Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:
"Einstweilige Verfügung:
Zur Sicherung des Anspruches der Klägerin auf Unterlassung der Veröffentlichung ihres Bildnisses wird der beklagten Partei ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteiles verboten, Bildnisse der Klägerin, insbesondere ein Hochzeitsfoto, im Zusammenhang mit der Berichterstattung über ein Gerichtsverfahren gegen Peter Binder, insbesondere ein Strafverfahren wegen Verdachtes des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz und der Beteiligung an schwerer Körperverletzung durch Briefbomben-Terror, ohne Einwilligung der Klägerin zu veröffentlichen."
Die Klägerin hat die Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen vorläufig selbst zu tragen; die beklagte Partei hat die ihr erwachsenen Kosten aller drei Instanzen hingegen endgültig zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist die Ehefrau des Peter B*****, des wegen des Verdachtes der Beteiligung an den in November und Dezember 1993 begangenen Briefbombenattentaten derzeit in Untersuchungshaft ist.
Die beklagte Medieninhaberin und Verlegerin der Zeitschrift "N*****" berichtete im Dezember 1993 in einem Artikel eines Sonderhefts auf den Seiten 12 ff unter der Überschrift "Terror für den Führer" über die österreichischen Neo-Nationalsozialisten und die Aktivitäten der verhafteten Verdächigen, darunter auch über Peter B*****. Zur Illustration veröffentlichte sie - neben anderen Fotographien - auch ein Foto von der Hochzeit der Klägerin und Peter B*****, welches die Klägerin im weißen Brautkleid zeigt. Über die Augenpartie der Klägerin wurde ein schwarzer Balken gedruckt. Rechts oben im Bild stand folgender Text: "Hochzeitsfoto. Peter und Brigitte B***** bei ihrer Hochzeit. Standesgemäß in Knickerbockern". In dem dazugehörenden Artikel wurde über die Klägerin nur noch berichtet, daß sie ein Kind erwartet.
In der Nummer 50 der Zeitschrift "N*****" vom 16.12.1993 berichtete die Beklagte neuerlich unter den Überschriften "zehn Opfer für den Führer" und "Briefbomben". Nach den weiteren Verhaftungen steht fest:
Die Attentäter bombten für ihren inhaftierten Führer Gottfried Küssel. In den Terror verwickelt: Fast die gesamte Spitze der heimischen Neonazi-Szene" neuerlich über die österreichischen Rechtsradikalen und ihre Aktivitäten, darunter wieder über Peter B*****. Auf Seite 14 dieses Heftes wurde abermals das Hochzeitsfoto der Klägerin veröffentlicht, diesmal aber die Augenpartie der Klägerin nicht durch einen schwarzen Balken verdeckt.
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Bildnisse der Klägerin, insbesondere ein Hochzeitsfoto, im Zusammenhang mit der Berichterstattung über ein Gerichtsverfahren gegen Peter B*****, insbesondere ein Strafverfahren wegen des Verdachtes des Verstoßes gegen das VerbotsG durch Briefbomben-Terror, ohne deren Einwilligung zu veröffentlichen. Durch die Art der Bildnisveröffentlichung werde die Klägerin als Ehefrau eines Mannes, der in der Berichterstattung nicht nur als Tatverdächtiger, sondern geradezu schon als überführter Täter hingestellt werde, in der Öffentlichkeit bloßgestellt. Im Zusammenhang mit Berichten über ein Strafverfahren ihres Ehemannes bestehe keinerlei Interesse an der Veröffentlichung eines Lichtbildes der Klägerin, die weder an den dargestellten strafbaren Handlungen beteiligt gewesen noch in strafgerichtliche Untersuchung gezogen worden sei.
Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus. Die mit der Bildnisveröffentlichung verbundene Berichterstattung über die Klägerin habe sich auf die wahre Aussage beschränkt, daß sie mit Peter B***** verheiratet ist. Das sei aber keine unzulässige Berichterstattung über Tatsachen des Privat- oder Familienlebens. Durch die Bildnisveröffentlichung in der Sondernummer würden aber schon deshalb keine berechtigten Interessen der Klägerin verletzt, weil ihr Bildnis durch den über die Augenpartie gelegten schwarzen Balken völlig unkenntlich gemacht worden sei. Auch der dabei abgedruckte Name der Klägerin könne nicht zu einer Identifikation beitragen. Der Chefredakteur der Beklagten habe der gesamten Redaktion der Zeitschrift "N*****" die Weisung erteilt, auch bei künftigen Bildnisveröffentlichungen die Augenpartie der Klägerin mit einem schwarzen Balken abzudecken. Nur durch eine Unachtsamkeit der Lithographie sei das bei der weiteren beanstandeten Bildnisveröffentlichung unterblieben. Dem verantwortlichen Mitarbeiter sei deshalb ein strenger Verweis erteilt worden. Um Wiederholungen zu vermeiden, sei auf dem einzigen Archivbild ein Balken über der Augenpartie der Klägerin angebracht worden. Daher sei auch die Wiederholungsgefahr weggefallen.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Als verletztes Interesse komme nur das Privat- und Familienleben der Klägerin in Betracht. Die Tatsache einer Verehelichung betreffe aber nicht die private Sphäre. Auch daß über die Eheschließung im Zusammenhang mit einem Strafverfahren gegen den Ehemann der Klägerin berichtet worden sei, verletze keine berechtigten Interessen der Klägerin. Daher sei auch nicht zu prüfen, ob ein Interesse an der Lichtbildveröffentlichung bestanden habe.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Im Gegensatz zu dem der Entscheidung MR 1989, 54 - Frau des Skandalrichters zugrundeliegenden Fall sei die Klägerin durch die vorliegende Bildnisveröffentlichung nicht unnötig bloßgestellt worden. Die Klägerin sei weder in den Mittelpunkt der Berichterstattung gestellt noch seien Vorwürfe in ihrer Beziehung zu ihrem Ehemann Peter B***** geäußert worden. Die gesamte mit der Bildnisveröffentlichung zusammenhängende Berichterstattung über die Klägerin sei richtig und völlig neutral gewesen. Als Ehegattin eines einer Straftat verdächtigen Mannes müsse sie sich eine solche Bildnisveröffentlichung gefallen lassen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen von der Klägerin erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von den in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entwickelten Grundsätzen über das Recht am eigenen Bild, insbesondere im Zusammenhang mit einer Kriminalberichterstattung, abgewichen ist; er ist auch berechtigt.
Nach § 78 Abs 1 UrhG dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden. Durch § 78 UrhG soll jedermann gegen einen Mißbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit geschützt werden, also namentlich dagegen, daß er durch die Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt, = ÖBl 1988, 139 - Wahlnachlese; daß dadurch sein Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Mißdeutungen Anlaß geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt (EBzUrhG, abgedruckt bei Peter, Urheberrecht 617). Das Gesetz legt den Begriff der "berechtigten Interessen" nicht näher fest, weil es bewußt einen weiten Spielraum offen lassen wollte, um den Verhältnissen des Einzelfalles gerecht zu werden (SZ 60/188 = ÖBl 1988, 139 - Wahlnachlese; MR 1989, 54 - Frau des Skandalrichter; MR 1990, 141 - Thomas Muster; MR 1990, 226 - Rote Karte; ÖBl 1992, 87 - Lästige Witwe; ÖBl 1993, 39 - Austria-Boß uva). Die Beurteilung, ob berechtigte Interessen verletzt wurden, ist darauf abzustellen, ob Interessen des Abgebildeten bei objektiver Prüfung als schutzwürdig anzusehen sind (SZ 60/188 = ÖBl 1988, 139 - Wahlnachlese; MR 1990, 226 - Rote Karte; ÖBl 1992, 87 - Lästige Witwe; ÖBl 1993, 39 - Austria-Boß ua).
Wird das Interesse des Abgebildeten an der Verhinderung einer Verbreitung seines Bildnisses als schutzwürdig erkannt, dann ist die Verbreitung grundsätzlich unzulässig; behauptet auch derjenige, der das Bild verbreitet, ein Interesse an dieser Verbreitung, dann müssen nach ständiger Rechtsprechung die beiderseitigen Interessen gegeneinander abgewogen werden (SZ 60/188 = ÖBl 1988, 139 - Wahlnachlese; MR 1990, 58 - Thalia; MR 1990, 224 - Falsche Ärztin; ÖBl 1993, 39 - Austria-Boß; Rehm, Das Recht am eigenen Bild, JBl 1962, 1 ff; Dietrich, Der Schutz der Persönlichkeit nach österreichischem UrhRecht, ÖJZ 1970, 533 f; Buchner, Das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten, FS 50 Jahre UrhG 21 ff [26 f]).
Geht es um eine Bildnisveröffentlichung im Zusammenhang mit einer Darstellung von Unregelmäßigkeiten oder von Straftaten, dann hängt die gebotene Interessenabwägung vor allem davon ab, ob die Umstände des konkreten Falles ein Interesse der Öffentlichkeit nicht nur an der Bekanntgabe der Tatsachen, sondern auch an der Veröffentlichung des Bildes des Betroffenen rechtfertigen und ob diesen Interesse der Öffentlichkeit ein höheres Maß an Berechtigung zukommt als dem begreiflichen Interesse des Abgebildeten am Unterbleiben einer solcher bildlichen Anprangerung (SZ 48/73 = ÖBl 1976, 51 - Mannequin; SZ 63/75; MR 1990, 224 - Falsche Ärztin; MR 1993, 146 - Wölfe im Schafspelz; ÖBl 1993, 39 - Austria-Boß; Rehm aaO 8). Insoweit gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes (Buchner aaO 36); auch ein Informationsbedürfnis ist nur im unbedingt notwendigen Umfang anzunehmen, so daß nicht in allen Fällen, in denen die Öffentlichkeit Anlaß hat, sich mit einer Person zu befassen, auch ein echtes Bedürfnis danach zu bejahen ist, daß ein Bild dieser Person veröffentlicht wird (MR 1990, 224 - Falsche Ärztin; ÖBl 1993, 39 - Austria-Boß; Rehm aaO 15). Steht der Abgebildete nicht im öffentlichen Leben, dann wird durch die Bildveröffentlichung die Identifikationsmöglichkeit erst geschaffen. Durch die Beigabe eines Bildes kann ein für den Abgebildeten abträglicher Text noch verschärft und eine "Prangerwirkung" erzielt werden, weil eben die Person des Betroffenen damit erst einer breiten Öffentlichkeit auch optisch kenntlich gemacht wird (vgl ÖBl 1961, 36 - Bezirkshauptmann;
ÖBl 1992, 87 - Lästige Witwe; MR 1994, 162 - Marmor, Stein und Eisen;
Bydlinski, Ersatz ideellen Schadens als sachliches und methodisches Problem, JBl 1975, 173 ff [185]; Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht Rz 7. 2).
Schon in der Entscheidung MR 1989, 54 - Frau des Skandalrichters hat der erkennende Senat zum Ausdruck gebracht, daß es eine unnötige Bloßstellung bedeutet, die berechtigte Interessen verletzt, wenn der Abgebildete in eine Berichterstattung bloß als Ehepartner einer in einen Skandal (ein Strafverfahren) verwickelten Person aufgenommen wird. Gerade mit einer solchen Bildnisveröffentlichung wird die verpönte Prangerwirkung erzielt, weil der Abgebildete damit erst einer breiten Öffentlichkeit optisch kenntlich gemacht wird. Das wirkt sich bei Personen, die mit dem Gegenstand der mit der Bildnisveröffentlichung im Zusammenhang stehenden Berichterstattung nichts anderes zu tun haben, als Ehepartner einer in dieser Berichterstattung dargestellten Person zu sein, besonders schwer aus.
Wie der erkennende Senat in der Entscheidung MR 1989, 54 - Frau des Skandalrichters ebenfalls schon ausgesprochen hat, besteht am Aussehen des Ehepartners einer im Verdacht einer strafbaren Handlung stehenden Person keinerlei schutzwürdiger Nachrichtenwert, so daß auch hier die erforderliche Interessenabwägung zum Nachteil der Beklagten ausfallen muß. Mit dem Interesse an der Berichterstattung über die in der Öffentlichkeit bekanntgewordenen Straftaten und die Verdachtsmomente gegen den Ehemann der Klägerin kann ein Interesse an der Veröffentlichung eines Lichtbildes der Klägerin, die mit diesen Straftaten sonst in keinem Zusammenhang steht, nicht begründet werden. In der mit der Lichtbildveröffentlichung im Zusammenhang stehenden Berichterstattung über Peter B***** geht es auch nicht bloß
um die Klarstellung familienrechtlicher Beziehungen, sondern um den Vorwurf besonders schwerer strafbarer Handlungen, die in der Öffentlichkeit großes Aufsehen erregt haben. In einem solchen Zusammenhang besteht jedenfalls kein Bedürfnis, die Eheschließlung der Klägerin mit einem der Verdächtigen durch die Veröffentlichung eines Hochzeitsbildes einer breiten Zeitschriftenöffentlichkeit preiszugeben auch wenn jene aus den öffentlichen Standesbüchern für jeden ersichtlich wäre.
Zu Unrecht leitet die Revisionsbeantwortung aus § 7a MedienG ab, daß das faktische Interesse einer Person, nicht als Angehöriger eines möglicherweise Straffälligen erkannt zu werden, im Rahmen der Beurteilung der Verletzung berechtigter Interessen im Sinne des § 78 UrhG unbeachtlich sei. Diese Bestimmung dient - durch die damit eingeführten Ansprüche der Opfer einer gerichtlich strafbaren Handlung und der einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtigen oder wegen einer solchen verurteilten Personen - auch den Schutz des guten Rufes und der Rechte der Angehörigen der Betroffenen, die mitunter die Hauptleidtragenden einer identifizierenden Berichterstattung sind (EB in Foregger-Litzka, MedienG3, 60). Nur hinsichtlich der darin gewährten Rechte sprechen die EB aus, daß die Angehörigen von Opfern einer strafbaren Handlung nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehören, wenngleich der Schutzzweck der Norm auch diesem Personenkreis zugutekommt (aaO 62).
Schon durch die erste Bildnisveröffentlichung (in der Sondernummer), bei der die Augenpartie der Klägerin durch einen schwarzen Balken verdeckt wurde, wurden berechtigte Interessen der Klägerin verletzt, weil trotz dieser Maßnahme die Möglichkeit nicht verhindert wurde, die Klägerin, deren übrige Gesichtspartie und ihre ganze Figur deutlich erkennbar blieben, auch an Hand dieses Lichtbildes zu identifizieren (vgl auch dazu MR 1989, 54 - Frau des Skandalrichters). Auf den Einwand des Wegfalles der Wiederholungsgefahr kommt die Revisionsrekursbeantwortung zu Recht nicht mehr zurück, weil nach den vorstehenden Ausführungen auch durch die Veröffentlichung des gegenständlichen Hochzeitsbildes mit einem Balken vor der Augenpartie der Klägerin deren berechtigten Interessen verletzt werden. Feststellungen, ob der Chefredakteur der Beklagten die Weisung erteilt hat, nur mehr derartige Lichtbilder der Klägerin zu veröffentlichen und ob der einzige im Archiv der Beklagten vorhandene Abzug dieses Bildes mit einem solchen Balken versehen wurde, sind daher nicht erforderlich.
Dem Revisionsrekurs war somit im Sinne der Stattgebung des Sicherungsantrages Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen gründet sich in Ansehung der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO, in Ansehung der Beklagten auf §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.
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