OGH 3Ob603/83

OGH3Ob603/8314.12.1983

SZ 56/190

Normen

ABGB §1395
ABGB §1396
ABGB §1438
ABGB §1442
KO §14 Abs1
KO §19 Abs2
ABGB §1395
ABGB §1396
ABGB §1438
ABGB §1442
KO §14 Abs1
KO §19 Abs2

 

Spruch:

Tritt infolge Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Zedenten einer Geldforderung an die Stelle des gegen ihn bestehenden Naturallieferungsanspruches des Schuldners dessen Forderung auf Vergütung des Schätzwertes, muß sich auch der Zessionar die Einwendung dieser Gegenforderung entgegenhalten lassen

OGH 14. 12. 1983, 3 Ob 603/83 (OLG Graz 6 R 61/83; LG Klagenfurt 21 Cg 210/80)

Text

Mehrere Ehepaare grundeten in teils gleich, teils unterschiedlichen Beteiligungsverhältnissen 1. den gemeinnützigen eingetragenen Verein VLK mit dem Sitz in S (Bundesrepublik Deutschland), 2. die beklagte Heilmittel GesmbH mit dem Sitz in R (Bundesrepublik Deutschland) und

3. die R GesmbH mit dem Sitz in P (Österreich) um ein Krebsheilmittel zu vertreiben. Die Aufteilung der einzelnen Agenden geschah so, daß der VLK Lizenzen für die Erzeugung und Verwertung des Heilmittels vergab, daß die R GesmbH ein V-Extrakt herstellte, während die Beklagte den Extrakt weiterverarbeitete und als Heilmittel H vertrieb.

Am 28. 3. 1980 schuldete die beklagte Partei der R GesmbH aus der Lieferung einer bestimmten Menge des genannten Extraktes ua. den nicht strittigen Betrag von 996 679 S laut Rechnung vom 22. 10. 1979.

Die klagende Partei machte geltend, daß ihr diese Forderung am 28. 3. 1980 zur Besicherung eines der R GesmbH gewährten Kredites abgetreten worden sei, und begehrt den Betrag von 996 679 S sA.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete ein, daß eine Abtretung nur über einen Betrag von 796 679 S erfolgt sei und daß die beklagte Partei die Abtretung deshalb nicht beachten müsse, weil bezüglich der abgetretenen Forderung zugunsten des VLK ein gerichtliches Zahlungsverbot erlassen worden sei. Sie machte weiters eine Gegenforderung von 808 758.10 S aufrechnungsweise geltend. Diesen Betrag habe die R GesmbH der beklagten Partei im Zeitpunkt der Forderungsabtretung deshalb geschuldet, weil die Vereinbarung bestanden habe, daß die beklagte Partei zu Erprobungszwecken eine bestimmte Menge von H-Präparaten an das Boltzmann-Institut des Krankenhauses L unentgeltlich liefern müsse, dafür aber von der R GesmbH eine entsprechende Vergütung erhalte, die dem in den Präparaten enthaltenen Wert des von ihr hergestellten V-Extraktes entsprach. Wenn ursprünglich nur eine Naturalvergütung vorgesehen gewesen sei, sei doch seit dem Jahr 1979 nur mehr eine Vergütung in Geld in Betracht gekommen. Einerseits sei dies ausdrücklich vereinbart worden, andererseits sei der Lizenzvertrag mit dem VLK gekundigt worden, sodaß die R GesmbH nicht mehr berechtigt und in der Lage gewesen sei, das Präparat herzustellen, wozu überdies eine Anwesenheit von Vertretern der beklagten Partei erforderlich gewesen sei. Einredeweise machte die beklagte Partei weiters einen Anfechtungstatbestand gemäß §§ 28 KO, 2 AnFO geltend, weil der klagenden Partei schon im Zeitpunkt der Zession bekannt gewesen sei, daß die R GesmbH, über deren Vermögen am 14. 10. 1980 der Konkurs eröffnet wurde, zahlungsunfähig sei. Infolge der Begünstigung der klagenden Partei sei der beklagten Partei ein den Klagsbetrag übersteigender Schaden entstanden.

Die klagende Partei bestritt den Bestand der behaupteten Gegenforderung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem eingliedrigem Urteil statt.

Es ging im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Zur Besicherung gewährter Kredite hatte die R GesmbH der klagenden Partei wiederholt Forderungen gegen die beklagte Partei abgetreten, welche Zessionen von dieser auch beachtet wurden. Am 28. 3. 1980 war bei einem bestehenden Debetsaldo von 1 168 000 S keine Sicherheit mehr gegeben, weshalb der Geschäftsführer der R GesmbH die oben genannte Forderung der klagenden Partei abtrat, die die Zession annahm. Die Zession wurde in den Büchern der R GesmbH vermerkt. Die beklagte Partei wurde von der Zession mit Schreiben vom 28. 3. 1980, das ihr am 3. 4. 1980 zugestellt wurde, verständigt. Inhalt der mündlichen Absprachen war dabei die Abtretung des vollen Forderungsbetrages. In der schriftlichen Zessionsurkunde wurde jedoch nur der Betrag von 796 679 S eingesetzt, weil die beklagte Partei mit Schreiben vom 17. 3. 1980 mitgeteilt hatte, daß sie den Betrag von 200 000 S (zuzüglich 72 538.50 S zur Abdeckung einer anderen Forderung) schon überwiesen habe, was aber nicht zutraf. Mit Beschlüssen vom 31. 3. 1980 und 5. 4. 1980 wurde die klagsgegenständliche Forderung zugunsten des VLK gepfändet und der beklagten Partei als Drittschuldnerin aufgetragen, nicht mehr an die R GesmbH zu leisten. Zwischen der beklagten Partei und der R GesmbH bestand die von der beklagten Partei zutreffend geschilderte Abmachung, daß die beklagte Partei für die kostenlose Lieferung von H-Präparaten an das Boltzmann-Institut von der R GesmbH teilweise dadurch zu entschädigen sei, daß diese die dabei verbrauchten Extrakte in Natur vergüte. Für das Jahr 1979 forderte die beklagte Partei von der R GesmbH im Gegensatz zur bisherigen Regelung mit Schreiben vom 14. 12. 1979 Geldersatz in Höhe von 808 758.10 S als Gegenwert für 69.1 Liter verbrauchten Extraktes. Der Geschäftsführer der Firma R GesmbH teilte aber mit Schreiben vom 4. 2. 1980 mit, daß er im Laufe des Jahres 1980 die Vergütung der Extrakte in Natur vornehmen werde. Obwohl noch eine von der beklagten Partei übernommene Abnahmeverpflichtung über den monatlichen Ankauf von Extrakten im Wert von 700 000 S ungekundigt bestanden hätte, kaufte die beklagte Partei von der R GesmbH seither keine Extrakte mehr; es erfolgten auch keine Lieferungen mehr, insbesondere auch keine Lieferungen zum Zwecke der Bewerkstelligung der geschilderten Naturalvergütung. Den bestehenden Lizenzvertrag hatte der VLK zum 31. 12. 1979 aufgekundigt. Es fanden aber in der Folgezeit zahlreiche Besprechungen und Korrespondenzen ua. auch über eine eventuelle Verlängerung des Lizenzvertrages statt. Als es in einer dieser Verhandlungen um das Problem der Auflösung der R GesmbH ging und von dieser ein Schuldenstatus ("Mittelflußrechnung") erstellt wurde, schien bei den Verbindlichkeiten eine Geldforderung der beklagten Partei auf Zahlung von 808 758.10 S nicht auf. Die Parteien hatten sich bei den Verhandlungen nie darauf geeinigt, daß eine solche Geldvergütung anstatt der an sich vereinbarten Naturalvergütung geleistet werde. Mit Schreiben vom 14. 10. 1981 bot die klagende Partei der beklagten Partei die Lieferung von 69.1 Litern V-Extrakt an. Mit Schreiben vom 20. 10. 1981 lehnte die beklagte Partei eine Lieferung ab, wobei sie auf den abgelaufenen Lizenzvertrag hinwies. Mit Schreiben vom 5. 11. 1981 bot die klagende Partei die Lieferung des Extraktes zu denselben Bedingungen, wie dies früher die R GesmbH getan hatte, an. Auch im Rahmen des Rechtsstreites wiederholte die klagende Partei ihr Lieferangebot.

Über das Vermögen der R GesmbH wurde mit Beschluß des LG K vom 14. 10. 1980 der Konkurs eröffnet; das Verfahren ist noch anhängig.

Auf Grund dieser Feststellungen war das Erstgericht der Auffassung, daß die Zession den vollen Forderungsbetrag erfaßt habe und wirksam sei. Da der beklagten Partei keine Gegenforderung in Geld, sondern höchstens eine solche auf Lieferung von 69.1 Liter Extrakt zustehe, könne dies nicht zur Aufrechnung führen. Die Zahlungsverbote hätten die Zession nicht mehr berührt. Ein allenfalls später, zB durch die Konkurseröffnung entstehender Schadenersatzanspruch der beklagten Partei anstelle der Forderung auf Lieferung vom 69.1 Litern Extrakt sei, weil ebenfalls nach der Abtretung erfolgt, gleichfalls nicht zu berücksichtigen. Schließlich könne während des Konkursverfahrens nur der Masseverwalter Anfechtungstatbestände geltend machen.

Das Berufungsgericht bestätigt das Urteil des Erstgerichtes.

Der Oberste Gerichtshof hob über Revision der beklagten Partei die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Daß Gegenstand der Zession die Gesamtforderung von 996 679 S war, wurde von beiden Vorinstanzen zutreffend bejaht. Was die Gegenforderung der beklagten Partei anlangt, ist hingegen folgendes zu erwägen: Falls es zuträfe, daß sich der ursprüngliche Naturalanspruch in einen Geldanspruch umgewandelt hätte, dann könnte der zweiten Instanz nicht darin beigepflichtet werden, daß die Aufrechnung trotzdem ausgeschlossen sei, weil dieser Geldanspruch als Geldanspruch erst nach der Zession entstanden sei. Gemäß §§ 1394, 1442 ABGB kann der Schuldner gegen den Zessionar nur mit Gegenforderungen aufrechnen, die ihm gegen den Zedenten schon im Zeitpunkt der Zession zustanden. Es ist richtig, daß der OGH in seiner vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung SZ 12/208 ausgesprochen hat, daß in diesem Sinn ein Schadenersatzanspruch eines Schuldners gegen den Altgläubiger, welcher aus einem vor der Zession abgeschlossenen aber erst nach der Zession nicht erfüllten Kaufvertrages erwachsen war, als eine erst nach der Zession entstandene Gegenforderung gegen die abgetretene Forderung nicht aufgerechnet werden könne. Diese Entscheidung wurde aber schon seinerzeit im Schrifttum abgelehnt (Ehrenzweig in seiner Besprechung RSpr 1930/426 und Klang in JBl. 1931, 433). Auch der OGH ist mit seiner Entscheidung SZ 36/40 von der früher vertretenen Auffassung abgerückt (ebenso in jüngster Zeit 5 Ob 710/79 und 1 Ob 620/82). Im Einklang mit der Lehre (Gschnitzer in Klang[2] VI 522 f) muß nämlich die Gegenforderung des Schuldners, um dem Zessionar aufgerechnet werden zu können, im Zeitpunkt der Zession (wobei der Streit, ob hier die Abtretung selbst oder die Verständigung des Schuldners maßgebend ist, in diesem Fall auf sich beruhen kann) nicht schon alle Erfordernisse der Aufrechenbarkeit besessen haben. Sie muß nicht unbedingt gewesen sein, sondern es genügt, daß sie erst bedingt (für den Fall der Nichterfüllung der festgestellten Naturallieferungsverpflichtung) bestand. Sie muß auch im Zeitpunkt der Abtretung nicht fällig gewesen sein, sondern der Schuldner darf durch die Abtretung auch nicht dadurch schlechter gestellt werden, daß er eine sonst mögliche Aufrechnung nicht mehr durchführen könnte, mag es in diesem Fall auch in der Vergangenheit einen Zeitraum, nämlich jenen zwischen der Zession und dem Fälligwerden der Gegenforderung gegeben haben, in dem der Schuldner auch gegenüber dem Überträger nicht aufrechnen hätte können; es genügt, daß die Gegenforderung in dem Zeitpunkt fällig ist, in welchem sie zur Aufrechnung verwendet wird. Ebensowenig schadet es der Aufrechnung mit dem Zessionar, daß die Gleichartigkeit erst später eintrat, zB wie hier durch Verwandlung eines Lieferungsanspruches in einen Geldersatzanspruch; denn auch letzterer hätte schon vorher bedingt bestanden.

Von der noch zu erörternden Konkurseröffnung abgesehen, ist für die beklagte Partei damit aber für diesen Rechtsstreit noch nichts zu gewinnen; denn es ist nicht erwiesen, daß - abgesehen vom Konkurs - schon Umstände eingetreten wären, die den Lieferungsanspruch wirklich in einen Ersatzanspruch verwandelt hätten. Die von der beklagten Partei behauptete Vereinbarung auf Umwandlung der Lieferverpflichtung in einen Ersatzanspruch ist nicht erwiesen. Der wegen nachträglich eingetretener Unmöglichkeit der Lieferung allenfalls zustehende Ersatz wegen Vereitelung iS des § 920 ABGB gebührt dem Gläubiger nur, wenn er die Vereitelung beweist (Reischauer in Rummel ABGB, Rdz. 11 zu § 920). Das ist beim festgestellten Sachverhalt nicht der Fall. Die beklagte Partei führt in der Revision selbst aus, daß die R GesmbH in der Lage gewesen wäre, noch im Jahre 1979 jene Mengen an V-Extrakt herzustellen, die zur Erfüllung der Lieferverpflichtung nötig gewesen wäre. Ob dies geschah oder nicht, wurde nicht festgestellt; diesbezüglich wurde von der beklagten Partei in erster Instanz auch nichts vorgebracht. Aber auch wenn die Anlegung entsprechender Vorräte unterblieben sein sollte, kann nicht davon ausgegangen werden, daß nach allfälligem Ablaufen eines Lizenzvertrages die Erzeugung unmöglich geworden wäre; denn nichts spricht dafür, daß die Herstellung des Extraktes auch gegen Bezahlung entsprechend hoher Lizenzgebühren vom Lizenzträger auf keinen Fall gestattet würde oder daß die Beschaffung des Extraktes von dritter Seite deshalb unmöglich sein werde, weil der Lizenzträger die Herstellung überhaupt niemandem mehr gestatten wolle; zumindest fehlt es aber auch hier an entsprechenden Behauptungen der beklagten Partei in erster Instanz. Es muß daher auch nicht näher untersucht werden, ob und wann ein entsprechender Lizenzvertrag abgelaufen ist und ob Vertreter der beklagten Partei bei der Herstellung des Extraktes mitwirken müssen oder nicht. Die Gegenforderung wäre daher an sich auch jetzt noch nicht gleichartig, weshalb gemäß § 1440 ABGB nicht aufgerechnet werden könnte.

Zugunsten der beklagten Partei wirkt sich aber aus, daß über das Vermögen des Zedenten der Konkurs eröffnet wurde. Gemäß § 14 Abs. 1 KO hätte nämlich der Naturallieferanspruch der beklagten Partei gegen die Firma R GesmbH "nach ihrem Schätzwert zur Zeit der Konkurseröffnung" geltend gemacht werden müssen. Und gemäß § 19 Abs. 2 KO wäre die Aufrechnung - wenn es nicht zur Abtretung gekommen wäre - der nicht auf eine Geldleistung gerichteten Forderung der beklagten Partei mit der in Geld bestehenden Klagsforderung möglich gewesen.

Dies ändert aber nichts daran, daß die beklagte Partei, im Konkurs der R GesmbH, wenn es nicht zur Abtretung der Klagsforderung an die klagende Partei gekommen wäre, den Klagsbetrag nur mehr abzüglich des Schätzwertes für 69.1 Liter V-Extrakt an die Masse zahlen hätte müssen, während im Umfang dieses Schätzwertes die Tilgung der Klagsforderung durch Aufrechnung eingetreten wäre (wobei die beklagte Partei freilich auch ihren Lieferungsanspruch durch Tilgung verloren hätte). Müßte die beklagte Partei hingegen jetzt trotz dieser Sachlage den vollen Klagsbetrag entrichten, wäre sie infolge der Zession eines Rechtes (EvBl. 1969/179 ua.) beraubt, das ihr sonst zugestanden hätte. Eine solche Schlechterstellung muß aber der übernommene Schuldner nach dem oben Gesagten nicht hinnehmen.

Der erkennende Senat ist daher der Auffassung, daß sich die klagende Partei in ihrer Eigenschaft als Zessionar iS des § 1396 ABGB von der beklagten Partei in ihrer Eigenschaft als Zessus die Einwendung entgegenhalten lassen muß, sie sei so zu behandeln, wie wenn die im Umfange des Schätzwertes für 69.1 Liter V-Extrakt aufrechnen könnte.

Damit erweist sich aber die Sache noch nicht als spruchreif, weil der genannte Schätzwert nicht festgestellt wurde. Naturgemäß kann hier nicht der Wert maßgebend sein, den die Parteien in ihren früheren Lieferverträgen zugrunde legten, sondern es muß zufolge § 14 Abs. 1 KO der wirkliche objektive Schätzwert am Tag der Konkurseröffnung ermittelt werden. Zur Feststellung dieses Wertes ist die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen.

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