Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.243,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 385,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Medieninhaberin und Herausgeberin der Tageszeitung "Vorarlberger Nachrichten"; die Beklagte ist Medieninhaberin und Herausgeberin der "N*** Vorarlberger Tageszeitung". Beide Tageszeitungen erscheinen in Bregenz und werden im ganzen Bundesgebiet verbreitet.
Die Firma "S***" Steirische Verlagsanstalt (im folgenden kurz "S***"-Verlag), ist protokollierter Einzelkaufmann in Graz und Alleineigentümer sowie Herausgeber der in Graz und Klagenfurt erscheinenden "Kleinen Zeitung"; sie ist außerdem bestimmender Gesellschafter der Beklagten.
Chefredakteur der Beklagten ist Walter Z***, der in Bregenz, Kornmarktstraße 18, arbeitet. In Wien unterhält die Beklagte eine "Repräsentanz", in der auch eine Verkaufs- und eine Werbeabteilung untergebracht sind. Die Redakteure Kurt V*** und Dr. Ulrich S*** sind dort nicht nur für die Beklagte, sondern auch für die "Kleine Zeitung Graz" und die "Kleine Zeitung Klagenfurt" als Journalisten tätig; beide Redakteure sind beim "S***"-Verlag angestellt. In ihren Dienstverträgen ist festgehalten, daß sie "als Mitglieder der Wiener Redaktion" tätig zu sein haben. In seiner Tätigkeit untersteht Dr. Ulrich S*** unmittelbar dem Leiter der "Wiener Redaktion", Chefredakteur-Stellvertreter Kurt V***. Im Rahmen des Kooperationsvertrags zwischen dem "Styria"-Verlag Graz und der Beklagten ist die letztere berechtigt, die Räumlichkeiten in Wien zu benützen. Das Haus Wien 1., Lobkowitzplatz 1, in dem die Räumlichkeiten für die Wiener Repräsentanz der drei genannten Zeitungen gemietet sind, gehört der G*** W*** V***. In Wien arbeiten neben den Redakteuren V*** und Dr. S*** noch mehrere Sekretärinnen, die gleichfalls beim "S***"-Verlag angestellt sind. Die Räumlichkeiten in Wien umfassen insgesamt eine Fläche von rund 150 m2 und sind mit den entsprechenden technischen Einrichtungen versehen. Im Wiener Telefonbuch scheint für sie nicht der Ausdruck "Redaktion", sondern "Repräsentanz" auf.
Nach Zustellung der vorliegenden Klage hat die Beklagte ihr Impressum dahin ergänzt, daß sie nunmehr neben der Redaktion in Bregenz, Kornmarktstraße 18, noch die Außenredaktionen "1010 Wien, Lobkowitzplatz 1; 8010 Graz, Schönaugasse 64; 9020 Klagenfurt, Funderstraße 1 a", anführt. Bis dahin schien im Impressum nur die Redaktion in Bregenz, Kornmarktstraße 18, auf.
Die Redakteure Kurt V*** und Dr. Ulrich S*** arbeiten in Wien für alle drei Zeitungen der Verlagsgruppe des "S***"-Verlages, also die "Kleine Zeitung Graz", die "Kleine Zeitung Klagenfurt" und die "N*** Vorarlberger Tageszeitung". Die beiden Redakteure sind sozusagen "Außen- und Horchposten" für alle drei Zeitungen; sie haben in Wien ein verhältnismäßig selbständiges Arbeitsgebiet. Es handelt sich bei ihnen um Journalisten mit jahrzehntelanger Erfahrung und entsprechenden Verbindungen in Wien. Die Chefredaktionen der drei angeführten Zeitungen in Graz, Klagenfurt und Bregenz haben Vertrauen in die Beurteilungsfähigkeit und in die Beiträge der beiden Redakteure. Diese bearbeiten das gesamte Feld der Innenpolitik mit Berichten und Kommentaren sowie weiteren wertenden Analysen, darüber hinaus auch die Wiener Kommunalpolitik, die Landespolitik Niederösterreichs und allenfalls auch des Burgenlandes. Im Regelfall werden die von ihnen angebotenen Beiträge von den Hauptredaktionen übernommen. Ein weiteres Aufgabengebiet dieser Journalisten ist die Hintergrundinformation für alle drei Redaktionen. Die Wiener Redakteure führen in diesem Zusammenhang jeweils ausführliche Telefongespräche mit den Hauptredaktionen, zumal in Wien nicht gedruckt wird. Das dritte Arbeitsgebiet umfaßt Spezialthemen, an denen die jeweiligen Zeitungen ein spezifisches Interesse haben. Beispielsweise sind in diesem Zusammenhang für die Beklagte Dinge wichtig, die sich auf dem Gebiet des Föderalismus abspielen; für Vorarlberg spielt es auch eine große Rolle, wenn der Landeshauptmann dieses Bundeslandes im Bundesrat eine Rede hält. Die Wiener Redakteure haben auf Grund ihrer Erfahrung selbst das "Gespür" für die Spezifika der einzelnen Länder. Teilweise verrichten sie ihre Arbeit auch auf Ersuchen der Hauptredaktion. Beide Redakteure können in Wien über Recherchen, die sie anstellen, und die Auswahl von Beiträgen selbständig entscheiden. Sie stellen selbst Beobachtungen an; es wäre geradezu widersinnig, würde der Chefredakteur "aus der Entfernung" anschaffen. Im Regelfall werden die Beiträge der beiden Wiener Redakteure übernommen und veröffentlicht. Die letzte Entscheidung über die Veröffentlichung eines Beitrages in der "N*** Vorarlberger Tageszeitung" trifft deren Chefredakteur, Walter Z***; das gilt auch für Beiträge der Sport-, Lokalredaktion usw. In der Praxis wird es aber so gehandhabt, daß die Beiträge zwischen Wien und Vorarlberg unter den Redakteuren abgesprochen werden; in diesem Belang besteht ein sehr enger Kontakt.
Die Einrichtungsgegenstände in den Wiener Räumlichkeiten gehören dem "S***"-Verlag. Die Beklagte zahlt für die Benützung sowie für die Abgeltung der Unkosten der Wiener Redaktion einen "Kooperationsbeitrag". Sie führt in der Wiener Repräsentanz auch Geschäftstätigkeiten (Anzeigen, Werbung, Verlagsrepräsentanz) aus. Die Beklagte veröffentlichte laufend - so etwa in den Ausgaben der "N*** Vorarlberger Tageszeitung" vom 4. Dezember 1987, S. 4, und vom 5. Dezember 1987, S. 2, redaktionelle Berichte mit dem Hinweis: "VON U*** W*** R***".
Mit der Behauptung, daß die Anführung einer "Wiener Redaktion" eine unrichtige, zur Irreführung geeignete Angabe sei, weil die Beklagte - wie sich aus dem Impressum ergebe - eine Redaktion nur in Bregenz, nicht aber in Wien habe, beantragt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, ab sofort im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit redaktionellen Berichten in der "N*** Vorarlberger Tageszeitung" die Veröffentlichung der Angabe "Von unserer Wiener Redaktion" zu unterlassen; außerdem begehrt sie die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in der "N*** Vorarlberger Tageszeitung" und in den "Vorarlberger Nachrichten". Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie unterhalte tatsächlich in Wien 1., Lobkowitzplatz 1, eine Redaktion, die sie nur versehentlich im Impressum nicht genannt habe; die beanstandete Angabe sei daher nicht irreführend. Im übrigen sei es für die Leser ihrer Zeitung nicht von Bedeutung, ob Artikel mit dem Hinweis "Von unserer Wiener Redaktion" oder "Von unserem Wiener Korrespondenten" bezeichnet würden.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte er rechtlich wie folgt:
Unter einer Redaktion im Sinne des § 24 MedienG verstehe man jene Einrichtung, in der über die Recherchen, die Auswahl und die Veröffentlichung von Beiträgen entschieden werden; seien mehrere Redaktionen an der Herausgabe einer Zeitung beteiligt, so seien sie alle im Impressum zu nennen. Für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung sei diese Definition jedoch nicht bindend. Der in der Klage beanstandete Hinweis sei schon deshalb gerechtfertigt, weil die beiden Redakteure in Wien selbständig über die Recherchen und die Auswahl von Beiträgen entschieden und diese Beiträge im Regelfall vom Chefredakteur übernommen würden. Die Beiträge der Wiener Redakteure würden im Regelfall auch veröffentlicht, doch stehe die Entscheidungsbefugnis darüber letztlich dem Chefredakteur in Bregenz zu. Auf Grund der Art, der Größe, des Aufgabenbereiches und der Entscheidungsbefugnis ihrer Wiener "Repräsentanz" versehe die Beklagte deren redaktionelle Berichte zu Recht mit dem Hinweis "Von unserer Wiener Redaktion". Darin liege daher kein Verstoß gegen § 2 UWG.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,- nicht jedoch S 300.000,- übersteige und die Revision zulässig sei. Wettbewerbsrechtlich sei der beanstandete Hinweis weder nach dem Mediengesetz noch nach zeitungswissenschaftlichen Kriterien oder nach der Definition eines Sachwörterbuches zu beurteilen; maßgebend sei vielmehr nur der Eindruck, den die Ankündigung beim angesprochenen Leserkreis erwecke. In Wien seien zwei Redakteure samt der erforderlichen personellen, technischen und räumlichen Ausstattung mit der Berichterstattung und redaktionellen Erhebungen für Berichte in der von der Beklagten herausgegebenen Zeitung befaßt. Dem Zeitungsleser werde es gleichgültig sein, ob es sich bei diesen Redakteuren formell um Dienstnehmer der Beklagten oder aber des "S***"-Verlages handle, und wer Mieter oder Eigentümer der Redaktionsräumlichkeiten sei; entscheidend sei, daß die Redaktion wirtschaftlich und rechtlich mit der Beklagten verbunden und auf Grund eines entsprechenden Kooperationsvertrages verpflichtet sei, eine Tätigkeit für die Beklagte zu entfalten. Wer die letzte Entscheidung über die Veröffentlichung eines Artikels treffe, sei unerheblich. Die Redakteure Kurt V*** und Dr. Ulrich S*** wirkten durch ihre Berichterstattung, Recherchen, Teilnahme an Pressekonferenzen usw. an der Sammlung und Gestaltung des "geistigen Inhaltes" der von der Beklagten herausgegebenen Zeitung mit. Dieser Aspekt trete in den Augen des Leserpublikums gegenüber der dienstrechtlichen und sonstigen juristischen Konstruktion der Wiener Repräsentanz der Beklagten in den Vordergrund.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Nach Ansicht der Klägerin faßt das angesprochene Publikum den beanstandeten Hinweis auf die "Wiener Redaktion" dahin auf, daß die Beklagte in Wien eine eigene Redaktion mit angestellten Redakteuren und dazugehörigem Personal- und Verwaltungsapparat habe, daß dort auch die übliche tägliche Redaktionsarbeit sowie die übliche Redaktionskonferenz etc. stattfinde und daß sich diese Redaktion um eine besonders gute und vollständige Berichterstattung bemühe, welche bei Korrespondentenberichten oder bei Berichten von Gastredakteuren einer fremden Redaktion nicht erwartet werde. Die Beklagte mache damit eine irreführende Angabe über ihre geschäftlichen Verhältnisse, insbesondere über ihre eigene Größe und die Zahl ihrer Redaktionen.
Ob die beanstandete Bezeichnung der für die Beklagte in Wien tätigen Journalisten als "Wiener Redaktion" - insbesondere nach dem Grundsatz, daß bei Mehrdeutigkeit einer Ankündigung der Werbende immer die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muß (ÖBl. 1986, 159 u.v.a.) - zur Irreführung geeignet (§ 2 UWG) ist, braucht aber nicht weiter erörtert zu werden: Auch eine Angabe, die einen unrichtigen Eindruck hervorzurufen geeignet ist, verstößt nämlich nach ständiger Rechtsprechung nur dann gegen § 2 UWG, wenn sie der Geschäftsverkehr als wesentlich ansieht und die durch sie erweckte, mit dem tatsächlichen Sachverhalt nicht übereinstimmende Erwartung mit dem Entschluß der Interessenten zusammenhängt, sich mit dem Angebot näher zu befassen, insbesondere die angebotene Ware zu kaufen oder die angebotene Leistung in Anspruch zu nehmen; gerade der unrichtige Eindruck muß die Kauflust eines nicht ganz unbeträchlichen Teiles des angesprochenen Publikums irgendwie beeinflussen (ÖBl. 1987, 18 mwN; MuR 1987, 181 u.v.a.). Daß aber der Hinweis auf eine "Wiener Redaktion" - statt etwa auf einen "Wiener Korrespondenten" - irgendeine Auswirkung auf den Kaufentschluß von Interessenten zugunsten der von der Beklagten herausgegebenen Zeitung haben könnte, ist nicht zu erkennen. Für den Zeitungsleser der in erster Linie an einer raschen und verläßlichen Information über aktuelle Ereignisse interessiert ist, ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die für die Beklagte außerhalb des Erscheinungsortes tätigen Journalisten daneben auch noch andere Zeitungen betreuen und in welchem Rechtsverhältnis sie zur Beklagten stehen. Mit Recht haben die Vorinstanzen daher das Klagebegehren abgewiesen; der Revision mußte sohin ein Erfolg versagt bleiben. Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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