Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Mit dem - vom Oberlandesgericht Wien bestätigten - Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 29.August 1995, 2 Cg 261/94g-13, wurde der dortige Beklagte (nunmehr Kläger) schuldig erkannt, der damaligen Klägerin (nunmehr Beklagte) S 1,153.820,-- sA zu zahlen. Damals waren die Gerichte davon ausgegangen, daß der Kläger nicht berechtigt gewesen sei, den mit dem Rechtsvorgänger der Beklagten geschlossenen Wildabschußvertrag vorzeitig zu kündigen; er sei also schuldig, das vereinbarte Entgelt zu entrichten.
Mit der am 5.Dezember 1995 bei Gericht eingelangten Klage begehrt der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens 2 Cg 261/94g des Landesgerichtes St.Pölten. Er habe am 13.November 1995 einen Brief der Gattin seines verstorbenen Vertragspartners vom 7.November 1995 erhalten. Daraus gehe eindeutig hervor, daß aus dort näher angeführten Gründen der Vertrag nach dem ersten Probejahr jederzeit lösbar sein sollte. Der Kläger hätte mit diesem Schreiben ein neues Beweismittel, nämlich die Zeugin Annemarie F*****, aufgefunden, dessen Benützung im vorangegangenen Verfahren eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte.
Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren zurück- oder abzuweisen. Der Kläger habe schon am 3.Oktober 1995 von der nunmehr vorgebrachten Tatsache Kenntnis erlangt. Er habe demnach die Frist des § 534 ZPO nicht gewahrt.
Das Erstgericht wies das Wiederaufnahmebegehren mit Urteil ab. Abgesehen davon, daß selbst aus der Aussage der Zeugin Annemarie F***** nicht zwingend auf das Zustandekommen einer Vereinbarung in dem vom Kläger gewünschten Sinne geschlossen werden könnte, seien auch mehrere Möglichkeiten einer Fehlinterpretation durch die Zeugin denkbar. Ihre nicht auf unmittelbarer Wahrnehmung beruhende Aussage wäre somit nicht geeignet gewesen, im vorangegangenen Verfahren für den Kläger günstigere Sachverhaltsfeststellungen - insbesondere in dem Sinne, daß aufgrund der Parteienvereinbarung der Abschußvertrag nach Ablauf eines Probejahres ohne Angabe von Gründen jederzeit aufgelöst werden könnte - herbeizuführen. Im übrigen lasse die Aussage der Zeugin darauf schließen, daß sie entgegen der Parteiaussage des Klägers diesem bereits bei den Gesprächen im Oktober 1995 das gleiche wie in ihrem Schreiben vom 7.November 1995 mitgeteilt habe. Demzufolge wäre die am 5.Dezember 1995 eingelangte Klage nach Ablauf der vierwöchigen Frist des § 534 Abs 1 Z 4 ZPO erhoben und aus diesem Grund zurückzuweisen.
Aus Anlaß der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers hob das Gericht zweiter Instanz das Ersturteil auf, wies die Wiederaufnahmeklage als verspätet zurück und sprach aus, daß der ordentliche Rekurs an den Obersten Gerichtshof unzulässig sei. Aus dem Protokoll des Amtsgerichtes M***** über die Aussage der Zeugin Annemarie F***** gehe zweifelsfrei hervor, daß der Wiederaufnahmekläger den Sachverhalt, der Gegenstand der Wiederaufnahme des Verfahrens ist, schon im Oktober 1995 gekannt habe; durch das Schreiben vom 7.November 1995 sei der Inhalt des Gespräches nur bestätigt worden. Damit erweise sich die Wiederaufnahmeklage als verfristet. Die Wiederaufnahmeklage sei auch dann mit Beschluß zurückzuweisen, wenn sich ihre Verspätung erst aus dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ergebe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässigen Rekurs Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem auf, nach Ergänzung des Verfahrens neuerlich zu entscheiden. Das Verfahren vor dem Berufungsgericht sei mangelhaft geblieben. Das Berufungsgericht habe die Aussage der Zeugin Annemarie F***** ohne nähere Erwägungen seiner Entscheidung zugrunde gelegt und daraus auf die Verspätung der Klage geschlossen, obwohl die Aussage der Zeugin der Parteiaussage des Klägers widersprochen habe. Das Berufungsgericht werde im fortgesetzten Verfahren unter Berücksichtigung der widerstreitenden Beweisergebnisse und der zu der maßgeblichen Frage gestellten Beweisanträge das Verfahren zu ergänzen und dann festzustellen haben, wann der Kläger tatsächlich die Information erhalten hat, welche ihn in die Lage versetzte, eine Wiederaufnahmeklage zu erheben.
Das Berufungsgericht beraumte für den 14.Jänner 1998 eine mündliche Berufungsverhandlung an und lud die Zeuginnen Helene K***** und Annemarie F***** zu dieser Verhandlung. Die Verhandlung wurde jedoch in der Folge abberaumt, weil die Zeugin Annemarie F***** dem Gericht mitteilte, sich bis Ende Jänner 1998 auf einer Auslandsreise zu befinden.
Mit am 27.Jänner 1998 eingelangtem Antrag lehnt der Kläger die Mitglieder des Senates 17 des Oberlandesgerichtes Wien als befangen ab. Er werfe den Mitgliedern des Senates nicht vor, subjektiv befangen zu sein, befürchte aber, daß sie angesichts der Begründung des Beschlusses, mit dem die Wiederaufnahmeklage zurückgewiesen worden war, nicht mehr objektiv entscheiden könnten. Die Richter hätten zum Protokoll über die Rechtshilfevernehmung der Zeugin Annemarie F***** ausgeführt, daraus gehe "in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise" hervor, daß der Kläger den Sachverhalt bereits früher gekannt habe. Damit sei eine unbefangene sachliche Auseinandersetzung mit weiteren Beweisergebnissen in Frage gestellt. Darüber hinaus habe das Berufungsgericht zu Unrecht den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für unzulässig erklärt.
Die abgelehnten Richter erklärten, nicht befangen zu sein.
Der für Entscheidungen über Ablehnungsanträge zuständige Senat des Oberlandesgerichtes Wien wies den Ablehnungsantrag zurück. Das Berufungsgericht habe keine so endgültige Position bezogen, daß es davon nicht wieder abgehen könnte. Es habe das Ergebnis der Rechtshilfevernehmung isoliert bewertet und die vom Kläger beanstandete Formulierung offenbar nur verwendet, um eine formal tragfähige Grundlage für die Annahme einer Verspätung zu erhalten. Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes sei das Berufungsverfahren mangelhaft geblieben; ein Verfahrensmangel sei grundsätzlich nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Das gleiche gelte für den Rechtsirrtum, der dem Berufungsgericht hinsichtlich der Zulässigkeit des Rekurses unterlaufen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs des Klägers ist nicht berechtigt.
Der Kläger ist der Auffassung, daß nach dem bisherigen Ablauf des Verfahrens objektiv der Eindruck einer Befangenheit des Berufungsgerichtes habe entstehen können. Daß die Richter subjektiv befangen seien, behaupte der Kläger nicht; die allfällige Verneinung subjektiver Befangen- heit in den Stellungnahmen der Richter sei für die Entscheidung unerheblich. Die Rechtsprechung habe ein Interesse daran, auch den äußeren Eindruck der vollen Unbefangenheit zu erwecken.
Dem Kläger ist zuzugeben, daß es nicht darauf ankommt, ob ein Richter tatsächlich befangen ist; ein Richter ist vielmehr (schon) dann als befangen anzusehen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Dabei genügt schon die Besorgnis, daß bei der Entscheidung des Richters andere als rein sachliche Motive eine Rolle spielen könnten (Mayr in Rechberger, ZPO § 19 JN Rz 4 mwN; RZ 1990/110 ua). Verfahrensmängel können den Anschein der Befangenheit begründen, wenn es sich dabei um schwerwiegende Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze handelt, die an der Objektivität des Richters mit Grund zweifeln lassen (Mayr aaO § 19 JN Rz 6 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht zwar gegen Verfahrensgrundsätze verstoßen, indem es die Aussage einer Zeugin seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ohne sich mit widersprechenden Beweisergebnissen auseinanderzusetzen, es hat damit aber (noch) kein Verhalten eingenommen, das seine Unbefangenheit zweifelhaft er- scheinen ließe. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung auf die Aussage der Zeugin gestützt, weil es glaubte, die Wiederaufnahmeklage schon wegen Verspätung zurückweisen zu können, ohne sich mit den Einwendungen des Beru- fungswerbers in der Sache auseinandersetzen zu müssen. Die vom Kläger beanstandete Formulierung ("jeden Zweifel ausschließend") hat das Berufungsgericht offenbar gewählt, um die Entscheidung trotz Fehlens einer entsprechenden Feststellung des Erstgerichtes "überzeugend" zu begründen. Diese Vorgangsweise läßt nicht befürchten, daß das Berufungsgericht nicht bereit wäre, gemäß den ihm vom Obersten Gerichtshof erteilten Aufträgen das Verfahren zu ergänzen, die Beweisergebnisse zu würdigen und sich bei seiner Entscheidung allein von sachlichen Erwägungen leiten zu lassen.
Umso weniger kann der Ausspruch des Berufungsgerichtes, der ordentliche Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei unzulässig, den Anschein der Befangenheit begründen. Das Berufungsgericht hat offenbar übersehen, daß ein Fall des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO vorlag; seine unrichtige Rechtsmeinung war für den Kläger nicht nachteilig, weil ihm auch nach diesem Ausspruch der Weg zum Obersten Gerichtshof offenstand. Damit fehlt, auch wenn der dem Berufungsgericht unterlaufene Verfahrensmangel mitberücksichtigt wird, jeder Anhaltspunkt für die Besorgnis, die abgelehnten Richter könnten befangen sein.
Der Rekurs mußte erfolglos bleiben.
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