Normen
ABGB §879
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
ABGB §879
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Spruch:
Das an einen befugten Lebensmittelhändler vom Eigentümer eines Strombades gerichtete Verbot, das Badegelände zwecks Auslieferung bestellter Waren zu betreten, verstößt gegen die guten Sitten des Wettbewerbes, wenn es den Zweck der Fernhaltung einer Konkurrenz von dem Gasthauspächter des Bades verfolgt.
Entscheidung vom 24. März 1954, 3 Ob 85/54.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die beklagte Partei betreibt auf einem Pachtgelände das Strombad K. Auf dem eingefriedeten Badegelände stehen auch Badehütten, die Eigentum der Hüttenbesitzer sind, welche die notwendige Grundfläche von der beklagten Partei in Bestand genommen haben. Der Kläger, der eine Gastwirtschaft in der Nähe des Bades betreibt, hat die Badehüttenbesitzer bis zum Sommer 1952 mit Getränken und Eis beliefert, ohne deshalb von der beklagten Partei beanständet worden zu sein. Von dieser Zeit an wurde jedoch die Zustellung der Waren zu den Badehütten von der Bäderverwaltung untersagt und dem Kläger auch die von ihm begehrte Ausstellung einer Saison- oder Tageskarte verweigert.
Der Kläger begehrt die beklagte Partei schuldig zu sprechen, ihm und seinen Angestellten den Zutritt zu den Badehütten des Strombades K. gegen Lösung einer Saison- oder Tageskarte jederzeit zu gestatten. Das Erstgericht hat dieses Begehren abgewiesen und festgestellt, daß die Zustellung der Waren deshalb untersagt worden sei, weil die beklagte Partei dadurch ihren Pächter schützen will, der innerhalb des Bades eine Gastwirtschaft betreibt.
Das Erstgericht billigte der beklagten Partei das Recht zu, als Pächter des eingefriedeten Badegeländes zu bestimmen, ob und an wen sie Waren in das Bad liefern lasse. Von einer Schikane könnte nicht gesprochen werden, weil das Verbot offensichtlich nur zum Schutz des eigenen Pächters erlassen worden sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision Folge und änderte das Urteil des Berufungsgerichtes in dem Sinne, daß die beklagte Partei schuldig sei, dem Kläger und seinen Angestellten den Zutritt zu den Badehütten des Strombades K. gegen Lösung einer Saison- oder Tageskarte zum Zweck der Zustellung bestellter Waren jederzeit zu gestatten.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Aus den erstrichterlichen Feststellungen ergibt sich, daß die Besonderheit des Strombades K. darin besteht, daß auf gemieteten Grundstücken innerhalb des Bades Badehütten von den Mietern errichtet wurden, die ihr Eigentum sind. Erfahrungsgemäß werden diese Hütten in der Badesaison dauernd bewohnt, so daß die Hüttenbesitzer dort Wirtschaft führen, ihre Mahlzeiten zubereiten und nächtigen. Diese Wirtschaftsführung bedingt, daß sie Lebensmittel und Getränke sowie Gegenstände des täglichen Bedarfs in der Umgebung bzw. im Orte einkaufen. Der Erstrichter hat nun festgestellt, daß der Kläger Jahre hindurch bis zum Sommer 1950 die Badehüttenbesitzer ungestört mit Getränken und Eis belieferte. Ein solches Zuliefern bestellter Waren steht den Gewerbetreibenden im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung frei und kann ihnen deshalb nicht verwehrt werden. Anderseits kann auch den Superädifikatsbesitzern nicht verwehrt werden, sich in ihren Badehütten besuchen zu lassen. Solchen Besuchern, auch wenn sie nicht zu baden beabsichtigen, kann der Zutritt jedenfalls nicht gegen Bezahlung der Eintrittsgebühr verwehrt werden. Der Lieferant einer Ware ist aber, weil er über Aufforderung des jeweiligen Bestellers die Ware zuliefert, einem Besucher gleichzuachten. Es kann kein Zweifel sein, daß das Verbot solcher Besuche eine vertragswidrige Handlung gegenüber den Hüttenbesitzern darstellt, weil sie auf Grund ihres Bestandvertrages das Recht haben müssen, solche Besuche zu empfangen. Wenn dieses Verbot aber in einem bestimmten Fall, wie dem des Klägers, gegenüber allen von ihm belieferten Hüttenbesitzern ausgesprochen wird, dann ist es auch sittenwidrig, wenn es zu dem Zwecke erfolgt, die Konkurrenz des Klägers gegenüber dem im Bade befindlichen Gasthauspächter auszuschalten, wie dies vom Erstgericht ausdrücklich festgestellt worden ist. Durch dieses Verbot werden die Hüttenbesitzer gezwungen, bei diesem Pächter ihren Bedarf zu decken, wenn sie nicht vorziehen, die Ware selbst in das Bad zu tragen, was insbesondere den anwesenden körperbehinderten Hüttenbesitzern nicht zugemutet werden kann. Dadurch ist dem Gasthauspächter aber geradezu ein Verkaufsmonopol eingeräumt und es werden die Hüttenbesitzer in ihrem Recht auf freien Einkauf beschränkt. Ebenso wird dadurch auch der Kläger in der freien Ausübung seines Gewerbes beschränkt. Das Verbot stellt sich daher als eine im Geschäftsverkehr zu Zwecken des Wettbewerbs vorgenommene Handlung dar, die auch dann, wenn sie nicht von dem Konkurrenten selbst, sondern von einem Dritten ausgeht, gegen die guten Sitten verstößt, so daß dadurch seitens der beklagten Partei auch gegen § 1 UWG. verstoßen wird.
Demgegenüber kann sich die beklagte Partei auch nicht auf ihre Freiheit in bezug auf die Gestaltung des Badebetriebes berufen, weil sich die Badeordnung immer den besonderen Umständen und Bedürfnissen der Badebenützer anzupassen hat. Die vorgelegte Badeordnung mag im allgemeinen den Erfordernissen eines Badebetriebes entsprechen, sie kann aber nicht auf die Hüttenbesitzer des Strombades K. angewendet werden, die eher mit Mitgliedern eines Kleingartenvereins als mit den Benützern öffentlicher Badeanstalten vergleichbar sind.
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