OGH 3Ob82/90

OGH3Ob82/9017.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef S***, Tankwart, Zwettl, Karl-Hagl-Straße 24/7/1, vertreten durch Dr. Franz Pruckner, Rechtsanwalt in Zwettl, wider die beklagten Parteien

1) mj. Ilona S***, geboren am 11.Juli 1973, und 2) mj. Raffal (Rafal) S***, geboren am 12.April 1976, 43-100 Tychy ul. Baziowa 7/11, Polen, vertreten durch Dr. Ernst Pölzl, Rechtsanwalt in Gmünd, Niederösterreich, wegen Einwendungen nach § 35 EO gegen einen Unterhaltsanspruch, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgerichtes vom 12.April 1990, GZ 1 b R 167/89-13, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Zwettl vom 27.Oktober 1989, GZ C 317/89 -8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1 den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Revision werden die Urteile der Vorinstanzen im Ausspruch über das Klagebegehren auch der Anspruch der beklagten Parteien aus dem Urteil des Bezirksgerichtes Mikolow sei erloschen, aufgehoben und die Klage in diesem Umfang zurückgewiesen.

2) zu Recht erkannt:

Im übrigen wird der Revision Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, der Anspruch der beklagten Parteien aus dem Vergleich des Bezirksgerichtes Schrems vom 9.1.1985, Nc 56/84-3, sei erloschen, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen vierzehn Tagen die mit 3.322,18 S bestimmten Kosten des Verfahrens in erster Instanz (darin 553,70 S Umsatzsteuer), die mit 7.167,86 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 1.194,64 S Umsatzsteuer) und die mit 3.622,08 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 603,68 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist der eheliche Vater der beiden beklagten Kinder. Die Streitteile sind polnische Staatsangehörige. Der Kläger hat seinen ständigen Aufenthalt seit mehreren Jahren in Österreich. Die Kinder halten sich in Polen auf.

Am 9.1.1985 verpflichtete sich der Kläger in einem gerichtlichen Vergleich vor einem österreichischen Bezirksgericht ua, den beklagten Parteien den rückständigen Unterhalt für die Zeit vom 1.3.1984 bis 31.12.1984 von 4.000 S für die Erstbeklagte und 3.000 S für den Zweitbeklagten und ab 1.1.1985 einen laufenden Unterhalt von 400 S für die Erstbeklagte und 300 S für den Zweitbeklagten zu zahlen.

Zur Hereinbringung des Rückstandes für beide Kinder von 10.850 S für die Zeit vom 1.3.1984 bis 31.7.1989 angerechnet für die Zeit vom 15.4. 1988 bis 31.7.1989 und des laufenden Unterhalts ab 1.8.1989 von 400 S bzw 300 S monatlich wurde zu Gunsten der beiden beklagten Parteien zu E 467/89 des Erstgerichtes eine Lohnpfändungsexekution bewilligt und vollzogen.

Mit Urteil des polnischen Bezirksgerichtes Mikolow vom 3.12.1986 wurde die Ehe des Klägers geschieden und der Kläger verpflichtet, den beiden beklagten Parteien anstelle der bisher mit Urteil desselben Gerichtes vom 7.9.1977 festgesetzten Alimente einen monatlichen Unterhaltsbetrag von je 5.000 Zloty zu zahlen. Gestützt auf dieses Urteil erhob der Kläger gegen den zu E 467/89 betriebenen Unterhaltsanspruch Einwendungen nach § 35 EO und beantragte die Feststellung der Aufhebung des Unterhaltsanspruches aus dem Vergleich und aus dem Urteil des polnischen Gerichtes. Er machte geltend, daß durch das Urteil des polnischen Gerichtes die Verpflichtung aus dem Vergleich erloschen sei. Durch seine Zahlungen seien alle bisher offenen Unterhaltsverpflicchungen getilgt.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten vor allem ein, daß das polnische Urteil im Inland nicht vollstreckbar sei.

Die Zahlungen des Klägers stehen außer Streit. Würde der gerichtliche Vergleich vom 9.1.1985 nicht wirkungslos geworden sein, bestünde genau der zu E 467/89 betriebene Rückstand. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es vertrat die Rechtsansicht, daß mit Eintritt der Rechtskraft des polnischen Scheidungsurteiles der Vergleich seine Wirksamkeit

verloren habe. Beim geltenden Umrechnungskurs von 100 Zloty = 0,25 S

(früher = 0,35 S) habe der Kläger schon mehr bezahlt, als er schulde.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß der Unterhaltsanspruch aus dem polnischen Scheidungsurteil nur für die Zeit bis 31.7.1989 erloschen sei. Auf Grund einer Auskunft der österreichischen Nationalbank stellte es den Gegenwert der bezahlten 14.300 S mit 422.427 Zloty fest. Im übrigen billigte das Berufungsgericht die Rechtsansicht des Erstgerichtes, wonach der Vergleich durch das spätere Scheidungsurteil wirkungslos geworden sei. Aus den Bestimmungen des österreichisch-polnischen Vertrages BGBl 1974/79 ergebe sich nicht, daß dem polnischen Urteil die Anerkennung versagt werden müsse und daher der gerichtliche Vergleich auf jeden Fall wirksam bleibe. Auch das Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen BGBl 1961/294 stehe der Vollstreckung des polnischen Scheidungsurteiles nicht entgegen. So wie das Exekutionsgericht eine später ergangene Entscheidung des Außerstreitrichters beachten müsse, müsse es auch eine spätere Entscheidung des zuständigen polnischen Gerichtes berücksichtigen. Ob sich seit dem Vergleichsabschluß die Verhältnisse geändert haben sei daher nicht entscheidend, ebensowenig ob das polnische Gericht überhaupt Kenntnis von dem in Österreich abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich gehabt habe. Wenn auch die Exekution nur auf dem gerichtlichen Vergleich basiere, sei es trotzdem gerechtfertigt, auch das Erlöschen des Unterhaltsanspruches für die Zeit auszusprechen, in der nur mehr das polnische Urteil wirksam sei. Die Revision ist ungeachtet des 50.000 S an Geld nicht übersteigenden Entscheidungsgegenstandes zulässig, weil auch eine Oppositionsklage, die die Aufhebung eines betriebenen gesetzlichen Unterhaltsanspruches aus den im vorliegenden Fall geltend gemachten Gründen zum Inhalt hat, zu den im § 502 Abs 3 Z 1 ZPO angeführten familienrechtlichen Streitigkeiten zählt (§ 49 Abs 2 Z 2 JN). Die angeführten Bestimmungen gelten nicht nur für Urteile, mit denen ein Unterhaltsanspruch erstmals zuerkannt oder ein schon titulierter Unterhaltsanspruch erhöht oder herabgesetzt wird, sondern es sind alle Rechtsfragen des gesetzlichen Unterhaltsrechtes erfaßt (Petrasch, ÖJZ 1989, 747). Da zum strittigen Problem so weit ersichtlich bisher nur die unveröffentlichte Entscheidung 3 Ob 151/89 vorliegt, fehlt es auch nicht an der erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Entgegen der Beurteilung durch die Vorinstanzen verlor der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Unterhaltsvergleich für den inländischen Rechtsbereich seine Wirksamkeit nicht; denn der Anerkennung des Urteiles des polnischen Gerichtes steht Art 48 Abs 2 lit b des österreichisch-polnischen Rechtshilfevertrages BGBl 1974/79 entgegen. Danach ist die Anerkennung zu versagen, wenn ein gleicher, auf denselben Rechtsanspruch gestützter und dieselben Parteien betreffender Antrag in dem Vertragsstaat, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, Gegenstand einer Entscheidung in der Sache selbst war, auch wenn diese noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Mit dem gerichtlichen Vergleich wurde der Unterhalt nicht nur für eine bestimmte Zeit geregelt, sondern der Unterhaltsvergleich bezieht sich auch auf die Zeiträume, die jetzt Gegenstand des Urteiles des polnischen Gerichtes sind. Infolge der weitgehenden Gleichbehandlung von Urteilen und Vergleichen (Art 52 iVm Art 51 lit b des Abkommens) ist ein gerichtlicher Vergleich wie eine "Entscheidung" im Sinne des Art 48 des Abkommens vollstreckbar. Die vom Berufungsgericht angestellten Überlegungen könnten, wenn überhaupt, nur dann zum Tragen kommen, wenn mit einem Urteil eines polnischen Gerichtes wegen Änderung der Verhältnisse eine bisher geltende österreichische Entscheidung abgeändert worden wäre, wofür es im vorliegenden Fall an Anhaltspunkten fehlt. Der Kläger hat daher weiterhin den im österreichischen Exekutionstitel festgelegten Unterhaltsanspruch zu erfüllen, und der aus dem gerichtlichen Vergleich ersichtliche Unterhaltsanspruch ist nicht durch die nachfolgende Unterhaltsregelung im Urteil des Bezirksgerichtes Mikolow herabgesetzt worden (ebenso kürzlich 3 Ob 151/89). Da die beklagten Partei bei ihrer Exekutionsführung alle vom Kläger geltend gemachten Zahlungen berücksichtigt haben, taucht nicht das Problem auf, ob etwa nur in Erfüllung des polnischen Urteiles geleistete Zahlungen auf die im gerichtlichen Vergleich festgelegte Verpflichtung anzurechnen wären. Ebenso erübrigt sich ein Eingehen auf die Problematik des polnischen Devisenrechtes (vgl dazu etwa Gralla, Das polnische Devisenrecht RIW 1989, 23; Passauer in FamRZ 1990, 14), das besonders bei von den beklagten Parteien nicht angenommenen Zahlungen von Zloty-Beträgen (wie dies noch im früheren Exekutionsverfahren E 5/86 behauptet wurde) von Bedeutung wäre.

Unzulässig war es allerdings, Einwendungen nach § 35 EO auch gegen den durch das polnische Gericht festgesetzten

Unterhaltsanspruch zu erheben, auf den sich die bekämpfte Exekution

nicht bezog; denn Voraussetzung einer Oppositionsklage ist ua, daß

wegen des strittigen Anspruches ein Exekutionsverfahren "im Zuge" ist. Eine Umdeutung der Oppositionsklage in ein gewöhnliches Feststellungsbegehren kommt hier schon wegen der hiefür fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit nicht in Betracht. In diesem Umfange war daher das Klagebegehren zurückzuweisen, im übrigen waren jedoch die Urteile der Vorinstanzen iS einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 50 ZPO iVm § 43 Abs 2 ZPO.

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