OGH 4Ob128/04h

OGH4Ob128/04h6.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** AG, *****, Deutschland, vertreten durch Dr. Werner J. Loibl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K***** KG, *****, vertreten durch Giger, Ruggenthaler & Simon Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Unterlassung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 15.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 23. Februar 2004, GZ 2 R 191/03b-10, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 18. August 2003, GZ 24 Cg 140/03a-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen. Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist eine europaweit bekannte Herstellerin von Spielen und Spielwaren. Sie ist Inhaberin der Gemeinschaftsmarke (Wortmarke) Memory für die Klassen 9 (auf Datenträgern aller Art aufgezeichnete Spiele) und 28 (Spiele, Spielzeug) des Abkommens von Nizza (Priorität 11. 6. 1999) sowie der - auch in Österreich Schutz genießenden - internationalen Wortmarke MEMORY (IR 0393512), registriert für die Klasse 28. Zu ihren Gunsten sind in Deutschland zwei gleichlautende Wortmarken registriert, wobei bei letzterer zusätzlich Schutz für die Klasse 16 (Legekartenspiele) besteht. Seit mehreren Jahrzehnten produziert und vertreibt die Klägerin unter diesen Marken Legekartenspiele, bei welchen mit Bildern bedruckte, jeweils doppelt vorhandene Karten einzeln mit dem Ziel aufgedeckt werden, aus der Erinnerung das Gegenstück zu finden. Die Klägerin hat unter der Marke "Memory" verschiedene Legekartenspiele im Sortiment. In allen ihren Prospekten und Unterlagen sowie auf den Spieleverpackungen ist dem Wort Memory als Schutzhinweis auf die Marke der Klägerin ein R in einem Kreis beigefügt. Die Klägerin ist Marktführerin im Inland mit einem Marktanteil von 53 % bei Kinder- und Lernspielen; ihr Spiel Memory ist weltweit in 70 Ländern erhältlich und wurde seit seinem Erscheinen 1959 rund 50 Millionen Mal verkauft.

Die Beklagte ist Inhaberin der Domain "www.k *****.at". Bis zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Mai 2003 bot die Beklagte auf der unter dieser Domain aufrufbaren Homepage unentgeltlich virtuelle Legekartenspiele unter der Bezeichnung "Memory" und "E-Memory" an. Bei diesem Spiel liegen Karten, auf deren Rückseite jeweils paarweise Motive abgedruckt sind, verdeckt angeordnet auf; durch Anklicken zweier Karten muss der Spieler versuchen, die zusammengehörigen Kartenmotivpaare zu finden. Nach Entfernung dieser virtuellen Spiele bot die Beklagte noch am 15. 8. 2003 unter der Rubrik "Spiele-Downloads" ein "Spiel-Memory" mit dem Untertitel "Gedächtnisspiel mit vielen Optionen" ohne Zustimmung der Klägerin und ohne Hinweis auf deren Markenrechte zum Herunterladen an, wobei dieses Spiel erst nach dem Herunterladen auf den Server des Nutzers gespielt werden kann.

Die Klägerin hat seit 1999 über 100 strafbewehrte Unterlassungserklärungen wegen behaupteter Markenrechtsverletzungen verlangt, die zum Teil außergerichtlich abgegeben, zum Teil gerichtlich durchgesetzt wurden. Verschiedene Lexika erklären den Begriff "Memory" unter Hinweis auf einen eingetragenen Markennamen. In Zeitungsberichten über das Spiel, etwa anlässlich dessen Jubiläum 1999, wurde regelmäßig darauf hingewiesen, dass sich bei Memory um eine registrierte Marke und um ein von der Klägerin angebotenes Spiel handelt. Für das damit bezeichnete Kartenlegespiel bestehen neben der Marke der Klägerin noch andere Bezeichnungen, die auch tatsächlich verwendet werden, so etwa Paare suchen, Doppelpack, Pairs, Gedächtnisspiel, Face to Face, Memo oder Remember; Memory ist jedoch die bei weitem bekannteste, gängigste und am häufigsten verwendete Bezeichnung.

Die Klägerin beantragt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung ab sofort bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteiles zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr insbesondere auf der Website www.k *****.at die Bezeichnungen "Memory" oder "E-Memory" oder eine verwechselbar ähnliche Bezeichnung für Legekartenspiele im Internet kennzeichenmäßig zu verwenden. Sie habe am 15. 4. 2003 von der Markenrechtsverletzung durch die Beklagte Kenntnis erlangt und sie aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben. Mit Schreiben vom 18. 4. 2003 habe die Beklagte deren Unterfertigung mit der unzutreffenden Begründung abgelehnt, bei Memory handle es sich um eine Gattungsbezeichnung. In Wahrheit stünden zahlreiche gleichwertige Alternativbegriffe für derartige Legekartenspiele zur Verfügung. Durch die Entfernung der rund 91 Spiele von der Website der Beklagten sei die Wiederholungsgefahr nicht weggefallen. Zwischen körperlich vorhandenen und im Internet abgebildeten Legekarten bestehe Ähnlichkeit und Verwechslungsgefahr. Die Klägerin verteidige ihre Markenrechte nachhaltig, um deren hohe Kennzeichnungskraft zu erhalten. Ihre bekannte Marke sei gem § 10 Abs 2 MSchG vor unlauterer Ausnutzung und Beeinträchtigung durch Unberechtigte geschützt. Die Technologie des Internets ermögliche es, Spiele, die früher nur als Waren in Form von Legekarten, Würfeln uä zweckentsprechend verwendet werden hätten können, nunmehr virtuell und online auf dem Bildschirm abzurufen. Die Warenfunktion sei dabei dieselbe, sodass die Internetspiele als Komplementärform zu den "echten", in körperlicher Form vorhandenen Spielen dieselben Möglichkeiten und denselben Spielgenuss böten und damit kein Unterschied bestehe, ob am Computer oder auf dem Spieltisch gespielt werde. Die Wareneigenschaft ergebe sich aus der Klasseneinteilung des Österreichischen Patentamtes, bei der unter die Warenklasse 9 unter anderem "Computerprogramme und Software, ungeachtet des Aufzeichnungs- oder Ausstrahlungsmediums, d.h. Software, die auf einem magnetischen Medium aufgezeichnet ist oder von eine externen Computernetzwerk heruntergeladen werden kann" fielen. Der Text der Gemeinschaftsmarke "Memory" laute "auf Datenträger aller Art aufgezeichnete Spiele", sodass die von der Beklagten ins Internet gestellten Spiele vom Schutzbereich ihrer Marke umfasst seien. Die Beklagte habe mit Absicht die Bekanntheit der Marke der Klägerin ausgenutzt, um die Benutzer des Internets von der ihnen vertrauten Marke "Memory" dazu anzulocken, die Website der Beklagten aufzurufen. Ihre Marke habe sich nicht zur Gattungsbezeichnung entwickelt. Sie weise für Legekartenspiele eine gewisse Originalität auf. In den Fachkreisen werde die Marke "Memory" ausschließlich als eine Marke der Klägerin angesehen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Die beiden in Deutschland registrierten Marken seien ohne Bedeutung. Das Abkommen von Nizza unterscheide zwischen Waren und Dienstleistungen; bei den Klassen 9, 16 und 28 handle es sich um Warenklassen. Soweit der Klägerin Schutz überhaupt zukomme, sei er unter Berücksichtigung des Wortlauts der Anmeldungen und Registrierungen beschränkt auf Datenträger, auf denen Spiele aufgezeichnet seien (Klasse 9), auf Legekartenspiele aus Papier oder Pappe (Klasse 16) sowie auf Spiele und Spielzeug körperlicher Natur aus anderen Materialien als Papier und Pappe (Klasse 28). Im Zusammenhang mit der Teilnahme am "k*****.at - e-memory" hätten die Nutzer kein Programm und keine Software auf ihre Server oder Desktops heruntergeladen. Die Spielsoftware sei auf dem Server der Beklagten verblieben; gespielt worden sei online über das Internet. Die Durchführung solcher Spiele falle nicht unter die Warenklasse 9, 16 oder 28, sondern - sofern die übrigen Voraussetzungen vorlägen - in die Dienstleistungsklasse 41 (Unterhaltung). Das beanstandete Online-Spiel falle nicht in den geschützten Bereich. "Memory" sei kein Hinweis auf die Herkunft der damit markierten Waren aus einem Unternehmen, sondern nach dem Verständnis von Spielzeughändlern, Betreibern von Internet-Seiten und insbesondere Verbrauchern die Bezeichnung für jenes Gesellschaftsspiel, bei dem aus einer Anzahl verdeckter Bildkarten jeweils gleiche Paare gefunden werden müssten. "Memory" sei - jedenfalls im Bereich von Online-Spielen - nicht kennzeichnend, sondern beschreibend und eine ganz allgemeine Gattungsbezeichnung für Spiele, bei denen der Spieler verdeckt liegende Karten umdrehen und Pärchen auffinden müsse. Sofern Memory jemals Schutz für Kartenlegespiele genossen habe, sei dieser Schutz verlorengegangen. Waren iSd Markenschutzgesetzes seien nur solche Erzeugnisse, die gegen Entgelt in den Handel gebracht würden, die Teilnahme an den Memory-Spielen auf der Website der Beklagten sei unentgeltlich gewesen. Eine Herkunftstäuschung sei nicht zu befürchten, weil die Rückseiten der von ihr abgebildeten Karten jeweils die Krone als Zeichen der Beklagten trügen, sodass niemand glaube, dass es sich um ein Zeichen der Klägerin handeln könne.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Die von der Beklagten angebotenen virtuellen Legekartenspiele seien den von der Klägerin unter ihrer Wortmarke angebotenen Waren gleichzuhalten, zumindest aber ähnlich iSd § 10 MSchG, handle es sich doch dabei um dasselbe Spiel, welches nur auf Grund der technischen Möglichkeiten des Internets nicht körperlich, sondern virtuell gespielt werde. Für die Anwendbarkeit von § 10 Abs 1 Z 2 MSchG genüge es, dass die Benützung des strittigen Zeichens zu einer Verwechslung mit der geschützten Marke der Klägerin führen könne. Hinzu komme, dass die Beklagte nicht nur Online-Legekartenspiele angeboten habe, sondern (nach wie vor) auch ein Memory-Spiel zum Herunterladen auf ihrer Internetseite bereithalte. Die Kennzeichnungskraft der strittigen Marke sei durch intensive und jahrelange Benutzung, Verbreitung in der gesamten Welt über einen sehr langen Zeitraum und hohe Absatzzahlen gestärkt. Die Marke der Klägerin sei auch nicht rein beschreibend. Das englische Wort "memory" bedeute in seiner deutschen Übersetzung "Erinnerung". Damit sei für sich allein noch nichts über das Spiel selbst oder dessen Spielregeln ausgesagt, gebe es doch unzählige andere Spiele, bei denen die Teilnehmer ihr Erinnerungsvermögen unter Beweis stellen müssten. Ein Freihaltebedürfnis am Wort "Memory" als für das gegenständliche Spiel beschreibendes Zeichen sei daher zu verneinen. Zwischen der Marke der Klägerin und der Bezeichnung "E-Memory" bestehe Verwechslungsgefahr; allein die Beifügung des Buchstabens "E" und eines Bindestriches zum Markenwort sei nicht geeignet, die Gefahr der Verwechslung zu beseitigen. Angesichts der unzureichenden Abgrenzung werde ein nicht unbeträchtlicher Teil der Internet-Benützer, die die Website der Beklagten aufsuchten, der Ansicht sein, das von der Beklagten angebotene virtuelle Legekartenspiel und die von der Klägerin produzierten und vertriebenen Spiele stammten aus demselben Unternehmen. Der Klägerin stehe daher das Recht zu, der Beklagten die Verwendung des Zeichens "E-Memory" für auf ihrer Homepage angebotene virtuelle Legekartenspiele, mögen diese Online zu spielen oder erst nach entsprechendem Herunterladen zu verwenden sein, zu verbieten. Die Marke der Klägerin sei eine bekannte Marke iSd § 10 Abs 2 MSchG. Für das damit bezeichnete Spiel bestünden eine Reihe alternativer Bezeichnungsmöglichkeiten, die von Spieleanbietern tatsächlich genutzt würden. Der Beklagten sei zumutbar, ein von ihr angebotenes virtuelles Legekartenspiel mit einer anderen als der gewählten Bezeichnung anzubieten. Dass sie dies unterlassen habe, bedeute eine unlautere Ausnutzung und Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft und der Wertschätzung der Marke der Klägerin, die ihr Begehren damit mit Erfolg auch auf die letztgenannte Gesetzesbestimmung stützen könne. Zu den Benutzungshandlungen zählten nach § 10a MSchG jedes Anbieten, Inverkehrbringen oder Besitz von Waren oder Dienstleistungen unter den betreffenden Zeichen, darunter auch das Anbieten in elektronischen Medien. Entscheidend sei, dass die Verwendung im geschäftlichen Verkehr erfolge. Geschäftlicher Verkehr erfasse jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit im Gegensatz zur privaten oder amtlichen auch ohne Gewinnabsicht, sofern eine Teilnahme am Erwerbsleben zum Ausdruck komme. Die Homepage der Beklagten enthalte neben unentgeltlichen auch entgeltliche Angebote und Werbeeinschaltungen, sodass das beanstandete Verhalten als Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr anzusehen sei. Da die Beklagte nach wie vor ein Memory-Spiel zum Herunterladen auf ihrer Homepage anbiete und im übrigen der Inhalt einer Homepage jederzeit verändert und der frühere gesetzwidrige Zustand vom Störer somit jederzeit leicht wieder hergestellt werden könne, sei trotz Entfernung des verbotswidrigen Inhalts die Wiederholungsgefahr noch nicht beseitigt. Dazu komme, dass die Beklagte nach wie vor der Ansicht sei, zum beanstandeten Verhalten berechtigt (gewesen) zu sein, das Klagevorbringen bestreite und die Abweisung des Sicherungsantrags begehre. Die Marke der Klägerin habe sich auch nicht zur Gattungsbezeichnung, verbunden mit dem Verlust des Markenrechtes, entwickelt; zur Kennzeichnung des in Rede stehenden Spiels bestünden nämlich zahlreiche andere Bezeichnungen, die auch verwendet würden. Dass das Markenwort der Klägerin auf Grund der großen Verbreitung des Spieles und dessen langjähriger Bekanntheit die gebräuchlichste Bezeichnung dafür sei, reiche für sich allein für die Annahme einer Monopolstellung ebensowenig aus wie der Umstand, dass offensichtlich zahlreiche Plagiate am Markt angeboten würden. Eine die zielführende Kommunikation zwischen den Marktteilnehmern beeinträchtigende Monopolisierung wäre lediglich dann anzunehmen, wenn die Marke der Klägerin die einzige gebräuchliche Bezeichnung für das betreffende Spiel wäre und ein gleichwertiger Alternativbegriff überhaupt nicht zur Verfügung stünde. Dies sei hier nicht der Fall, weil die Klägerin offensichtlich aufmerksame Marktbeobachtung betreibe und Maßnahmen ergreife, die einer Entwicklung ihrer Marke zur Gattungsbezeichnung entgegenwirkten, etwa indem sie in ihren eigenen Unterlagen durchgehend auf die geschützte Marke hinweise und gegen Markenverletzungen mit dem konsequenten Verlangen nach Abgabe von Unterlassungserklärungen vorgehe. Den beteiligten Verkehrskreisen (Konkurrenten und Verbrauchern) sei durchaus bewusst, dass es sich beim Wort "Memory" um das Kennzeichen eines bestimmten Unternehmens handle.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Entscheidungen über die Entwicklungen einer Marke zum Freizeichen spärlich seien. Es teilte die Ausführungen des Erstgerichts. Die Beurteilung, ob der Spielwarenhandel die Marke der Klägerin als Gattungsbegriff für die von der Klägerin vertriebenen Legespiele ansehe, sei eine Tatfrage; die Beklagte habe nicht bescheinigt, dass der Handel "Memory" für eine Gattungsbezeichnung halte. Ob die Beklagte das Markenrecht der Klägerin in unlauterer Weise verletzt hat, sei ohne Bedeutung, weil die Haftung für Markenverletzungen verschuldensunabhängig sei und auch kein Handeln in Wettbewerbsabsicht voraussetze.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Nach Auffassung der Beklagten widerspreche die Auffassung österreichischer Gerichte, bei Beurteilung der Frage, ob sich eine Marke zu einer Gattungsbezeichnung entwickelt habe, sei nicht allein auf das Verständnis der Letztverbraucher, sondern auch auf jenes der Hersteller und Händler abzustellen, der europarechtlichen Rechtsprechung. Richtigerweise komme es - ebenso wie in der Frage, ob ein beschreibendes Zeichen vorliege - allein auf den allgemeinen Sprachgebrauch und die Erwartung des Durchschnittsverbrauchers des betreffenden Warentyps an. Auch übersehe das Rekursgericht, dass im Anlassfall eine Markenrechtsverletzung im Internet behauptet werde, wo naturgemäß keine Händler aufträten. Das strittige Kennzeichen sei "Allgemeingut", für das kein gleichwertiger Alternativbegriff zur Verfügung stehe. Dem kann nicht beigepflichtet werden.

Der erkennende Senat hat sich in der Entscheidung 4 Ob 269/01i = JBl 2002, 283 = MR 2002, 169 (zust S. Korn 314) = ÖBl 2002, 185 - Sony Walkman II ausführlich mit dem Verlust des Markenrechts infolge Entwicklung einer Marke zur Gattungsbezeichnung auseinandergesetzt und ausgesprochen, dass ein solcher Vorgang weder auf Verwirkung noch auf Dereliktion, sondern auf dem objektiven Tatbestand der Umwandlung der Marke in eine allgemein sprachgebräuchliche oder verkehrsübliche Bezeichnung auf Grund der Verkehrsauffassung beruht. Entscheidende Ursache für diese Entwicklung ist, dass den Marktteilnehmern kein annähernd gleichwertiger Alternativbegriff zur Verfügung steht, um damit Konkurrenzprodukte zu den markierten Waren der Markeninhaberin zu benennen, die Marke also die einzige gebräuchliche Bezeichnung für derartige Waren ist und damit insoweit wie ein Monopol wirkt. Bei einer solchen Sachlage ist eine weitere Privilegierung dieses Zeichens nicht mehr gerechtfertigt, weil andernfalls eine zielführende Kommunikation auf dem betroffenen Markt ohne eine Rechtsverletzung nicht mehr möglich wäre; gerade solches soll aber durch die Anerkennung von Freihaltebedürfnissen verhindert werden. Die Frage, ob eine Marke Gattungsbezeichnung geworden ist, muss anhand einer umfassenden Ermittlung des Verständnisses aller mit der Marke konfrontierten Verkehrskreise beurteilt werden. Als beteiligte Verkehrskreise sind die Kreise zu verstehen, in denen das Zeichen Verwendung finden soll oder Auswirkungen zeitigen wird; dies sind bei Waren, die überwiegend zwischen Händlern als Anbietern und Verbrauchern als Nachfrager gehandelt werden, nicht allein die Letztverbraucher, sondern auch Hersteller und Händler.

Auch die deutsche Lehre (Fezer, dMarkenR³ § 8 Rz 279; Ströbele/Hacker, MarkenG7 § 49 Rz 46) vertritt - bei derselben gemeinschaftsrechtlichen Grundlage - diesen Standpunkt. Hingewiesen wird dort darauf, dass die Endverbraucher leicht dazu neigen, Marken wie Gattungsbezeichnungen zu verwenden, weshalb vor allem die Auffassung konkurrierender Hersteller und Händler ins Gewicht falle (Ströbele/Hacker aaO).

An diesen Grundsätzen ist festzuhalten. Die strittige Marke ist ua für die Produktgruppe "Spiele" angemeldet. Spiele werden überwiegend über den Spielwarenhandel an Verbraucher vertrieben; es bilden daher beide Personenkreise den hier hauptsächlich betroffenen Markt. In der Frage der Verkehrsauffassung ist somit das tatsächliche Verständnis beider genannten Personenkreise vom Zeichen "Memory" zu berücksichtigen. Dass diese Verkehrskreise das strittige Zeichen als Gattungsbezeichnung auffassten, ist aber nicht bescheinigt. In der angesprochenen Frage allein auf den Sprachgebrauch der Internet-Diensteanbieter und -Nutzer abzustellen, wie dies die Beklagte in ihrem Rechtsmittel vertritt, greift zu kurz, ist doch das Herunterladen von Spielen aus dem Internet nicht die überwiegende Vertriebsschiene für solche Produkte.

Diese Auffassung steht auch nicht in Widerspruch zu Rechtsprechung des EuGH zur MarkenRL. Das von der Rechtsmittelwerberin angeführte Urteil des EuGH in der Rechtssache C-104/01 - Libertel Groep BV beschäftigt sich mit der Unterscheidungskraft der als Marke angemeldeten (konturlosen) Farbe Orange für bestimmte Waren und Dienstleistungen des Telekommunikationsbereichs und ist insoweit nicht einschlägig. Im übrigen wird in dieser Entscheidung für die Frage der Eintragungsfähigkeit einer Farbmarke zunächst ganz allgemein auf die Warte des "maßgeblichen Publikums" abgestellt (Rz 45), das dann im konkreten Fall als "Durchschnittsverbraucher" näher bestimmt wird (Rz 46). Daraus lässt sich aber noch nicht der von der Rechtsmittelwerberin gewünschte Schluss ziehen, es sei regelmäßig nur das Verständnis (hier: der Sprachgebrauch) des Durchschnittsverbrauchers maßgeblich.

Dass es bei der Entwicklung einer Marke zur Gattungsbezeichnung allein auf das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers (und nicht etwa auch der Händler als Marktgegenseite) ankäme, hat der EuGH nicht ausgesprochen. Ganz im Gegenteil lassen sich seine Ausführungen in der Entscheidung vom 4. 10. 2001, C-517/99 , WRP 2001, 1272 - Bravo, zum Eintragungshindernis für Gattungsbezeichnungen des Art 3 Abs 1 lit d MarkenRL im Sinne der Auffassung des erkennenden Senats verstehen, zumal dort (Rz 35) ausdrücklich auf jene Verkehrskreise abgestellt wird, in denen die Waren und Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet wurde, gehandelt werden (vgl dazu JBl 2002, 283 = MR 2002, 169 <zust S. Korn 314> = ÖBl 2002, 185 - Sony Walkman II).

Eine Bestätigung dieser nicht auf die Verbraucherkreise eingeschränkten Auslegung findet sich auch in der Entscheidung des EuGH vom 29. 4. 2004, C-371/02 - Bostongurka (wbl 2004, 281) zur Auslegung des Art 12 Abs 2 lit a MarkenRL bei Beurteilung der Frage, ob eine Marke (dort: für eingelegte Gurkenstücke) ihre Unterscheidungskraft infolge Entwicklung zur Gattungsbezeichnung verloren habe. Der EuGH hat dort zu den maßgeblichen Verkehrskreisen ausgeführt: "Die Herkunftsfunktion der Marke ist zwar zunächst für den Verbraucher oder Endabnehmer wesentlich, doch ist sie auch für die Zwischenhändler von Bedeutung, die an der Vermarktung der Ware beteiligt sind. Wie beim Verbraucher oder Endabnehmer trägt sie dazu bei, ihr Marktverhalten zu bestimmen (Rz 23). Im allgemeinen spielt die Wahrnehmung der Verbraucher oder Endabnehmer eine entscheidende Rolle. Denn der gesamte Vermarktungsprozess bezweckt den Erwerb der Ware innerhalb dieser Kreise, und die Rolle der Zwischenhändler besteht darin, die Nachfrage nach dieser Ware sowohl zu entdecken und vorauszuschätzen als auch sie zu erweitern oder zu lenken (Rz 24). Die maßgebenden Verkehrskreise umfassen daher vor allem die Verbraucher und Endabnehmer. Je nach den Merkmalen des Marktes für die betreffende Ware sind jedoch auch der Einfluss der Zwischenhändler auf die Kaufentscheidung und damit deren Wahrnehmung der Marke zu berücksichtigen (Rz 25)."

Nun ist es zwar denkbar, dass ein Zeichen ausschließlich innerhalb eines engen Verkehrskreises (etwa nur der Verbraucher) verwendet wird; dies hätte zur Folge, dass allein der Sprachgebrauch dieses Personenkreises als Beurteilungsmaßstab heranzuziehen wäre (so etwa im Fall der im Rechtsmittel zitierten Entscheidung T-237/01 - BSS des EuG, die nur auf das Verständnis von Augenärzten und Augenchirurgen als allein angesprochenem Fachkreis bei einem pharmazeutischen Augenheilmittel abstellt). Dass solches gleichermaßen auf das Zeichen "Memory" zuträfe, weil diese Bezeichnung ausschließlich von Endverbrauchern, nicht aber auch von Spielwarenerzeugern und -händlern verwendet würde, ist jedoch weder bescheinigt, noch entspricht solches der Gerichtserfahrung.

Wenn die Beklagte davon ausgeht, es gäbe zur Marke der Klägerin keinen in Verwendung stehenden Alternativbegriff, weicht sie vom bescheinigten Sachverhalt ab: Danach ist nämlich auf dem betroffenen Markt - auf Grund der für gleichartige Karten-Erinnerungsspiele verwendeten Bezeichnungen - eine zielführende Kommunikation auch ohne eine Rechtsverletzung möglich. Anders als im Fall JBl 2002, 283 = MR 2002, 169 <zust S. Korn 314> = ÖBl 2002, 185 - Sony Walkman II ist im Anlassfall somit bescheinigt, dass es der Markeninhaberin gelungen ist zu verhindern, dass ihre Marke zur gebräuchlichen Bezeichnung jener Ware geworden ist, für die sie eingetragen ist (§ 33b MSchG).

Weil es häufig besonders wertvolle und bekannte Marken sind, die in der Gefahr eines Umwandlungsprozesses stehen, sind an die Feststellung einer Umwandlung zur Gattungsbezeichnung grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen (Ströbele/Hacker aaO). Es ist deshalb für den Erhalt des Markenrechts nicht erforderlich, dass die im Sprachgebrauch in Verwendung stehenden Alternativbegriffe zur Marke dem Markenwort in jeder Hinsicht (insbesondere im Ausmaß ihrer Verbreitung) gleichwertig sind.

Dem Revisionsrekurs ist nicht Folge zu geben.

Der Ausspruch über die Kosten der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, derjenige über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 Abs 1, § 52 ZPO.

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