European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00110.24S.0121.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Widerklägerin (in der Folge: Klägerin) beauftragte den Widerbeklagten (in der Folge: Beklagten) mit Architektenleistungen für die Errichtung eines Mehrparteienhauses.
[2] Der Beklagte machte im bereits rechtskräftig beendeten führenden Verfahren Honoraransprüche geltend.
[3] Die Klägerin begehrte mit ihrer Widerklage Schadenersatz wegen Schlechterfüllung des Architektenvertrags sowie die Feststellung, dass der Beklagte für künftige Schäden hafte. Sie wendete ihre Schadenersatzansprüche auch als Gegenforderung im Honorarprozess ein.
[4] Im Endurteil sprachen die Vorinstanzen der Klägerin 419.273,37 EUR an Schadenersatz wegen mehrerer Planungsfehler zu, die Mehrkosten und Bauverzögerungen nach sich gezogen hatten. Ein Mehrbegehren von 224.842,72 EUR wiesen sie (inzwischen rechtskräftig) ab.
[5] Im Revisionsverfahren sind von zahlreichen geltend gemachten Ansprüchen nur noch die Kosten für Abbruch und Neuerrichtung des Pools auf der Dachterrasse im Luxuspenthouse sowie die (anteilige) Verjährung von acht weiteren Schadenspositionen Thema.
Rechtliche Beurteilung
[6] Die außerordentliche Revision des Beklagten zielt auf Abweisung weiterer Teile des Zahlungsbegehrens ab, sodass insgesamt anstatt 419.273,37 EUR nur 112.607,56 EUR zugesprochen werden. Sie vermag jedoch keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen und ist deshalb nicht zulässig.
[7] 1. Im Zusammenhang mit dem Pool macht der Beklagte eine auch im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen geltend.
[8] 1.1. Der Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass der Klägerin die Kosten für einen Abbruch und die Neuerrichtung des Pools nicht zustünden, weil sie unverhältnismäßig seien. Konkret sieht er einen sekundären Feststellungsmangel darin, dass der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt keine Informationen zum Preisminderungsanspruch für den Pool enthält, der der Klägerin ohne die Verbesserung zustünde.
[9] Die im Rechtsmittel zitierte Rechtsprechung zu fiktiven Reparaturkosten, die nur bis zur Höhe der objektiven Wertminderung zugesprochen werden können (RS0022844), ist hier nicht einschlägig. Sie befasst sich mit einer anderen Fallkonstellation, nämlich dass der Geschädigte den Schaden nicht beheben lässt, sondern im beschädigten Zustand belässt (vgl RS0022844 [T6]). Ist dagegen eine Sanierung beabsichtigt, so hat der Schädiger zweckgebundenes Deckungskapital dafür zu leisten (vgl RS0086353 [T19]).
[10] Beizupflichten ist dem Beklagten auch, dass die Naturalrestitution eines Schadens untunlich sein kann, wenn die Reparaturkosten eine Höhe erreichen, die ein wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch, der den Schaden selbst zu tragen hätte, nicht mehr anfechten würde (RS0053282 [T1]).
[11] Dies ist insbesondere bei Liegenschaften nicht schon dann zu bejahen, wenn die Reparaturkosten die Wertminderung übersteigen, weil sie als knappe Wirtschaftsgüter in weitaus geringerer Zahl vorhanden und nicht vermehrbar sind (RS0053282 [T2]). Das Fehlen von Informationen zu einem Preisminderungsanspruch der Klägerin ist deshalb kein sekundärer Feststellungsmangel.
[12] 1.2. Die Argumentation des Beklagten, dass eine vernünftige Eigentümerin das Schwimmbecken nicht sanieren würde, weil das Luxuspenthouse vermietet sei, ohne dass Mietzinsminderung geltend gemacht werde, hat keine Grundlage in den Tatsachenfeststellungen. Fest steht vielmehr, dass Mieter wegen verschiedener Mängel (ua beim Pool) 35 % an Mietzins einbehielten.
[13] Das gleiche gilt für die Behauptung, der Beklagte habe höchstens eine Warnpflichtverletzung zu verantworten, weil das Becken ohnedies nicht wie von der Klägerin gewünscht tiefer angesetzt werden habe können, ohne die gesetzlich vorgeschriebene Raumhöhe von 2,1 m im Geschoß darunter zu unterschreiten. Auch diese Ausführungen gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sodass die Revision in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.
[14] 1.3. Der Beklagte meint schließlich, dass die Klägerin einen allfälligen Anspruch gegen den Beklagten auf Verbesserung des Pools insoweit verwirkt habe, als sie in der Widerklage vom 22. 3. 2012 die Wert‑ und Nutzungs-minderung beim Pool mit 20.000 EUR eingeklagt habe.
[15] Richtig weist der Beklagte zwar darauf hin, dass ein Werkbesteller, der sich entschieden hat, vom Werkunternehmer Preisminderung zu verlangen, wegen derselben Mängel nicht mehr Verbesserung fordern kann (RS0021708).
[16] Im vorliegenden Fall macht die Klägerin jedoch keinen Gewährleistungsanspruch gegen den Poolerrichter geltend. Sie fordert vielmehr Schadenersatz für Planungsfehler aus dem Architektenvertrag. Dabei erlangte die Klägerin aber erst durch das Gutachten vom 30. 7. 2013 Kenntnis, dass die von ihr gewünschte und vom Beklagten auch zugesagte Poolausführung sehr wohl realisierbar war und noch immer ist. Daher hatte sie erst zu diesem Zeitpunkt Kenntnis vom wahren Schadensausmaß, also den Abbruch- und Neuerrichtungskosten. Die zuvor erfolgte Geltendmachung eines Nutzungsschadens entsprechend ihres damaligen Wissensstands ist jedenfalls nicht als Verzicht auf weitere Schadenersatzansprüche zu verstehen.
[17] 2. Bei den übrigen acht Positionen ergibt sich eine erhebliche Rechtsfrage nach Ansicht des Beklagten aus fehlender höchstgerichtlicher Rechtsprechung dazu, ob und in welcher Höhe eine pauschalierte Teileinklagung die Verjährung unterbreche:
[18] 2.1. Die Klägerin habe seit spätestens 6. 10. 2011 Kenntnis von Schadenersatzansprüchen in Höhe von 167.634,59 EUR gehabt, weil sie diese als Gegenforderungen gegen die Honorarforderung des Beklagten eingewendet habe. Darin seien alle acht im Revisionsverfahren noch strittigen Positionen (ausgenommen Pool) umfasst.
[19] Am 22. 3. 2012 habe die Klägerin eine Widerklage erhoben, in der sie die schon compensando eingewendeten und weitere Ansprüche in Höhe von nun insgesamt 180.566,31 EUR aufgeschlüsselt, davon jedoch nur einen nicht näher konkretisierten Teilbetrag von 110.000 EUR, also 60,91 % geltend gemacht habe.
[20] Am 16. 7. 2012 habe die Klägerin ihre Widerklage zwar insgesamt auf 235.139,73 EUR ausgedehnt, die hier relevanten „sonstigen Ansprüche“ (einschließlich der noch strittigen acht) seien jedoch statt bisher mit insgesamt 110.000 EUR nur noch mit 67.000 EUR in den Klagsbetrag eingeflossen – ebenfalls, ohne den Betrag von 67.000 EUR den Einzelforderungen oder Teilen von diesen zuzuordnen. Das entspreche nur noch 28,49 % der in der Widerklage behaupteten Schadenssumme.
[21] Erst am 15. 10. 2014, also nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist, habe die Klägerin ihre Widerklage erneut ausgedehnt und alle bisher genannten Schadenspositionen erstmals im vollen Umfang ins Klagebegehren aufgenommen.
[22] Es sei daher davon auszugehen, dass aufgrund der Klagseinschränkung auf pauschal 28,49 % alle acht Schadenspositionen jeweils zu 71,51 % verjährt seien.
[23] 2.2. Dem Beklagten ist beizupflichten, dass eine Teileinklagung die Verjährung nur für den eingeklagten Teilbetrag unterbricht. Dagegen läuft die Verjährung für den nicht eingeklagten Betrag weiter (RS0019184).
[24] Das Feststellungsbegehren in der Widerklage konnte die Verjährung für die bereits bekannten und fälligen Schadenersatzansprüche ebenso wenig unterbrechen (vgl RS0034286).
[25] Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung liegt dennoch nicht vor, weil die Unterbrechungswirkung von „pauschalierten“ Teileinklagungen in der Rechtsprechung bereits geklärt ist:
[26] 2.3. Grundsätzlich muss jeder von mehreren in einer Klage geltend gemachten Schadenersatzansprüchen ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein (RS0031014 [T9]). Auch bei einer Teileinklagung könnte nur dann ein Pauschalbetrag verlangt werden und eine Aufschlüsselung der darin eingeflossenen Positionen nur unterbleiben, wenn ein einheitlicher Gesamtschaden vorliegt (RS0031014 [T7, T9]). Fehlt – wie hier in der Widerklage – diese Aufschlüsselung, ist der Kläger gemäß § 182 ZPO zur Verbesserung anzuleiten (RS0031014 [T7]).
[27] Jedoch reicht ergänzungsbedürftiges Vorbringen aus, um die Verjährung zu unterbrechen, wenn die Unvollständigkeit in der Folge behoben wird (RS0036355 [T11]). Dies ist hier erfolgt, als die Klägerin ihre Widerklage schlüssig stellte, indem sie die unschlüssige Teileinklagung aufgab und das Klagebegehren nun mit der bereits ursprünglich vorgebrachten Schadenssumme übereinstimmte.
[28] Die vom Beklagten propagierte prozentuelle Berechnungsmethode für die Verjährung bei unschlüssigen „pauschalierten“ Teileinklagungen ist nach dieser Rechtsprechung weder erforderlich noch zulässig, um den Umfang der Unterbrechung der Verjährungsfrist zu beurteilen.
[29] 2.4. Der Hinweis des Beklagten, dass die Einwendung der acht Positionen als Gegenforderungen im Honorarprozess ihre Verjährung jeweils nur bis zur Höhe der Klagsforderung unterbrochen habe (vgl RS0034611 [T1]), trifft zwar zu. Da die Klägerin dieselben Positionen aber zusätzlich mit (zuerst noch unschlüssiger) Widerklage geltend machte, zeigt der unterbliebene Vergleich der Höhe der Honorarforderung mit jener der acht Schadenspostionen keinen korrekturbedürftigen Fehler der Vorinstanzen auf.
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