder übermäßigen Anlockens. Schließlich sei auch nicht zu erkennen, worin eine Täuschung des Publikums liegen solle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag, der Klage vollinhaltlich stattzugeben; hilfsweise stellt die Klägerin zwei Aufhebungsanträge.
Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Klägerin vertritt in ihrer Revision die Auffassung, daß die angekündigten Schallplattenpreise nicht geringfügig seien und daher insbesondere bei dem hier angesprochenen jugendlichen Publikum einen großen Anreiz bildeten, die "Vorarlberger Nachrichten" zu kaufen. Die jugendlichen Leser seien sich auch nicht darüber im klaren, daß die Gewinnchancen zufallsbedingt und äußerst gering seien. Auch sei das Gewinnspiel vom Warenbezug nicht völlig unabhängig, weil die Teilnahme unter Verwendung des in der Zeitung abgedruckten Kupons jedenfalls günstiger erscheine als die Teilnahme mit einer Postkarte und die Gewinner wöchentlich in der Zeitung der Beklagten veröffentlicht würden, ohne daß auch angekündigt werde, daß sie von ihrem Gewinn persönlich verständigt würden; zumindest werde aber der Eindruck erweckt, daß man durch den Erwerb der Zeitung der Beklagten Informationen erhalte, welche die Chance auf einen Gewinn erhöhten. Schließlich liege auch eine Täuschung über die Teilnahmebedingungen und über die Gewinnchancen vor. Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden:
Das beanstandete Gewinnspiel ist dadurch gekennzeichnet, daß es Elemente eines Leistungs- und Marktforschungspreisausschreibens enthält: Einerseits wird die Erstbeklagte erst durch die Einsendungen der Teilnehmer in die Lage versetzt, eine Leser-Hitparade zu erstellen; andererseits gibt die Summe der Einsendungen Aufschluß über die Beliebtheit von Musiknummern der Popszene in Jugendkreisen; dadurch wird es der Erstbeklagten erst möglich, über Trends auf dem Gebiet der Unterhaltungsmusik zu berichten. Preisausschreiben dieser Art sind aber wettbewerbsrechtlich grundsätzlich zulässig, sofern nicht besondere Umstände, wie übertriebenes Anlocken oder eine Koppelung mit dem Warenabsatz, hinzutreten (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15 601 f Rz 149 f zu § 1 UWG). Wie schon die Vorinstanzen richtig erkannt haben, bewirken die Schallplattenpreise - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß durch das Spiel meist jugendliches Publikum angesprochen wird - keinen übertriebenen Anlockeffekt, die Zeitung der Beklagten nur wegen der Durchführung dieses Gewinnspiels - das überdies nie auf der ersten Seite angekündigt wurde - zu kaufen. Auch eine Täuschung über die Gewinnchancen liegt nicht vor, weil nicht nur durch die wöchentliche Veröffentlichung von fünf Gewinnern, sondern auch ausdrücklich (siehe etwa Beilage E) bekanntgegeben wurde, daß wöchentlich nur fünf Schallplatten unter den Einsendern verlost würden. Wodurch das Publikum zu der Auffassung gelangen sollte, daß die Gewinnchancen dennoch höher seien, als sie es tatsächlich sind, ist nicht ersichtlich.
Es liegt aber auch keine unzulässige Koppelung des Gewinnspiels mit dem Warenabsatz vor: In der Zeitung der Beklagten wird zwar wöchentlich ein Teilnahmekupon abgedruckt, doch hat dieser im vorliegenden Fall keine andere Funktion als eine Postkarte, bietet er doch dieser gegenüber nur den Vorteil, daß der Adressat - nämlich die Erstbeklagte - bereits vorgedruckt ist. Die weiteren wesentlichen Angaben, nämlich der Lieblingstitel, der Name und die Adresse des Teilnehmers, müssen in beiden Fällen in gleicher Weise eingetragen werden; auch bei der Frankierung besteht kein Unterschied, der die Verwendung des Kupons bequemer erscheinen ließe. Auch für Interessenten, die sich mehrfach an dem Spiel beteiligen wollen, besteht kein Anreiz, weitere Zeitungsexemplare zu kaufen. Durch die Möglichkeit, sich mit einer Postkarte an dem Gewinnspiel zu beteiligen, wurde daher im vorliegenden Fall eine dem Kauf der Zeitung und der Teilnahme mit dem abgedruckten Kupon gleichwertige Alternative geboten (vgl. Baumbach-Hefermehl aaO 549 Rz 138 zu § 1 UWG; ÖBl. 1988, 156). Dem Berufungsgericht ist aber auch darin beizupflichten, daß das an Gratisverlosungen gewöhnte Publikum der Verwendung des in der Zeitung abgedruckten Teilnahmekupons keine besondere, für die Teilnahme und die Gewinnchancen förderliche Wirkung beimessen wird (vgl. zu diesen Kriterien psychischen Kaufzwangs Baumbach-Hefermehl aaO 593 ff Rz 137 ff zu § 1 UWG; ÖBl. 1988, 156). Auch die - nicht besonders angekündigte - Veröffentlichung der Gewinner jeder Runde bildet keine ausreichende Grundlage für die Annahme psychischen Kaufzwanges, konnte doch mangels einer solchen Ankündigung jeder Spielteilnehmer damit rechnen, daß er von einem allfälligen Gewinn persönlich verständigt werde (ÖBl. 1989, 112), was tatsächlich auch laufend geschieht. Soweit aber aus den Ankündigungen der Beklagten und der wöchentlichen Veröffentlichung der "VN-Leser-Hitparade" abgeleitet werden konnte, daß das Gewinnspiel - zumindest während eines gewissen Zeitraums - laufend durchgeführt werde, wird auch dadurch kein besonderer Anreiz erweckt, die Zeitung der Beklagten zum Zweck der Wahrung der Gewinnchancen zu kaufen, wurde doch von vornherein klargestellt, daß die Teilnahme mit einer Postkarte genüge und die Veranstaltung regelmäßig wöchentlich durchgeführt werde; auch die wöchentliche Aufgabenstellung war jeweils die gleiche. Schließlich besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, daß das Publikum im Fall eines Erwerbs der "Vorarlberger Nachrichten" bessere Gewinnchancen erwarten konnte, wurde doch die Verlosung nicht unter erfolgreichen Lösern einer Aufgabe oder eines Preisrätsels, sondern unter sämtlichen Einsendungen vorgenommen. Die Erwartung, daß weitere Teilnahmebedingungen in späteren Zeitungsexemplaren bekanntgegeben würden, konnten die Ankündigungen der Beklagten jedenfalls nicht erwecken. Welchen Einfluß die Eitelkeit jugendlicher Leser, als Gewinner eines Hitparaden-Spiels namentlich in einer Tageszeitung veröffentlicht und damit als "Kenner der Pop-Szene" gekennzeichnet zu werden, auf den Warenabsatz haben soll und wie weit dadurch die Spiellust dieser Personen in unzulässiger Weise mit dem Warenabsatz gekoppelt würde, ist nicht zu erkennen.
Das Gewinnspiel der Beklagten ist daher wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden, weshalb der Revision der Klägerin ein Erfolg zu versagen war.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)