OGH 4Ob123/23a

OGH4Ob123/23a12.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des Betroffenen A*, geboren am * 1976, *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter H*, ebendort, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Mai 2023, GZ 42 R 381/22y‑455, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00123.23A.0912.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erwachsenenschutzrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Im Zuge des Verfahrens über die Erneuerung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung (durch einen Verein für Erwachsenenschutz) für den Betroffenen wurde erhoben, dass die Mutter als gesetzliche Erwachsenenvertreterin für den Betroffenen im Ausmaß sämtlicher in § 269 ABGB genannten Angelegenheiten registriert war, obwohl bereits zuvor ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt worden war.

[2] Das Erstgericht erklärte daraufhin die gesetzliche Erwachsenenvertretung der Mutter im vollen Umfang für beendet, weil eine unzulässige Doppelvertretung vorliege. Im bereits eingeleiteten Neuerungsverfahren werde abzuklären sein, ob die Aufrechterhaltung der gerichtlichen Vertretung weiter erforderlich und ob die Unterstützung des Betroffenen im Rahmen einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung durch die Mutter möglich sei.

[3] Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.

[4] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrag, die „Eintragung ihrer Vollmacht“ für ihren Sohn nicht für unwirksam zu erklären, sondern aufrecht zu erhalten.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Revisionsrekurs ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig:

[6] 1.1. Gemäß § 127 Abs 3 AußStrG steht den in Abs 1 leg cit genannten Angehörigen – zu denen die Eltern des Betroffenen zählen – gegen den Beschluss über die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters „im Hinblick auf die Person des gerichtlichen Erwachsenenvertreters“ der Rekurs (und aufgrund einer analogen Anwendung dieser Bestimmung gegen die Entscheidung des Rekursgerichts der Revisionsrekurs; RS0124570 [T1]) zu. Dass überhaupt ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt oder mit welchem Wirkungsbereich dieser betraut wurde, kann von einer solchen Person hingegen nicht angefochten werden. Ihre Rechtsmittellegitimation beschränkt sich im Wesentlichen auf das Vorbringen, die Auswahl des gerichtlichen Erwachsenenvertreters sei nicht im Einklang mit § 274 ABGB erfolgt, weil sich das Gericht über die dort vorgesehene hierarchische Ordnung der auszuwählenden Personen hinweggesetzt und nicht die am Besten geeignete Person bestellt habe (vgl 6 Ob 70/19s; 7 Ob 136/19d; 1 Ob 72/20z = RS0124570 [T2]).

[7] 1.2. Im vorliegenden Fall wird mit den Beschlüssen der Vorinstanzen zwar kein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt, sondern – wegen der bereits bestehenden gerichtlichen Erwachsenenvertretung – eine gesetzliche Erwachsenenvertretung beendet. Die Mutter bekämpft mit ihren Rechtsmitteln jedoch im Ergebnis die (neuerliche) Bestellung der Person des (gerichtlichen) Erwachsenenvertreters, zumal sie beantragt, sie selbst in der Funktion eines gesetzlichen Erwachsenenvertreters – ua mit dem gleichen Aufgabenkreis wie die gerichtliche Erwachsenenvertretung – zu belassen. Das Rekursgericht hat daher die Rechtsmittellegitimation der Mutter zumindest vertretbar bejaht.

[8] 2.1. Die Revisionsrekurswerberin begründet die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels mit dem Fehlen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, ob der Umstand, dass die in § 269 Abs 1 Z 1 bis 8 ABGB taxativ aufgezählten Wirkungsbereiche nicht mit den Wirkungsbereichen der bestehenden gerichtlichen Erwachsenenvertretung übereinstimmten, weil ihre Wortlaute abwichen, der Aufhebung einer erfolgten Eintragung entgegenstehe, sowie zur Frage, ob das Wohl des Vertretenen dadurch gefährdet sein könnte, dass dessen Mutter eingetragene Vertreterin sei. Insofern sei den Vorinstanzen auch eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen.

[9] 2.2.1. Zur ersten Frage ist auszuführen, dass eine gesetzliche Erwachsenenvertretung nach § 268 Abs 1 Z 2 ABGB insoweit ausgeschlossen ist, als der Betroffene für die Angelegenheiten, für die der gesetzliche Erwachsenenvertreter fortan zuständig sein würde, bereits einen Vertreter hat. Die Bestellung mehrerer Erwachsenenvertreter für eine Person ist zwar möglich, allerdings nach § 243 Abs 3 ABGB nur dann, wenn sich ihre Vertretungsbefugnisse auf verschiedene Angelegenheiten beziehen und sie sich nicht – auch nicht teilweise – überschneiden (8 Ob 164/18b). Demnach stehen bereits teilweise überlappende Wirkungsbereiche der Bestellung eines weiteren Erwachsenenvertreters entgegen.

[10] 2.2.2. Im hier gegebenen Fall bestünde zu jedem einzelnen registrierten Wirkungsbereich der gesetzlichen Erwachsenenvertretung zumindest eine teilweise Überschneidung mit der aktiven gerichtlichen Erwachsenenvertretung. Damit kommt eine gesetzliche Erwachsenenvertretung nicht (mehr) in Betracht.

[11] 2.2.3. Der Fall, dass die Eintragung einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung von Anfang an unzulässig ist, wird im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Aus § 246 Abs 3 Z 1 ABGB, der die Beendigung (auch) einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung durch das Gericht regelt, ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass das Gesetz auch im Zusammenhang mit der gesetzlichen Erwachsenenvertretung eine gerichtliche Entscheidungstätigkeit keineswegs ausschließt.

[12] Die Bestimmung des § 246 Abs 3 Z 1 ABGB ist daher auf den hier vorliegenden Fall, dass die Bestellung des gesetzlichen Erwachsenenvertreters von vornherein unzulässig war, analog anzuwenden. Auf die Frage, ob das Gericht dabei wie das Erstgericht im Anlassfall – im Sinne des Wortlauts des § 246 Abs 3 Z 1 ABGB – (nur) die (ex nunc wirkende) Beendigung der Erwachsenenvertretung oder vielmehr deren Unwirksamkeit ex tunc auszusprechen hat, ist hier nicht näher einzugehen. Das Rechtsmittel der Mutter wendet sich nämlich nicht gegen den Zeitpunkt der Beendigung ihrer Stellung als gesetzlicher Erwachsenenvertreterin, sondern strebt vielmehr ihre Belassung in dieser Funktion an. Dafür besteht nach dem Gesagten aber jedenfalls kein Raum.

[13] 2.3.1. Beherrschender Grundsatz für die Auswahl des Erwachsenenvertreters ist das Wohl der betroffenen Person (RS0048982 [T5]; vgl auch RS0132245).

[14] 2.3.2. Ungeachtet dessen waren für die hier bekämpfte „Beendigung“ der gesetzlichen Erwachsenenvertretung aber nicht Überlegungen zum Wohl des Betroffenen maßgebend, sondern vielmehr der Umstand, dass bereits eine gerichtliche Erwachsenenvertretung mit jeweils zumindest teilweise überlappenden Wirkungsbereichen bestand. Das Erstgericht wird im weiteren Verfahren ohnehin noch die weitere Notwendigkeit einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung sowie die Möglichkeit einer allfälligen gesetzlichen Erwachsenenvertretung durch die Mutter zu prüfen haben.

[15] 2.3.3. Die Revisionsrekurswerberin zeigt daher auch mit ihren Erwägungen zur Frage des Wohls des Betroffenen keine erheblichen Rechtsfragen im gegebenen Zusammenhang auf.

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