OGH 3Ob8/60

OGH3Ob8/602.3.1960

SZ 33/25

Normen

AO §10
AO §20a
AO §10
AO §20a

 

Spruch:

Gegenüber dem Bestandgeber besteht für die nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens fälligen Mietzinsforderungen zugunsten des Ausgleichsschuldners kein Vollstreckungsschutz.

Entscheidung vom 2. März 1960, 3 Ob 8/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Über das Vermögen der verpflichteten Partei wurde vom Handelsgericht Wien zu Sa 13/59 am 7. April 1959 das Ausgleichsverfahren eröffnet. Die betreibenden Parteien brachten als Miteigentümer des Hauses Wien 4., M.-Straße 28, beim Erstgericht am 15. Mai 1959 gegen die verpflichtete Partei als Mieterin der Bestandobjekte Nr. 2 und 3 in diesem Haus wegen rückständigen Mietzinses für die Monate April und Mai 1959 im Betrag von 1039 S 75 g samt 4% Zinsen seit dem Klagstag die Klage ein, dehnten das Klagebegehren um den für August 1959 fällig gewordenen Mietzins auf 2779 S 48 g s. A. aus und schränkten das Klagebegehren bei der Verhandlung am 11. August 1959 infolge Teilzahlung auf 1827 S 07 g s. A. ein. Da von der beklagten Partei der eingeschränkte Betrag anerkannt und nur die Kostenersatzpflicht bestritten wurde, wurde gegen die beklagte Partei über den anerkannten Betrag ein Teilanerkenntnisurteil gefällt.

Auf Antrag der betreibenden Parteien bewilligte das Erstgericht mit Beschluß vom 10. September 1959 wider die verpflichtete Partei zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 1827 S 07 g und der mit 143 S 11 g bestimmten Kosten die Exekution durch Pfändung, Verwahrung und Verkauf der in der Gewahrsame der verpflichteten Partei in Wien 4., M.-Straße 28, befindlichen beweglichen Sachen aller Art sowie der im § 296 EO. angeführten Wertpapiere und Einlagebücher.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der verpflichteten Partei teilweise Folge und änderte den angefochtenen Beschluß, der im übrigen unberührt blieb, dahin ab, daß die Pfändung, Verwahrung und der Verkauf lediglich jener Gegenstände bewilligt wurde, die die verpflichtete Partei im Sinne des § 1101 ABGB. in das Mietobjekt eingebracht habe. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der betreibenden Parteien Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die betriebene Forderung ist eine rückständige Mietzinsforderung der Bestandgeber für die von der verpflichteten Partei gemieteten Bestandobjekte Nr. 2 und 3 im Haus Wien 4., M.-Straße 28, die erst nach der Ausgleichseröffnung über das Vermögen der verpflichteten Partei fällig geworden ist. Das Bestandverhältnis bestand bereits zur Zeit der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens.

Ein Bestandvertrag ist ein zweiseitiger Vertrag, auf den im Ausgleichsverfahren die Bestimmungen des § 20a AO. anzuwenden sind. Der Bestandvertrag bleibt mit dem zur Zeit der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens unerfüllten Teil vom Verfahren und von der Wirkung des Ausgleichs unberührt. Er gehört zu den Verträgen mit teilbaren Leistungen (§ 20a Abs.2 AO.), weil die eine der beiden Leistungen durch eine stets teilbare Zeit zu erbringen ist, die Gegenleistung dagegen (wenigstens regelmäßig) in der gleichfalls stets teilbaren Leistung von Geld besteht. Daraus folgt, daß der Bestandgeber eines Ausgleichsschuldners zwar mit dem auf die Zeit vor der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens entfallenden Zinsbetrag Ausgleichsgläubiger ist, soweit er nicht auch Absonderungsgläubiger nach § 1101 ABGB. ist, daß er aber, da der Bestandvertrag durch das Ausgleichsverfahren grundsätzlich unberührt bleibt, berechtigt ist, den nach der Ausgleichseröffnung fällig werdenden Mietzins in voller Höhe zu fordern, bei Nichtzahlung einzuklagen, auch Exekution zu führen und zu diesem Zweck richterliche Pfand- und Befriedigungsrechte zu erwerben. Der Ausgleichsschuldner genießt in diesem Fall gegenüber dem Bestandgeber keinen Vollstreckungsschutz. Die Vorschriften des § 20c AO. bedeuten keine Ausnahme von § 20a AO., sondern nur von der Bestimmung des § 20b AO. (vgl. Bartsch - Pollak, KO., AO. und AnfO., 3. Aufl. II S. 224 ff. und § 20a AO. Anm. 2, 17, 25, 32; S. 237 ff. zu § 20c AO. Anm. 1 und 19). Die Bestimmungen des § 10 AO. können auf Forderungen des Bestandgebers aus zur Zeit der Ausgleichseröffnung laufenden und fortgesetzten Bestandvertragen mit Rücksicht auf die Sonderbestimmungen der §§ 20a ff. AO. nicht angewendet werden. Die Begründung der Entscheidung SZ. VII 198 kann mit Rücksicht auf die durch die Ausgleichsnovelle 1934 eingetretene Rechtsänderung nicht mehr aufrechterhalten werden.

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