OGH 3Ob74/14z

OGH3Ob74/14z25.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** AG, *****, vertreten durch Mag. Herwig Wünsch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei I*****, vertreten durch Mag. Michael Kadlicz, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen 12.540,76 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 6. Februar 2014, GZ 18 R 107/13h‑29, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 14. Juni 2013, GZ 14 C 774/12h‑24, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E107959

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass das die Klage abweisende Urteil erster Instanz samt der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.002,50 EUR bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten 333,75 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Mitglied des von der Klägerin betriebenen Barter‑Pools in Anspruch. Die Beklagte habe laufend Dienstleistungen und Waren über die Barter‑Verrechnung bezogen, sei umgekehrt aber nicht bereit gewesen, selbst Dienstleistungen ihres Unternehmens mit Barter‑Verrechnung zu erbringen. Die beiden Barter‑Konten der Beklagten würden daher einen Negativsaldo in Höhe des Klagsbetrags aufweisen. Gemäß Art 9 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei jede einzelne Belastung der Konten aufgrund bezogener Leistung oder Lieferung binnen neun Monaten ab Buchungsdatum mit eigener Lieferung oder Leistungen auszugleichen, anderenfalls sei der Teilnehmer verpflichtet, binnen 21 Tagen die in Geld ausgedrückte Überdeckung bar einzuzahlen. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte nicht nachgekommen. Der Verjährungseinwand der beklagten Partei gehe ins Leere, da die allgemeine Verjährungsfrist 30 Jahre gelte.

Die Beklagte bestritt eine rechtswirksame Zahlungsverpflichtung und wendete auch Verjährung ein. Die Fälligkeit der gegenständlichen Forderung sei spätestens im April 2007 eingetreten. Die Klagseinbringung im Jahr 2012 sei daher verspätet.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Ablaufs der kurzen Verjährungsfrist (§ 1486 Z 1 ABGB) ab. Es traf dazu ‑ über die Wiedergabe einzelner Artikel der AGB der Klägerin hinaus ‑ folgende Feststellungen: „Die Beklagte - unter ihrem früheren Familiennamen [...] ‑ und ihr nunmehriger Ehemann [...] unterfertigten am 13. 01. 2005 eine Beitrittserklärung zu der von der klagenden Partei betriebenen Barter‑Plattform (./A) unter der Bezeichnung '[...]'. Ob das Verrechnungskonto ./B [...] mit der Nummer ***** oder das Verrechnungskonto ./C [...] mit der Nummer ***** der Beitrittserklärung zugeordnet ist, oder beide, kann nicht festgestellt werden, ist aber auch unerheblich. Die letzte Buchung auf dem Konto ./B datiert vom 08. 07. 2006, auf dem Konto ./C vom 08. 05. 2007.“

Das Berufungsgericht gab der ausschließlich wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin Folge und hob das Ersturteil zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es vertrat die Rechtsansicht, die eingeklagte Forderung sei noch nicht verjährt, weil die Verjährungsfrist von 30 Jahren zur Anwendung komme. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, da zur Frage der Verjährung von Salden auf Verrechnungskonten innerhalb von Barter‑Systemen keine höchstgerichtliche Rechtsprechung existiere.

Dagegen erhob die Beklagte einen Rekurs mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils; es komme nicht die lange Verjährungsfrist zum Tragen.

Dem trat die Klägerin in ihrer Rekursbeantwortung entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils berechtigt.

1. Aus Anlass eines Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts hat der Oberste Gerichtshof nicht nur die aufgeworfene Rechtsfrage, sondern die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht in jeder Richtung zu überprüfen (RIS‑Justiz RS0043903 [T1]; RS0043934) und gegebenenfalls in der Sache selbst zu erkennen.

2. Es ist daher aufzugreifen, dass der Klägerin nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichts der ihr obliegende Nachweis, dass die eingeklagte Forderung gegenüber der Beklagten besteht, nicht gelungen ist. Da nicht festgestellt werden konnte, ob jene Verrechnungskonten, deren Negativsalden die Klägerin zum Gegenstand ihres Zahlungsbegehrens machte, der Beitrittserklärung der Beklagten zuzuordnen sind, blieb nämlich ungeklärt, ob die Beklagte die Schuldnerin des behaupteten Zahlungsanspruchs ist. Die Äußerung des Erstgerichts im Rahmen der Feststellungen, dies sei „aber auch unerheblich“, ändert daran nichts, weil es sich dabei um eine den Obersten Gerichtshof nicht bindende Rechtsmeinung handelt.

3. Diese Unklarheit zu den anspruchs-begründenden Tatsachen geht nach den allgemeinen Beweislastregeln (RIS‑Justiz RS0039936 ua) zu Lasten der Klägerin. Daher ist die Berechtigung der Klage schon deshalb zu verneinen, sodass die Verjährungsfrage nicht präjudiziell und hier nicht zu beantworten ist.

4. Aus diesem Grund ist das im Ergebnis richtige, die Klage abweisende Ersturteil samt der unbekämpft gebliebenen Kostenentscheidung wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

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