OGH 3Ob84/06h

OGH3Ob84/06h26.7.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei K***** AG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf, Dr. Gernot Murko und Mag. Christian Bauer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, und der beigetretenen betreibenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Josef Flaschberger und Mag. Robert Levovnik, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die verpflichteten Parteien 1.) Brigitte M*****, und 2.) Prof. Dr.h.c. DI Martin M***** , beide vertreten durch Michael O***** (geborener M*****), *****, als bestellter Betreuer gemäß § 1896 dBGB, dieser vertreten durch Dr. Gerhard Fink, Dr. Peter Bernhart und Dr. Bernhard Fink, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 72.000 EUR s.A. u.a., infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 23. Februar 2006, GZ 1 R 29/06v-70, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 16. Dezember 2005, GZ 7 E 35/03f-67, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die betreibenden Parteien betreiben die Zwangsversteigerung einer je im Hälfteeigentum der beiden Verpflichteten stehenden Liegenschaft. Mit Beschluss vom 25. November 2004 unterbrach das Erstgericht gemäß § 6a ZPO iVm § 78 EO das Zwangsversteigerungsverfahren und beraumte den für den 1. Dezember 2004 angesetzten Versteigerungstermin ab. Mit Beschlüssen vom 17. Juni 2005 bestellte des Erstgerichts als Pflegschaftsgericht den beiden Verpflichteten, die deutsche Staatsangehörige sind, einen Betreuer nach § 1896 dBGB, u.a. mit dem Wirkungskreis der Vertretung im vorliegenden Verfahren. Am 26. Juli 2005 verfügte das Exekutionsgericht die kommentarlose Zustellung der Beschlüsse ON 2, 8, 10, 12, 13, 17, 20, 26, 29, 30, 32, 43 und 46 zu eigenen Handen des Betreuers, die am 1. August 2005 erfolgte.

Mit Schriftsatz vom 26. September 2005 stellten die Verpflichteten, neben dem auf Abberaumung der für den 5. Oktober 2005 neuerlich anberaumten Versteigerungstagsatzung (dem das Erstgericht mit Beschluss vom 29. September 2005 stattgab), den Antrag, „die Handlungen im gegenständlichen Exekutionsverfahren als nichtig aufzuheben und das Versteigerungsverfahren unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und unter Berücksichtigung der dadurch entstandenen neuen Sachlage abzuwickeln". Denn sie seien bereits im Jahr 2002 prozess- bzw. geschäftsunfähig gewesen.

Das Erstgericht wies diesen Antrag aus der Erwägung ab, dass dem Betreuer sämtliche Beschlüsse im Zwangsversteigerungsverfahren eigenhändige zugestellt worden und durch Ablauf der ihm zustehenden Rechtsmittelfrist in Rechtskraft erwachsen seien. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei gemäß § 58 EO unzulässig. Somit stünde den Verpflichteten - die überdies von 23. März 2003 bis 7. September 2004 ohnehin anwaltlich vertreten gewesen seien - aus exekutionsrechtlicher Sicht nur der Weg offen, die dem Exekutionsverfahren zugrunde liegenden Titel zu bekämpfen. Über Rekurs der Verpflichteten hob das Gericht zweiter Instanz diesen Beschluss auf, trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung auf und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob in der Unterlassung der Erhebung von Rechtsmitteln gegen die dem vom Pflegschaftsgericht bestellten gesetzlichen Vertreter kommentarlos zugestellten Beschlüsse eines Exekutionsverfahrens eine Genehmigung iSd § 6 Abs 2 ZPO liege, zulässig sei.

Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung damit, dass ein Mangel der Prozessfähigkeit in jeder Lage des (Exekutions-)Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen sei. Könne dieser beseitigt werden, so habe das Gericht gemäß § 6 ZPO die hiezu erforderlichen Aufträge zu erteilen und zu ihrer Erfüllung eine angemessene Frist zu bestimmen, bis zu deren fruchtlosen Ablauf der Ausspruch über die Rechtsfolgen des Mangels aufgeschoben bleibe. Die Sanierung eines bisher ohne Sachwalter durchgeführten Verfahrens erfordere dessen Erklärung, dass das bisherige Verfahren genehmigt werde; der bestellte Sachwalter sei daher zu einer solchen Erklärung aufzufordern. Da das Erstgericht im vorliegenden Fall zwar die (oben angeführten) Beschlüsse zugestellt, jedoch dem Sachwalter weder einen Auftrag erteilt noch zu dessen Erfüllung eine Frist gesetzt habe, könne in der Unterlassung der Erhebung von Rechtsmitteln durch den Sachwalter auch keine Genehmigung erblickt werden.

Der Revisionsrekurs der betreibenden Parteien ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz nicht zulässig, weil dessen Entscheidung mit der Rsp des Obersten Gerichtshofs in Einklang steht.

Rechtliche Beurteilung

Auch im Exekutionsverfahren ist das Vorliegen der Partei- und Prozessfähigkeit der Parteien unabdingbare Voraussetzung für die Durchführung des Verfahrens. Diese Prozessvoraussetzungen sind von Amts wegen wahrzunehmen. Wie im Prozess hat das Gericht in erster Linie einen Heilungsversuch (nach § 6 Abs 1 und 2 ZPO iVm § 78 EO) vorzunehmen (3 Ob 213/98i; 3 Ob 183/99d, je mwN; Fucik in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 78 Rz 3; Jakusch in Angst, EO, § 3 Rz 4; Rechberger/Oberhammer, EO4 Rz 33). § 6 Abs 1 ZPO normiert die Pflicht der Gerichte, den Mangel der Prozessfähigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen. § 6 Abs 2 ZPO statuiert darüber hinaus, soweit der Mangel der Prozessfähigkeit beseitigt werden kann, zwingend die Verpflichtung, die hiezu erforderlichen Aufträge zu erteilen und zu deren Erfüllung von Amts wegen eine angemessene Frist zu bestimmen, bis zu deren fruchtlosen Ablauf der Anspruch über die Rechtsfolgen des Mangels aufgeschoben bleibt (Schubert in Fasching/Konecny² § 6 ZPO Rz 15; Fucik in Rechberger² § 6a ZPO Rz 3; Feil in Feil/Kroisenbrunner, § 6 ZPO Rz 23). Für die Vergangenheit hat das Prozess- oder hier das Exekutionsgericht die Prozessfähigkeit der Parteien jedenfalls selbst zu prüfen (8 Ob 2185/96y = SZ 71/97; 3 Ob 213/98i [Exekutionsverfahren]; RIS-Justiz RS0110082; Schubert aaO § 6a Rz 1; Fucik aaO § 6a Rz 1), für die Zukunft ist nach § 6a ZPO die Entscheidung des Pflegschaftsgerichts maßgebend, wobei hier nach § 110 JN die Verpflichteten - offenbar wegen ihres gewöhnlichen Aufenthalts in Österreich - der inländischen Pflegschaftsgerichtsbarkeit unterliegen.

Dass entgegen den Ausführungen der Revisionsrekurswerber durch die kommentarlos und ohne Setzung einer Äußerungsfrist erfolgte Zustellung der oben angeführten Beschlüsse an den für die Verpflichteten gemäß § 1896 dBGB bestellten Betreuer keine Rechtsmittelfristen in Gang gesetzt worden, ist in Wahrheit nicht zu bezweifeln, normiert doch § 6 Abs 2 ZPO ausdrücklich, dass bis zum fruchtlosen Ablauf der zur Erfüllung des erteilten Auftrags gesetzten Frist der Ausspruch über die Rechtsfolgen des Mangels aufgeschoben bleibt. Vielmehr hätte nach Bestellung eines Sachwalters (in casu eines Betreuers nach dem deutschen Personalstatut der Verpflichteten) diesem - unter der Voraussetzung, dass eine Prozessunfähigkeit auch für die Vergangenheit vorliege, was das Erstgericht zu prüfen haben wird, wie das Gericht zweiter Instanz zutreffend ausführte, wäre doch sonst die neuerliche Zustellung der Beschlüsse an den Betreuer ohne jede Bedeutung - eine erstreckbare Frist zur Beurteilung gewährt werden müssen, ob er das bisherige Verfahren genehmige (Schubert aaO § 6a ZPO Rz 9; Fucik aaO Rz 5). Demgemäß erfordert die Sanierung des

September 2005, die Handlungen im ... Exekutionsverfahren als nichtig

aufzuheben und das Versteigerungsverfahren unter Einhaltung der

gesetzlichen Vorschriften ... abzuwickeln, klar zum Ausdruck und

erhob er auch kein die Nichtigkeit des Verfahrens unerwähnt lassendes Rechtsmittel.

Eine im Exekutionsverfahren unzulässige Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 58 Abs 2 EO) ist hier nicht Verfahrensgegenstand. Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.

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