Spruch:
Gültigkeit eines vom Nichteigentümer als Bestandgeber abgeschlossenen Bestandvertrages.
Entscheidung vom 1. Dezember 1954, 3 Ob 792/54.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Dem Kläger wurde mit Bescheid der Gemeindeverwaltung der Stadt Wien vom 6. Juni 1945 die Bewilligung zur vorläufigen Benützung des bisher von Viktor H. gepachteten Kleingartengrundstückes Nr. 88, Gruppe B, des Kleingartenvereines R. erteilt, auf welchem Grundstück, das im Eigentum der Gemeinde Wien steht, sich ein Siedlungshäuschen befindet. Die Benützungsbewilligung wurde vom Bundesministerium für soziale Verwaltung aufgehoben, gleichzeitig aber rechtskräftig ausgesprochen, daß der zwischen dem Kleingartenverein R. und dem Viktor H. abgeschlossene Pachtvertrag nach den Bestimmungen des XV. Hauptstückes des NSG. 1947 aufgelöst sei. Nach Aufhebung der Benützungsbewilligung schloß der Kläger mit dem Kleingartenverein R. einen Pachtvertrag über das erwähnte Grundstück und nahm es auch in Benützung.
Der Kläger begehrt nun die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 8.500 S samt Anhang mit der Begründung, er habe mit dem Beklagten im Dezember 1950 einen Bestandvertrag des Inhaltes abgeschlossen, daß er dem Beklagten gegen einen monatlichen Mietzins von 250 S das im erwähnten Siedlungshaus befindliche Zimmer, zum Teile möbliert, mit Nebenräumen vermiete. Der Beklagte, der auch derzeit noch das Zimmer samt Nebenräumen bewohne, habe lediglich den Mietzins für den Monat Jänner 1951 bezahlt, seither aber nichts mehr und schulde daher den Klagsbetrag.
Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß nach den Statuten des Kleingartenvereines R. ein ausgeschlossenes oder ausgetretenes Mitglied des Vereines nicht das Recht auf Entfernung seiner Aufwendungen (das ist im vorliegenden Fall des Siedlungshauses), sondern nur auf Entschädigung der gemachten Aufwendungen im Rahmen einer von der Schätzungskommission des Vereines festzulegenden Summe besitze. Es sei daher Viktor H. nicht Eigentümer des Superädifikates, ebenso aber auch nicht der Kläger. Nach den Statuten des Kleingartenvereines sei eine Untervermietung oder Unterverpachtung ausgeschlossen.
Mit der Unterwerfung unter die Satzungen des Vereines hätten diese für den Kläger nicht nur vertragsmäßige, sondern auch Gesetzeskraft erlangt. Der Kläger sei daher nicht berechtigt, das auf dem gepachteten Grundstück errichtete Siedlungshäuschen unterzuvermieten, da dies gegen die Vereinssatzungen vorstoße. Überdies sei der Bestandvertrag auch wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig, weil der Kläger nur 200 S jährlich an Pacht für das Haus dem Verein bezahle und vom Beklagten das 15fache Entgelt verlange.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Prozeßgerichtes mit Teilurteil dahin ab, daß der Beklagte schuldig erkannt werde, dem Kläger den Betrag von 8010 S samt Anhang zu bezahlen, hob es hinsichtlich des weiteren Betrages und im Kostenausspruch auf und verwies die Rechtssache im Umfange der Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht zurück. Es vertrat die Ansicht, daß die Frage, ob der Kläger Eigentümer des Siedlungshäuschens sei, keine rechtliche Bedeutung habe, weil auch der von einem Unberechtigten abgeschlossene Bestandvertrag über eine fremde Sache gültig sei. Der Kläger habe lediglich die Möglichkeit, falls er an den Vertrag nicht länger gebunden sein wollte, diesen wegen Irrtums oder aus dem Rechtsgrunde der Gewährleistung anzufechten, müßte aber dann den Bestandgegenstand dem Kläger geräumt übergeben. Solange er in der Benützung des Bestandgegenstandes fortfahre, verzichte er stillschweigend auf eine Anfechtung des Vertrages und könne daher dem Kläger gegenüber den Abschluß einer neuen Vereinbarung mit H. über die Benützung des Hauses nicht geltend machen. Aus einem statutenmäßigen Verbot der Überlassung der Kleingartennutzung könne die Unwirksamkeit des Bestandvertrages zwischen den Parteien nicht abgeleitet werden. Eine Einwendung, daß der Vertrag wegen Wuchers ungültig sei, habe der Beklagte gar nicht erhoben. Es sei daher dem Klagebegehren hinsichtlich eines Betrages von 8010 S stattzugeben; hinsichtlich des Restbetrages sei das Verfahren noch nicht spruchreif, da das Prozeßgericht über die Einwendung des Beklagten, daß er insgesamt 740 S an Mietzins bezahlt habe, keine Erörterungen und Feststellungen vorgenommen habe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Aus dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht die Revision zunächst geltend, die Untervermietung der vom Beklagten benützten Räume verstoße gegen eine Bestimmung der Satzungen des Kleingartenvereines R. und sei daher gemäß § 879 ABGB. nichtig.
Abgesehen davon, daß nur ein gegen ein gesetzliches Verbot verstoßender Vertrag gemäß § 879 Abs. 1 ABGB. nichtig ist, die Inbestandgabe dem Kläger aber nur durch die Vereinsstatuten verboten wurde, daher schon aus diesem Gründe § 879 Abs. 1 ABGB. nicht zur Anwendung kommen kann, wirkt dieses in den Statuten enthaltene Verbot lediglich zwischen den Vertragspartnern, das ist in diesem Falle zwischen dem Kleingartenverein R. und dem Kläger und es könnte nur der Kleingartenverein Rechte aus dieser Bestimmung der Vereinsstatuten gegen den Kläger geltend machen. Der Beklagte kann aus diesem Verbot, mag es ihm bekannt gewesen sein oder nicht, überhaupt keine Rechte oder Ansprüche gegen den Kläger ableiten und ist, solange der Bestandvertrag besteht, dem Kläger gegenüber zur Erfüllung der sich aus diesem Vertrag ergebenden Verpflichtungen ohne Rücksicht auf das zwischen dem Kleingartenverein und dem Kläger vereinbarte Verbot der Untervermietung oder Unterverpachtung verpflichtet. Im übrigen könnte der Beklagte, wie bereits das Berufungsgericht richtig erkannt hat, die Unwirksamerklärung des Bestandvertrages nur Zug um Zug gegen Rückstellung des Bestandobjektes und Entrichtung des Mietzinses bis zur Rückstellung begehren, da er gemäß § 878 ABGB., welche Gesetzesstelle nach der Rechtsprechung auch für den Fall einer Vertragsaushebung nach § 879 ABGB. gilt, all das zurückstellen müßte, was er aus dem Vertrag zu seinem Vorteil erhalten hat. Der Beklagte hat im übrigen die Unwirksamkeit des Bestandvertrages in erster Instanz gar nicht geltend gemacht.
Aus dem gleichen Revisionsgrunde wendet sich die Revision schließlich gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der Kläger, auch wenn er nicht Eigentümer des Bestandobjektes sei, mit dem Beklagten einen gültigen Bestandvertrag habe abschließen können. Die Ansicht der Revision, daß ein vom Nichteigentümer abgeschlossener Bestandvertrag unwirksam oder ungültig sei, ist rechtsirrig. Das Gesetz bestimmt keineswegs, daß ein Mietvertrag nur vom Eigentümer des Bestandgegenstandes abgeschlossen werden könne. Einen Mietvertrag kann auch der Verwahrer, der Prekarist, der Mieter oder Pächter selbst abschließen, wie sich aus der Bestimmung des § 1098 ABGB. eindeutig ergibt. Der Umstand, daß der Verwahrer, Prekarist, Mieter oder Pächter nicht berechtigt ist, die ihm in Verwahrung oder in Bestand gegebene oder geliehene Sache zu vermieten, hat auf die Rechtswirksamkeit des vom Nichteigentümer abgeschlossenen Bestandvertrages im Verhältnis zwischen den Vertragspartnern keinen Einfluß (JBl. 1936, S. 83; 1 Ob 398/53; 1 Ob 688/54; 3 Ob 664/52). Es ist auch ohne rechtliche Bedeutung, ob der Kläger Mieter oder Pächter des Siedlungshäuschens ist, da er jedenfalls dem Beklagten Räume in seinem Bestandobjekt in Bestand gegeben hat, weshalb der Beklagte verpflichtet ist, den zwischen ihm und dem Kläger vereinbarten Bestandzins dem letzteren so lange zu entrichten, als er das Bestandobjekt benützt.
Was schließlich die Behauptung der Revision anlangt, daß der Kläger mit dem Beklagten einen Bestandvertrag abgeschlossen habe, ohne über das Bestandobjekt verfügen zu können, so kann auf diese Behauptung schon deshalb kein Bedacht genommen werden weil die Untergerichte nicht festgestellt haben, daß der Kläger über das Bestandobjekt nicht verfügen konnte, sich aus ihren Feststellungen vielmehr ergibt, daß der Kläger sowohl das Kleingartengrundstück als auch das auf diesem errichtete Siedlungshaus vom Kleingartenverein R. auf Grund eines nach Aufhebung der vorläufigen Benützungsbewilligung abgeschlossenen Pachtvertrages in Bestand und damit auch übernommen hat, so daß er in der Lage war, über das Bestandobjekt zu verfügen.
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