OGH 3Ob753/54

OGH3Ob753/5424.11.1954

SZ 27/301

Normen

UrhG §1
UrhG §1

 

Spruch:

In der bloßen Farbenzusammenstellung und Allgemeingestaltung bekannter Gebrauchsgegenstände liegt keine eigentümliche geistige Schöpfung nach § 1 UrhG.

Entscheidung vom 24. November 1954, 3 Ob 753/54.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger behauptet, er sei Inhaber einer Werkstätte für kunstgewerbliche Gegenstände und erzeuge seit fünf Jahren einen Limonadenkrug, gläsern, zylinderförmig, mit Mundstück, in dessen Mittelteil ein Lederband befestigt sei, an welchem sich ein Metallgriff zur Bedienung befinde, weiters einen Gläserhalter, bestehend aus einer Metallschiene, an deren beiden Enden sich Metallhandgriffe zur Bedienung befinden, an welchem mindestens sechs hölzerne, in Form von Trinkgläsern hergestellte Aufbauten angebracht sind, über die die benötigten Trinkgläser gestülpt und so transportiert werden können. Diese Gegenstände seinen ausschließlich kunstgewerblichen Interessen gewidmet und ausschließlich geistiges Eigentum des Klägers. Die Beklagte mache diese Gegenstände nach und bringe sie unter ihrem Namen in den Verkehr. Sie habe bei der Frühjahrsmesse 1953 in Frankfurt die fälschliche Auskunft erteilt, sie erzeuge bereits seit langem diesen Limonadenkrug. Diese Handlungsweise verstoße gegen die guten Sitten im Wettbewerb. Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Erzeugung und den Vertrieb von Gläsergestellen und Mixkrügen mit Lederringen und Messinghalter, welche der Form und Gestaltung nach Nachahmung des Gläsergestelles wie Beilage E) und des Mixkruges mit Lederring und Messinghalter wie Beilage D) und insbesondere den Vertrieb von Gläsergestellen und Mixkrügen wie Beilage 2 und 3 zu unterlassen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit Teilurteil ab.

Die verwendeten Gläser seien gebräuchliche Filtrierstutzen und einfache Trinkgläser gebräuchlicher Form. Beide Gläserarten könnten daher nicht Gegenstand eines Rechtes auf Alleinverwendung durch den Kläger sein. Der Lederring mit dem Messinghalter und der Gläserständer seien auf der Grundidee längst bekannter Geräte beruhende, für den Luxusgebrauch bestimmte Gegenstände. Die Frage, ob in dem Lederring mit Messinghalter und in dem Gläserständer in der Form, wie diese Gegenstände hergestellt werden, eigentümliche geistige Schöpfungen im Sinne des § 1 Urheberrechtsgesetz, vorliegendenfalls also auf dem Gebiete des Kunstgewerbes, zu erblicken seien, sei zu verneinen. Es seien einfache technische Ausführungen der längst bekannten, bei Gebrauchsgegenständen angewendeten Ideen. Es mag sein, daß in der einfachen technischen Ausführung eine persönliche Note des Klägers liege. Aber bloße technische Ausführungen seien nicht Gegenstand des Urheberrechtsschutzes. Durch die besondere Ausführung werden diese Gegenstände vielleicht zu Luxusgegenständen, nicht aber zu Werken der Kunst. Eine die Form, Farbenzusammenstellung, proportionierte Gestaltung, bei sonst keine künstlerische Note tragende Ausführung von Gebrauchsgegenständen allein stelle keine eigentümliche geistige Schöpfung auf dem Gebiete der Kunst dar. Es liege aber auch kein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vor, die von der Beklagten erzeugten Gegenstände stellten wohl eine Nachahmung der den klägerischen Gegenständen zugrunde liegenden Idee und auch eine gewisse Nachahmung der technischen Ausführung dar. Diese Nachahmung sei aber nicht verwechslungsfähig.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Teilurteil.

Die Revision blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt der Kläger vor allem darin, daß der Sachverhalt in der Richtung des § 1 Urheberrechtsgesetz geprüft worden sei. Die bestimmte Formgebung und die in ihr liegende eigentümliche Idee lasse den Gegenstand als kunstgewerbliche Schöpfung erkennen, ohne daß zugleich eine Aussage über ihre Eignung nach § 1 Urheberrechtsgesetz gemacht werden müsse. Die Sittenwidrigkeit dieser Nachahmung liege nicht bloß im sklavischen Nachbau bereits gegebener Vorwürfe, sondern in der Ausnützung einer fremden Arbeitsleistung, insbesondere fremden Tätigkeitserfolges. Die Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes bedeute rundweg die Ablehnung jeglichen Rechtsschutzes für kunstgewerbliche, Formalschutz nicht genießende Erzeugnisse, weil eine sklavische Nachahmung in der Praxis kaum vorkommen wird und eine solche bei geringfügigen Änderungen auch auszuschließen wäre. Der bestellte Sachverständige habe ausdrücklich erklärt, daß es sich vorliegend um eine eigentümliche geistige Schöpfung nach dem Urheberrecht handle. Dieses Gutachten habe umso größere Bedeutung, als die Gestaltung der strittigen Gegenstände einer relativ jungen Kunstrichtung folge, deren sichere Beurteilung ausschließlich Fachkreisen offen sei. Verfehlt sei auch, die Äußerung bei der Frankfurter Messe gesondert zu betrachten. Nur die gemeinsame Betrachtung des gemeinsamen Urteilsbegehrens lasse eine richtige Beurteilung zu, weil die Berühmung ein Nebenumstand sei, der die Nachahmung unsittlich mache.

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Wenn sich der Kläger vor allem gegen die Zulässigkeit des Teilurteiles wendet, sind seine Ausführungen schon deshalb nicht zu beachten, weil es sich hiebei nur um die unrichtige Anwendung von Prozeßgesetzen handelte, welcher Umstand aber nur mit dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht werden könnte, der nicht erhoben wurde. Es braucht daher auch auf die Frage, ob die Erlassung eines Teilurteiles überhaupt anfechtbar ist, nicht weiter eingegangen zu werden.

Da der Kläger als unrichtige rechtliche Beurteilung rügt, daß der Sachverhalt auch nach § 1 Urheberrechtsgesetz geprüft wurde, er damit zu erkennen gibt, daß ein Schutz nach diesem Gesetz gar nicht begehrt wird, erübrigt es sich, auf die Frage der eigentümlichen geistigen Schöpfung näher einzugehen. Den Untergerichten ist aber in dieser Frage auch kein Rechtsirrtum unterlaufen. Wie die erläuternden Bemerkungen zum Urheberrechtsgesetz bereits anführen, ist es nicht Aufgabe dieses Gesetzes, allen Ergebnissen schöpferischer, geistiger Tätigkeit den weitgehenden urheberrechtlichen Schutz zu gewähren. Eine solche Ausdehnung des Formalschutzes müßte dazu führen, wie der Revisionswerber zutreffend ausführt, daß die Gestaltung einer Auslage, der Schnitt eines Kleidungsstückes, die sicherlich auch geistige Schöpfungen sind, einem Schutze unterstellt werden müßten. Nicht schutzfähig ist die künstlerische Form als solche, der Stil, die Manier oder Technik. Die persönliche Note des Klägers liegt aber nach den Ausführungen des Sachverständigen in der Harmonie der Gestaltung (Farbe des Lederringes, Farbe des Bambusrührers, Farbe der Holzklötze und Farbe des Messings). Die schöpferische Tätigkeit des Klägers liegt somit nur in der sicherlich gefälligen Farbenzusammenstellung und Allgemeingestaltung durchaus bekannter Gebrauchsgegenstände. Darin ist aber, wie das Berufungsgericht richtig ausführt, noch keine eigentümliche geistige Schöpfung, die Form eines Gedankens, eine aus dem innersten Wesen des geistig Schaffenden fließende geistige Formung zu erblicken. Einer solchen schöpferischen, geistigen Tätigkeit kommt der Schutz des Urheberrechtsgesetzes nicht zu.

Am Rande sei vermerkt, daß bei Annahme eines Urheberrechtsschutzes für diese geistige Schöpfung von einer Nachahmung durch den Beklagten nicht gesprochen werden könnte, weil ja gerade diese persönliche Note die "Harmonie der Gestaltung", wie sich der Sachverständige ausdrückt, bei den Erzeugnissen der Beklagten völlig zu vermissen ist.

Beizupflichten ist den Ausführungen der Revision hingegen, daß auch dann, wenn ein Erzeugnis formalrechtlichen Schutz nicht genießt, es noch nicht schutzlos sein muß, weil in der Nachahmung dieses Erzeugnisses ein Verstoß gegen das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb gelegen sein kann. Die Untergerichte haben auch mit Recht einen derartigen Schutz abgelehnt. Der Revisionswerber stützt sich bei seinen Ausführungen auf das Schlagwort der Ausbeutung eines mit Mühe und Kosten errungenen Arbeitsergebnisses. Tatsächlich hat dieser Rechtsstandpunkt der Revision in der deutschen Judikatur vielfach Eingang gefunden und dazu geführt, daß Monopolrechte minderen Grades im Wege des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb geschaffen wurden, auch dort, wo eine Verwechslungsgefahr überhaupt nicht besteht. Vom Obersten Gerichtshofe wurde dies stets abgelehnt. Niemand kann Ausschließlichkeitsrechte beanspruchen, wenn sie ihm nicht vom Gesetze eingeräumt werden. Wo keine gesetzlichen Monopolrechte bestehen, kann niemals eine sittenwidrige Handlung schon darin erblickt werden, daß ein Wettbewerber das, was ein anderer Wettbewerber geschaffen hat, nachbildet. Die Sittenwidrigkeit könnte nur in der Absicht liegen, eine Verwechslung der Produkte oder Unternehmungen hervorzurufen oder in der Art, wie der Wettbewerber sich in den Besitz der nachgebildeten Sache setzte oder dergleichen. Nichts von alledem ist im vorliegenden Falle festzustellen. Die Untergerichte stellten ausdrücklich fest, daß nach den zahlreichen Unterschieden der beiden Erzeugnisse eine Verwechslungsgefahr nicht besteht. Wie bereits oben ausgeführt, fehlt den Erzeugnissen der Beklagten die vom Sachverständigen hervorgehobene persönliche Note der klägerischen Erzeugnisse völlig. Wie der Augenschein ergibt, wird in dem Erzeugnis der Beklagten niemand ein Erzeugnis des Klägers vermuten. Aber auch wenn die Beklagte bei der Frankfurter Messe sich berühmt hätte, diese Gegenstände schon lange Jahre zu erzeugen - worüber noch Feststellungen fehlen - könnte dies die Nachahmung als solche noch nicht als unlauter erscheinen lassen.

Wenn hingegen der Sachverständige angegeben hat, daß eine solche Nachahmung in Branchenkreisen als verwerflich gelte, hat er unzulässigerweise zu einer Rechtsfrage Stellung genommen. Ob etwas gegen die guten Sitten verstößt, entscheidet ausschließlich das Gericht. Wie die Untergerichte mit Recht zum Ausdruck gebracht haben, würde die Untersagung einer Nachahmung von Neuerungen, die sich anderswo bewährt haben und die nicht geeignet sind, eine Verwechslung herbeizuführen, Gegenstände, die keinen Formalschutz genießen, einen weitergehenden Schutz angedeihen lassen, vor allem in zeitlicher Hinsicht, als formalgeschützten Werken zukommt, und sich damit, entgegen dem Sinne des unlauteren Wettbewerbsgesetzes, fortschritthemmend auswirken.

Dem Berufungsgericht ist somit ein Rechtsirrtum nicht unterlaufen.

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