Normen
ABGB §863
ArbVG §68
ArbVG §96 Abs1 Z1
ArbVG §102
ZPO §226
ZPO §228
ZPO §411
ABGB §863
ArbVG §68
ArbVG §96 Abs1 Z1
ArbVG §102
ZPO §226
ZPO §228
ZPO §411
Spruch:
Die Gerichte sind in jedem Fall befugt, die Zulässigkeit und, Wirksamkeit einer betrieblichen Disziplinarmaßnahme zu überprüfen und darüber mit Feststellungsurteil zu entscheiden
Die vom leitenden Angestellten eines Sozialversicherungsträgers verhängte Ordnungsstrafe wird durch den bloßen Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens (§ 104 Abs. 6 DO.A) nicht aufgehoben
Eine zur Verhängung von Disziplinarmaßnahmen zuständige Stelle (§ 102 ArbVG) kann nur durch eine im Sinne des § 96 Abs. 1 Z. 1 ArbVG im Rahmen der zwingenden Mitbestimmung abgeschlossene Betriebsvereinbarung errichtet werden
Die stattgebende Entscheidung über ein Eventualbegehren wird selbst dann nicht rechtskräftig, wenn der Kläger nur die Abweisung des Hauptbegehrens bekämpft; kommt das Berufungsgericht beim Hauptbegehren zu einer abändernden oder aufhebenden Entscheidung, dann hat es die - unbekämpft gebliebene - Entscheidung des Erstgerichtes über das Eventualbegehren aufzuheben
OGH 18. Dezember 1979, 4 Ob 123/79 (LG Salzburg 31 Cg 15/79; ArbG Salzburg Cr 311/78)
Text
Die Direktion der beklagten Gebietskrankenkasse verhängte über den Kläger, ihren Dienstnehmer, am 7. März 1978 gemäß § 104 der Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.A) die Ordnungsstrafe des Verweises, verbunden mit einer Geldbuße in der Höhe von 2% des ihm gebührenden Monatsbezuges, mit der Begründung, er habe sich am 28. Feber bzw. am 1. März 1978 geweigert, einer dienstlichen Weisung seines Vorgesetzten nachzukommen. Der Ergreifung dieser Maßnahmen ging u. a. eine Besprechung vom 2. März 1978 voraus, an der für die beklagte Partei Dir. Dr. M, ferner der Kläger, der Betriebsratsobmann B und ein weiteres Mitglied des Angestelltenbetriebsrates der beklagten Partei teilnahmen. In dieser Besprechung wurde der Sachverhalt unter Darlegung der beiderseitigen Auffassungen erörtert. Von seiten des Betriebsrates wurde die Ergreifung disziplinärer Maßnahmen abgelehnt und erklärt, er erhebe"schon jetzt" Einspruch. Nachdem am 7. März 1978 die Ordnungsstrafe über den Kläger verhängt worden war, erhob der , Angestelltenbetriebsrat der beklagten Partei der Direktion gegenüber einen schriftlichen Einspruch gegen die Ordnungsstrafe. Mit Schreiben vom selben Tag teilte die Direktion dem Betriebsrat unter Hinweis auf die Bestimmung des § 104 DO.A mit, dem Betriebsrat sei Gelegenheit zur Anhörung gegeben worden; in diesem Stadium stunden ihm keine Rechte zu, der Einspruch gehe daher ins Leere. Der Kläger stellte mit Schreiben vom 14. März 1978 gemäß § 104 Abs. 6 DO.A den Antrag, die Ordnungsstrafe außer Kraft zu setzen und gegen ihn ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Dieser Antrag wurde in der Sitzung des Personalausschusses der beklagten Partei vom 29. März 1978 behandelt. Hiebei sprach sich der Betriebsrat gegen ein Disziplinarverfahren aus. Der Vorstand der beklagten Partei beschloß trotzdem, gemäß § 106 DO.A gegen den Kläger ein, Disziplinarverfahren einzuleiten. Dies wurde dem Kläger mit Schreiben der beklagten Partei vom 10. Mai 1978 zur Kenntnis gebracht. In diesem Schreiben wurde darauf hingewiesen, daß die Einleitung des Disziplinarverfahrens ausschließlich auf Grund der Bestimmung des § 104 Abs. 6 DO.A, sohin auf Grund eines Einspruches gegen eine Ordnungsstrafe, erfolgt sei. In der Sitzung des Verwaltungsausschusses der beklagten Partei vom 19. Juli 1978 wurde beschlossen, das gegen den Kläger anhängige Disziplinarverfahren aus formellen Gründen einzustellen. In dem Schreiben, in welchem dem Kläger dies mitgeteilt wurde, wies die beklagte Partei darauf hin, daß mit der Einstellung des Verfahrens das vom Kläger eingenommene Verhalten keinesfalls gebilligt werde.
Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der von der beklagten Partei über ihn verhängten Ordnungsstrafe des mit einer Geldbuße verbundenen Verweises "von Anfang an"; in einem Eventualbegehren verlangt er die Feststellung, daß sein Dienstverhältnis frei von jedweder Ordnungsstrafe und frei von jedwedem Disziplinarverfahren sei. Zur Begründung bringt er vor, die Verhängung der Ordnungsstrafe sei schon deshalb unwirksam, weil der leitende Angestellte der beklagten Partei, der sie ausgesprochen habe, mangels Vorliegens der hiezu erforderlichen Betriebsvereinbarung nicht eine mit Zustimmung des Betriebsrates eingerichtete Stelle zur Entscheidung über Disziplinarmaßnahmen im Sinne des § 102 ArbVG sei und der Betriebsrat die in einem solchen Fall notwendige Zustimmung zur Verhängung der konkreten Ordnungsstrafe nicht erteilt habe.
Die beklagte Partei anerkannte das Eventualbegehren und beantragte die Abweisung des Hauptbegehrens. Mit letzterem begehre der Kläger nicht die Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses, sondern die Unwirksamkeit einer im Sinne des § 228 ZPO nicht feststellungsfähigen Rechtshandlung. Im übrigen habe die über den Kläger verhängte Ordnungsstrafe im Zeitpunkt der Klagseinbringung nicht mehr bestanden, weil sie durch den Antrag des Klägers auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens "rechtlich vernichtet" worden sei.
Schließlich habe der Betriebsrat der Einrichtung einer zur Entscheidung über die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen zuständigen Stelle im Sinne des § 102 ArbVG dadurch konkludent zugestimmt, daß er nach dem Inkrafttreten des Arbeitsverfassungsgesetzes in keinem der seither bei der beklagten Partei nach den Bestimmungen der DO.A durchgeführten Disziplinarverfahren eingewendet habe, eine Disziplinarmaßnahme sei deshalb unwirksam, weil darüber eine Stelle (leitender Angestellter oder Disziplinarkommission) entschieden habe, die ohne seine Zustimmung eingerichtet worden wäre.
Der Kläger bestritt dieses Vorbringen.
Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab und fällte über das Eventualbegehren nach dem Antrag des Klägers ein Anerkenntnisurteil.
Die Verhängung einer Ordnungsstrafe sei eine Rechtshandlung, die jedoch nicht feststellungsfähig im Sinne des § 228 ZPO sei.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es dem Hauptfeststellungsbegehren stattgab. Mit Berichtigungsbeschluß ON 29 sprach es aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes den Betrag von 2000 S übersteige, und hob das vom Erstgericht über das Eventualbegehren gefällte Anerkenntnisurteil auf. Das Berufungsgericht führte das Verfahren auf der Grundlage des außer Streit stehenden Sachverhaltes gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGG neu durch und bejahte die Feststellungsfähigkeit der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Disziplinarmaßnahme, weil diese einzelne rechtliche Folgen der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen beeinflusse; es bejahte auch die Berechtigung der begehrten Feststellung. Der rechtliche Bestand des Verweises sei nämlich durch die Einstellung des Disziplinarverfahrens nicht berührt worden. Der Betriebsrat habe weder eine Zustimmung zur Einrichtung einer für die Entscheidung über Disziplinarmaßnahmen zuständigen Stelle noch zur Verhängung der Ordnungsstrafe erteilt, so daß die Ordnungsstrafe unwirksam sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In der Mängelrüge vertritt die beklagte Partei die Auffassung, infolge rechtskräftiger Entscheidung über das Eventualbegehren hätte das Berufungsgericht weder über dieses noch über das somit gegenstandslos gewordene Hauptbegehren entscheiden dürfen. Da der Kläger selbst den Antrag auf Fällung eines Anerkenntnisurteiles hinsichtlich des Eventualbegehrens gestellt habe, sei das Erstgericht zur Fällung eines Anerkenntnisurteiles verpflichtet gewesen. Damit sei aber die Möglichkeit weggefallen, über das Hauptbegehren noch zu entscheiden.
Ein derartiger Verfahrensmangel liegt aber nicht vor. Die beklagte Partei übersieht, daß ein Eventualbegehren ausschließlich für den Fall geltend gemacht werden kann, daß das Hauptbegehren abgewiesen wurde; eine Entscheidung über das Eventualbegehren setzt gleichfalls voraus, daß das Hauptbegehren abgewiesen wurde. Wenn aber das Erstgericht - wie im vorliegenden Fall - nach Abweisung des Hauptbegehrens dem Eventualbegehren stattgibt, wird diese stattgebende Entscheidung selbst dann nicht rechtskräftig, wenn zwar die Abweisung des Hauptbegehrens vom Kläger bekämpft wird, die (stattgebende) Entscheidung über das Eventualbegehren aber unbekämpft bleibt. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß das Erstgericht dem Eventualbegehren mit einem Anerkenntnisurteil stattgegeben hat. Gelangt das Berufungsgericht hinsichtlich des Hauptbegehrens zu einer abändernden oder aufhebenden Entscheidung, dann hat es die unbekämpft gebliebene erstgerichtliche Entscheidung über das Eventualbegehren aufzuheben (Fasching IV, 31 f.; SZ 48/19; 5 Ob 1/79; ferner 4 Ob 62/79 in der gegenständlichen Rechtssache). Die im Berichtigungsbeschluß erfolgte Aufhebung des über das Eventualbegehren gefällten Anerkenntnisurteiles und die im angefochtenen Urteil gefällte Entscheidung über das Hauptbegehren beruhen daher entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf einem Verfahrensmangel.
In der Rechtsrüge hält die beklagte Partei an ihrer Auffassung fest, die Rechtswirksamkeit einer Disziplinarmaßnahme sei nicht feststellungsfähig, weil eine solche Maßnahme nur eine Rechtshandlung sei. Dem Feststellungsbegehren mangle überdies das Feststellungsinteresse, weil die beklagte Partei durch die Einstellung des Disziplinarverfahrens schlüssig zum Ausdruck gebracht habe, daß sie die verhängte Ordnungsstrafe als unwirksam ansehe. Schließlich sei die Ordnungsstrafe von einer mit konkludenter Zustimmung des Betriebsrates hiezu eingerichteten Stelle verhängt worden; der Betriebsrat habe nämlich in den bisherigen Disziplinarverfahren eine solche Zustimmung nie in Zweifel gezogen. Hätte der Betriebsrat das Recht, einerseits diese generelle Zustimmung nicht zu erteilen und anderseits die Zustimmung im konkreten Fall zu verweigern, dann könnten Disziplinarmaßnahmen überhaupt nicht verhängt werden. Dies würde zu dem untragbaren Ergebnis führen, daß die in der DO.A vorgesehenen Disziplinarvorschriften völlig wirkungslos wären.
Diese Auffassungen stehen mit dem Gesetz nicht in Einklang.
Dem Kläger und dem Erstgericht ist wohl darin beizustimmen, daß eine Rechtshandlung nicht feststellungsfähig im Sinne des § 228 ZPO ist. Der OGH hat daher in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nicht den Gegenstand einer Feststellungsklage bilden kann (JBl. 1979, 49; Arb. 5164; 4 Ob 108/78 u. v. a.; Fasching III, 61). Die Kündigung ist nämlich eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die - von Fällen des Kündigungsschutzes und der Unkundbarkeit abgesehen unmittelbar rechtsgestaltend auf das Arbeitsverhältnis einwirkt und grundsätzlich dessen Beendigung herbeiführt. Das auch für eine Feststellungsklage notwendige Rechtsschutzbedürfnis (Fasching a. a. O., 48) besteht hier nicht etwa für die Klärung der Frage, ob die Kündigung wirksam (oder materiell berechtigt) ist, sondern ob das Arbeitsverhältnis, das durch die Kündigung aufgelöst werden soll, trotz der Kündigung noch aufrecht fortbesteht. Die Wirksamkeit (Berechtigung) der Kündigung ist nur eine im Prozeß zu lösende Vorfrage für die richtigerweise begehrte Feststellung des aufrechten Bestehens des Arbeitsverhältnisses.
Bei der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme handelt es sich hingegen um die rechtlich institutionalisierte Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechtes, die jedoch der Überprüfung durch die Gerichte unterliegt. Gegenstand eines solchen der Rechtskontrolle dienenden Rechtsstreites ist die Überprüfung der Entscheidung der zur Ergreifung der betreffenden Disziplinarmaßnahme berechtigten Stelle (vgl. Spielbücher in RdA 1970, 9, 12 f.; Tomandl in ZAS 1974, 185 f.). Auf die Frage des Umfanges dieses Überprüfungsrechtes muß nicht näher eingegangen werden, weil hier nur die (nach dem Arbeitsverfassungsgesetz zu beurteilende) Zulässigkeit der Verhängung der Ordnungsstrafe und ihrer davon abhängigen Wirksamkeit zu überprüfen ist. Eine derartige Überprüfung in der Richtung eines Verstoßes gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen steht den Gerichten jedoch auf jeden Fall zu (vgl. dazu Arb. 7737 sowie die Darstellung der Judikatur bei Tomandl a. a. O., 185). Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme gestaltet unmittelbar die durch die Disziplinarordnung vorgezeichnete Rechtslage und konkretisiert sie für das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Einzelfall. Diese Rechtslage und ihre Überprüfung ist aber das den Gegenstand des Feststellungsprozesses bildende Rechtsverhältnis. Sie ist nicht wie die Kündigung bloß eine Vorfrage für das Bestehen des Arbeitsverhältnisses, sondern bildet die zu entscheidende Hauptfrage. Eine solche Feststellungsklage dient der Klärung der strittigen Rechtslage zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten (etwa einer später darauf gegrundeten Auflösung des Arbeitsverhältnisses oder der Rückforderung einer Geldbuße) und damit der Prozeßökonomie. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Klage kann nicht zweifelhaft sein. Da die Disziplinarmaßnahme, solange die erforderliche Zustimmung des Betriebsrates nicht erteilt wurde, schwebend unwirksam ist (Strasser in Floretta - Strasser, HdKomm., 599 f.), kommt der gerichtlichen Entscheidung nicht etwa rechtsgestaltende Wirkung im Sinne einer Beseitigung der Disziplinarmaßnahme zu; es ist vielmehr die Feststellung der (bestehenden) Unwirksamkeit erforderlich (ebenso Arb. 9649, 9623).
Entgegen der Auffassung der beklagten Partei liegt aber auch ein rechtliches Interesse des Klägers an der Feststellung vor. Der Verweis und die mit ihm verbundene Geldbuße sind gemäß § 104 Abs. 2 der einen Kollektivvertrag bildenden DO.A vom leitenden Angestellten nach Anhörung des Betriebsrates und nachdem dem Angestellten Gelegenheit zur Rechtfertigung gegeben worden war, durch schriftliche Mitteilung zu verhängen. Gemäß § 104 Abs. 6 DO.A steht dem Angestellten das Recht zu, gegen die über ihn verhängte Ordnungsstrafe binnen acht Tagen nach Erhalt der Verständigung schriftlich die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu begehren. Im Disziplinarverfahren darf bei gleichem Sachverhalt auf eine strengere Strafe als die verhängte Ordnungsstrafe nicht erkannt werden. Gemäß § 107 Abs. 4 Z. 1 DO.A hat der Vorstand auf Grund des Ergebnisses der eingeleiteten Voruntersuchung im Fall einer Antragstellung nach § 104 Abs. 6 DO.A eine Entscheidung zu treffen, mit der die Ordnungsstrafe aufgehoben oder gemildert wird.
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß die vom leitenden Angestellten verhängte Ordnungsstrafe, wenn sie vom Vorstand weder aufgehoben noch gemildert wird, aufrecht bleibt. Der Vorstand hat nur die Möglichkeit der Aufhebung oder Milderung der Ordnungsstrafe. Macht er von diesen ihm eingeräumten Möglichkeiten keinen Gebrauch, dann bleibt es bei der vom leitenden Angestellten verhängten Strafe. Die Auffassung der beklagten Partei, durch den Antrag des Klägers auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens sei die Ordnungsstrafe "vernichtet" worden, steht daher mit den Bestimmungen der DO.A im Widerspruch. Ebensowenig wurde durch die in der DO.A für einen solchen Fall gar nicht vorgesehene Einstellung des Disziplinarverfahrens die vom leitenden Angestellten verhängte Ordnungsstrafe aufgehoben. Im übrigen besteht das Feststellungsinteresse schon im Falle einer nicht eindeutigen, eine tatsächliche Ungewißheit oder Unsicherheit hervorrufenden Rechtslage (vgl. Fasching a. a. O., 66 f.). Selbst wenn man der Auffassung der beklagten Partei über die durch die Einleitung oder die Einstellung des Disziplinarverfahrens erfolgte Aufhebung der Ordnungsstrafe beipflichten könnte, bestunde nicht zuletzt auch wegen des im Verständigungsschreiben an den Kläger enthaltenen Hinweises der beklagten Partei, durch die Einstellung werde das Verhalten des Klägers keinesfalls gebilligt, eine unklare Rechtslage, die geeignet wäre, eine Rechtsgefährdung für den Kläger herbeizuführen (Fasching a. a. O., 68).
Schließlich ist auch die Ansicht der Revisionswerberin verfehlt, der Betriebsrat habe der Einrichtung der in der DO.A für die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen vorgesehenen Stellen dadurch konkludent zugestimmt, daß er eine solche Zustimmung bisher nie bestritten habe. Gemäß § 102 ArbVG hat der Betriebsrat an der Aufrechterhaltung der Disziplin im Betrieb mitzuwirken. Die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen im Einzelfall ist nur zulässig, wenn sie in einem Kollektivvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung (§ 96 Abs. 1 Z. 1 ArbVG) vorgesehen ist; sie bedarf, sofern darüber nicht eine mit Zustimmung des Betriebsrates eingerichtete Stelle entscheidet, der Zustimmung des Betriebsrates.
Im vorliegenden Fall steht außer Streit, daß der Betriebsrat der Verhängung der Ordnungsstrafe über den Kläger nicht zugestimmt hat. Die vom leitenden Angestellten verhängte Disziplinarmaßnahme wäre daher nur dann wirksam zustande gekommen, wenn die in der DO.A vorgesehene Stelle, nämlich"der leitende Angestellte", für diesen Zweck mit Zustimmung des Betriebsrates eingerichtet wurde. Eine solche Zustimmung kann aber vom Betriebsrat keineswegs konkludent erteilt werden. Die Errichtung einer solchen Stelle ist vielmehr nur durch eine im Sinne des § 96 Abs. 1 Z. 1 ArbVG im Rahmen der zwingenden Mitbestimmung abgeschlossene Betriebsvereinbarung möglich (Strasser in Floretta - Strasser, HdKomm. 599, 522). Aber selbst wenn man hiefür den Abschluß einer Betriebsvereinbarung nicht für notwendig erachten sollte, müßte doch die Willensbildung des Betriebsrates jedenfalls in der Form eines Beschlusses dieses Kollegialorgans im Sinne des § 68 ArbVG erfolgen. Auf die weitere Frage, ob in der bloßen Teilnahme am Disziplinarverfahren überhaupt eine konkludente Zustimmung zu der Errichtung einer derartigen Stelle im Sinne des § 863 ABGB erblickt werden könnte, braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.
Zusammenfassend ist zu sagen, daß die vom leitenden Angestellten über den Kläger verhängte Ordnungsstrafe mangels Vorliegens der Zustimmungsvoraussetzungen der die diesbezüglichen Bestimmungen der DO.A, soweit sie sich mit ihr im Widerspruch befinden, verdrängenden Vorschrift des § 102 ArbVG unwirksam ist. Da sich die Entscheidung des Berufungsgerichtes sohin als richtig erweist, muß der Revision ein Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 ZPO begrundet. Die Eingabengebühr für die Revisionsbeantwortung ON 31 konnte nicht zugesprochen werden, weil sie von der beklagten Partei nach der Aktenlage und einer Auskunft des Erstgerichtes nicht beigebracht wurde.
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