Normen
ABGB §1113
Mietengesetz §1 Abs2 Z3
Mietengesetz §23
ABGB §1113
Mietengesetz §1 Abs2 Z3
Mietengesetz §23
Spruch:
Für die Beurteilung, ob ein Bestandvertrag den Ausnahmebestimmungen des § 1 Abs. 2 Z. 3 MietG. unterliegt, ist es nicht von Bedeutung, ob der Raum auch früher schon an Hotelgäste vermietet war; es kommt im wesentlichen nur darauf an, ob die Vermietung im Betriebe des Fremdenbeherbergungsgewerbes erfolgte und ob der Raum zu einem solchen Betriebe gehört.
Ein Bestandvertrag, dessen Ende mit dem Eintritt eines künftigen Ereignisses vereinbart wird, ist als Vertrag von bestimmter Dauer anzusehen.
Entscheidung vom 2. Februar 1950, 3 Ob 64/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Irdning; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.
Text
Das Prozeßgericht verurteilte den Beklagten zur Räumung des von diesem im Gasthofe des Klägers gemieteten Zimmers, da die Vermietung im Betriebe des Fremdenbeherbergungsgewerbes erfolgte. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es die Rechtsmeinung vertrat, das Klagebegehren sei nicht schlüssig, da in der Klage behauptet werde, es sei zwischen den Streitteilen ein Mietvertrag abgeschlossen worden, weshalb das Bestandverhältnis nur durch Kündigung aufgehoben werden könne. Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht zurück. Er stellte fest, daß es sich um einen im Betriebe des Gewerbes der Fremdenbeherbergung abgeschlossenen Mietvertrag handle, der gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 MietG. nicht den Bestimmungen des Mietengesetzes unterliege; ein solcher Vertrag könne, wenn er nur auf bestimmte Dauer abgeschlossen wurde, auch durch Räumungsklage zur Auflösung gebracht werden; es sei aber von den Untergerichten nicht festgestellt worden, ob es sich um einen Mietvertrag von bestimmter oder um einen solchen von unbestimmter Dauer handle.
Das Prozeßgericht gab dem Klagebegehren neuerlich statt. Es stellte fest, daß die Bauunternehmung, bei der der Beklagte als Arbeiter beschäftigt war, den Kläger ersucht habe, ausländische Arbeiter, darunter den Beklagten, in seinem Gasthof vorübergehend bis zur Herstellung von Wohnbaracken für die Arbeiter unterzubringen, ohne daß von einem Mietvertrag auf unbestimmte Dauer die Rede gewesen sei, daß auch tatsächlich diese Baracken hergestellt und die Arbeiter in diesen untergebracht wurden, eine Unterbringung des Beklagten aber nur deshalb nicht erfolgte, weil dieser inzwischen von der Firma entlassen worden war. Das Prozeßgericht zog daraus den Schluß, daß es sich um einen Mietvertrag von bestimmter kurzer Dauer handle. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsmeinung, daß es für die rechtliche Beurteilung, ob eine Vermietung im Betriebe der Fremdenbeherbergung vorliege, darauf ankomme, ob der Raum bereits vor seiner Benützung durch den Beklagten zur Fremdenbeherbergung bestimmt gewesen sei; hierüber habe aber der Kläger keine Beweise angeboten. Gegen eine Vermietung im Rahmen des Hotelgewerbes spreche, daß eine große Zahl von Arbeitern mit ihren Familien, darunter sogar drei Familien in zwei Zimmern, untergebracht wurden, daß es sich um ein Zimmer handle, das man nur erreichen könne, wenn man ein anderes Zimmer passiere, und daß der Beklagte das Zimmer selbst aufräume, reinige und beheize und eigene Bettwäsche verwende; es liege daher keine Vermietung im Betriebe des Hotelgewerbes vor. Überdies handle es sich um einen Mietvertrag von unbestimmter Dauer, wie sich aus der Bestimmung des § 23 MietG. und aus dem Umstand ergebe, daß der Ablauf des Mietverhältnisses vom Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhänge.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge und stellte das Urteil des Prozeßgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Zunächst ist darauf zu verweisen, daß in der in dieser Sache ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 2. Februar 1949, 3 Ob 443/48, ausgesprochen wurde, es handle sich um einen im Betriebe des Gewerbes der Fremdenbeherbergung abgeschlossenen Mietvertrag; an diese rechtliche Beurteilung waren die Untergerichte gebunden und hatten sich daher nur mehr mit der Frage zu befassen, ob ein Mietvertrag von unbestimmter oder von bestimmter Dauer vorliege. Abgesehen davon, ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, es liege keine Vermietung im Betriebe des Fremdenbeherbergungsgewerbes vor, verfehlt. Für die Beurteilung, ob es sich um eine derartige Vermietung im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 3 MietG. handelt, kommt es keineswegs darauf an, ob der Raum bereits vor der Vermietung an Hotelgäste vermietet war; maßgeblich ist lediglich, ob der der Beurteilung zu unterziehende Vertrag im Betriebe des Fremdenbeherbergungsgewerbes abgeschlossen wurde (Arg. "... vermietet werden" im § 1 Abs. 2 Z. 3 MietG.) und ob der vermietete Raum zu dem Fremdenbeherbergungsbetrieb gehört. Die vom Berufungsgerichte zur Unterstützung seiner Rechtsansicht herangezogene Entscheidung ZBl. 1924, Nr. 254, besagt lediglich, daß an sich der Beherbergung von Fremden gewidmete Räume durch länger andauernde Vermietung diese ihre Eigenschaft nicht verlieren unter der Voraussetzung, daß die Vermietung im Betrieb des Gewerbes erfolgte, und daß diese Voraussetzung dann nicht gegeben sei, wenn der Bestandvertrag auf lange Dauer abgeschlossen wird. Diese Entscheidung spricht aber nicht davon, daß nur dann, wenn die Räume bereits vorher zur Fremdenbeherbergung verwendet wurden, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Z. 3 MietG. erfüllt werden.
Daß der vermietete Raum zum Hotelbetrieb gehört, ergibt sich aus dem Pachtvertrag, dessen Inhalt unbestritten geblieben ist. Selbst wenn es daher richtig sein sollte, daß in dem Raum, dessen Räumung begehrt wird, vorher Angestellte des Betriebes untergebracht waren, so handelt es sich auch bei einem solchen Raum um einen zum Betrieb gehörigen; es ist daher für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung, ob der Raum vor der Vermietung an den Beklagten an andere Hotelgäste vermietet war oder von Angestellten des Hotels bewohnt wurde. Auch Räume, die bisher vom Betriebsunternehmer bewohnt wurden, fallen, wenn sie sich im Betrieb des Unternehmens befinden, im Falle einer Vermietung an Hotelgäste unter die Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z. 3 MietG., sofern es sich nicht aus konkreten Umständen ergibt, daß es sich um einen normalen Dauermietvertrag handelt.
Solche liegen aber hier nicht vor. Nach den Feststellungen des Prozeßgerichtes, die von der Berufung des Beklagten nicht bekämpft wurden, wurde bei Abschluß des Vertrages ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß es sich um eine vorübergehende Unterbringung von Arbeitern der Firma T. bis zur Herstellung von Wohnbaracken handle, die inzwischen auch tatsächlich erfolgte. Es war daher nur eine vorübergehende Unterbringung vereinbart worden. Dadurch, daß der Beklagte dann längere Zeit im Bestandobjekt geblieben ist, hat sich die Fremdenbeherbergung nicht in einen normalen Mietvertrag umgewandelt. § 1 Abs. 2 Z. 3 MietG. soll im Gegenteil verhindern, daß Personen, die sich ursprünglich als Fremde in Gasthöfen einmieteten, einen derartigen, auf bestimmte Zeit beschränkten Vertrag ohne Zustimmung des Vermieters zu einem dauernden gestalten (Swoboda, Kommentar zum Mietengesetz, S. 97). Maßgeblich für die Beurteilung ist somit die Vereinbarung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. In diesem Punkte wurde aber unangefochten festgestellt, daß eine bloß vorübergehende Unterbringung vereinbart war. Es ist daher ohne rechtliche Bedeutung, ob mehrere Familien in einem Zimmer untergebracht wurden, ob es sich um ein Durchgangszimmer handelt, ob der Beklagte die Bettwäsche selbst beistellt, das Zimmer reinigt und heizt usw. Da der Raum sich im Betriebe eines Fremdenbeherbergungsgewerbes befindet und die Vermietung nur auf kurze Dauer erfolgte, liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Z. 3 MietG. vor.
Es ist aber auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes irrig, daß ein Mietvertrag von bestimmter Dauer dann nicht vorliege, wenn der Ablauf des Mietverhältnisses vom Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhänge. Lehre und Rechtsprechung stehen im Gegenteil auf dem Standpunkt, daß als ein auf bestimmte Dauer abgeschlossener Mietvertrag auch ein solcher anzusehen ist, der für eine durch ein künftiges Ereignis bestimmte Dauer abgeschlossen wurde (Klang, 2. Auflage zu § 1113 ABGB., Punkt 1 a und b; GlUNF. 472, ZBl. 1926, Nr. 189, u. a. m.), Die Heranziehung des § 23 MietG. durch das Berufungsgericht ist schon deshalb abwegig, weil es sich nicht um ein den Bestimmungen des Mietengesetzes unterliegendes Bestandverhältnis handelt, vielmehr die Ausnahme des § 1 Abs. 2 Z. 3 MietG. vorliegt, auf die § 23 MietG. ebenso wie auch alle anderen Bestimmungen des Mietengesetzes nicht angewendet werden kann. Da der Vertrag für die Zeit bis zur Errichtung der Wohnbaracken durch die damalige Arbeitgeberin des Beklagten abgeschlossen wurde, liegt ein Bestandvertrag von bestimmter Dauer vor, nach dessen Ablauf die Räumung des Bestandgegenstandes durch Klage begehrt werden kann.
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