Spruch:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Hall vom 17. August 1999, 2 P 170/97p-104, verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache des Minderjährigen Florian Klaus G***** an das Bezirksgericht Wels wird gemäß § 111 Abs 2 JN genehmigt.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern des Minderjährigen wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 15. 12. 1988 einvernehmlich geschieden. Der Minderjährige befand und befindet sich in Pflege und Erziehung der Mutter.
Beide Eltern lebten während aufrechter Ehe und auch in den Jahren nach der Scheidung in Wels. Im Juli 1997 übersiedelte die Mutter mit dem Kind nach R***** bei Innsbruck. Mit Beschluss vom 18. 7. 1997 übertrug das Bezirksgericht Wels die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Innsbruck. Das Bezirksgericht Innsbruck trat die Rechtssache zuständigkeitshalber an das Bezirksgericht Hall ab.
Am 15. 9. 1998 beantragte die Mutter, den Unterhaltsbeitrag des Vaters beginnend mit 1. 10. 1998 auf 7.000 S zu erhöhen. Seine Stellungnahme zum Unterhaltserhöhungsantrag verband der Vater mit dem Antrag, den Unterhaltsbeitrag von 4.750 S auf 4.000 S herabzusetzen und ihm ein Besuchsrecht einzuräumen.
Über keinen der Anträge wurde bisher entschieden. Das Bezirksgericht Hall hat die Eltern und das Kind vernommen, eine Stellungnahme der Jugendwohlfahrt bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck eingeholt, Dr. Engelbert W***** aus Wö***** zum Sachverständigen bestellt und eine Auskunft des Dienstgebers über die Bezüge des Vaters eingeholt.
Am 15. 6. 1999 teilte die Mutter dem Bezirksgericht Hall mit, dass sie ab 1. 9. 1999 wieder in Wels wohnen werde. Sie halte es nicht für sinnvoll, wenn ein Sachverständiger mit Sitz in Wö***** tätig werde. In der Folge gab sie dem Bezirksgericht Hall bekannt, dass sie seit 12. 8. 1999 in Wels wohne.
Mit Beschluss vom 17. 8. 1999 übertrug das Bezirksgericht Hall die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Wels. Da sich das Kind jetzt ständig in Wels aufhalte, sei es zweckmäßiger, wenn das Bezirksgericht Wels die Pflegschaftssache führe. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.
Das Bezirksgericht Wels weigerte sich, die Pflegschaftssache zu übernehmen. Das Bezirksgericht Hall habe bereits umfassende Erhebungen durchgeführt, um über die Besuchsrechts- und Unterhaltsanträge entscheiden zu können. Eine Übernahme der Pflegschaftssache durch das Bezirksgericht Wels im derzeitigen Verfahrensstadium liege nicht im Interesse des Kindes. Es sei zu erwarten, dass das bisher mit der Sache betraute Bezirksgericht Hall rasch entscheiden werde.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Bezirksgericht Hall verfügte Übertragung ist gerechtfertigt.
Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Diese Voraussetzungen liegen in der Regel vor, wenn die Pflegschaftssache an jenes Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Minderjährigen liegt (EFSlg 82.110; 85.185 uva). Auch offene Anträge sind grundsätzlich kein Übertragungshindernis; es hängt immer von den Umständen des einzelnen Falles ab, ob die Entscheidung durch das bisherige Gericht zweckmäßiger ist (EFSlg 82.121; 82.122 uva). Das kann (zB) dann der Fall sein, wenn das übertragende Gericht eine besondere Sachkenntnis besitzt oder sich bereits eingehend mit den Anträgen befasst hat (EFSlg 85.187; 85.188 uva; s auch Mayr in Rechberger, ZPO § 111 JN Rz 2 ff mwN).
Im vorliegenden Fall steht die Entscheidung über einen Unterhaltsherabsetzungs- und einen Unterhaltserhöhungsantrag aus sowie die Entscheidung über einen Antrag auf Regelung des Besuchsrechts. Zu beiden Bereichen hat das Bezirksgericht Hall bereits Erhebungen durchgeführt, die jedoch, was das Besuchsrecht betrifft, noch nicht abgeschlossen sind. Das kinderpsychologische Gutachten steht noch aus. Dem Sachverständigen wurde der Akt bisher nicht übermittelt; die Zweckmäßigkeit, einen in Wö***** wohnhaften Sachverständigen zu bestellen, wenn nunmehr wieder beide Eltern und das Kind in Wels wohnen, erscheint zweifelhaft. Dazu kommt, dass sich die Umstände durch die Übersiedlung des Kindes nach Wels und damit in jene Stadt, in der der Vater wohnt, wesentlich geändert haben, so dass es allenfalls notwendig sein wird, die Eltern und das Kind neuerlich zu vernehmen.
Die Vernehmung kann vom Bezirksgericht Wels mit einem für die Beteiligten geringeren Aufwand durchgeführt werden als vom Bezirksgericht Hall. Die gleiche Wirkung hätte die Bestellung eines in Wels ansässigen Sachverständigen. Dem steht keine besondere Vertrautheit des Bezirksgerichts Hall mit der Problematik des vorliegenden Falls gegenüber, die eine Entscheidung durch dieses Gericht zweckmäßiger erscheinen ließe. Das gilt auch für die Unterhaltsanträge, und zwar ungeachtet dessen, dass die Rechtssache insoweit bereits entscheidungsreif ist. Es wäre unzweckmäßig, die Pflegschaftssache nur wegen der offenen Unterhaltsanträge beim Bezirksgericht Hall zu belassen, nachdem die Entscheidung darüber auf Basis der im Akt befindlichen und damit beiden Gerichten in gleicher Weise zugänglichen Gehaltsauskunft des Dienstgebers zu treffen ist.
Aus diesen Erwägungen war die Übertragung zu genehmigen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)