Spruch:
§ 27 WRG. stellt auch für eigenmächtig errichtete Wasserbenützungsanlagen keine besondere Schadenshaftung auf.
In allen drei Fällen des § 1311 ABGB. wird die Haftung aufgehoben, wenn der Schaden, wenngleich auf anderem Wege und in anderer Weise, auch sonst eingetreten wäre; die Beweispflicht hiefür obliegt dem Schädiger.
Entscheidung vom 13. November 1952, 3 Ob 687/52.
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Der Kläger begehrt die Verurteilung der beiden Beklagten zur ungeteilten Hand zur Bezahlung eines Betrages von 45.900 S aus dem Rechtsgrunde des Schadenersatzes mit der Begründung, der Erstbeklagte, der auf einem der Zweitbeklagten gehörigen Grundstücke eine Gärtnerei und eine Baumschule betreibe, habe eigenmächtig und ohne Erlaubnis der Wasserrechtsbehörde in den Jahren 1942 und 1949 den an das Grundstück angrenzenden Damm des Treffnerbaches durchstoßen und zwei künstliche Wassergerinne zum Zwecke der besseren Wasserversorgung und laufenden Bewässerung seines Betriebes geschaffen, indem er Rohrleitungen zur Bachsohle des Treffnerbaches legte, ohne den Damm wieder zu befestigen. Am 26. November 1949 habe der Treffnerbach Hochwasser geführt, an der vom Beklagten vorgenommenen Zuschüttung des Dammes den Damm durchbrochen und das bachabwärts gelegene Grundstück des Klägers, auf dem dieser eine Baumschule und Gärtnerei betreibt, überschwemmt, wodurch dem Kläger die in der Klage näher bezeichneten Schäden entstanden seien. Der Erstbeklagte sei deshalb auch der Übertretung nach § 120 WRG. schuldig erkannt worden. Er hafte für den durch sein Verschulden entstandenen Schaden, die Zweitbeklagte gemäß § 1315 ABGB. und überdies deshalb, weil sie dem Erstbeklagten die Verwaltung und Bewirtschaftung ihres Besitzes überlassen hatte und wußte oder wissen mußte, daß er die künstlichen Wassergerinne unbefugt angelegt habe.
Das Prozeßgericht erkannte mit Zwischenurteil zu Recht, daß der eingeklagte Anspruch dem Gründe nach nicht zu Recht bestehe, und wies für den Fall der Rechtskraft des Zwischenurteils das Klagebegehren ab. Es stellte auf Grund eines umfangreichen Beweisverfahrens und der Gutachten von drei Sachverständigen fest, daß zwar der Dammbruch im Bereich der vom Erstbeklagten im August 1949 angelegten Bewässerungsanlage eingetreten sei, ohne daß eine genaue Fixierung des Punktes, an welchem der Damm ursprünglich durchgebrochen ist, möglich sei, daß aber das Beweisverfahren keinen Anhaltspunkt dafür ergeben habe, daß der Dammbruch und die Überschwemmung des Grundstückes des Klägers mit Sicherheit durch die unbefugte Anlegung der Rohrleitungen entstanden sei, da zahlreiche andere Möglichkeiten bestunden, die den Bruch des Dammes verursacht haben könnten.
Der Erstbeklagte sei zwar wegen der unbefugten Anlegung der Rohrleitungen gemäß § 120 Abs. 1 WRG. von der Wasserrechtsbehörde bestraft worden und würde daher nach § 1311 ABGB. für den verschuldeten Zufall, der in der Hochwasserkatastrophe im Zusammenhange mit der unbefugten Anlegung der Rohrleitungen zu erblicken sei, haften, aber nur dann, wenn der Schaden nicht auch sonst, obgleich auf anderen Wegen und in anderer Weise, eingetreten wäre. Da nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens aber der Damm auf jeden Fall, also auch ohne die durch den Erstbeklagten vorgenommene Anlegung von Rohrleitungen, geborsten und der dem Kläger entstandene Schaden auch dann eingetreten wäre, wenn der Erstbeklagte die Rechtswidrigkeit nicht begangen hätte, und eine Haftung nach § 27 WRG. gleichfalls nicht gegeben sei, bestehe das Klagebegehren nicht zu Recht.
Das Berufungsgericht gab der vom Kläger aus den Berufungsgrunden der unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Berufung nicht Folge.
Es übernahm die Beweiswürdigung und die tatsächlichen Feststellungen des Prozeßgerichtes und führte in rechtlicher Beziehung aus, es sei unbestritten, daß die unmittelbare Ursache der Schädigung des Klägers ein Elementarereignis von höherer Gewalt, also ein Zufall im Sinne des § 1311 ABGB., war. Der Erstbeklagte hafte also nur dann, wenn er ein Gesetz, das den zufälligen Beschädigungen vorzubeugen suche, übertreten habe, u. zw. für alle Nachteile, welche außerdem nicht erfolgt wären. Der Erstbeklagte habe zwar ein Gesetz, welches zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht, u. zw. das Wasserrechtsgesetz, dadurch übertreten, daß er unbefugt den Damm durchbohrte und Rohrleitungen durch diesen legte; es sei auch der aus der Übertretung des Schutzgesetzes entstandene Schaden für den Kläger voraussehbar gewesen und es falle ihm daher ein Verschulden zur Last. Der dem Kläger obliegende Beweis des Verursachungszusammenhanges - ein zwingender Beweis des Kausalzusammenhanges sei nicht erforderlich - sei gelungen. Doch sei gleichfalls erwiesen, daß der Damm auf jeden Fall geborsten und mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit durch das austretende Wasser am Grundstück des Klägers der gleiche Schaden eingetreten wäre, weshalb die Voraussetzungen für eine Haftung des Erstbeklagten nach § 1311 ABGB. nicht gegeben seien.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Beide Vorinstanzen haben festgestellt, daß zwar der vom Erstbeklagten vorgenommene Einbau der Wasserleitung die Ursache des Dammbruches an dieser Stelle gewesen sein könne, daß sich dies aber nicht mit 100%iger Sicherheit ersehen lasse, zumal auch zahlreiche andere Möglichkeiten bestunden, die den Dammbruch verursacht haben könnten, wie die Gänge von Wühltieren, die Schädigung der Sielhaut durch die von Wind verursachten Bewegungen des Wurzelwerkes größerer Gewächse und die damit einhergehende Lockerung des Erdreiches, die Schädigung der Sielhaut durch anstoßende, vom reißenden Hochwasser mitgeschleppte Holzstücke größeren Ausmaßes, und dergleichen. Diese Feststellungen finden ihre Grundlage in den Gutachten der vernommenen Sachverständigen und es kann daher von einem Widerspruch ebensowenig die Rede sein, wie von einem Verfahrensmangel.
Es beruht aber auch die Feststellung des Berufungsgerichtes, daß auch ohne die vom Erstbeklagten vorgenommene Durchbohrung des Dammes und Anlegung von Rohrleitungen der Damm an derselben Stelle geborsten und mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit durch das austretende Wasser am Grundstück des Klägers zumindest die gleichen Schäden eingetreten wären, nicht auf einem mangelhaften Verfahren. Denn das Prozeßgericht hat die gleiche Feststellung, u. zw. auf Grund des Gutachtens der Sachverständigen und der Aussage des Zeugen Ing. Sch. vorgenommen, ohne daß diese Feststellungen in der Berufung des Klägers bekämpft wurden, weshalb das Berufungsgericht diese Feststellungen ohne weiteres übernehmen konnte. Mängel des Berufungsverfahrens liegen somit nicht vor.
Aus dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpft die Revision die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß eine Haftung nach § 1311 ABGB. nicht bestehe, wenn der Schaden auch ohne die vom Beklagten vorgenommene Durchbrechung des Dammes und Anlegung der Rohrleitungen eingetreten wäre, mit der Behauptung, daß nach dem Grundsatz der konkurrierenden Verursachung die Haftung auch dann nicht aufgehoben werde, wenn der Schaden auch durch ein anderes Ereignis eingetreten wäre, und daß dies jedenfalls dann der Fall sei, wenn das andere Ereignis gar nicht eingetreten, sondern nur die Behauptung aufgestellt worden sei, dieses Ereignis wäre auch dann eingetreten, wenn der schuldbare Tatbestand vom Haftpflichtigen nicht gesetzt worden wäre. Sie stützt sich zur Begründung ihres Schadenersatzanspruches neuerlich auch auf die Bestimmung des § 27 WRG., die eine Erfolgshaftung statuiere.
Auch in dieser Richtung kommt der Revision keine Berechtigung zu.
Die Untergerichte haben festgestellt, es sei nicht mit Sicherheit erwiesen, daß der dem Kläger verursachte Schaden dadurch entstanden sei, daß der Erstbeklagte den Damm durchbohrt und Rohrleitungen gelegt habe, daß vielmehr auch andere Gründe für das Bersten des Dammes und die Überschwemmung des Grundstückes des Klägers herangezogen werden könnten. Es ist daher nicht festgestellt, daß eine widerrechtliche Handlung des Erstbeklagten den Schaden wirklich verursacht hat. Nur in letzterem Falle könnte aber eine konkurrierende Verursachung die Haftung des Erstbeklagten nach § 1295 ABGB. nicht aufheben. Da aber das schädigende Ereignis im vorliegenden Fall ein Naturereignis, nämlich das Hochwasser, somit einen Zufall darstellt, kommt für die Haftung des Erstbeklagten nur die Bestimmung des § 1311 ABGB. in Betracht, die eine Schadenersatzpflicht für verschuldeten Zufall dann vorsieht, wenn jemand den eingetretenen Zufall durch ein Verschulden veranlaßt, ein Gesetz, das den zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht, übertreten oder sich ohne Not in fremdes Geschäft gemengt hat, sofern der Schaden außerdem nicht eingetreten wäre. Wenn nun auch in dem Falle, als ein Schutzgesetz übertreten wurde, das zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht, keine Notwendigkeit besteht, die Unfallskausalität mit voller Strenge nachzuweisen, vielmehr derjenige, der das Schuldgesetz übertreten hat, für jeden Schaden haftet, dem das Schutzgesetz vorzubeugen sucht (Klang, Kommentar 1. Aufl., zu § 1311 ABGB., S. 81; Ehrenzweig, Obligationenrecht 1928, S. 43, Anm. 33; GlUNF. 7260, SZ. V/267; 2 Ob 535/50; 2 Ob 819/50; 3 Ob 701/50 u. a. m.), so besteht doch in allen drei Fällen des § 1311 ABGB. eine Einschränkung der Haftung dadurch, daß sie auf jeden Fall entfällt, wenn der Schaden, wenngleich auf anderem Wege und in anderer Weise, auch sonst eingetreten wäre; die Beweispflicht dafür, daß der Schaden auch ohne das rechtswidrige Verhalten eingetreten wäre, obliegt dem Schädiger (Klang, Kommentar 2. Aufl., zu § 1311 ABGB., S. 84; Ehrenzweig, Obligationenrecht 1928, S. 46; GlU. 10166; GlUNF. 2048, 7260; JBl. 1930, S. 478). Nun haben aber beide Untergerichte festgestellt, daß der Erstbeklagte diesen Beweis erbracht hat, indem sie auf Grund des Sachverständigengutachtens im Zusammenhalt mit anderen Ergebnissen des Beweisverfahrens angenommen haben, daß auch ohne die vom Erstbeklagten vorgenommene rechtswidrige Handlung der Durchbruch des Dammes und der entstandene Schaden durch das Hochwasser eingetreten wäre. Es liegt daher entgegen der Meinung der Revision nicht bloß eine Behauptung der Beklagten, sondern auch der Beweis dafür vor, daß der Schaden auch außerdem erfolgt wäre. Es haben deshalb die Untergerichte ohne Rechtsirrtum angenommen, daß eine Haftung nach § 1311 ABGB. nicht besteht, da der dem Kläger entstandene Schaden auch ohne die rechtswidrige Handlung des Erstbeklagten eingetreten wäre.
Es trifft den Erstbeklagten aber auch keine besondere Haftung nach § 27 WRG. Abgesehen davon, daß sich die Bestimmungen des § 27 WRG. nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut dieser Gesetzesstelle nur auf solche Schäden beziehen, die aus dem Bestand oder Betrieb einer Wasserbenützungsanlage entstanden sind, die Untergerichte aber nicht als bewiesen angenommen haben, daß die dem Kläger entstandenen Schäden mit Sicherheit auf den Bestand oder Betrieb der Wasserbenützungsanlage des Erstbeklagten zurückzuführen sind, hat nur die Bestimmung des ersten Absatzes des § 27 WRG. auf eigenmächtig angebrachte Wasserbenützungsanlagen Anwendung zu finden, während die übrigen Bestimmungen nur für solche Wasserbenützungsanlagen gelten, die rechtmäßig bestehen, also von der Wasserrechtsbehörde genehmigt wurden (Haager - Vanderhaag, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, S. 253; Hartig, Das Österreichische Wasserrecht, S. 80, Anm. 6), wobei auch in diesen Fällen gemäß Abs. 4 die Haftung für höhere Gewalt ausgeschlossen wird. Aus der Bestimmung des § 27 WRG. ergibt sich somit lediglich, daß für die Frage der Schadenersatzpflicht des Erstbeklagten nur die Vorschriften des 30. Hauptstückes des II. Teiles des ABGB. zur Anwendung zu kommen haben. Da aber, wie erörtert, eine Haftung nur nach § 1311 ABGB. in Betracht kommt, die sich aus dieser Gesetzesstelle ergebende Schadenersatzpflicht aber aus den bereits angeführten Gründen im vorliegenden Falle aufgehoben ist, weil der Schaden auch ohne die rechtswidrige Handlung des Erstbeklagten eingetreten wäre, fehlt dem geltend gemachten Schadenersatzanspruch die gesetzliche Grundlage, weshalb der Revision der Erfolg versagt bleiben mußte.
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