Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 8.812,05 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.920,- Barauslagen und S 626,55 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 1.10.1982 im Betrieb der beklagten Gesellschaft mbH als Angestellter beschäftigt. Mit der Behauptung, daß dieses auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Arbeitsverhältnis von der beklagten Partei mit Schreiben vom 30.12.1982 ohne jede Begründung aufgelöst worden sei, begehrt er die Zahlung nachstehender Beträge:
a) Kündigungsentschädigung für drei
Monate (einschließlich der anteiligen
Sonderzahlungen) S 87.500,--
b) Abfertigung (unter Anrechnung
einer Vordienstzeit von
10 Jahren) S 116.667,--
c) Wohnungsbeihilfe S 90,--
d) Entgelt für vier Arbeitstage
im September 1982 S 4.832,--
zusammen S 209.089,--
brutto sA.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung dieses Begehrens. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei mit drei Monaten befristet gewesen und habe daher am 31.12.1982 durch Zeitablauf geendet; die sich daraus ergebenden Ansprüche des Klägers seien voll befriedigt worden. Die schon im September 1982 erbrachten Arbeitsleistungen seien im folgenden Monat durch Zeitausgleich abgegolten worden. Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von S 208.102,82 brutto sA und wies das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 986,18 brutto
sA - insoweit rechtskräftig - ab. Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens sei eine dreimonatige Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht vereinbart gewesen. Da die beklagte Partei die gesetzliche Kündigungsfrist von drei Monaten nicht eingehalten habe, stünden dem Kläger - unter Berücksichtigung seiner vereinbarungsgemäß anzurechnenden zehnjährigen Vordienstzeit - folgende Ansprüche zu:
a) Kündigungsentschädigung (einschließ-
lich der anteiligen Sonder-
zahlungen) S 87.500,--
b) Abfertigung (4 Monatsbezüge) S 116.666,67
c) Wohnungsbeihilfe S 90,--
d) Entgelt für vier Arbeits-
tage im September 1982 S 3.846,15
zusammen S 208.102,82.
Das erstgerichtliche Urteil wurde von der beklagten Partei fristgerecht mit Berufung angefochten. In der Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung am 15.5.1984 stellten die Parteien die Klageforderung der restlichen Höhe nach außer Streit.
Das Berufungsgericht verwarf die Nichtigkeitsberufung und gab dem Rechtsmittel im übrigen nicht Folge. Es führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Die beklagte Partei suchte im Jahr 1982 einen Außendienstmitarbeiter für Westösterreich; die Stelle wurde daher vom Geschäftsführer Ing. Manfred C
öffentlich ausgeschrieben. Der Kläger, welcher sich für diesen Posten interessierte, wandte sich direkt an die Muttergesellschaft der beklagten Partei in Südtirol. Er sprach dort erstmals am 27.7.1982 bei Hedwig B und
deren Sohn Erich B - beide sind auch Gesellschafter der beklagten Partei - vor und gab ihnen seine Forderungen für den Fall einer Anstellung, nämlich vor allem auf Zahlung eines Bruttogehaltes von monatlich S 25.000 und Anrechnung einer Vordienstzeit von 10 Jahren, bekannt. Dem Kläger wurde mitgeteilt, daß man sich die Sache überlegen werde.
Das nächste Gespräch fand am 7.8.1982 in der Wohnung Hedwig BS in Südtirol statt. Bei dieser Unterredung, an welcher neben dem Kläger und Hedwig B auch wieder Erich B teilnahm, wurde ein Dienstvertrag
ausgehandelt. Dabei wurde im wesentlichen vereinbart, daß der Kläger ein Bruttogehalt von S 25.000 (einschließlich eines überstundenpauschales von S 5.000) erhalten sollte und daß ihm auf alle wie immer gearteten Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis eine Vordienstzeit von 10 Jahren
angerechnet werde; das Arbeitsverhältnis sollte am 1.10.1982 beginnen. Bei keinem dieser Gespräche war davon
die Rede, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers zur
beklagten Partei befristet sein solle.
In der Folge setzte sich der Kläger mit dem Geschäftsführer der beklagten Partei, Ing. C,
welcher auf die bisherigen Verhandlungen keinen Einfluß
genommen hatte, in Verbindung. Ing. C ersuchte
den Kläger, ihm zwecks Abfassung eines schriftlichen Dienstvertrages einen Vertragsentwurf über die mit Hedwig B ausgehandelten Bedingungen zur Verfügung zu
stellen. Daraufhin besorgte sich der Kläger bei der Tiroler Handelskammer einen Mustervertrag und füllte dieses Vertragsblankett handschriftlich aus, wobei er die mündlichen Verhandlungen mit Hedwig B festhielt. In diesem Vertragsmuster war unter anderem festgelegt, daß der Kläger nach einer Probezeit von einem Monat ab 1.10.1982 bei der beklagten Partei als Außendienstmitarbeiter eintreten sollte. Das Arbeitsverhältnis sollte nach Ablauf des Probemonates (welchen der Kläger nur deshalb in den Vertrag aufgenommen hatte, weil er ihn für gesetzlich vorgeschrieben hielt) unbefristet sein. Entsprechend den Vereinbarungen mit Hedwig B setzte der Kläger ein monatliches
Bruttogehalt von S 25.000 sowie die Anrechnung einer Vordienstzeit von 10 Jahren, insbesondere für die Abfertigung, in den Mustervertrag ein. Für die Kündigung sollte das Angetelltengesetz gelten, wobei eine Kündigung zum 15. oder zum Letzten eines jeden Kalendermonates zulässig sein sollte. Das handschriftliche Konzept des Klägers wurde von seiner Gattin reingeschrieben.
Der Kläger leitete den Vertragsentwurf noch vor dem 1.10.1982 an Ing. C weiter, welcher von Hedwig
B über die zwischen ihr und dem Kläger getroffenen Vereinbarungen nicht informiert worden war. Als
Ing. C bei einem Besuch in Südtirol Hedwig
B den Entwurf des Klägers zeigte, erklärte diese,
daß mit dem Kläger eine dreimonatige Befristung des Arbeitsverhältnisses vereinbart worden sei.
Der Kläger hatte sein vorangegangenes
Arbeitsverhältnis im Betrieb des Peter D in Innsbruck Ende August 1982 zum 30.9.1982 aufgekündigt. Er war dort als Betriebsleiter tätig gewesen und hatte schon seit neun Jahren in diesem Betrieb gearbeitet, ohne daß es irgendwelche Schwierigkeiten gegeben hätte. Peter D hatte zwar versucht, den Kläger zu halten, konnte jedoch mit dem viel günstigeren Angebot der beklagten Partei finanziell nicht mithalten. Als Peter D den Kläger
auf den Verlust seines Abfertigungsanspruches aufmerksam machte, erwiderte der Kläger, daß er diesbezüglich bei seinem neuen Arbeitgeber voll abgesichert sei.
Der Kläger war schon im September 1982 an insgesamt sechs Tagen für die beklagte Partei tätig gewesen; diese Arbeitsleistungen sollten vereinbarungsgemäß durch Zeitausgleich abgegolten werden. Tatsächlich erhielt der Kläger dann jedoch nur am 1.10. und am 11.10.1982 einen solchen Zeitausgleich, während die restlichen vier
Arbeitstage weder durch Freizeitgewährung noch durch Geld
abgegolten wurden.
Schon am 7.9.1982 war ein von Rechtsanwalt
Dr. E verfaßter Entwurf eines Dienstvertrages mit
dem Kläger beim Steuerbüro F eingelangt. Nachdem der Kläger am 1.10.1982 seinen Dienst angetreten hatte, drängte er immer wieder auf die Erstellung und Unterfertigung des von ihm verfaßten schriftlichen Dienstvertrages. Die Ausfertigung des Vertrages verzögerte sich jedoch letztlich aus Umständen, die in der Organisation der beklagten Partei lagen, bis zum 30.12.1982. Der Kläger bekam den Vertrag erstmals am 31.12.1982 zu Gesicht; am selben Tag wurde ihm auch erklärt, daß sein Arbeitverhältnis nicht über den 31.12.1982 hinaus fortgesetzt werde. In dem von den Gesellschaftern der beklagten Partei Hedwig und Erich B unterfertigten Vertragsentwurf war vereinbarungswidrig festgelegt, daß das Arbeitsverhältnis auf die Dauer von drei Monaten abgeschlossen werde. Der Kläger unterfertigte diesen Vertrag nicht; er stimmte den darin enthaltenen Bedingungen auch nicht mündlich zu, sondern kündigte gegenüber Ing. C gerichtliche
Schritte an.
Auf der Grundlage dieser Sachverhaltsfeststellungen ging auch das Berufungsgericht von der Vereinbarung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitiger Anrechnung einer Vordienstzeit von 10 Jahren aus. Gemäß §§ 20, 23 und 29 AngG erweise sich daher das - nunmehr der Höhe nach unbestrittene - Zahlungsbegehren des Klägers als gerechtfertigt.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Umfang nach von der beklagten Partei mit Revision aus den Gründen des § 503 Abs 1 Z 1, 2 und 4 ZPO bekämpft. Die beklagte Partei beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur Neuverhandlung an das Erstgericht zurückzuverweisen, hilfsweise das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, daß dem Kläger nur S 102.128,- sA zuerkannt würden und das Mehrbegehren abgewiesen werde.
Der Kläger beantragt, der Revision der beklagten
Partei nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Eine Nichtigkeit, jedenfalls aber einen wesentlichen
Mangel des Berufungsverfahrens sieht die beklagte Partei
darin, daß im Zuge des Verfahrens erster Instanz weder sie
selbst noch ihr Vertreter von der am 5.10.1983 vor der
Prätur in Klausen (Südtirol) durchgeführten
Rechtshilfevernehmung der Zeugin Hedwig B in
Kenntnis gesetzt wurden; durch diesen gesetzwidrigen, in
zweiter Instanz erfolglos gerügten Vorgang sei der
Grundsatz des beiderseitigen Parteiengehörs verletzt und
der beklagten Partei die Möglichkeit genommen worden, vor
Gericht zu verhandeln. Die beklagte Partei übersieht
dabei, daß der Beschluß des Berufungsgerichtes, mit dem
eine wegen Nichtigkeit erhobene Berufung verworfen wurde,
nach ständiger Rechtsprechung auch im arbeitsgerichtlichen
Verfahren jeder weiteren Anfechtung entzogen ist (Arb.8827
mwN; Arb.9834; RdA 1983, 30 ua). Von einem allein
beachtlichen wesentlichen Mangel des Berufungsverfahrens
kann überdies im vorliegenden Fall schon deshalb keine
Rede sein, weil das Berufungsgericht im Zuge der
Neudurchführung der Verhandlung (§ 25 Abs 1 Z 3 ArbGG)
die Zeugin Hedwig B am 15.5.1984 pesönlich vernommen
und damit auch dem Beklagtenvertreter die Möglichkeit
geboten hat, die ihm zur vollständigen Aufklärung des
Sachverhaltes notwendig scheinenden Fragen an diese Zeugin
zu stellen.
Mit der Rechtsrüge wendet sich die beklagte Partei gegen die Annahme eines 'konkludenten Vertragsabschlusses im Sinne der Vorstellungen des Klägers'. Bei den Einstellungsgesprächen sei zwar über eine Probezeit von drei Monaten sowie über die Anrechnung einer zehnjährigen Vordienstzeit gesprochen, hierüber aber keine Einigung erzielt worden; mangels einer besonderen Vereinbarung seien infolgedessen die gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden.
Wie diese Rechtsmittelausführungen zeigen, wird die
Behauptung einer dreimonatigen Befristung des
Arbeitsverhältnisses jetzt auch von der beklagten Partei
nicht mehr aufrecht erhalten; auch sie geht nunmehr vom
Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses
aus, bestreitet aber weiterhin eine wirksame Vereinbarung
der Parteien über die Anrechnung irgendwelcher
Vordienstzeiten des Klägers. Damit entfernt sich aber die
Rechtssmittelwerberin von den für den Obersten Gerichtshof
bindenden Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen
Urteils, wonach bei der zweiten Vorsprache des Kläges in
der Wohnung der Zeugin Hedwig B in Südtirol ein
Dienstvertrag mündlich ausgehandelt wurde, welcher (ua)
die Anrechnung von 10 Jahren an Vordienstzeiten 'auf
sämtliche wie immer gearteten Ansprüche aus dem
Dienstverhältnis' vorsah. Die gegenteiligen Ausführungen
der Revision, wonach es in dieser Frage zu keiner Einigung
der Parteien gekommen, die vom Kläger in seinen
schriftlichen Vertragsentwurf aufgenommene
Anrechnungsklausel vielmehr nur ein von der beklagten
Partei niemals - auch nicht schlüssig - angenommenes Anbot
gewesen sei, ist unter diesen Umständen nichts anderes als
ein in dritter Instanz unzulässiger Angriff auf die
Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen. Geht man aber
davon aus, daß die beklagte Partei dem Kläger die
Anrechnung einer zehnjährigen Vordienstzeit auf alle
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zugesagt hat, dann
haben die Vorinstanzen die aus §§ 23 und 29 AngG
abgeleiteten Ansprüche auf Kündigungsentschädigung und
Abfertigung mit Recht zuerkannt.
Dem Kläger gebührt aber auch das Entgelt für die vier nicht durch Freizeit abgegoltenen Arbeitstage von September 1982. Wenn die Revision meint, daß sich der Kläger den hiefür vereinbarten Zeitausgleich 'während der Kündigungsfrist' hätte nehmen können, übersieht sie, daß ein Anspruch auf rückständiges Arbeitsentgelt keinesfalls auf den aus § 29 AngG abgeleiteten Ersatzanspruch auf die sogenannte Kündigungsentschädigung angerechnet werden darf.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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