Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.577,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 514,35 Umsatzsteuer und S 1.920,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der beklagten Partei vom 24.März 1969 bis 2. Februar 1984 als Autobuschaffeur beschäftigt. Mit der vorliegenden Klage begehrt er mit der Behauptung, er sei am 2.Februar 1984 grundlos entlassen worden, zuletzt den Betrag von S 109.630,51 samt Anhang.
Die beklagte Partei stellte das Klagebegehren dieser Höhe nach außer Streit, beantragte jedoch dessen Abweisung und brachte vor, die Entlassung des Klägers sei zu Recht erfolgt. Er sei als Omnibuschaffeur auf der Linie Leibnitz-St.Georgen an der Stiefing-Graz zu Fahrgästen frech, anmaßend, unfreundlich und schroff gewesen, habe Fahrgäste beleidigt und sei sogar tätlich geworden. Der Kläger habe Haltestellen zu früh angefahren und wieder verlassen, sodaß Kunden den Bus versäumt hätten. Unmittelbarer Anlaß für die Entlassung sei gewesen, daß der Kläger am 1.Februar 1984 einem Schüler grundlos eine kräftige Ohrfeige versetzt habe. Das Erstgericht sprach dem Kläger lediglich eine Urlaubsabfindung in der Höhe von S 7.102,38 rechtskräftig zu und wies das Mehrbegehren ab. Es vertrat auf Grund des von ihm festgestellten Sachverhaltes die Rechtsansicht, die Entlassung des Klägers sei wegen der dem Dietmar D grundlos versetzten Ohrfeige im Zusammenhang mit früheren Verfehlungen des Klägers berechtigt gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verhandelte die Streitsache gemäß § 25 Abs 1 Z.3 ArbGG von neuem und stellte folgenden Sachverhalt fest:
Der Kläger war in den letzten Jahren mehrfach rücksichtslos und unhöflich gegenüber Fahrgästen. Es kam vor, daß er eine Haltestelle zu früh anfuhr und dadurch ein Fahrgast nicht mehr mitkam. Etwa drei Jahre vor dem Herbst 1984 kam Margarete E als Fahrgast beinahe zu Sturz, weil der Kläger als Autobuslenker sein Fahrzeug schon startete, als sie mit einer Tasche in jeder Hand noch im Begriff war, auszusteigen. Etwa zwei Jahre vor dem Herbst 1984 versuchte der Kläger, Margarete E zu bewegen, daß sie den Autobus schon in St.Georgen verlasse, damit er von dort aus direkt die nur 1 km lange Strecke zum Firmensitz hätte zurücklegen können. Als Margarete E dies ablehnte und darauf bestand, daß der Kläger nach Gundersdorf weiterfahre, von wo aus er 4,5 km bis zum Firmensitz zurücklegen und um 20 Minuten mehr aufwenden mußte, ließ der Kläger beide Autobustüren offen, so daß Margarete E sehr fror. Sie benützte den Bus in der Folge nicht mehr und tut dies erst wieder, seit der Kläger entlassen ist. Im Frühjahr 1983 sagte der Kläger zur damals gerade aus dem Bus aussteigenden 15-jährigen Tochter der Maria F, die Lehrerin in Laubegg ist, daß er mit letzterer zusammenkrachen würde, wenn diese noch einmal 'solche Gerüchte' über ihn verbreiten würde. Von dieser öußerung verständigte Maria F den Inhaber der beklagten Partei, der daraufhin den Kläger mit den Worten verwarnte, wenn so etwas noch einmal vorkomme, müsse der Kläger die Firma verlassen. Der Kläger entschuldigte sich daraufhin sehr höflich bei Maria F. Nach diesem Vorfall wurden anläßlich einer Betriebsversammlung die Chauffeure der beklagten Partei allgemein belehrt, daß sie die Haltestellen nicht zu früh anfahren dürften, den Fahrgästen höflich entgegenkommen müßten und daß sie, wenn sie abschätzige öußerungen über Fahrgäste von sich geben, mit der Entlassung rechnen müßten. Einige Monate vor seiner Entlassung versuchte der Kläger, Julie G, die sich wegen schlechter körperlicher Verfassung nur langsam bewegte, mit den Worten: 'Geht das nicht schneller, Du alte Wab'n' zu schnellerem Einsteigen in den Bus zu veranlassen. Der Kläger stritt diesen Sachverhalt gegenüber dem Inhaber der beklagten Partei ab. Im Jänner 1984 stellte der Bruder des Inhabers der beklagten Partei fest, daß der Kläger die Haltestelle St.Georgen um eine Viertelstunde zu früh und drei weitere Haltestellen bis zur Garage überhaupt nicht mehr anfuhr. Der Kläger wurde deshalb verwarnt. Michael C, der Bruder des Inhabers der beklagten Partei, stellte darüber hinaus ein weiteres Mal fest, daß der Kläger bei der Haltestelle St.Georgen um 5 Minuten zu früh abfuhr. Am 1.Februar 1984 gegen 18 Uhr 30 versetzte der Kläger dem Dietmar D, einem 14-jährigen Schüler, der gleichzeitig mit 40 bis 50 anderen Schülern in den Bus einstieg, mit der flachen Hand einen Schlag gegen die Wange. Dies hatte zur Folge, daß die Wange noch bis zum Abend etwas gerötet war und Dietmar D leichte Schmerzen verspürte. Es kann nicht festgestellt werden, daß Dietmar D dies durch Drängen oder dadurch provoziert hätte, daß er sich so aufstellte, daß die anderen nachfolgenden Schüler nicht mehr einsteigen konnten. Nachdem der Vater Dietmar DS am Vormittag des 2.Februar 1984 den Inhaber der beklagten Partei von diesem Vorfall in Kenntnis gesetzt hatte, verständigte dieser den Betriebsrat Rudolf H. Der äußerte, er könne gegen eine Entlassung des Klägers nichts machen, wenn dieser den Schüler tatsächlich geohrfeigt habe. Daraufhin holte der Inhaber der beklagten Partei den Kläger mit dem PKW ab, konfrontierte ihn mit dem erwähnten Vorwurf und sagte, daß der Kläger entlassen sei, wenn er Dietmar D geohrfeigt habe. Nur wenn es keine Ohrfeige gegeben habe, könne er weiter fahren. Der Kläger bestritt die Ohrfeige, erkundigte sich aber nach der Adresse des Vaters des Dietmar D, damit er sich dort entschuldigen könne. Er entschuldigte sich in der Folge auch und verlangte eine schriftliche Bestätigung, daß nichts vorgefallen sei. Der Vater Dietmar DS verweigerte die Ausstellung einer solchen Bestätigung, teilte aber dem Inhaber der beklagten Partei mit, daß er - entgegen seiner usprünglichen Absicht - keine Anzeige bei der Gendarmerie erstatten werde.
Rechtlich vertrat auch das Berufungsgericht die Auffassung, der Kläger habe eine strafbare Handlung begangen, welche die beklagte Partei gemäß § 82 lit d GewO zur sofortigen Entlassung berechtigt habe. Es habe sich dabei um keinen Einzelfall gehandelt, sondern nur um einen weiteren Fall des rücksichtslosen und beleidigenden Betragen des Klägers gegenüber Fahrgästen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Kläger meint, im Sinne des § 82 lit d GewO reiche ein Privatanklagedelikt nicht aus, um eine Entlassung zu rechtfertigen. Die Vorinstanzen hätten auch nicht berücksichtigt, daß sich alle festgestellten Vorfälle in den letzten drei Jahren ereigneten und der Kläger seine Arbeit während eines Zeitraumes von 12 Jahren makellos verrichtet habe.
Dem kann nicht beigepflichtet werden.
Es ist zwar richtig, daß nicht jede strafbare Handlung einen Entlassungsgrund nach § 82 lit d GewO darstellen muß. Es kommt für die Frage, ob ein Arbeitnehmer vertrauensunwürdig wird, immer darauf an, ob zufolge seines Verhaltens für den Arbeitgeber die objektiv gerechtfertigte Befürchtung besteht, daß seine Interessen und Belange durch den Arbeitnehmer gefährdet sind (Martinek-Schwarz, AngG 6 604 f; Arb.9073 uva). Das Vertrauen kann bei wiederholten Verfehlungen auch schriftweise verloren gehen. In einem solchen Fall muß das Gesamtverhalten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden (Kuderna, Das Entlassungsrecht 88 f; Arb.9862 ua). In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht mit Recht darauf verwiesen, daß der Kläger in den letzten drei Jahren mehrfach rücksichtlos und grob unhöflich gegenüber Fahrgästen war und der Vorfall vom 1. Februar 1984, bei dem er dem Schüler Dietmar D grundlos eine Ohrfeige versetzte, nur einen weiteren, allerdings besonders schwerwiegenden Fall seines rücksichtslosen und beleidigenden Betragens gegenüber Fahrgästen darstellte. Daß solche Verfehlungen nur in den letzten drei Jahren vor dem Ausspruch der Entlassung festgestellt wurden, nicht aber auch in den weiteren 12 Jahren seiner Dienstzeit, ändert daran nichts. Es ist weniger wesentlich, wie das Betragen des Klägers in lange zurückliegenden Zeiträumen war, als wie er sich in den letzten Jahren verhalten hat. Dieses Verhalten rechtfertigte jedoch die Entlassung des Klägers auf Grund des Vorfalls vom 1.Februar 1984. Bei der beklagten Partei handelt es sich um ein Dienstleistungsunternehmen, dessen Ruf unter den Kunden auch vom einwandfreien Verhalten des Fahrpersonals gegenüber den Fahrgästen abhängig ist. Das Verhalten des Klägers, zuletzt besonders der Vorfall vom 1.Februar 1984, war aber objektiv geeignet, die Interessen der beklagten Partei schwer zu beeinträchtigen. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers hätte Kunden zur Annahme verleiten können, die beklagte Partei messe dem Verhalten des Klägers keine besondere Bedeutung zu und setze sich über wesentliche Interessen der Fahrgäste hinweg. Unter diesen Umständen konnte der beklagten Partei die weitere Fortsetzung des Vertrages nicht zugemutet werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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