Spruch:
Der Revision wird im übrigen nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.649,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.441,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte, deren Hauptstandort Linz ist, betreibt den Handel mit Elektrowaren. In der 46.Woche des Jahres 1988 (von Montag, den 14.11. bis Sonntag, den 20.11.1988) kündigte sie in der als Beilage zu den "OÖ.Nachrichten" erscheinenden Servicezeitung "Tips" ua folgendes an:
"TDK E 180 HS
Videocassetten
49.-
hautum Preis
Abgabe nur 3 Stück pro Person"
Tatsächlich verkaufte die Beklagte diese Videokassetten bei Testkäufen am 19.11.1988 um S 49,-- pro Stück. Sie hatte Anfang November 1988 bei der Schrodi Gesellschaft mbH in Villach 450 TDK E 180 HS-Videokassetten gekauft. Darüber stellte die Verkäuferin am 4.11.1988 der Beklagten einen Stückpreis von S 40,85 einschließlich der Urheberrechtsabgabe von S 8,10 (für drei Spielstunden) zuzüglich 20 % Umsatzsteuer, insgesamt somit S 22.059,--, mit dem Beisatz in Rechnung: "Rechnungsbetrag versteht sich netto ohne Abzug". Der Angestellte und Gesellschafter der Beklagten Siegfried H*** setzte sich, nachdem die Rechnung am 6.11.1988 bei der Beklagten eingegangen war, mit Karl B***, einem Angestellten der S*** Gesellschaft mbH, telefonisch in Verbindung und vereinbarte mit ihm den Abzug von 2 % Skonto vom Rechnungsbetrag, um den Einkaufspreis unter dem geplanten Verkaufspreis von S 49,- pro Stück halten zu können. Diesen Abzug nahm die Beklagte bei der Begleichung der Rechnung mit Verrechnungsscheck vom 14.11.1988 tatsächlich vor.
Im Geschäftsverkehr zwischen der Beklagten und der S*** Gesellschaft mbH ist es bei gemeinsamen Einkäufen üblich, daß ein vom Verkäufer gewährter Skonto dem jeweils anderen Unternehmen zur Hälfte weitergegeben wird. Beim Kauf der Videokassetten handelte es sich jedoch um kein solches gemeinsames Einkaufsgeschäft. Die Beklagte verkaufte im Rahmen der in den "OÖ.Nachrichten" angekündigten Preisaktion insgesamt 250 bis 300 Videokassetten der genannten Marke und Type.
Mit der Behauptung, daß die Beklagte diese Videokassetten unter dem geringstmöglichen Einstandspreis verkauft habe, den sie nur infolge sittenwidrigen Anzapfens oder Ausnützens von Wettbewerbsvorteilen unterschreiten könne, die aus Sonderleistungen ohne entsprechende Gegenleistung resultierten, beantragt der klagende Schutzverband, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen,
a) Videokassetten, insbesondere der Firma TDK, zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten;
b) in eventu: als Wiederverkäufer von Lieferanten, bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedliche Bedingungen, insbesondere Rabatte oder Sonderkonditionen, ohne entsprechende Gegenleistung zu fordern oder anzunehmen.
Ferner begehrt der Kläger die Ermächtigung zur Veröffentlichung des gesamten Urteilsspruches samt Urteilskopf auf Kosten der Beklagten in einer Samstagausgabe der "Oberösterreichische Nachrichten" und des "Kuriers". Zur Sicherung des geltend gemachten Unterlassungsanspruches begehrt der Kläger die Erlassung einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungs- und des Klagebegehrens. Da ihr auf den Einstandspreis einschließlich Urheberrechtsabgabe und Umsatzsteuer ein Skonto von 2 % gewährt worden sei, liege ihr Verkaufspreis nicht unter dem Einstandspreis. Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung und gab zugleich mit Urteil dem Klagebegehren auf Unterlassung sowie auf Ermächtigung zur Veröffentlichung des Urteilsspruches über das Unterlassungsbegehren samt dem Urteilskopf unter der Überschrift "Im Namen der Republik" in den "OÖ.Nachrichten" statt; das Mehrbegehren auf Urteilsveröffentlichung auch in einer Samstagausgabe des "Kuriers" sowie auf Veröffentlichung weiterer Teile des Urteilsspruches wies es ab. Da der von der Beklagten angesprochene Skonto von 2 % erst nach der Rechnungslegung gewährt worden sei, könne er bei der Ermittlung des Einstandspreises nach § 3 a Abs 1 NVG nicht berücksichtigt werden; der von der Beklagten im November 1988 angekündigte und auch tatsächlich verlangte Verkaufspreis von S 49,-- sei somit jedenfalls nicht über dem Einstandspreis samt Umsatzsteuer von insgesamt S 49,02 gelegen. Damit habe die Beklagte nicht nur gegen § 3 a NVG, sondern gleichzeitig auch gegen § 1 UWG verstoßen.
Das Begehren auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung auch im "Kurier" sei abzuweisen, weil das beanstandete Inserat in diesem Medium nicht publiziert wurde. Für eine Veröffentlichung der anderen Teile des Urteilsspruches als derjenigen über das Unterlassungsbegehren fehle gleichfalls ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit.
Das Gericht zweiter Instanz wies als Rekursgericht den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Als Berufungsgericht bestätigte es den abweisenden, das Veröffentlichungsbegehren betreffenden Teil des Ersturteils und änderte dieses im übrigen dahin ab, daß es das Klagehauptbegehren ebenso wie das Eventualbegehren zur Gänze abwies. Dazu sprach es aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes bei jedem der Begehren S 15.000, der von der Bestätigung betroffene Streitwert nicht S 60.000 und der Gesamtstreitwert nicht S 300.000 übersteige und die Revision gegen den abändernden Teil des Berufungsurteils zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz übernahm die Feststellungen des Ersturteils als das Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Rechtlich meinte es, daß zwar bei buchstabengetreuer Anwendung des § 3 a Abs 1 NVG der von der S*** Gesellschaft mbH der Beklagten eingeräumte Rabatt von 2 % für die Berechnung des Einstandspreises unbeachtlich wäre, weil er nicht schon in der Rechnung vom 4.11.1988, sondern erst nachträglich eingeräumt wurde. Es könne jedoch nicht unterstellt werden, daß durch § 3 a Abs 1 NVG die Beanstandung und Richtigstellung von Rechnungen hätte verboten werden sollen, müßte es doch sonst auch umgekehrt zulässig sein, zunächst eine niedrigere Rechnung zu legen und sie nachträglich auf einen Preis über dem Verkaufspreis "richtigzustellen"; dem Gesetzgeber könne aber nicht unterstellt werden, daß er solche Praktiken hätte billigen und ermöglichen wollen. Zweck der Berechnung des Einstandspreises nach den Verhältnissen zur Zeit der Rechnungslegung sei es ersichtlich, eine Umgehung des § 3 a Abs 1 NVG durch nachträgliche Rechnungsmanipulationen zu verhindern; darunter fielen aber nicht die Beanstandung von Rechnungen sowie nachträgliche Preisänderungen vor dem Weiterverkauf der Waren. Da hier ein solcher Fall vorliege, sei der nach der Rechnungslegung, aber vor dem Weiterverkauf der Videokassetten eingeräumte Rabatt von 2 % zu berücksichtigen. Da Barzahlungsrabatte im Geschäftsleben allgemein üblich und nach § 2 RabG sogar gegenüber Endverbrauchern erlaubt seien, verstoße der der Beklagten eingeräumte Skonto nicht gegen § 1 Abs 1 NVG. Ein Verstoß der Beklagten gegen Bestimmungen des Nahversorgungsgesetzes sei also nicht erwiesen, so daß dem Klagebegehren und dem Sicherungsantrag der Boden entzogen sei.
Gegen diesen Beschluß und dieses Urteil wenden sich der "Rekurs" (richtig: Revisionsrekurs) und die Revision des Klägers wegen Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtenen Entscheidungen dahin abzuändern, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt und dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. (Ihre Beantwortung des Revisionsrekurses des Klägers ist vom Gericht zweiter Insatnz als verspätet zurückgewiesen worden.)
Rechtliche Beurteilung
I./ Die Revision ist, soweit sie sich gegen den bestätigenden Teil des Berufungsurteiles, also die Abweisung eines Teiles des Veröffentlichungsbegehrens wendet, unzulässig, weil der von der Bestätigung betroffene Teil des Streitgegenstandes nach dem Ausspruch des Berufungsgerichtes (§ 500 Abs 2 Z 2 ZPO) S 60.000 nicht übersteigt (§ 502 Abs 3 Satz 1 ZPO). In diesem Umfang war die Revision daher zurückzuweisen.
II./ Soweit sich die Revision gegen den abändernden Ausspruch des Berufungsgerichtes richtet, ist sie ebensowenig berechtigt, wie der Revisionsrekurs.
Die Rechtsmittelgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens zweiter Instanz liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die vom Gericht zweiter Instanz übernommenen und für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Erstgerichtes können nur dahin verstanden werden, daß sich Siegfried H*** zwar erst nach dem Einlangen der Rechnung der S*** Gesellschaft mbH (6.11.1988), aber noch vor der Zahlung vom 14.11.1988 mit Karl B*** in Verbindung gesetzt und dabei den Abzug von 2 % Skonto vereinbart hat, folgt doch im Zuge der chronologischen Darlegung der Ereignisse nach der Feststellung der telefonischen Vereinbarung der Satz: "Den Abzug nahm die Beklagte bei Begleichung der Rechnung mit Verrechnungsscheck vom 14.11.1988 auch tatsächlich vor" (und nicht:
den Abzug hatte die Beklagte auch tatsächlich !schon vorher vorgenommen). Soweit der Kläger in seiner Rechtsrüge davon ausgeht, daß die Skontovereinbarung erst nach der Zahlung und damit nach dem Beginn der verbilligten Abgabe der Videokassetten getroffen worden sei, entfernt er sich demnach in unzulässiger Weise von den Feststellungen der Vorinstanzen.
Legt man aber der rechtlichen Beurteilung diese Feststellungen zugrunde, dann ist die rechtliche Beurteilung des Gerichtes zweiter Instanz zu billigen:
Gemäß § 3 a Abs 1 NVG idF BGBl 1988/424 kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr Waren zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, verkauft oder zum Verkauf anbietet; Einstandspreis ist der Preis, der sich nach Abzug aller Rabatte oder sonstiger Preisnachlässe ergibt, die vom Lieferanten im Zeitpunkt der Rechnungsstellung eingeräumt werden. Welcher Zeitpunkt dann maßgebend sein soll, wenn eine Rechnung zunächst gelegt, dann aber richtiggestellt wird oder wenn nachträglich - durch Erteilung einer Gutschrift oder eine mündliche Vereinbarung - die Schuld des Rechnungsempfängers verringert wird, ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen; auch die Erläuternden Bemerkungen (AB 262 BlgNR 15.GP 1) äußern sich dazu nicht. Führt aber weder die Wortinterpretation noch die historische Interpretation zu einem klaren Ergebnis, dann ist eine Auslegung des Gesetzes nach dem Zweck der Regelung, also eine objektiv-teleologische Interpretation, geboten (Bydlinski in Rummel, ABGB, Rz 20 zu § 6; Koziol-Welser8 I 20 ff !22 f ). Der Sinn des in § 3 a Abs 1 NVG normierten Verbotes liegt aber - neben der Hintanhaltung einer willkürlichen sachlichen Zuordnung von Preisnachlässen zu bestimmten Waren oder Leistungen - erkennbar darin, zu verhindern, daß Abzugsposten erst im nachhinein, zur Abwehr eines auf § 3 a NVG gestützten Unterlassungsanspruches, ins Spiel gebracht werden (Fitz-Roth, Verkauf unter dem Einstandspreis, RdW 1989, 241 ff !249 ). Danach muß ein Rabatt auch dann abzugsfähig sein, wenn der Lieferant ihn zwar in der Rechnung auszuweisen unterläßt, der Abnehmer ihn aber dennoch und zu Recht in Anspruch nimmt, also weniger zahlt (Fitz-Roth aaO 250). Dem Gericht zweiter Instanz ist nun darin zu folgen, daß dies auch dann gelten muß, wenn der Skontoabzug - wie hier - erst nach der Rechnungslegung, aber noch vor dem Beginn der beanstandeten Verkaufsaktion vereinbart wurde, kann doch auch in diesem Fall von einer zum Zweck der Umgehung des Gesetzes vorgenommenen nachträglichen Manipulation keine Rede sein. Daß der Unternehmer schon vor der Verkaufsaktion einen bestimmten Preisnachlaß wünscht, um besonders billig verkaufen zu können, ohne damit gegen § 3 a NVG zu verstoßen, ist in diesem Zusammenhang entgegen der Meinung des Klägers ohne Bedeutung; eine solche Absicht kann auch der Vereinbarung von Preisnachlässen zugrunde liegen, die bereits in der Rechnung ihren Niederschlag gefunden haben und demnach auch bei rein wörtlicher Auslegung des § 3 a Abs 1 NVG bei der Berechnung des Einstandspreises zu berücksichtigen sind.
Dem Kläger kann aber auch darin nicht zugestimmt werden, daß der Skonto von 2 % schon deshalb bei der Ermittlung des Einstandspreises nicht in Anschlag zu bringen wäre, weil es sich dabei um einen gemäß § 1 Abs 2, § 2 NVG rechtswidrigen Abzug handle. Daß das Gesetz nur den Verkauf von Waren unter den tatsächlichen Einstandskosten verbietet und nicht darauf abstellt, welche Kosten rechtlich zulässigerweise erlangt werden konnten, zeigt schon der Wortlaut des § 3 a Abs 1 NVG, wo vom Abzug "aller" Rabatte oder sonstiger Preisnachlässe gesprochen wird, nicht aber vom Abzug nur der zulässigen Preisnachlässe. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, daß das Fordern oder Annehmen sachlich nicht gerechtfertigter Rabatte oder Sonderkonditionen mehrfach, nämlich sowohl durch § 1 Abs 2, § 2 Abs 2 NVG als auch durch § 3 a NVG, sanktioniert werden sollte. Ein Grundsatz, daß eine unrechtmäßig geschaffene Ausgangsbasis für die Preisberechnung auch diese selbst unzulässig machen müsse, ist der österreichischen Privatrechtsordnung fremd (Fitz-Roth aaO 251 f). Angesichts der unterschiedlichen Stoßrichtung der in §§ 1, 2 NVG einerseits und in § 3 a NVG anderseits normierten Verbote erscheint es vielmehr sachlich durchaus gerechtfertigt, im Rahmen des § 3 a Abs 1 NVG eine rein wirtschaftliche Kalkulation zugrunde zu legen und allfällige Gesetzesverstöße des Lieferanten nur auf dem dafür vorgesehenen Weg - etwa nach § 2 Abs 1 NVG - zu ahnden (Fitz-Roth aaO).
Mit Recht hat daher das Gericht zweiter Instanz das auf § 3 a NVG gestützte (Sicherungs- und Klagehaupt-)Begehren abgewiesen.
Aber auch das Eventualbegehren ist nicht berechtigt: Daß die S*** Gesellschaft mbH nicht allen ihren Abnehmern, sondern nur der Beklagten (oder einigen anderen Unternehmern) einen Skonto von 2 % eingeräumt hätte, wurde weder behauptet noch festgestellt. Eine solche Feststellung wäre auch im Widerspruch zur Aussage Karl B*** gestanden, wonach "man" - also die S*** Gesellschaft mbH - schon damit rechne, daß sich "der" (= jeder) "Kunde" 2 % Skonto abziehe, wenn er innerhalb der nächsten 14 Tage zahle; er habe daher von Haus aus mit einem solchen Abzug der Beklagten gerechnet (S 35). Die Rechtsmittel des Klägers mußten somit erfolglos bleiben. Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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