Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin, eine Körperschaft öffentlichen Rechts, ist die gesetzlich eingerichtete Vertretung des Ärztestandes für Wien (§ 65 Abs 1 und Abs 2 ÄrzteG). Sie ist unter anderem dazu berufen, die gemeinsamen beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Belange der von ihr vertretenen Ärzte wahrzunehmen und zu fördern (§ 66 Abs 1 ÄrzteG).
Die Beklagte betreibt in Wien 5, S*****gasse *****, ein selbständiges Ambulatorium für medizinische und chemische Labordiagnostik. Mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 18. 12. 1997 wurde ihr gem § 7 Abs 2 Wiener Krankenanstaltengesetz (WrKAG) die Errichtung einer - der Blutabnahme dienenden - Außenstelle ("räumliche Erweiterung") in Wien 12, M*****straße 23-25, bewilligt. Ein Antrag der Klägerin, ihr diesen Bescheid zuzustellen, wurde als unzulässig zurückgewiesen; die Klägerin bekämpft diesen zurückweisenden Bescheid in einem beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren. In der Außenstelle M***** der Beklagten werden nur Blutproben abgenommen, die zum Ambulatorium der Beklagten weitergeleitet und dort untersucht werden; in der Außenstelle werden hingegen keine EKG-Untersuchungen durchgeführt oder Harnproben entgegengenommen. Bis zum 7. 6. 1998 war in der Außenstelle während deren Öffnungszeiten nicht immer ein Arzt anwesend; im Bedarfsfall hätte ein Arzt vom Ambulatorium der Beklagten geholt werden müssen. Ab dem 8. 6. 1998 hält sich während der Öffnungszeiten ständig eine Ärztin für Allgemeinmedizin, die berechtigt ist, die Bezeichnung "Notarzt" zu führen, in der Außenstelle auf.
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, in ihrer Außenstelle in Wien 12 Leistungen eines Facharztes für medizinische und chemische Labordiagnostik anzubieten und/oder zu erbringen, ohne daß ärztliche Hilfe jederzeit sofort erreichbar ist, in eventu, ohne daß ärztliche Hilfe durch einen Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik jederzeit sofort erreichbar ist. Die Beklagte erbringe gesetzwidrig in ihrer Außenstelle Fachärzten vorbehaltene ärztliche Leistungen, ohne daß ständig ein Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik anwesend sei; sie verschaffe sich damit einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern und verstoße gegen § 1 UWG.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Sie sei zunächst davon ausgegangen, daß mit der jederzeitigen Erreichbarkeit eines Arztes in ihrem Ambulatorium die gesetzlichen Voraussetzungen auch für den Betrieb der Außenstelle erfüllt seien, sei doch gemäß § 13 Abs 1 Z 1 WrKAG der ärztliche Dienst derart einzurichten, daß ärztliche Hilfe in der Anstalt "jederzeit sofort erreichbar sei". Auf Grund der vorliegenden Klage habe die Beklagte umgehend veranlaßt, daß während der Öffnungszeiten der Außenstelle ein Arzt für Allgemeinmedizin jederzeit anwesend sei. Im Hinblick auf diese Maßnahme sei die Wiederholungsgefahr weggefallen.
Dem hält die Klägerin entgegen, daß die Beklagte weiterhin planmäßig gegen das Gesetz verstoße, weil auch in der Außenstelle stets die Anwesenheit eines zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Facharztes notwendig sei.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es in rechtlicher Hinsicht dahin, daß eine Zusammenschau der §§ 12 und 13 WrKAG den Schluß zulasse, der ärztliche Dienst in einer Krankenanstalt müsse derart organisiert sein, daß jederzeit ärztliche Hilfe sofort erreichbar sei, ohne daß damit aber fachärztliche Hilfe gemeint sei. Die Anwesenheit eines Arztes für Allgemeinmedizin in der Außenstelle der Beklagte erfülle die gesetzlichen Anforderungen, wenn man berücksichtige, daß dort nur Blutproben abgenommen würden, die Blutabnahme aber nach dem Gesetz nicht einmal Ärzten vorbehalten sei. Bei Blutabnahmen seien Notfälle, die eine Betreuung durch einen Facharzt notwendig machten, nicht zu erwarten.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit mehr als 260.000 S und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach dem Gesetzeswortlaut werde Facharztqualifikation nur für den Leiter einer Abteilung (hier: des Ambulatoriums) verlangt; daß die jederzeit erreichbare ärztliche Hilfe nur durch einen Facharzt geleistet werden dürfe, sei nicht normiert. Es könne nicht gesagt werden, daß im Rahmen der Blutabnahme erforderliche ärztliche Leistungen regelmäßig die Grenzen der Berufsbefugnis eines Arztes für Allgemeinmedizin überschritten. Ein Gesetzesverstoß könne der Beklagten nicht zur Last gelegt werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist nicht berechtigt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, daß auch das in der Außenstelle des Ambulatoriums der Beklagten tätige Fachpersonal der Dienstaufsicht durch einen Facharzt bedürfe; ein Arzt für Allgemeinmedizin verfüge hingegen über keinerlei Ausbildung im Fach Medizinische und chemische Labordiagnostik. Zu berücksichtigen seien vor allem die Patienteninteressen: Zum Aufgabenbereich eines Facharztes für medizinische und chemische Labordiagnostik gehöre auch die Beratung der Patienten, welche Aufgabe von einem Arzt der Allgemeinmedizin regelmäßig nur unter Überschreitung seiner Berufsbefugnis wahrgenommen werden könne. Der Gesetzgeber habe die Absicht gehabt, die Qualität der Betreuung der Patienten auf Facharztniveau unabhängig von der Tageszeit zu sichern. Fielen in der Außenstelle als fachärztlich zu qualifizierende Leistungen an, seien diese nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften über Kostenersatz entsprechend (gemeint: erhöht) zu honorieren, es genüge daher nicht, daß dort nur ein Arzt für Allgemeinmedizin anwesend sei. Diese Ausführungen überzeugen nicht.
Das von der Beklagten betriebene selbständige Ambulatorium für medizinische und chemische Labordiagnostik gilt als Krankenanstalt iSd WrKAG (§ 1 Abs 3 Z 7 WrKAG) und unterliegt damit auch den Vorschriften dieses Gesetzes über den ärztlichen Dienst. Dieser darf nur von Ärzten versehen werden, die zur Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigt sind (§ 12 Abs 1 WrKAG). Zur Führung von Abteilungen und Unterabteilungen, von Laboratorien, Ambulatorien oder Prosekturen sind Fachärzte des einschlägigen medizinischen Sonderfaches zu bestellen (§ 12 Abs 2 WrKAG). Der ärztliche Dienst muß so eingerichtet sein, daß ärztliche Hilfe in der Anstalt jederzeit sofort erreichbar ist (§ 13 Abs 1 Z 1 WrKAG). Diese Bestimmungen entsprechen den gleichlautenden Vorschriften der §§ 7 Abs 3 und 4, 8 Abs 1 Z 1 KAG.
Umstritten ist, welche Qualifikation die diensthabenden Ärzte aufweisen müssen; diskutiert wird die Frage, ob in Fachabteilungen von Krankenanstalten auch jederzeit fachärztliche Hilfe erreichbar sein muß (Kopetzki, Zur fachärztlichen Versorgung in Krankenanstalten, RdM 1995, 123 ff mit Nachweisen zum Meinungsstand in FN 7). Kopetzki geht davon aus, daß diese Frage im Krankenanstaltenrecht nicht ausdrücklich geregelt sei; explizit geboten sei nur die jederzeitige Erreichbarkeit ärztlicher Hilfe. Eine Facharztqualifikation sei expressis verbis nur für den Abteilungsleiter vorgesehen. Der Autor lehnt in der Folge den von ihm selbst als "naheliegend" bezeichneten Umkehrschluß ab, daß das Gesetz eine fachärztliche Qualifikation eben nur auf Ebene des Abteilungsleiters vorsehe, und gelangt bei systematischer Interpretation zum Ergebnis, daß das Gesetz für Abteilungen, die der Behandlung bestimmter Krankheiten dienten, den Standard einer fachärztlichen medizinischen Betreuung verpflichtend vorschreibe; dasselbe Niveau habe dann auch bei Auslegung der korrespondierenden Bestimmung über die sofortige Erreichbarkeit ärztlicher Hilfe zu gelten.
Diese Ausführungen können nicht uneingeschränkt auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden; sie stellen nämlich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ausdrücklich auf die Verhältnisse in Fachabteilungen von Krankenanstalten ab, wo die stationäre Behandlung von Patienten im Vordergrund steht. Demgegenüber werden in der Außenstelle des Ambulatoriums der Beklagten ausschließlich Blutproben abgenommen, die zur Analyse an die Zentrale des Ambulatoriums weitergeleitet werden. Daß in der Außenstelle auch - wie die Klägerin in ihrem Rechtsmittel unterstellt - Beratungsgespräche stattfänden, findet im festgestellten Sachverhalt keine Deckung; im übrigen ist eine sinnvolle Beratungstätigkeit durch einen Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik zu einem Zeitpunkt, in dem noch keine Ergebnisse der Blutanalyse vorliegen, schwer vorstellbar.
§ 1 WrKAG enthält eine Aufzählung der verschiedensten Einrichtungen, die alle unter den Begriff der Krankenanstalt fallen, darunter auch Heime für Genesende und Pflegeanstalten für chronisch Kranke, bei denen - anders als bei einer Fachabteilung einer allgemeinen Krankenanstalt - nicht eindeutig feststeht, welche besondere Fachausbildung eine besonders qualifizierte Behandlung der dort betreuten Patienten gewährleistet. Der Sinngehalt des § 13 Abs 1 Z 1 WrKAG kann daher nicht generell und gleichmäßig für alle als Krankenanstalten definierte Einrichtungen, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Bedürfnisse und Erfordernisse der Patienten erschlossen werden. Die auszulegende Bestimmung hat ihrem Wortlaut nach Notfälle im Auge, wenn sie von der ärztlichen Hilfe verlangt, "jederzeit sofort erreichbar" zu sein. Notfälle im Zusammenhang mit der Entnahme von Blutproben bei Patienten können hauptsächlich in Form von Komplikationen während der Blutabnahme auftreten; zu deren Bewältigung ist ein Notarzt angesichts der von ihm zu absolvierenden Spezialausbildung (vgl § 40 ÄrzteG) wohl am ehesten fachlich qualifiziert. Daß ein Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik in solchen Notfällen eine qualitativ höherwertige medizinische Betreuung gewährleisten könnte, ist nicht ersichtlich.
Der Klägerin ist darin beizupflichten, daß der Gesetzgeber bei Schaffung der auszulegenden Norm vor allem das Patientenwohl vor Augen hatte; dieser Zweck verbietet dann aber unter den vorliegenden Umständen die von der Klägerin vertretene Auslegung des Gesetzes. Gegenüber dem Patientenwohl tritt in den Hintergrund, daß der ärztliche Dienst auch die Aufsicht über das (hier: medizinisch-technisch geschulte) Fachpersonal umfaßt: Sofern es nur um organisatorische Aufgaben geht, können diese auch von jedem Arzt für Allgemeinmedizin erfüllt werden; sollten in diesem Zusammenhang hingegen Fachfragen auftreten, können diese auch in Zusammenarbeit mit dem Leiter des Ambulatoriums, der ja ein einschlägiger Facharzt ist, (notfalls auch telefonisch) geklärt werden und bedürfen im Regelfall keiner dringenden und persönlichen Bearbeitung durch einen in der Außenstelle jederzeit anwesenden Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik, dies umso mehr, als ja die Analyse der Blutproben selbst nicht in der Außenstelle erfolgt. Auch das von der Klägerin angeführte Kostenargument überzeugt nicht: Die Beklagte erbringt in ihrer Außenstelle ausschließlich die Leistung der Blutabnahme. Es gibt keine Vorschrift, daß Blutabnahmen nur von einem Facharzt durchgeführt werden dürften. Damit besteht aber auch keine Gefahr, daß einem kostenersatzpflichtigen Sozialversicherungsträger für die Erbringung derartiger Leistungen ein überhöhtes Entgelt verrechnet wird, wenn (nur) ein Arzt für Allgemeinmedizin bei Abnahme der Blutprobe anwesend ist. Dem Revisionsrekurs war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 Abs 1, § 52 ZPO. Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
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