OGH 4Ob112/04f

OGH4Ob112/04f18.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für K*****, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer, Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei t***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 26.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. Februar 2004, GZ 2 R 211/03v-21, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21. August 2003, GZ 18 Cg 35/02i-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.315,08 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 219,18 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte betreibt als Telekommunikationsanbieter sowohl Festnetztelefonie als auch ein Mobiltelefonnetz; sie bietet ihre Leistungen im gesamten Bundesgebiet an. Sie tritt laufend mit Verbrauchern in rechtsgeschäftlichen Kontakt und schließt mit diesen unter Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen Verträge ab.

Die von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten folgende Klausel:

"Laden Sie Ihr Konto rechtzeitig innerhalb der Gültigkeitsdauer (ein Jahr plus 3 Monate) auf, sonst verlieren Sie Ihre Rufnummer und das restliche Guthaben!"

Die (Guthaben der) Wertkartenmobiltelefone der Beklagten werden mit Wertkarten zu 20 oder 35 EUR aufgeladen. Das Guthaben kann ab Kauf vom Kunden aktiviert werden, danach hat er ein Jahr Zeit, das aufgeladene Guthaben zu verbrauchen. Hat der Inhaber des Telefons innerhalb dieses Jahres nicht neuerlich aufgeladen (dies verlängert auch die Gültigkeit des noch nicht verbrauchten Restguthabens wieder auf ein Jahr), ist er für die nächsten drei Monate immer noch passiv erreichbar und hat die Möglichkeit, das Telefon wiederum aufzuladen. Unterlässt er dies in diesen drei Monaten, verfällt das Guthaben zusammen mit seiner Rufnummer.

Im Hinblick auf die Errichtungskosten eines österreichweit flächendeckenden Mobilfunknetzes in Relation zu den derzeit im Netz der Beklagten transportierten Gesprächsminuten entstehen ihr für jede Minute, die in ihr Netz telefoniert wird (Terminierung), Kosten in Höhe von 48,95 Cent. Die Kosten, die der Beklagten entstehen, wenn aus ihrem Netz telefoniert wird (Originierung), betragen 39,11 Cent pro Minute.

Der Inhaber eines Wertkartenmobiltelefons nimmt permanent - ob er telefoniert oder nicht - Leistungen der Beklagten in Anspruch: Sie hält dem Kunden für 15 Monate eine Nummer frei und verwaltet alle Anrufe und SMS auf diese Nummer. Bereits die Tatsache, dass dem einzelnen Kunden eine bestimmte Nummer zugeordnet wird, verursacht für die Beklagte Kosten. Für jede Nummer muss Speicherkapazität, die derzeit noch ausreichend vorhanden ist, vorgehalten werden, darüber hinaus sieht § 60 TKG vor, dass für jede mögliche Telefonnummer ein Entgelt zu entrichten ist, dessen Höhe sich jedoch erst aus einer zu erlassenden Verordnung ergeben wird. Diese Kosten laufen auch weiter, selbst nachdem eine Nummer gelöscht wurde, weil diese nicht sofort neu vergeben werden kann.

Auch für die betriebsinterne Verwaltung von Rufnummern entstehen Kosten: Es muss vorgesehen werden, dass bei jedem Anruf die Wertkarte mit dem bestehenden Guthaben verifiziert, der Kunde im Netz lokalisiert und die vereinbarte Gebühr abgebucht wird. Der aktuelle Stand des Guthabens kann von jedem Kunden kostenlos durch Wählen einer bestimmten Nummer abgefragt werden. Dem Inhaber einer Wertkarte werden - auch wenn er nicht telefoniert - eine Vielzahl von Leistungen angeboten. Er kann während der Gültigkeitsdauer jederzeit SMS empfangen und angerufen werden, das Rufmanagement (Makeln, Rufsperren, Anklopfen, Halten) wird ermöglicht, er erhält die Möglichkeit, ein von der Beklagten preislich gestütztes Mobiltelefon zu erwerben, er kann für einen Zeitraum von 31 Tagen während der Nachtstunden gratis telefonieren, er hat eine Mailbox zur Verfügung, auf der Nachrichten für ihn hinterlassen werden können. Weiters verursacht ein nicht telefonierender Wertkartenkunde insofern Kosten, als er jederzeit telefonieren könnte und daher das Netz (Mobilfunkstandorte, Frequenzkapazität, Mietleitungen und Vermittlungsstellenressourcen), abgesehen von den direkt genutzten zur technischen Abwicklung notwendigen Datenbanken, entsprechend dimensioniert und die erforderlichen Ressourcen vorgehalten werden müssen.

Eine allfällige Auszahlung vorhandener Guthaben wäre für die Beklagte mit erheblichen Kosten verbunden. Die Vorlage der Wertkarte allein reicht zu einer Auszahlung nicht aus, weil das Guthaben bereits auf dem Handy aufgeladen ist. Notwendig wäre daher auch die Vorlage der SIM-Karte sowie allenfalls auch die Vorlage der Rechnung über den Ankauf des Mobiltelefons oder der Wertkarte, um eine Bereicherung aus einem Diebstahl auszuschließen. Die Adaption der 1000 Verkaufsstellen zu Auszahlungsstellen würde einen Kostenaufwand von etwa 75.000 EUR bedeuten.

Durchschnittlich sind pro Monat 225 Kunden vom Verfall eines Guthabens von durchschnittlich 4,89 EUR betroffen. Maximal 10 Kunden pro Jahr sprechen sich der Beklagten gegenüber gegen einen Verfall ihres Guthabens aus.

Alle auf dem österreichischen Markt auftretenden Mobilfunkbetreiber verwenden im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen - die sie von ihnen geschlossenen Verträgen zugrunde legen - und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern eine der beanstandeten Klausel gleichwertige. Derartige Verfallsklauseln sind auch im gesamteuropäischen Raum üblich.

Die Alternative zu einem anonymen Wertkartenmobiltelefon ist der Abschluss eines Vertrags über ein Mobiltelefon, bei dem die Gesprächsgebühren am Ende eines bestimmten Zeitraums verrechnet werden.

Der Kläger begehrte unter Berufung auf seine Aktivlegitimation gemäß § 29 KSchG, die Beklagte zur Unterlassung der eingangs erwähnten Verfallsklausel oder der Verwendung sinngleicher Klauseln sowie des Berufens auf die genannte Klausel zu verurteilen. Darüber hinaus beantragte er die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in einer Samstagausgabe des redaktionellen Teils der "Neuen Kronen-Zeitung". Die beanstandete Klausel verstoße gegen § 879 Abs 3 ABGB. Im darin angeordneten Verfall des Guthabens eines Kunden, sofern das Konto nicht rechtzeitig innerhalb der Gültigkeitsdauer neu aufgeladen werde, liege eine unangemessene Benachteiligung der Kunden. Eine sachliche Rechtfertigung für den Verfall des Guthabens gebe es nicht. Vielmehr werde der Beklagten ein nicht zu rechtfertigender Vermögensvorteil eingeräumt. Die Klausel sei darüber hinaus auch überraschend im Sinn des § 864a ABGB.

Die Beklagte wendete ein, die Klausel betreffe keine Nebenbestimmung, sondern regle die Hauptleistung, sodass eine Angemessenheitskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB nicht stattfinde. Der Kunde werde nicht gröblich benachteiligt, weil für ihn permanent Leistungen bereit gehalten würden, die der Kunde auch dann in Anspruch nehme, wenn er nicht telefoniere. Die meisten Kunden brauchten ihre Guthaben innerhalb eines Jahres auf, es gebe auch so gut wie keine Beschwerden gegen die Verfallsregelung. Eine Änderung des vertraglichen Systems lasse hohe Kosten erwarten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Von einer gröblichen Benachteiligung des Verbrauchers könne unter den konkret festgestellten Umständen keine Rede sein.

Das Berufungsgericht gab dem Unterlassungs- und dem Veröffentlichungsbegehren hingegen statt und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt zulässig sei. Der Begriff der Hauptleistung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB sei möglichst eng zu verstehen. Er solle auf die individuelle, zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen beschränkt bleiben, sodass vor allem auch die im dispositiven Recht geregelten Fragen bei der Hauptleistung, also vor allem Ort und Zeit der Vertragserfüllung, nicht unter die Ausnahme fielen. Bestimmungen, die die Preisberechnung in allgemeiner Form regeln, fielen unter § 879 Abs 3 ABGB. Nicht jede die Hauptleistung betreffende Vertragsbestimmung sei daher der Kontrolle entzogen. Bei Prüfung der von § 879 Abs 3 ABGB erfassten gröblichen Benachteiligung sei eine umfassende, die Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Interessenkontrolle vorzunehmen, es sei zu beurteilen, inwieweit die Verschlechterung der Rechtsposition eines Vertragspartners durch Abweichungen vom dispositiven Recht bewirkt werde. Es sei eine Orientierung am dispositiven Recht als dem Leitbild eines abgewogenen und gerechten Interessensausgleichs geboten. Die Auslegung von Klauseln habe im Verbandsklageprozess im "kundenfeindlichsten Sinn" zu erfolgen. Verfallsregelungen seien dem bürgerlichen Recht grundsätzlich fremd. Rechtsverlust durch Zeitablauf trete vielmehr durch Verjährung ein und damit selbst bei den von der kurzen Verjährung betroffenen Rechten erst nach drei Jahren. Die Klausel finde bei Wertkartenmobiltelefonen Anwendung, bei denen - im Gegensatz zu nachträglich abgerechneten Kunden - gerade keine Grundgebühr, sondern bloß eine grundsätzlich nach Dauer der geführten Aktivgespräche verrechnete Gesprächsgebühr zu entrichten sei. Der Verfall eines vorausgezahlten Gesprächsguthabens nach Ende einer festgelegten Gültigkeitsdauer, für den Fall, dass kein neuerliches "Laden" eines weiteren Guthabens erfolge, bilde eine grobe Benachteiligung des Kunden gegenüber der Rechtsposition, die ihm nach dem allgemeinen bürgerlichen Recht zukäme. Das Argument der Beklagten, die Benachteiligung sei durch die Natur des Rechtsgeschäfts gerechtfertigt und werde durch die für den Teilnehmer in jedem Fall (auch ohne Aktivanruf) erbrachten (Haupt-)Leistungen ausgeglichen, ähnle dem "Preisargument" und begegne den dagegen vorgebrachten Bedenken. Vor allem vor dem Hintergrund, dass bei einem Wertkartenmobiltelefon gerade keine Grundgebühr zu zahlen sei, sei der Verfall des Guthabens mangels Führung von Aktivtelefonaten und der dadurch bewirkten Gegenrechnung mit dem vorweg erworbenen Guthaben gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB, aber auch überraschend und ungewöhnlich im Sinn des § 864a ABGB. Die beanstandete Klausel sei auch intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG, weil sie den wahren wirtschaftlichen Kern der Verfallsbestimmung verschleiere, nämlich dass das "Guthaben" mangels Führung von Aktivgesprächen den Charakter einer Grundgebühr annehme, weil sie unter keinen Umständen zurückerstattet werde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Gemäß § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Diese Bestimmung hat die Inhaltskontrolle vertraglicher Nebenabreden im Auge, nicht jedoch die Einigung über die Ware oder die sonst vertragstypischen Leistungen und das Entgelt (Krejci in Rummel, ABGB3, § 879 Rz 237 mwN). Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Abgrenzung der Haupt- von den Neben-(Leistungs-)Pflichten so zu ziehen, dass die Ausnahmen dieser Gesetzesbestimmung möglichst eng verstanden werden, dass also Hauptpunkte nur diejenigen Vertragsbestandteile sind, die die individuelle, zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen festlegen, also etwa die im § 885 ABGB genannten "Hauptpunkte", somit diejenigen Bestandteile eines Vertrags, die die Parteien vereinbaren müssen, damit überhaupt ein hinreichend bestimmter Vertrag (§ 869 ABGB) zustande kommt (Krejci aaO Rz 238; Apathy in Schwimann, ABGB2, § 879, Rz 31; 3 Ob 146/99p; ÖBA 1994, 236). Mit der Ausnahme soll nur die individuelle, zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen erfasst werden, nicht aber etwa Bestimmungen, welche die Preisberechnung in allgemeiner Form regeln oder die vertragstypische Leistung generell näher umschreiben. Noch weniger fallen unter die Ausnahme die durch dispositives Recht geregelten Fragen bei der Hauptleistung, etwa Zeit und Ort der Erfüllung (Krejci aaO). Daraus ergibt sich, dass nicht schon jede die Hauptleistung betreffende Vertragsbestimmung der Kontrolle entzogen und der Begriff der Hauptleistung möglichst eng zu verstehen ist. Leistungsbeschreibungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen, sollen der Inhaltskontrolle entzogen sein, nicht jedoch Klauseln, die das eigentliche Leistungsversprechen einschränken, verändern oder aushöhlen (JBl 1988, 118 = SZ 60/148 mwN). Nicht nur Modalitäten der Preisberechnung, sondern auch Verfallsklauseln fallen daher nicht unter die Ausnahme von der Inhaltskontrolle im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB.

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung fällt die beanstandete Vertragsbestimmung nicht unter ihr - nach dem oben Gesagten eng aufzufassendes - Hauptleistungsversprechen. Auch ohne die Festlegung eines Geltungszeitraums, insbesondere aber ohne den Verfall des unverbrauchten Guthabens, wenn keine Verlängerung des Nutzungszeitraumes durch Kauf eines weiteren Guthabens erfolgt, könnte der wesentliche Vertragsinhalt, nämlich das vom Kunden zu zahlende Entgelt und die dafür von der Beklagten eingeräumte Möglichkeit, in einem bestimmten Umfang aktiv zu telefonieren, bestimmt werden. Aus dieser Überlegung heraus erweist sich auch die Kritik er Beklagten an der Entscheidung des BGH zu XI ZR 274/00 betreffend die Befristung von Telefonwertkarten für öffentliche Fernsprecher (MMR 2001, 806) als unzutreffend.

Dass es dem Kunden freisteht, einen anderen Vertragstyp mit der Beklagten abzuschließen, also den Verlust des Wertkartenguthabens nach Zeitablauf durch Wahl eines Vertrags mit nachträglicher Abrechnung auszuschalten (oder überhaupt nicht mit der Beklagten zu kontrahieren) verfängt nicht, weil damit nahezu jede Inhaltskontrolle allgemein angewendeter Vertragsbestimmungen unterlaufen würde.

Richtig verweist die Beklagte zunächst darauf, dass eine Vertragsbestimmung nach § 879 Abs 3 ABGB nicht schon dann nichtig ist, wenn sie einen Teil gröblich benachteiligt, sondern vielmehr ein alle Umstände des Falls berücksichtigender Vergleich der Rechtspositionen anzustellen ist, wobei auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen ist (Krejci aaO Rz 240 mwN). Ihrer weiteren Argumentation, die Berücksichtigung der Umstände dieses Falls führe dazu, dass eine derartige gröbliche Benachteiligung und daraus folgend die Nichtigkeit der beanstandeten Klausel zu verneinen sei, kann sich der Oberste Gerichtshof allerdings nicht anschließen. All jene von der Beklagten ins Treffen geführten Leistungen, die sie auch für denjenigen erbringt, der innerhalb der Gültigkeitsdauer des erworbenen Wertkartenguthabens nicht soviel wie als höchtzulässig vereinbart aktiv telefoniert und daher sein Guthaben nicht (zur Gänze) verbraucht, erbringt sie - abstrakt und im Durchschnitt betrachtet - in gleicher Weise für jene Kunden, die durch Aktivtelefonate ihr Guthaben verbrauchen. Diese Kunden müssen allerdings für die typischerweise durch Grundgebühren abgedeckten Leistungen, deren Entgelt in die Aktivgesprächsgebühren eingerechnet wurde, nicht im gleichen Ausmaß bezahlen wie die vom Guthabensverfall betroffenen Kunden. Unter diesem Aspekt ist die beanstandete Verfallsbestimmung tatsächlich eine gröbliche Benachteiligung im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB.

Die von der Beklagten darüber hinaus herausgestrichenen Kosten für die Rückzahlung unverbrauchter Guthaben, wenn der Kunde seinen Wertkartenmobiltelefonvertrag nicht verlängert (durch den Erwerb eines weiteren Guthabens), sprechen ebenfalls nicht gegen die Qualifikation der Verfallsbestimmung als gröblich benachteiligend. Es ist keineswegs zwingend, dass die mit der Rückzahlung unverbrauchter Guthaben anfallenden Kosten auf sämtliche Kunden, also ungerechterweise auch auf jene, die eine derartige Rückzahlung nicht benötigen oder nicht beanspruchen, aufgeteilt werden müssten. Es wäre durchaus möglich, diese Kosten gerade jenen in Rechnung zu stellen, die sie verursachen (etwa durch Abzug einer Manipulationsgebühr im Falle der Rückerstattung eines unverbrauchten Guthabens).

Die von der Beklagten schließlich ins Treffen geführte (angebliche) Kundenzufriedenheit indiziert keineswegs die angestrebte Beurteilung der beanstandeten Verfallsklausel als nicht gröblich benachteiligend. Dass lediglich etwa 10 Kunden pro Jahr Beschwerden wegen verfallener Wertkartenguthaben an die Beklagte richten, bedeutet nicht, dass nicht ein wesentlich größerer Teil der vom Verfall betroffenen Kunden diesen als unangemessen betrachtet. Angesichts der im Einzelfall relativ geringen Beträge entspricht es der Lebenserfahrung, dass die meisten Kunden - auch wenn sie persönlich von der Ungerechtigkeit der sie treffenden Vertragsbestimmung überzeugt sind - weitere Mühen der Geltendmachung ihnen möglicherweise zustehender Ansprüche unterlassen.

Im Hinblick auf die im Einzelfall unzweifelhaft vorliegende gröbliche Benachteiligung des vom Verfall seines unverbrauchten Wertkartenguthabens betroffenen Kunden braucht auf die Frage, ob die beanstandete Klausel eine unangemessene, weil sachlich nicht gerechtfertigte Abweichung vom dispositiven Recht und welcher Regel in concreto bildet, nicht näher eingegangen zu werden.

Da die beanstandete Verfallsklausel nach § 879 Abs 3 ABGB nichtig ist, kann die Frage, ob es sich hiebei auch um eine nach ihrem Inhalt oder aufgrund ihrer Einordnung in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder das von der Beklagten verwendete Vertragsformblatt überraschende Klausel im Sinne des § 864a ABGB handelt oder ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG vorliegt, auf sich beruhen.

Der Revision der Beklagten ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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