Spruch:
Zum Selbsteintrittsrecht des Machthabers.
Entscheidung vom 17. Feber 1954, 3 Ob 84/54.
I. Instanz: Bezirksgericht Gmunden; II. Instanz: Kreisgericht Wels.
Text
Der Kläger brachte zunächst gegen Dr. Stefan N., den Onkel des Beklagten, eine Klage auf Bezahlung eines Betrages von 6120 S mit der Begründung ein, er sei Eigentümer eines Photoapparates Marke Leica gewesen, den er während seiner Anhaltung im Kriegsgefangenenlager M. dem dort gleichfalls als Kriegsgefangenen befindlichen Dr. N. mit dem Auftrag anvertraut habe, den Apparat in Sicherheit zu bringen, wobei sich Dr. N. verpflichtet habe, den Apparat dem Kläger zurückzustellen. Die Gattin des Dr. N. habe aber dann den Apparat verkauft, weshalb Dr. N. ihm zum Ersatz des Wertes verpflichtet sei. In dem in diesem Verfahren ergangenen Urteil wurde festgestellt, daß hinsichtlich der Übergabe des Apparates zwischen den Parteien eine Willenseinigung nicht zustande gekommen sei, da der Kläger den Apparat dem Dr. N. nur anvertrauen wollte, während Dr. N. der Meinung gewesen sei, daß ihm der Kläger den Apparat schenke. Es sei daher Dr. N., da die Zurückstellung des Apparates nicht mehr möglich sei, zur Herausgabe der Bereicherung verpflichtet. Da die Gattin des Dr. N. den Apparat während dessen Anhaltung im Lager G. durch den nunmehrigen Beklagten habe verkaufen lassen und hiefür nur 500 S erhalten habe, sei Dr. N. nur zum Ersatz dieses Betrages verpflichtet, den er aber schon vor Klagseinbringung bezahlt habe.
Nun brachte der Kläger gegen den Beklagten die vorliegende Klage auf Bezahlung eines Betrages von 2100 S mit der Behauptung ein, der Beklagte habe den Apparat um 3600 S weiterveräußert und sei daher zum Nachteil des Klägers um 2100 S bereichert.
Das Prozeßgericht wies zunächst das Klagebegehren ab, weil die Gattin des Dr. N. der Meinung gewesen sei, über den Apparat verfügen zu dürfen, und den Beklagten ersucht habe, den Photoapparat bestmöglich zu verkaufen, ohne irgendwelche Bedingungen daran zu knüpfen. Als ihr der Beklagte den Betrag von 1500 S überbrachte, sei sie damit einverstanden gewesen, ebenso auch ihr Gatte. Der Beklagte sei berechtigt gewesen, den Apparat selbst zu erwerben, und sei gutgläubiger Eigentümer des Apparates geworden. Das Berufungsgericht erkannte zunächst nach dem Klagebegehren. Es war der Meinung, daß der Beklagte nicht Eigentum an dem Apparat erworben habe, da der Apparat der Gattin des Dr. N. nicht ausdrücklich anvertraut gewesen sei. Es fehle auch an der Redlichkeit des Beklagten beim Erwerb des Apparates. Das Urteil des Berufungsgerichtes wurde vom Obersten Gerichtshof mit Entscheidung vom 28. Oktober 1953, 3 Ob 674/53 aufgehoben. In dieser Entscheidung wurde ausgesprochen, daß die Ansicht des Berufungsgerichtes, es wäre, um annehmen zu können, daß der Photoapparat von Dr. N. seiner Gattin anvertraut gewesen sei, notwendig gewesen, daß Dr. N. ausdrücklich seinen Willen erklärt habe, den Apparat in die Gewahrsame seiner Gattin zu übergeben, im vorliegenden Falle nicht beigepflichtet werden kann, vielmehr den in der Entscheidung angeführten Umständen entnommen werden müßte, daß Dr. N. die Aufsicht über seine Sachen und die Wahrung seiner Angelegenheiten zumindest stillschweigend seiner Gattin als seiner Stellvertreterin in der Leitung des Haushaltes während seiner Abwesenheit anvertraut hat, woraus sich ergebe, daß der Beklagte den Photoapparat des Klägers vom Vertrauensmann des Vertrauensmannes des Klägers erworben hat. Weiters wurde in der angeführten Entscheidung zum Ausdruck gebracht, daß auch die Meinung des Berufungsgerichtes, es sei der Beklagte nicht redlicher Erwerber des Photoapparates gewesen, nach den bisherigen Feststellungen nicht geteilt werden kann, da weder vom Kläger behauptet wurde, daß der Beklagte Zweifel an dem Eigentumsrecht seines Onkels gehabt habe, noch dies nach den bisherigen Feststellungen angenommen werden kann vielmehr aus den Umständen des Falles erschlossen werden müsse, daß der Beklagte der Überzeugung gewesen sei, sein Onkel sei Eigentümer des Apparates. Es wurde deshalb angeordnet, daß sich das Berufungsgericht mit den übrigen Ausführungen der Berufung des Klägers auseinanderzusetzen habe.
Das Berufungsgericht hob nun das Urteil des Prozeßgerichtes in seinem angefochtenen Umfang unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht zurück. Es hegte zunächst Bedenken gegen die Beweiswürdigung und gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Prozeßgerichtes in der Richtung, ob der Beklagte den Photoapparat des Klägers tatsächlich für sich gekauft, oder ob er ihn nur als Bevollmächtigter seiner Tante dem Photohändler M. um den Betrag von 3600 S verkauft, der Gattin des Dr. N. nur den Betrag von 1500 S ausgefolgt und den Mehrerlös sich behalten habe; es sei daher auch festzustellen, ob der Beklagte den Apparat schon im Herbst 1946 der Firma M. verkauft und ob er den Betrag von 1500 S der Gattin des Dr. N. vor oder nach dem Verkauf bei der Firma M. übergeben habe. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes sei der Beklagte gemäß den §§ 1009, 1013 ABGB. verpflichtet gewesen, das Geschäft dem erhaltenen Auftrag gemäß treu zu besorgen und nicht einen eigenen Vorteil zu verfolgen, insbesondere auf Kosten des Auftraggebers nicht eigene Vorteile zu erzielen, sondern den aus dem Geschäft entspringenden Nutzen dem Auftraggeber zu überlassen. Wenn der Beklagte daher erst nach dem Verkauf des Apparates an die Firma M. seiner Tante 1500 S übersandte und ihr den erzielten Mehrerlös verschwieg, so habe er auftragswidrig und zum Nachteil seiner Auftraggeberin gehandelt und hätte daher in diesem Fall ihr, bzw. dem kondizierenden Kläger den Mehrerlös herauszugeben. Sollte der Beklagte den Apparat selbst gekauft und erst nachträglich dem M. weiterverkauft haben, so sei festzustellen, welchen Wert der Apparat zur damaligen Zeit gehabt habe, da ein Selbsteintrittsrecht nur dann zuzubilligen sei, wenn der Selbsteintritt nicht den Interessen des Machtgebers oder dessen Weisungen widerspreche, da anderenfalls das Selbstkontrahieren nicht nur unerlaubt, sondern auch im Sinne des § 879 ABGB. ungültig sei. Es seien daher auch in der Richtung ergänzende Feststellungen notwendig, ob das Selbstkontrahieren zulässig war, wirksam wurde und ob der vom Beklagten seiner Tante bezahlte Preis den damaligen Verhältnissen entsprach.
Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Streitteile nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurs des Klägers macht geltend, daß ein Selbsteintritt nur dann möglich sei, wenn dem Bevollmächtigten ein bestimmter Preis vorgeschrieben wurde, den er für die ihm zum Verkauf übergebene Sache erzielen müsse.
Diese Ansicht ist verfehlt. Nach der herrschenden Lehre und Rechtsprechung, so SZ. IV/114, kann der Machthaber unter Umständen auch dann, wenn ihm kein bestimmter Preis für den Verkauf vorgeschrieben wurde, als Vertragspartner des Machtgebers handeln und auftreten, selbst wenn seine Vollmacht nicht darauf lautet. Er kann also, auch wenn ein bestimmter Preis, um den er die Sache verkaufen soll, nicht festgesetzt wurde, in das Geschäft selbst eintreten und die ihm zum Verkauf übergebene Sache kaufen. Das Eigentum nach § 367 ABGB. erwirbt er nur dann, wenn der Veräußerungsauftrag - abgesehen vom Mangel des Eigentums - den allgemeinen Bedingungen der Gültigkeit des Vertrages entsprochen hat (tschechoslowakische OG. Entscheidung vom 8. Jänner 1932, Slg. OG. 11319). Daraus folgt, daß der vom Vertrauensmann mit dem Verkauf beauftragte Dritte im Falle des Selbsteintrittes nur dann nach § 367 ABGB. Eigentum erwirbt, wenn er bei Durchführung des Selbsteintrittes redlich vorgegangen ist. Hat er das Geschäft nicht dem erhaltenen Auftrag gemäß unter Wahrung der Interessen des Auftraggebers treu besorgt, also insbesondere zu einem Preis die Sache an sich gebracht, der offenkundig unter dem wahren Wert der Sache gelegen ist, so ist auch das Eigentum der Sache auf ihn nicht übergegangen und er muß daher, wie das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat, den Erlös der Sache, wenn er sie weiterveräußert hat, dem wahren Eigentümer gemäß § 1041 ABGB. ausfolgen.
Die gleichen Grundsätze gelten, wenn er den Apparat nicht im Wege des Selbsteintritts übernommen, sondern ihn sofort weiterverkauft, aber sich einen Teil des Erlöses angeeignet hat. Auch in diesem Falle wäre Beklagter dem Kläger gemäß § 1041 ABGB. zum Ersatz des Wertes des Apparates im Zeitpunkt der Weiterveräußerung abzüglich des bereits abgelieferten Betrages verpflichtet.
Der Rekurs der klagenden Partei ist deshalb nicht begrundet.
Der Rekurs des Beklagten sucht lediglich darzutun, daß die Beweisergebnisse der ersten Instanz ausreichen, um in der Sache selbst zu entscheiden, und behauptet, es sei auf Grund der Entscheidung 3 Ob 674/53 für die Untergerichte bindend festgestellt, daß der Kläger den Photoapparat gegen Entgelt redlich im Sinne des § 367 ABGB. erworben habe. Diese Meinung ist jedoch irrig. Der Oberste Gerichtshof hat lediglich festgestellt, daß nach den vom Prozeßgericht festgestellten Umständen nicht anzunehmen ist, es seien dem Beklagten darüber Zweifel aufgekommen, daß der Apparat Eigentum seines Onkels sei, und er daher im guten Glauben sein konnte, der Apparat gehöre seinem Onkel. In der angeführten Entscheidung wurde aber ausdrücklich darauf verwiesen, daß sich das Berufungsgericht mit den übrigen Ausführungen der Berufung des Klägers nicht auseinandergesetzt habe, und deshalb dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen. Die Frage des Selbsteintrittsrechtes sowie der Umstand, ob der Beklagte überhaupt als Selbstkontrahent aufgetreten ist, wurde in dem dann aufgehobenen Urteil des Berufungsgerichtes ebensowenig behandelt, wie die Ausführungen der Berufung zur Beweiswürdigung und hinsichtlich mangelnder tatsächlicher Feststellungen, weshalb der Oberste Gerichtshof gar nicht in der Lage war, sich damit zu befassen.
Die weiteren Ausführungen des Rekurses weisen lediglich darauf hin, daß sich die Richtigkeit der Beweiswürdigung bereits aus dem erstinstanzlichen Verfahren ergebe und deshalb eine Ergänzung des Verfahrens nicht notwendig sei. Diese Ausführungen wenden sich daher in Wahrheit nur gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes, das Bedenken an der Richtigkeit der Beweiswürdigung und den tatsächlichen Feststellungen des Prozeßgerichtes hatte und aus diesem Gründe das Verfahren für ergänzungsbedürftig hält. Da aber im Rekursverfahren eine Prüfung der Beweiswürdigung der Vorinstanz nicht möglich ist und die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß notwendige Feststellungen im erstinstanzlichen Verfahren fehlen, zum Teil richtig ist, wie bereits zum Rekurs des Klägers ausgeführt wurde, erweist sich auch der Rekurs des Beklagten als unbegrundet, weshalb beiden Rekursen der Erfolg versagt bleiben mußte.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)