OGH 4Ob103/85

OGH4Ob103/851.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz A, Kraftfahrer, Miklauzhof, Rechberg 45, vertreten durch Dr. Matthäus Grilc, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei prot. B C D, Inhaber Erich E, Transportunternehmen,

Völkermarkt, Umfahrungsstraße 15, vertreten durch Dr. Gert Seeber, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 68.010,62 samt Anhang, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 24. April 1985, GZ. 3 Cg 39/84-22, womit eine Klagsänderung nicht zugelassen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

  1. 1.) Die Rekursbeantwortung wird zurückgewiesen.
  2. 2.) Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß die durch die Stellung des Eventualbegehrens, die beklagte Partei sei schuldig, an die klagende Partei einen Betrag von S 68.010,62 samt 4 % Zinsen seit 16.11.1983 zu zahlen, vorgenommene Klagsänderung zugelassen wird.

    Dem Berufungsgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens über das Eventualbegehren aufgetragen.

    Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.597,35 bestimmten Rekurskosten (darin S 1.200,- Barauslagen und S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte vor dem Erstgericht gegenüber der beklagten Partei die Feststellung des aufrechten Bestandes seines Arbeitsverhältnisses mit der Behauptung, die von der beklagten Partei, seiner Arbeitgeberin, am 15.11.1983 ausgesprochene Entlassung sei ungerechtfertigt und daher rechtsunwirksam. Er habe den von ihm gelenkten LKW-Zug der beklagten Partei durch Anziehen der Handbremse beim Abstellen auf einem Parkplatz ordnungsgemäß gesichert, sodaß ihn an dem späteren Abrollen und der sodann eingetretenen Beschädigung des LKW-Zuges kein Verschulden treffe. Er habe den Chef der beklagten Partei auch nicht beschimpft. Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Der Kläger habe den LKW-Zug auf einem abschüssigen Parkplatz abgestellt, ohne die Handbremse anzuziehen, einen Gang einzulegen und Haltekeile unterzulegen. Er sei aus diesem Grund entlassen worden. Am Tage danach habe er den Juniorchef beschimpft. Der Kläger sei schon vor dem 15.11.1983 'wegen mehrerer Mißstände' gerügt worden. Das Erstgericht wies nach Beweisaufnahmen das Klagebegehren mit Beschluß ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, das Feststellungsbegehren sei unzulässig, weil die Möglichkeit einer Leistungsklage bestehe.

In der Berufungsverhandlung stellte der Kläger für den Fall, daß das Feststellungsbegehren unzulässig sei, unter Hinweis auf die ungerechtfertigte Entlassung das dem Entscheidungstenor zu entnehmende Leistungsbegehren. Dieses umfaßt Kündigungsentschädigung, Urlaubszuschuß, Weihnachtsremuneration, Urlaubsentschädigung, Abfertigung sowie rückständigen Lohn für die Zeit vom 1. bis 15.11.1983.

Die beklagte Partei sprach sich aus verfahrensökonomischen Erwägungen gegen die Klagsänderung aus, bestritt Grund und Höhe des Eventualbegehrens und wendete Verfall im Sinne des § 1162 d ABGB ein.

Das Berufungsgericht ließ mit Beschluß die Klagsänderung durch Stellung des Eventualbegehrens nicht zu und gab der Berufung des Klägers gegen den als Urteil behandelten Beschluß des Erstgerichts nicht Folge. Es vertrat die Rechtsauffassung, der Kläger verlange mit dem auf Zahlung gerichteten Eventualbegehren etwas anderes als mit dem bloß auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses gerichteten Feststellungsbegehren. Hinsichtlich der Urlaubsentschädigung und des rückständigen Lohnes sowie der Höhe der begehren Zahlung gründe sich das Eventualbegehren überdies auf zum Teil andere Tatsachen als das Feststellungsbegehren. In der Stellung dieses Eventualbegehrens sei daher eine Klagsänderung im Sinne des § 235 Abs 1 bis 3 ZPO zu erblicken, zu der die beklagte Partei die hiefür notwendige Zustimmung verweigert habe. Das Gericht könnte zwar die Klagsänderung dennoch zulassen, wenn dadurch eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen sei; diese Voraussetzungen lägen aber nicht vor, weil über die Berufung sofort und ohne weitere Beweisaufnahmen entschieden werden könne, wogegen die Entscheidung über das Eventualbegehren ein umfangreiches Beweisverfahren voraussetze. Die Berufung sei nicht berechtigt, weil mangels Vorliegens eines besonderen Kündigungsund Entlassungsschutzes das Arbeitsverhältnis durch die Entlassung, möge sie gerechtfertigt gewesen sein oder nicht, auf jeden Fall aufgelöst worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Beschluß über die Verweigerung der Zulassung der Klagsänderung richtet sich der am 28. Tag nach Zustellung eingebrachte Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die Klagsänderung zugelassen und die Rechtssache zur Fortsetzung des Verfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen werde. Der Kläger hat die Entscheidung über die Berufung sowie die Kostenentscheidung nicht bekämpft. Die beklagte Partei hat eine Rekursbeantwortung eingebracht, die jedoch mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 521 a Abs 1 Z 1 bis 3 ZPO unzulässig ist. Der Beschluß über die Nichtzulassung einer Klagsänderung ist weder ein Endbeschluß noch ein Aufhebungsbeschluß noch ein Beschluß, mit dem eine Klage zurückgewiesen oder ein Antrag auf Zurückweisung der Klage verworfen worden ist. Das Rekursverfahren ist aber nur in diesen angeführten Fällen zweiseitig.

Daraus folgt zugleich, daß die Rekursfrist gemäß dem § 521 Abs 1 ZPO an sich nicht vier, sondern nur zwei Wochen betrug. Enthält jedoch die Ausfertigung einer Entscheidung mehrere Beschlüsse - oder ein Urteil und einen oder mehrere Beschlüsse -, für die verschieden lange Rechtsmittelfristen gelten würden, dann kommt für die Anfechtung einer solchen Entscheidung, gleichgültig welcher ihrer Teile angefochten wird, immer die längere Rechtsmittelfrist zum Tragen (RZ 1982/40 mwH, ua, zuletzt Fasching, ZPR, Rz 1962). Dem Kläger stand daher für die Anfechtung der Entscheidung des Berufungsgerichts, obwohl er nur den erwähnten Beschluß bekämpfte, die für die Anfechtung des Berufungsurteiles geltende vierwöchige Rechtsmittelfrist des § 505 Abs 2 ZPO zur Verfügung. Der Rekurs ist sohin rechtzeitig erhoben worden. Der Rekurs ist aber auch zulässig und berechtigt.

Die Zulässigkeit des Rekurses wird durch die Unterlassung der Anfechtung der Berufungsentscheidung nicht berührt. Mit dieser Entscheidung wurde zwar mangels Anfechtung durch den Kläger das Feststellungebegehren rechtskräftig abgewiesen, doch ist infolge Anfechtung der Entscheidung des Berufungsgerichts über die Nichtzulassung der Klagsänderung das Verfahren noch nicht beendet. Im Fall der Berechtigung des Rekurses hat das Berufungsgericht noch über das dann unerledigte Eventualbegehren zu entscheiden. Da das Berufungsgericht in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG das Verfahren neu durchzuführen hat, ist in der Berufungsverhandlung eine Klagsänderung grundsätzlich möglich und die Anfechtung einer darüber ergehenden Entscheidung des Berufungsgerichts zulässig. Die Rechtsmittelbeschränkungen des § 519 ZPO besitzen insoweit keine Geltung (Arb. 8260; 4 Ob 181,182/82 ua).

Zur Frage der Berechtigung des Rekurses ist in übereinstimmung mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, daß die vom Kläger vorgenommene Stellung eines Eventualbegehrens als Klagsänderung im Sinne des § 235 Abs 1 bis 3 ZPO anzusehen ist. Die nachträgliche Stellung eines Eventualbegehrens ist dann eine solche Klagsänderung, wenn es nicht aus denselben rechtlichen Tatsachen abgeleitet wird, sondern zu seiner Begründung neue rechtserzeugende Tatsachen zusätzlich vorgetragen werden. Die Änderung der rechtlichen Qualifikation allein wäre keine Klagsänderung (Fasching III, 116 f; MietSlg. 33.642; RZ 1961, 143 ua).

Im vorliegenden Fall sind wohl die zur Frage der Berechtigung der Entlassung vorgebrachten rechtserzeugenden Tatsachen für das Feststellungswie auch für das Leistungsbegehren gleich. Das Berufungsgericht hat jedoch mit Recht darauf hingewiesen, daß die einzelnen Teilansprüche wenigstens zum Teil auf anderen rechtserzeugenden Tatsachen beruhen als das Feststellungsbegehren. Die vorerwähnten Voraussetzungen einer Klagsänderung liegen daher schon aus diesen Gründen vor.

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist jedoch durch diese Klagsänderung eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen. Da das Erstgericht bereits Beweise über das Vorliegen eines Entlassungsgrundes aufgenommen hat, eine Einsprache gegen die Verlesung der darüber vom Erstgericht aufgenommenen Protokolle in der Berufungsverhandlung nicht erhoben und die Höhe der begehrten Beträge von der beklagten Partei bloß ohne jede Konkretisierung bestritten wurde, ist für die Beurteilung der in Betracht kommenden Entlassungstatbestände (vor allem § 82 lit d oder f Gewo 1859) ein über die bisherigen Beweisaufnahmen hinausreichendes weitwendiges Beweisverfahren, das zu einer erheblichen Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung führen würde, nach dem bisherigen Prozeßvorbringen umso weniger zu besorgen, als die Klagsausdehnung schon zu Beginn der mündlichen Berufungsverhandlung und damit zu Beginn des gemäß dem § 25 Abs 1 Z. 3 ArbGG neu durchzuführenden Verfahrens vorgenommen wurde. Eine Klagsänderung ist immer zulässig, wenn sie einen zweiten Prozeß erspart, ohne den ersten unbillig zu erschweren oder zu verzögern (Arb. 10.192; SZ 47/49 ua). Diese Voraussetzung liegt vor, wenn wie hier ein auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtetes Begehren durch ein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gestütztes, auf daraus abgeleitete Ersatzansprüche gerichtetes Begehren ersetzt wird und die Frage der Berechtigung der Entlassung für beide Begehren entscheidend ist. Die darüber hinaus erhobenen Lohnansprüche lassen eine erhebliche Erschwerung des Verfahrens ebenfalls nicht besorgen. Da aus den dargelegten Erwägungen die Klagsänderung durch Stellung des Eventualbegehrens zulässig ist, war der angefochtene Beschluß dahin abzuändern, daß diese Klagsänderung zugelassen wird. Das Berufungsgericht wird das Verfahren über das Eventualbegehren fortzusetzen haben.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 und 52 ZPO begründet.

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