Spruch:
Der Widerspruch gegen das Versäumungsurteil steht auch dem Beklagten zu, dem die Beantwortung der Klage mit schriftlichem Beschluß aufgetragen wurde und der die Klagebeantwortung nicht rechtzeitig überreicht hatte
OGH 14. 12. 1983, 3 Ob 628/83 (OLG Graz 1 R 167/83; LGZ Graz 10 Cg 190/83)
Text
Das Erstgericht trug, ohne eine erste Tagsatzung anzuberaumen, dem Beklagten, die Beantwortung der am 17. 5. 1983 erhobenen Klage mit schriftlichem Beschluß auf (§ 243 Abs. 4 ZPO idF BGBl. 1983/135) und bestimmte eine Frist von vier Wochen. Die Klagebeantwortung wurde nicht rechtzeitig überreicht. Die Kläger beantragten die Erlassung des Versäumungsurteiles (§ 243 Abs. 4 letzter Satz ZPO idF BGBl. 1983/135 und § 398 Abs. 1 ZPO).
Gegen das am 22. 8. 1983 gefällte Versäumungsurteil erhob der Beklagte noch vor der Zustellung einer Ausfertigung am 2. 9. 1983 mit vorbereitendem Schriftsatz Widerspruch.
Das Erstgericht wies den Widerspruch zurück. Gegen das Versäumungsurteil nach § 398 Abs. 1 ZPO sei ein Widerspruch nach § 397a ZPO nur zulässig, wenn der Beklagte bei der ersten Tagsatzung nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war und dem ihm dort erteilten Auftrag zur Beantwortung der Klageschrift nicht nachkomme. In allen anderen Fällen gebe es gegen das nach § 398 Abs. 1 ZPO gefällte Versäumungsurteil keinen Widerspruch.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten Folge, änderte den erstrichterlichen Zurückweisungsbeschluß dahin ab, daß dieser aufgehoben wird, und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes 15 000 S, nicht aber 300 000 S übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Auch gegen das Versäumungsurteil, das gefällt wurde, weil der Beklagte nach mit schriftlichem Beschluß erteiltem Auftrag zur Beantwortung der Klage die Klagebeantwortung nicht rechtzeitig überreichte, sei der Widerspruch zugelassen. Es sei nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber bei mündlichem Einlassungsverfahren zwei Möglichkeiten der Erhebung des Widerspruchs geschaffen habe, beim schriftlichen Einlassungsverfahren aber den Widerspruch versage.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Entscheidung hängt von der Lösung einer Rechtsfrage des Verfahrensrechts ab, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, weil dazu eine Rechtsprechung des OGH nach der erst durch die Zivilverfahrens-Novelle BGBl. 1983/135 eingeführten Möglichkeit, auch gegen das nach § 398 Abs. 1 ZPO gefällte Versäumungsurteil Widerspruch zu erheben, noch fehlt (§ 502 Abs. 4 Z 1 ZPO). Der Rekurs gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes ist nach § 528 Abs. 2 ZPO zulässig, weil der Streitgegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, zwar nicht 300 000 S (§ 502 Abs. 4 Z 2 ZPO) übersteigt, aber kein Ausschlußgrund nach § 528 Abs. 1 ZPO vorliegt. Es steht auch die Bestimmung des § 397a Abs. 3 ZPO der Anfechtung nicht entgegen, weil nur der Beschluß, mit dem das Versäumungsurteil infolge Widerspruches aufgehoben wird, keinem Rechtszug unterliegt, nicht aber der Beschluß, der einen Antrag auf Zurückweisung des Widerspruchs ablehnt (RZ 1981/51).
Der Ansicht der Kläger, nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes stehe ein Widerspruch nicht zu, wenn keine erste Tagsatzung stattfand, sondern mit schriftlichem Beschluß die Beantwortung der Klage aufgetragen, die dafür bestimmte Frist nicht gewahrt und deshalb auf Antrag des Klägers das Versäumungsurteil gefällt würde, kann nicht gefolgt werden.
Schon die Regierungsvorlage 669 BlgNR 15. GP sah vor, dem § 243 ZPO einen vierten Absatz, wonach die erste Tagsatzung auch im Verfahren vor dem Gerichtshof entfallen und die Beantwortung der Klage mit schriftlichem Beschluß aufgetragen werden kann, und dem § 398 Abs. 1 ZPO den Satz anzufügen, daß der § 397a ZPO sinngemäß anzuwenden ist, wenn der Beklagte bei der ersten Tagsatzung nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Durch die erste Neuerung sollte nach den Erläuterungen dem Richter die Möglichkeit gegeben werden, keine erste Tagsatzung anzuberaumen, sondern den Beklagten schriftlich zur Einlassung aufzufordern. Nach dem später nicht verwirklichten Vorhaben, ohne Rücksicht auf eine Wertgrenze (§ 1 Abs. 1 MahnG, § 448 Abs. 1 ZPO idF BGbl. 1983/135) alle Rechtsstreitigkeiten über Klagen, mit denen ausschließlich die Zahlung eines Geldbetrages begehrt wird, amtswegig dem Mahnverfahren zu unterwerfen (§§ 600 ff. ZPO idF RV 669 BlgNR 15, GP), wäre die erste Tagsatzung ohnehin nur mehr für einen kleinen Teil der beim Gerichtshof anfallenden Klagen in Betracht gekommen (EB zu Art. III Z 34 RV 669 BlgNR 15. GP). Der Widerspruch gegen das Versäumungsurteil war mit dem § 36 Z 5 KSchG nur für die Fälle des mündlichen Einlassungsverfahrens eingeführt worden. Durch die Anfügung an den Abs. 1 des § 398 ZPO sollte der Widerspruch als Rechtsbehelf auch bei dem Versäumungsurteil nach § 398 ZPO zur Verfügung stehen. Die Erläuterungen verweisen noch darauf, daß der Verfahrensablauf in Fällen, in denen die erste Tagsatzung vor dem Gerichtshof entfällt, dem Mahnverfahren gleiche. Es sollte daher auch gegen das Versäumungsurteil nach § 398 Abs. 1 ZPO, das gefällt wurde, weil der Beklagte die Klagebeantwortung nicht rechtzeitig überreichte, der Widerspruch grundsätzlich zugelassen werden. Der einschränkende Nebensatz, der die sinngemäße Anwendung des § 397a ZPO ausschließt, wenn der Beklagte bei der ersten Tagsatzung durch einen Rechtsanwalt vertreten war, ist so zu lesen, daß der Widerspruch dem Beklagten, der die Klagebeantwortung nicht rechtzeitig überreichte, dann nicht zusteht, wenn eine erste Tagsatzung stattgefunden hat und der Beklagte bei dieser durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Er bedeutet aber nicht, daß der Gesetzgeber den Widerspruch gegen das Versäumungsurteil nach § 398 ZPO überhaupt nur für die Fallgruppe eingeführt hat, daß - vom Ermessen des Richters abhängig - eine erste Tagsatzung anberaumt worden war. Daran ändert auch nichts, daß die Gestaltung des Mahnverfahrens schließlich nicht dem Entwurf zur Regierungsvorlage folgte und deshalb auch von dem Plan abgegangen wurde, dem Beklagten gegen den in Rechtskraft erwachsenen Zahlungsbefehl den Widerspruch unter sinngemäßer Anwendung des § 397a ZPO zu eröffnen (§ 605 Abs. 2 RV 669 BlgNR 15. GP; AB 1337 BlgNR 15. GP zu Art. III Z 75). Der Widerspruch gegen das Versäumungsurteil nach § 398 ZPO steht dem Beklagten daher zu, gleich ob ihm der Auftrag zur Beantwortung der Klage unter Bestimmung einer vier Wochen nicht überschreitenden Frist mündlich bei der ersten Tagsatzung oder durch Zustellung des schriftlichen Beschlusses erteilt wird. Nur der bei einer ersten Tagsatzung durch einen Rechtsanwalt vertretene Beklagte ist davon ausgeschlossen.
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