OGH 4Ob121/90

OGH4Ob121/909.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*** U*** Gesellschaft mbH,

Wien 1., Schenkenstraße 8-10, vertreten durch DDr.Walter Barfuß und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Kurt S*** Gesellschaft mbH & Co, Kematen, Kurt-Schwarzkopf-Straße 1, vertreten durch Dr.Manfred Schwindl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 450.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 12.Juni 1990, GZ 4 R 128/90-11, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 9.März 1990, GZ 7 Cg 33/90-7, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses und der Rekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung und des Rekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Beide Parteien bringen Haarpflegeprodukte auf den österreichischen Markt. Die Beklagte verwendet für ihre Sprays als Treibgas teilhalogenierten Flour-Chlor-Kohlenwasserstoff (FCKW) F-22. Sie wirbt für ihren Haarspray "Drei-Wetter-Taft" mit der Aufschrift: "Neues Treibmittel entspricht der UNO-Ozonschutzkonvention"; diese Werbebehauptung findet sich auf Vignetten, die auf den Spraydosen aufgeklebt sind. Die Aufkleber enthalten außerdem eine grün konturierte schützende Hand über einer grünen Weltkugel auf blauem Grund.

Es ist nicht bescheinigt, daß das von der Beklagten verwendete Treibgas F-22 im Hinblick auf sein Ozonabbaupotential und den Zustand der Ozonschicht unbedenklich wäre.

Die Klägerin beantragt zur Sicherung eines gleichlautenden Unterlassungsanspruches, der Beklagten im geschäftlichen Verkehr die Behauptung zu verbieten, daß ihr Treibmittel der UNO-Ozonschutzkonvention entspreche. Die Werbebehauptung der Beklagten sei unwahr und irreführend, weil das Treibmittel F-22 - wenn auch in geringerem Maße als ein vollhalogenierter FCKW - gefährlich sei und keineswegs der UNO-Ozonschutzkonvention entspreche, welche keine Einteilung der Treibmittel in schädliche und unschädliche vornehme, sondern auch die teilhologenierten Alkane als bedenklich bezeichne.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. F-22 werde unter den von der UNO-Ozonschutzkonvention geregelten Stoffen nicht angeführt; es werde von der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe des UNEP ausdrücklich als Ersatzstoff für F-11 und F-12 empfohlen. F-22 sei in der von der Beklagten pro Dose verwendeten Menge für die Ozonschicht nicht gefährlich. Die beanstandete Behauptung sei aber auch nicht irreführend, werde sie doch vom Publikum so verstanden, daß das Treibgas der Beklagten von der UNO-Ozonschutzkonvention nicht als bedenklich eingestuft bzw von der entsprechenden Arbeitsgruppe der UN als Ersatz für die bisher verwendeten, allgemein als umweltschädlich angesehenen Treibgase empfohlen wurde.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Im Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht samt Anlagen hätten sich die Vertragsstaaten (ua) zu geeigneten Maßnahmen im Einklang mit der Konvention verpflichtet, um die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor schädlichen Auswirkungen zu schützen, die durch menschliche Tätigkeiten, welche die Ozonschicht verändern oder wahrscheinlich verändern, verursacht werden. In der Anlage zum Protokoll seien diejenigen chemischen Stoffe natürlichen und anthropogenen Ursprunges angeführt worden, von denen angenommen wird, daß sie die Fähigkeit haben, die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Ozonschicht zu verändern. Zu diesen Stoffen zähle auch das Treibgas F-22, das zu den partiell halogenierten Alkanen gehöre. Das Wiener Übereinkommen enthalte keine ausdrückliche Empfehlung, partiell halogenierte Alkane als Treibgas bei technischen Erzeugnissen zu verwenden. Hingegen seien die Maßnahmen, die das Montrealer Protokoll zur Regelung und Verminderung der Emission von Stoffen vorsehe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, auf partiell halogenierte Alkane wie F-22 nicht anzuwenden. Die Werbeaussage der Beklagten erwecke daher die unzutreffende Vorstellung, daß es eine "UNO-Ozonschutzkonvention" gebe, die Treibmittel in schädliche und unschädliche einteile und die Verwendung von Teilbmitteln wie F-22 bei der Herstellung von Haarpflegemitteln empfehle.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Wenn auch die Werbung mit Umweltschutzbegriffen grundsätzlich nach strengen Maßstäben zu beurteilen sei, so sei den angesprochenen Verkehrskreisen doch bekannt, daß es absolute "Unweltfreundlichkeit" nicht gibt. Der Verbraucher wisse, daß jeder Eingriff des Menschen eine gewisse Belastung der Natur bringt. Niemand könne erwarten, daß ein Produkt auf den Markt kommt, das keinerlei Umweltbelastung mehr verursacht; der Verbraucher könne (nur) darauf vertrauen, daß er im Rahmen eines bestimmten Marktsegments die umweltfreundlichste Produkvariante kaufe. Mit dem Hinweis auf die UNO-Ozonschutzkonvention habe die Beklagte lediglich behauptet, daß das von ihr jetzt verwendete Treibgas die Ozonschicht geringer belaste als das bisher verwendete. Da niemand realistisch erwarten könne, daß ein Treibgas keine Belastung der Ozonschicht verursacht, seien die angesprochenen Verkehrskreise auch nicht irregeführt worden.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung der erstgerichtlichen einstweiligen Verfügung.

Die Beklagte stellt den Antrag, dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, ist die Frage, ob eine Werbung mit Umweltschutzbegriffen zur Irreführung geeignet ist, ähnlich wie die Gesundheitswerbung (Gloy, Handbuch des Wettbewerbsrechts 558) nach strengen Maßstäben zu beurteilen (ausführlich Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 431 f § 1 dUWG Rz 179 ff). Mit der allgemeinen Anerkennung der Umwelt als schutzbedürftiges, weil unersetzliches, Gut hat sich in den letzten Jahren zunehmend ein verstärktes Umweltbewußtsein entwickelt; das hat dazu geführt, daß zumindest maßgebliche Teile der jeweils betroffenen Verbraucherkreise aus Sorge um die eigene Gesundheit, aus Verantwortungsgefühl für spätere Generationen oder aus ähnlichen Motiven als umweltverträglich angepriesene Erzeugnisse bevorzugen und sogar bereit sind, höhere Preise zu zahlen oder auf bestimmte Eigenschaften solcher Erzeugnisse zu verzichten. Dieses geänderte Verbraucherverhalten macht sich die Werbung (vgl etwa ÖBl 1984, 70) in zunehmendem Maße zunutze, weil sie erkannt hat, das Werbemaßnahmen, die an den Umweltschutz anknüpfen, besonders geeignet sind, emotionale Bereiche im Menschen anzusprechen, und dadurch eine starke subjektive Anziehungskraft haben (vgl BGH 20.10.1988 - Umweltengel - WRP 1988, 160; Rohnke, Werbung mit Umweltschutz, GRUR 1988, 667 ff). Die Situation ist dabei ähnlich wie bei der Werbung für "naturbelassene" Lebensmittel und sonstige "natürliche" Produkte. Als Folge der sogenannten "Biowelle" hat auch die Werbung für "natürlich" hergestellte Erzeugnisse eine starke suggestive Kraft, deren sich die Werbenden bedienen (ÖBl 1988, 126 = SZ 61/22). Aussagen über die Natürlichkeit oder Umweltverträglichkeit eines Erzeugnisses sind damit in hohem Maße geeigent, den Kaufentschluß des Verbrauchers zu beeinflussen. So erwünscht aber solche Angaben sein können, wenn sie der Wahrheit entsprechen, so gefährlich ist es, wenn solche die Gefühlssphäre ansprechenden Hinweise oder Begriffe geeignet sind, den Verbraucher irrezuführen. Mit Umwelthinweisen darf daher nur geworben werden, wenn sie eindeutig belegt sind und eine Irreführung für die umworbenen Verbraucher ausgeschlossen ist (Baumbach-Hefermehl aaO Rz 179). Soweit der Hinweis auf die Umweltfreundlichkeit eines Erzeugnisses mißverstanden werden kann, ist der Werbende zu näheren Aufklärungen verpflichtet (Baumbach-Hefermehl aaO Rz 181; Kucsko, Über irreführende Umweltengel, exolex 1990, 93).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die von der Beklagten verwendete Werbebehauptung als irreführend im Sinne des § 2 UWG zu beurteilen. Die Beklagte hat ihre Haarspraydosen mit der Angabe "Neues Treibmittel entspricht der UNO-Ozonschutzkonvention" versehen, obwohl es richtig heißen müßte "zum Schutz der Ozonschicht". Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes bringt der Hinweis der Beklagten auf das von ihr als "UNO"-Ozonschutzkonvention angesprochene Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht samt Anlagen, BGBl 1988/596 (im folgenden: "Wiener Übereinkommen") nicht zum Ausdruck, daß das nunmehr verwendetete Treibgas - die Beklagte vermeidet auch diesen negativ besetzten Begriff und spricht von einem "Treibmittel" - die Ozonschicht ebenfalls, wenn auch geringer als die bisher verwendeten Treibgase, belastet. Das Wiener Übereinkommen, welches die Grundlage des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, BGBl 1989/283 (im folgenden: "Montrealer Protokoll") bildet, zählt unter den Stoffen, von denen angenommen wird, daß sie die Fähigkeit haben, die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Ozonsicht zu verändern, in der Gruppe der Chlorverbindungen (lit c) neben den vollständig halogenierten Alkanen (Untergruppe i) auch partiell halogenierten Alkane (Untergruppe ii) auf, zu denen auch das von der Beklagten verwendete Treibgas CHClF2 (= CFC-22 = F-22; vgl Beilage K) gehört, welches ebenso wie die vollständig halogenierten Alkane als Quelle des stratosphärischen ClOx wirkt. Richtig ist, daß F-22 in der Anlage A des Montrealer Protokolls über die "geregelten Stoffe" (siehe Art 1 Z 4 dieses Übereinkommens) nicht aufgezählt ist und damit von den Regelungsmaßnahmen dieses Vertrages, welche im wesentlichen in einer stufenweisen Begrenzung des Verbrauchs der "geregelten Stoffe" bestehen (Art 2 des Übereinkommens), derzeit nicht betroffen wird. Daß die Vertragspartner damit "nicht geregelte Stoffe" als nicht gefährlich angesehen hätten, ergibt sich aber aus dem Abkommen nicht; dieses enthält vielmehr die Vereinbarung, erstmals 1990 und dann mindestens alle vier Jahre die in Art 2 vorgesehenen Regelungsmaßnahmen auf der Grundlage verfügbarer wissenschaftlicher, umweltbezogener, technischer und wirtschaftlicher Informationen zu bewerten (Art 6 des Übereinkommens) und bei der Förderung des öffentlichen Bewußtseins über die Auswirkungen der Emissionen geregelter und anderer zu einem Abbau der Ozonschicht führender Stoffe auf die Umwelt zusammenzuarbeiten (Art 9 Abs 2 des Übereinkommens). Die Vereinbarungen des Montrealer Abkommens bringen damit nur zum Ausdruck, daß sich die Vertragsparteien bisher nur auf einen Mindeststandard geeinigt haben, weitergehende Beschränkungen des Verbrauches halogenierter Alkane und anderer die Ozonschicht gefährdender Stoffe aber nicht beschlossen wurden, sind doch selbst vollhalogenierte Alkane noch mit sukzessiven Verbrauchsreduzierungen durch viele Jahre zugelassen. Aus all dem ist aber nicht abzuleiten, daß F-22 "der UNO-Ozonschutzkonvention entspricht", zumal es im Wiener Übereinkommen als ein die Ozonschicht (wahrscheinlich) gefährdender Stoff angeführt wird. Das über die einschlägigen internationalen Abkommen (vor allem in den Einzelheiten) nicht informierte Publikum kann daher die Bezugnahme auf "die UNO-Ozonschutzkonvention" ohne nähere Aufklärung fälschlich dahin verstehen, daß es eine positive Regelung gibt, die zwischen verbotenen gefährlichen und erlaubten umweltverträglichen Stoffen unterscheidet, und daß deshalb F-22 die Ozonschicht nicht gefährdet. Der (dem zitierten Urteil des BGH folgenden) Ansicht des Rekursgerichtes, daß es eine absolute Umweltfreundlichkeit nicht gebe, und dies auch den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt sei (so daß sie den Hinweis auf die UNO-Ozonschutzkonvention nicht als Behauptung absoluter Umweltverträglichkeit des verwendeten Treibgases verstehen würden), ist - jedenfalls in dieser Allgemeinheit - nicht beizustimmen. Bei vielen technischen Erzeugnissen (vor allem solchen, die mit einem auch für den Laien erkennbaren Schadstoffausstoß verbunden sind), mag dies zwar zutreffen; bei solchen Erzeugnissen werden die angesprochenen Verkehrskreise die Behauptung der Umweltfreundlichkeit nur relativ verstehen und damit nicht irregeführt werden, wenn das betreffende Produkt (in bezug auf Erzeugung, Benützung und Entsorgung) tatsächlich die nach dem anerkannten neuesten Stand der Technik umweltfreundlichste Variante ist. Für die Annahme, der Begriff "umweltfreundlich" sei von vornherein nur eingeschränkt zu verstehen, fehlt jedoch jeder Anhaltspunkt (Baumbach-Hefermehl aaO Rz 180); diese Frage karn nur im jeweiligen Einzelfall beurteilt werden, da es nicht ausgeschlossen ist, daß einzelne umweltgefährdende Wirkungen eines Erzeugnisses durch neue technische Entwicklungen zur Gänze beseitigt werden, oder zumindest das Publikum eine solche Möglichkeit annimmt. Sind aber gerade solche Eigenschaften Gegenstand einer Werbebehauptung, dann kann es nur auf die "absolute" Umweltfreundlichkeit (bzw die Meinung des Publikums hierüber) ankommen.

Im vorliegenden Fall ist die Ansicht des Rekursgerichtes schon deshalb verfehlt, weil gar nicht feststeht, daß F-22 derzeit die relativ umweltverträglichste Variante eines Treibmittels für Sprays ist; außerdem besteht die Gefahr, daß das Publikum auf Grund der weitverbreiteten Kenntnis, daß Sprays mit Hilfe von Handpumpen sogar ohne Treibmittel benützt werden können, annehmen wird, ein Treibgas, das der "UNO-Ozonschutzkonvention entspricht", sei auch für die Ozonschicht der Erde ungefährlich.

Die Beklagte hat daher mit der auf ihren Haarspraydosen angebrachten Angabe "Neues Treibmittel entspricht der UNO-Ozonschutzkonvention" gegen § 2 UWG verstoßen. In Stattgebung des Revisionsrekurses war somit die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Kosten der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 2 EO und §§ 40, 50 und 52 Abs 1 ZPO.

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