European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00090.17G.0607.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Die Ehe der Eltern wurde im Jänner 2014 einvernehmlich geschieden und die gemeinsame Obsorge für die damals im 3. und 2. Lebensjahr befindlichen Kinder bei hauptsächlicher Betreuung im Haushalt der Mutter aufrecht erhalten. Gegenstand des Verfahrens sind die Anträge des Vaters auf Wechsel des überwiegenden Aufenthalts zu ihm und der Mutter auf Übertragung der Alleinobsorge. Beide Vorinstanzen gaben dem Antrag der Mutter statt.
Rechtliche Beurteilung
Der Vater zeigt in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf. Die Zurückweisung ist wie folgt kurz zu begründen (§ 71 Abs 3 AußStrG):
1. Unter dem Rekursgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens gab der Vater in seinem Rekurs zunächst sein Vorbringen samt den Beweisanboten wortwörtlich und ungekürzt über etwa 13 Seiten wieder, um dieses „voranstehende Vorbringen“ dann als deshalb rechtlich bedeutsam zu bezeichnen, weil es eine Reihe von (aufgelisteten) Erziehungsdefiziten der Mutter dokumentiere.
Wenn das Rekursgericht darin keine taugliche Mängelrüge wegen Nichtaufnahme der nur erwähnten Beweismittel erblickte, stellt dies wegen des Fehlens der erforderlichen Darstellung der Relevanz jedes Beweismittels (vgl RIS‑Justiz RS0043027 [T13]; RS0043039) keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar. Vielmehr ist in diesem Rekursvorbringen die Geltendmachung sekundärer Feststellungsmängel zu erblicken, die der Rechtsrüge zuzuordnen ist (und unter diesem Titel ohnehin im Rekurs wiederholt wurde).
2. Die unterbliebene Einvernahme der Leiterin des Kindergartens und des Kinderfacharztes machte der Vater im Rekurs daher nicht zum Gegenstand einer Verfahrensrüge. Dies kann im Revisionsrekurs nicht nachgeholt werden, zumal kein Mangel von der Qualität des § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG in Rede steht (RIS‑Justiz RS0074223 [T7]).
3. Den im Rekurs vom Vater konkret wegen der unterbliebenen Einvernahme seines Betreuers seitens der Familienintensivbetreuung gerügten primären Verfahrensmangel verneinte das Rekursgericht. Daher kann dieser Mangel nicht mehr im Revisionsrekurs geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0050037; RS0030748; RS0043919).
4. Der Vater erblickt einen Mangel des Rekursverfahrens darin, dass ein von ihm im Zusammenhang mit seiner Behauptung, sein Sohn habe rote Flecken/Striemen am linken Unterschenkel damit erklärt, er sei von der Mutter mit einem Telefonkabel geschlagen worden, vorgelegtes Lichtbild vom Rekursgericht erstmalig beweiswürdigend beurteilt und ihm so eine Tatsacheninstanz genommen worden sei.
Dem ist nicht zu folgen, weil das Vorgehen des Rekursgerichts inhaltlich nichts anderes darstellt als eine – gesetzlich ausdrücklich geforderte (§ 55 Abs 1 AußStrG) – im Rekursverfahren vorgenommene Verfahrensergänzung, die stets zur Folge hat, dass die daraus resultierenden Feststellungen in dritter Instanz nicht mehr bekämpft werden können (RIS‑Justiz RS0007236; RS0108449). Andere Verfahrensmängel werden in diesem Zusammenhang nicht gerügt.
5. Zum Aufenthalt der Kinder beim Vater im Juli 2016 ist den Feststellungen des Erstgerichts nicht zu entnehmen, die Mutter wäre damit nicht einverstanden gewesen; Uneinigkeit bestand nur über die während dieses einvernehmlichen Verbleibs der Kinder beim Vater von der Mutter gewünschten (persönlichen und telefonischen) Kontakte zu den Kindern.
Die Aussage des Rekursgerichts, der Aufenthalt der Kinder beim Vater beruhe auf einer – auch vom Vater behaupteten – Vereinbarung der Eltern, ist daher entgegen der Ansicht des Vaters nicht aktenwidrig.
6. Der Vater versucht darzustellen, sein Agieren gegen die Mutter habe seit der einvernehmlichen Scheidung im Jänner 2014, bei der die gemeinsame Obsorge aufrecht erhalten worden sei, keine Auswirkungen auf die Obsorge und die festgelegte Aufgabenverteilung gehabt (offensichtlich gemeint: und rechtfertige daher keine Änderung).
Damit ignoriert er aber – wie im gesamten Verfahren – den festgestellten Sachverhalt, wonach sein Verhalten bereits zu Beeinträchtigungen der Kinder führte (massive Verhaltensauffälligkeiten beim Sohn) und die große Gefahr besteht, dass die Kinder durch das väterliche Agieren gegen die Mutter immer mehr in einen Loyalitätskonflikt geraten, der sie emotional wie kognitiv völlig überfordert. Darin ist aber jedenfalls eine maßgebliche Änderung der Verhältnisse iSd § 180 Abs 3 ABGB zu erblicken (die es auch nicht ausgeschlossen erscheinen lässt, die Aufrechterhaltung des Kontaktrechts des Vaters zu hinterfragen).
7. Schließlich vertritt der Vater den Standpunkt, das Rekursgericht habe die materielle Rechtslage krass verkannt, weil es davon ausgegangen sei, dass die Misshandlung seines Sohnes durch die Mutter mit einem Telefonkabel rein rechtlich nichts an der Entscheidung zu tun habe, dem Vater die gemeinsame Obsorge zu entziehen, weil es sich dabei um eine – wenn überhaupt – einmalige Entgleisung gehandelt habe.
Damit entfernt sich der Vater von der auch den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachengrundlage. Zu dieser gehört nämlich auch die Beurteilung des Rekursgerichts zum bereits erwähnten Lichtbild, wonach davon auszugehen ist, dass sich der Bub die beiden streifenartigen Hautreizungen beim Herumtollen zugefügt hat. Der rechtlichen Beurteilung ist daher die Tatsache zugrunde zu legen, dass die Hautreizungen des Kindes nicht von einer Misshandlung durch die Mutter stammen. Somit liegt auch keine „einmalige Entgleisung“ der Mutter vor, der weiter nachzugehen wäre.
Die kritisierte, nur eventualiter geäußerte, Rechtsansicht des Rekursgerichts ist für die vorliegende Erledigung nicht präjudiziell und bedarf deshalb auch keiner weiteren Prüfung.
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