OGH 3Ob660/53

OGH3Ob660/534.11.1953

SZ 26/265

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §877
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §879
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §891
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §877
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §879
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §891

 

Spruch:

Sind mehrere Schuldner zur gesamten Hand aus einem nichtigen Rechtsgeschäft bereichert worden, so haften sie nicht als Schuldner zur gesamten Hand für die Herausgabe der Bereicherung. Jeder haftet nur bis zur Höhe der ihm zugeflossenen Bereicherung.

Entscheidung vom 4. November 1953, 3 Ob 660/53.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin hat das Begehren gestellt, die beklagte Partei zur Zahlung eines Betrages von 4750 S zu verurteilen, dies zunächst mit der Begründung, daß sie der beklagten Partei gemeinsam mit deren Ehegatten Mitte Juli 1949 einen Betrag von 9500 S geliehen habe, wobei sich beide Ehegatten zur ungeteilten Hand verpflichtet hätten, den dargeliehenen Betrag an die Klägerin zurückzuerstatten. Im Laufe des Verfahrens hat die Klägerin behauptet, daß sie nicht ein Darlehen gewährt hätte, sondern mit der Beklagten und deren Ehegatten einen Gesellschaftsvertrag im Sinne des § 1175 ABGB. zwecks gemeinschaftlichenBetriebes des Unternehmens der Beklagten geschlossen zu haben.

Auf Grund der Beweisergebnisse hat das Erstgericht festgestellt, daß dieKlägerin den bei ihr gemeinsam erschienenen Ehegatten P. in einem Briefumschlag 500 USA-Dollar im Jahre 1948 ohne devisenbehördliche Bewilligung einhändigte, daß sie dann einige Monate hindurch 250 S monatlich von der Beklagten und später deren Gatten ausbezahlt erhielt, daß nach einiger Zeit die Klägerin 200 Dollar zurückerhielt und der Gatte der Beklagten den halben Gegenwert für die restlichen 300 Dollar der Klägerin zurückzahlte. Das Erstgericht nahm an, daß es sich bei der Geldhingabe um ein den Ehegatten gemeinsam gewährtes Darlehen gehandelt habe, daß das Rechtsgeschäft aber gemäß § 22 Abs. 1 des Devisengesetzes nichtig gewesen sei. Das Erstgericht verurteilte, davon ausgehend, daß das Darlehen den Ehegatten P. je zur Hälfte gewährt worden sei, die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 2900 S, unterließ aber die Abweisung des Mehrbegehrens.

Das Berufungsgericht änderte auf die Berufung der beklagten Partei das Ersturteil im Sinne gänzlicher Abweisung des Klagebegehrens. Das Berufungsgericht nahm eine Solidarverpflichtung an und gelangte zu der Feststellung, daß die Klägerin unter Berücksichtigung der vom Gatten derBeklagten geleisteten Zahlungen schon mehr erhalten hätte, als der Wert der von ihr hingegebenen Dollarnoten, auf deren Rückstellung aus dem nichtigen Geschäft die Klägerin Anspruch habe, ausmacht.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge, hob die Urteile der beiden Untergerichte auf und wies die Rechtssache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In rechtlicher Hinsicht teilt der Oberste Gerichtshof die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß der Darlehensvertrag verboten und nichtig war und daß daher nach den analog anzuwendenden Grundsätzen des § 877 ABGB. aller Vorteil (aber auch nicht mehr) der Klägerin zurückzustellen sei.

Ob bei Gültigkeit des Darlehensvertrages die Ehegatten solidarisch zur Rückzahlung des Darlehensbetrages verbunden gewesen wären, kann auf sichberuhen. Denn die Klägerin vermag keinen Anspruch aus dem Darlehensgeschäft, sondern nur einen Anspruch auf Zurückstellung des Empfangenen nach den Grundsätzen des § 877 ABGB. geltend zu machen. Die Pflicht zur Herausgabe des auf Grund eines nichtigen Vertrages Erlangten beschränkt sich aber selbst bei Gesamtschuldnern auf das, worum jeder einzelne Schuldner bereichert worden ist. Die Meinung, daß als Gesamtschuld zurückgewährt werden müsse, was als Gesamtschuld empfangen wurde, ist abzulehnen. Sind auf einer Seite mehrere bereichert worden, so haften sie nicht als Gesamtschuldner, sondern anteilig. Jeder haftet nur in Höhe der ihm zugeflossenen Bereicherung.

Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, daß die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und die getroffenen Feststellungen derart mangelhaft sind, daß das Ersturteil an sich nicht bestehen könne. Wenn das Berufungsgericht trotzdem von einer Aufhebung des Ersturteiles Abstand genommen hat, so hat es dies nur unterlassen, weil es von der vom Revisionsgericht abgelehnten Annahme einer Solidarschuld ausgehend, unter Berücksichtigung der vom Gatten der Beklagten geleisteten Zahlungen den Rechtsstreit im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens für spruchreif hielt.

Da der Oberste Gerichtshof aber die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes über das Vorliegen einer Solidarverpflichtung nicht zu teilen vermag, müssen die vom Berufungsgericht bereits aufgezeigten, von ihm aber aus rechtlichen Erwägungen nicht beseitigten Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sowohl zur Aufhebung des Berufungsurteils als auch nach § 510 Abs. 2 ZPO. des Ersturteils führen.

Das Erstgericht wird festzustellen haben, wem das Darlehen gegeben wurde. Ist das Darlehen beiden Ehegatten gemeinsam gewährt worden, so wird festzustellen sein, wieviel jedem Ehegatten aus dem Darlehen zugeflossen ist und um welchen Betrag also die Beklagte bereichert worden ist. In diesem Zusammenhang werden auch die Leistungen der Beklagten an die Klägerin festzustellen sein und es wird hiebei insbesondere berücksichtigt werden müssen, ob 200 Dollar von der Beklagten zurückgestellt wurden, wie die Klägerin und der Zeuge Francesco P. angegeben haben. In diesem Falle wäre der zurückgezahlte Dollarbetrag von der Schuld der Beklagten in Abzug zu bringen.

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