Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 12.514,15 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 1.920,-- an Barauslagen und S 963,10 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 30. Juli 1973 bis zu seinem am 29. Jänner 1982 erfolgten vorzeitigen Austritt im Unternehmen der beklagten Partei als Handelsvertreter gegen Provision und Fixum beschäftigt. Er begehrt von der beklagten Partei aus dem Rechtsgrund eines gerechtfertigten vorzeitigen Austritts die Zahlung eines Betrages von insgesamt S 267.692,30 sA an Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Urlaubsentschädigung. Zur Begründung bringt er vor, die beklagte Partei habe ihm den Ersatz der Reisespesen für Dezember 1981 trotz einer Nachfrist bis 25. Jänner 1981 ungebührlich vorenthalten.
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Der Kläger habe seine Reiseabrechnung verspätet vorgelegt. Unter Bedachtnahme auf die erforderliche Überprüfung habe die Überweisung nicht früher erfolgen können. Im übrigen sei der strittige Betrag bereits am 28. Jänner 1982 bei der Bank des Klägers eingelangt, so daß dessen am 29. Jänner 1982 erklärter Austritt ungerechtfertigt sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Austrittsgrundes des § 26 Z 2 AngG ab. Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf folgende wesentliche Feststellungen:
Beide Parteien zogen seit dem Sommer 1981 eine Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses in Erwägung. Der Kläger versuchte, eine Beendigung auf eine solche Weise zu erreichen, daß ihm sein Abfertigungsanspruch gewahrt bleibe. Er schrieb belanglose Berichte und schickte keine Aufträge. Im Dezember 1981 verlängerte er ohne Zustimmung der beklagten Partei seinen Urlaub um 8 Tage, worauf er verwarnt wurde. In einem Schreiben vom 13. Dezember 1981 bestätigte er, daß er seinen Urlaub aus dem Jahr 1981 zur Gänze konsumiert habe.
Der Kläger hatte vereinbarungsgemäß Anspruch auf Diäten in Form von Tag- und Nächtigungsgeldern sowie auf Ersatz von Fahrtspesen. Der Kläger und die drei anderen Vertreter der beklagten Partei sandten ihre Diäten- und Spesenabrechnungen meistens gegen Ende des Anfallsmonats an die beklagte Partei nach Wien. Nur gelegentlich übersandten sie die Abrechnungen erst am ersten oder zweiten Tag des folgenden Monats. Diese Abrechnungen enthielten die Fahrtstrecke und die Anzahl der zurückgelegten Kilometer. Nach Überprüfung der Abrechnungen an Hand der Besuchsberichte und nach Trennung der steuerfreien von den zu versteuernden Teilen der Spesen - dies dauerte drei bis zehn Tage - erhielt eines der Wiener Bankinstitute von der beklagten Partei den Auftrag, den auf den Kläger entfallenden Betrag auf dessen Gehaltskonto bei der D in Maria-Trost zu überweisen. Vom Überweisungsauftrag bis zum Einlangen des Buchungsauftrages bei der genannten Bank (im Postweg) vergingen gewöhnlich drei bis vier Tage; lag ein Wochenende dazwischen, dauerte es um zwei Tage länger. Die Bank benötigte einen weiteren Tag, um die Buchung durchzuführen. Die die Spesen betreffenden Abbuchungsaufträge der beklagten Partei an ihr Bankinstitut ergingen meistens gemeinsam mit der Anweisung des Restgehalts für den vorangegangenen Monat um den 10., 11. oder 12. des Folgemonats; in seltenen Ausnahmsfällen um einige Tage früher oder später. Eine weitere Gehaltsüberweisung erfolgte als Gehaltsakonto für den laufenden Monat jeweils in der Zeit vom 22. bis 25. eines jeden Monats. Die Abbuchung in Wien erfolgte entweder am selben oder am nächsten Werktag.
Da die Reisespesenabrechnung des Klägers für den Monat Dezember 1981 bis 4. Jänner 1982 bei der beklagten Partei noch nicht eingelangt war, urgierte diese die Abrechnung beim Kläger, zumal sie die Buchungsberichte für unvollständig hielt. Die Spesenabrechnung des Klägers langte bei der beklagten Partei sodann am 7. Jänner 1982, einem Donnerstag, ein. Der beklagten Partei war es zeitlich nicht möglich, diese Abrechnung bis zur Vorbereitung des Sammelauftrages am 11. Jänner 1982, mit dem das restliche Dezembergehalt an den Kläger überwiesen wurde, zu überprüfen, zumal um diese Zeit auch die Inventuren und die Jahresabschlußarbeiten durchzuführen waren. Sie bereitete daher die Spesenvergütung für die nächste Sammelüberweisung vor, die kurz nach dem 20. Jänner 1982 vorgesehen war.
Als der Kläger feststellte, daß mit der Überweisung des Restgehalts die Spesen nicht mitüberwiesen worden waren, verfaßte er das am 21. Jänner 1982 (einem Donnerstag) bei der beklagten Partei eingelangte Schreiben vom 19. Jänner 1982, in dem er die Überweisung der Spesen bis 25. Jänner 1982 verlangte. Da die Spesenabrechnung des Klägers bereits am 19. Jänner 1982 überprüft worden war, wurde die Überweisung am Freitag, dem 22. Jänner 1982, mittels Eilgiro beim Wiener Bankinstitut der beklagten Partei veranlaßt. Am 25. Jänner 1982 buchte die Bank den Betrag vom Konto der beklagten Partei ab und übersandte den Buchungsauftrag mit der Post an die D in Maria-Trost, wo er am 28. Jänner 1982 einlangte und bis zum Morgen des 29. Jänner 1982 dem Konto des Klägers gutgebucht wurde. Dies wäre bereits um 8 Uhr dieses Tages in der Buchhaltung der Bank feststellbar gewesen. Zwischen 9 Uhr und 10 Uhr sind die Kontoauszüge auch bei diesem Schalter mit beigeheftetem Beleg bereitgelegen. Der Kläger erkundigte sich gegen 8,30 Uhr des 29. Jänner 1982 beim Schalter der Raiffeisenbank nach dem Einlangen des Spesenbetrages. Als er eine verneinende Antwort erhielt, erklärte er gegen 19 Uhr telegrafisch seinen vorzeitigen Austritt. Hätte die beklagte Partei die Reisespesen des Klägers am 22. Jänner 1982 telegrafisch überwiesen, wäre der Betrag bereits am 25. Jänner 1982 auf dem Konto des Klägers aufgeschienen.
Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Fälligkeit eines Anspruchs auf Aufwandersatz trete ohne unnötigen Aufschub ein. Ein Aufschub ergebe sich aber aus der Notwendigkeit der Überprüfung der Spesenabrechnung sowie aus dem Zeitbedarf für Abbuchungen vom Konto des Arbeitgebers und dem Gutbuchen auf dem Konto des Arbeitnehmers. Unter der Annahme einer für die Prüfung und Überweisung erforderlichen Zeit von 10 Arbeitstagen hätte die beklagte Partei die Überweisung um zwei Tage früher veranlassen können. Nur unter dieser Voraussetzung wäre die - allerdings zu kurze - Nachfristsetzung des Klägers überhaupt wirksam gewesen. Da eine angemessene Nachfrist nicht vor dem 29. Jänner 1982 hätte enden können und die beklagte Partei ohnehin mittels Eilgiro die Überweisung veranlaßt habe, sei der vorzeitige Austritt des Klägers nicht gerechtfertigt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Gemäß dem § 26 Z 2 AngG ist ein Angestellter zum vorzeitigen Austritt berechtigt, wenn der Arbeitgeber das dem Angestellten zukommende Entgelt ungebührlich schmälert oder vorenthält. Ungebührlich ist ein solches Verhalten dann, wenn der Arbeitgeber gewußt hat oder infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht hätte wissen müssen, daß seine Vorgangsweise unrechtmäßig ist. Das Verhalten des Arbeitgebers muß so schwerwiegend sein, daß dem Angestellten die weitere Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist (Arb. 9845, 9255, 9092, 7838, 4 Ob 140/81 ua; Floretta in Arbeitsrecht I, 206; Martinek-Schwarz, AngG 6, 563, 569).
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der strittige Spesenbetrag im Zeitpunkt des Austrittes des Klägers bereits seinem Konto gutgebucht war, er sohin die Verfügungsmöglichkeit über den Spesenbetrag hatte, und daß der betreffende Kontoauszug am Morgen des 29. Jänner 1982, wenn auch zunächst noch nicht beim Schalter, aber doch in der Buchhaltung der Bank des Klägers geordnet abgelegt war, sodaß das Einlangen des Spesenbetrages auch feststellbar war. Dazu kommt, daß es im Unternehmen der beklagten Partei üblich war, Geldüberweisungen grundsätzlich an zwei Terminen durchzuführen; zwischen dem 10. und 12. sowie zwischen dem 22. und 25. eines jeden Monats. Den erstgenannten Termin konnte die beklagte Partei unter Berücksichtigung der für die Überprüfung notwendigen Zeit und der mit dem Jahreswechsel zusammenhängenden zusätzlichen Arbeitsverrichtungen nicht einhalten, weil die Spesenabrechnung des Klägers erst am 7. Jänner 1982 verspätet eingelangt war. Da die beklagte Partei den Überweisungsauftrag für die Spesen gemeinsam mit der Gehaltsakontozahlung für den Monat Feber 1982 ohnehin am 22. Jänner erteilte, hielt sie die üblichen Überweisungstermine ein, so daß ein ungebührliches Vorenthalten - abgesehen von der für die Überprüfung der Spesenabrechnung erforderlichen Zeit von drei bis zehn Tagen - auch aus diesem Grund nicht erfolgte. Dazu kommt noch, daß das die Nachfristsetzung enthaltende Schreiben des Klägers am Donnerstag dem 21. Jänner 1982 bei der beklagten Partei eingelangt ist. Da der beklagten Partei nach diesem Zeitpunkt für eine Überweisung nur ein Arbeitstag, nämlich der 22. Jänner 1982, zur Verfügung stand, an welchem Tag sie ohnehin den Überweisungsauftrag erteilte, ist die Nachfrist nicht als angemessene Frist anzusehen. Für eine telegrafische Überweisung bestand angesichts des Umstandes, daß die beklagte Partei aus den oben dargelegten Gründen nicht in Verzug war, sondern den üblichen Vorgang einhielt, kein Anlaß. Unter diesen Umständen kann, wie die Untergerichte richtig erkannt haben, ein ungebührliches Vorenthalten des Spesenersatzes nicht angenommen werden. Die spätere Überweisung des Spesenbetrages hat sich vielmehr der Kläger infolge der verspäteten Übersendung der Spesenabrechnung selbst zuzuschreiben. Bedenkt man noch, daß der Kläger nicht etwa behauptet hat, daß die beklagte Partei schon früher einmal ihm das Entgelt vorenthalten habe, kann auch aus diesem Grund nicht angenommen werden, daß dem Kläger die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gewesen wäre. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 26 Z 2 AngG erweist sich der Austritt des Klägers als ungerechtfertigt, so daß dem Klagebegehren die Grundlage fehlt.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
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