Spruch:
Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag übermittelt,
(a) den vom Revisionsrekurs betroffenen Teil seines Entscheidungsgegenstands gesondert zu bewerten, sowie
(b) gegebenenfalls eine Entscheidung nach § 508 Abs 3 iVm § 528 Abs 2a ZPO zu treffen.
Text
Begründung
Zur Sicherung ihrer gleichlautenden Unterlassungsbegehren beantragte die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten
1. zu behaupten, 13 und/oder 14 Verbindungen pro Tag zwischen Wien und Salzburg bzw. Salzburg und Wien und/oder täglich 13x und/oder 14x auf der Strecke Wien-Salzburg bzw. Salzburg-Wien anzubieten und/oder sinngleiche Äußerungen zu tätigen, wenn sie tatsächlich nur 11 Verbindungen zwischen Wien und Salzburg anbiete;
2. zu behaupten, Fahrgäste generell zum halben Preis der Klägerin zu transportieren, insbesondere durch die Aussagen „Bei uns zahlen Sie für 1. Klasse Qualität immer nur die Hälfte des 2. Klasse-Tickets beim Mitbewerber“ und/oder „Das reguläre WESTbahn-Ticket kostet die Hälfte des Normalpreises bei der Konkurrenz“ und/oder „Wir fahren dauerhaft um den halben Preis“ und/oder „Der Preis […] wird um die Hälfte günstiger sein als bei den ÖBB“ und/oder sinngleiche Äußerungen zu tätigen, wenn der behauptete Preisvorteil bei Vergleich (i) zwischen den Regeltarifen der Parteien (Standardpreise der Klägerin, „Regeltarif WESTbahn“ der Beklagten) und/oder (ii) den beiden ermäßigten, an den Besitz von Kundenkarten gebundenen Tarifen der Parteien (Preise der VORTEILStickets der Klägerin, „Hausangebot WESTbahn“ der Beklagten) und/oder (iii) bei Vergleich des „Regeltarif WESTbahn“ der Beklagten und des Preises von VORTEILStickets der Klägerin nicht bestehe;
3. das „Hausangebot WESTbahn“ zu bewerben, ohne mit ausreichender Deutlichkeit auf die auf den Tarif zur Anwendung kommenden Bezugsvoraussetzungen und zeitlichen Beschränkungen, insbesondere die Befristung des „Hausangebot WESTbahn“ bis 31. 10. 2012 und/oder die notwendige Innehabung einer „WESTcard“ zum Bezug des „Hausangebot WESTbahn“, hinzuweisen;
4. in den Zügen der Klägerin Werbemaßnahmen zu setzen und/oder durch Dritte setzen zu lassen, insbesondere durch den Einsatz von Promotoren mit T-Shirts und/oder sonstigen Textilien, die jeweils Werbeslogans für die Beklagte, insbesondere in den Farben der Beklagten tragen und/oder durch das Auflegen von Foldern;
5. Fahrgäste der Klägerin durch Überreden zur und Unterstützen bei der Rückgabe und Rückabwicklung von den von Kunden bereits erworbenen Fahrscheinen der Klägerin abzuwerben und auf die Beklagte umzuleiten.
Die Klägerin bewertete die dem Sicherungsantrag zugrunde liegenden Unterlassungsansprüche mit insgesamt 50.000 EUR.
Das Erstgericht erließ eine einstweilige Verfügung zu Punkt (1) sowie zu Teilen der Punkte (2) und (4) des Sicherungsantrags, das Mehrbegehren wies es ab. Insbesondere untersagte es der Beklagten,
in den Zügen der Klägerin Werbemaßnahmen zu setzen und/oder durch Dritte setzen zu lassen, insbesondere durch den Einsatz von Promotoren mit T-Shirts und/oder sonstigen Textilien, die jeweils Werbeslogans für die Beklagte, insbesondere in den Farben der Beklagten tragen.
Gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung richtete sich ein Rekurs der Beklagten, die Klägerin ließ die Abweisung unbekämpft. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass der Wert seines Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
In ihrem als „außerordentlich“ bezeichneten Revisionsrekurs bekämpft die Beklagte ausschließlich das vom Rekursgericht bestätigte Verbot, in den Zügen der Klägerin Werbemaßnahmen zu setzen und/oder durch Dritte setzen zu lassen (dh die teilweise Stattgebung von Punkt 4 des Sicherungsantrags). Das Erstgericht legt den Revisionsrekurs zur Entscheidung vor.
Rechtliche Beurteilung
Die Akten sind dem Rekursgericht zur Ergänzung seines Bewertungsausspruchs und zur allfälligen Entscheidung nach § 508 Abs 3 ZPO iVm § 528 Abs 2a ZPO zu übermitteln.
1. Werden in einer Klage mehrere Ansprüche geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand - und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts -, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; sonst sind sie getrennt zu behandeln (RIS-Justiz RS0053096, RS0037838, RS0042349).
2. Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über den anderen Anspruch ohne ergänzendes weiteres Sachvorbringen entscheiden zu können (RIS-Justiz RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt etwa dann vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder derselben Rechtsnorm abgeleitet werden, nicht aber wenn die Ansprüche ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können (17 Ob 22/10z; 4 Ob 79/10m; vgl RIS-Justiz RS0037899). Ob die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung gegeben sind, ist nach den Klagebehauptungen (Antragsbehauptungen) zu beurteilen (RIS-Justiz RS0042741).
3. Im vorliegenden Fall hatte das Rekursgericht - nach rechtskräftig gewordener Teilabweisung - über drei (behauptete) Wettbewerbsverstöße der Beklagten zu entscheiden, nämlich (a) die Behauptungen der Beklagten zur Frequenz auf der von ihr betriebenen Bahnverbindung (Punkt 1 des Begehrens), (b) Teile der von der Beklagten angestellten Preisvergleiche (Teile von Punkt 2 des Begehrens) und (c) bestimmte Werbemaßnahmen der Klägerin in den Zügen der Beklagten (Teile von Punkt 4 des Begehrens). Einen rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang hat die Klägerin insofern nicht behauptet, er ergibt sich auch nicht aus ihrem Sachvorbringen (vgl zu ähnlichen Konstellationen im Lauterkeitsrecht zuletzt 17 Ob 22/10z, 4 Ob 79/10m und 4 Ob 67/11y). Damit hat das Rekursgericht über drei von einander getrennte Gegenstände entschieden, die gesondert zu bewerten waren. Diesen Ausspruch hat das Rekursgericht für den noch nicht rechtskräftig erledigten Teil seiner Entscheidung nachzuholen.
4. Sollte das Rekursgericht aussprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands beim - in dritter Instanz allein strittigen - Unterlassungsbegehren zur Werbung in den Zügen der Klägerin 5.000 EUR nicht übersteige, wäre der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig. Sollte es zum Ergebnis kommen, dass dieser Wert zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, hätte es weiters zu prüfen, ob es die diesbezüglichen Ausführungen der Zulassungsbeschwerde als Antrag nach § 508 Abs 1 iVm § 528 Abs 2a ZPO deutet. In diesem Fall wäre über die nachträgliche Zulassung des Revisionsrekurses zu entscheiden, sonst wäre insofern ein Verbesserungsverfahren einzuleiten. Nur die Bewertung des Entscheidungsgegenstands mit mehr als 30.000 EUR müsste zur unmittelbaren Vorlage des (dann tatsächlich außerordentlichen) Revisionsrekurses an den Obersten Gerichtshof führen.
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