Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die gefährdete Partei (im Folgenden „Kläger“) ist Eigentümer einer Liegenschaft mit einer vermieteten Einfamilienvilla im 17. Wiener Gemeindebezirk. Im Jahr 2008 ließ der Kläger von der Gegnerin der gefährdeten Partei (im Folgenden „beklagte Partei“) an der Villa eine maßgefertigte Glasfassade mit einer „rahmenlosen“ Nurglas-Schiebetüre anbringen. Bei dieser Nurglas-Schiebetüre handelt es sich um ein von der beklagten Partei entwickeltes Produkt, für das sie ein europäisches Patent angemeldet hat. Dieses Produkt wird nur von der beklagten Partei hergestellt und geliefert.
Am 18. Oktober 2011 wurde im Zuge eines Einbruchsversuchs in die Villa unter anderem die Nurglas-Schiebetüre mit einem Mauerstein zertrümmert. Der Schaden ist durch eine vom Mieter der Villa abgeschlossene Versicherung gedeckt. Der Mieter ließ den Schaden sogleich provisorisch beheben; dieses Provisorium bietet aber keinen Schutz gegen neuerliche Einbruchsversuche sowie gegen Kälte und Feuchtigkeit.
Der für den Raum Wien zuständige Handelsvertreter der beklagten Partei erklärte anlässlich der Besichtigung des Schadens am 19. Oktober 2011, im Unternehmen der beklagten Partei sei beschlossen worden, an dem Haus so lange nichts zu reparieren, bis der Kläger die vom Werklohn noch aushaftenden 70.000 EUR zahle. Hintergrund war, dass die Streitteile wegen dieser restlichen Werklohnforderung seit drei Jahren in einen Mängelprozess verstrickt sind und das Verhältnis zwischen ihnen deswegen angespannt ist. Der Handelsvertreter ergänzte, die beklagte Partei werde verhindern, dass ein anderes Unternehmen die Reparatur vornehmen könne. Bestellungen von Dritten würde die beklagte Partei nicht annehmen und „diese Professionisten gesperrt werden“.
Am 10. November 2011 brachte der Kläger eine im Wesentlichen auf Unterlassung der Verhinderung der Reparatur der Glasfassade gerichtete Klage ein und verband damit einen Antrag auf Erlassung einer entsprechenden einstweiligen Verfügung. Die einzige Motivation der beklagten Partei, weder mit dem Kläger noch dem Mieter oder einem reparaturwilligen Unternehmen einen Vertrag abzuschließen, liege darin, dem Kläger einen möglichst großen Schaden zuzufügen bzw ihn mit Gewalt dazu zu zwingen, eine offenkundig nicht zu Recht bestehende bzw nicht fällige Forderung aus einem Werkvertrag zur Gänze zu erfüllen.
In der Stellungnahme zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bestritt die beklagte Partei, dass sie eine Sanierung des Einbruchsschadens torpediere. Sie sei zwar nicht bereit, selbst die Sanierung vorzunehmen, lehne es aber nicht ab, ein drittes Unternehmen mit den erforderlichen Elementen zu beliefern.
Das Erstgericht erließ eine einstweilige Verfügung, wonach der beklagten Partei zur Sicherung des Anspruchs der gefährdeten Partei auf Unterlassung der Weigerung eines Vertragsabschlusses untersagt wird, dem Kläger und Dritten, wie insbesondere Mietern und Käufern der Liegenschaft sowie Unternehmen, welche Reparaturen an der Glasfassade durchführen wollen, den Abschluss eines Vertrags zu angemessenen und marktüblichen Bedingungen zu verweigern.
Der zu sichernde Anspruch sei durch die monopolartige Stellung der beklagten Partei als Bezugsquelle für die zerstörte Nurglas-Schiebetüre, für die sie ein europäisches Patent angemeldet habe, hinreichend behauptet und bescheinigt. Da die provisorische Reparatur weder Schutz gegen neuerliche Einbruchsversuche noch gegen Kälte und Feuchtigkeit biete, somit eine Beeinträchtigung der Wohn- und Lebensqualität in der Villa, aber auch eine Gefährdung der Gesundheit ihrer Bewohner bestehe, drohe ein unwiederbringlicher Schaden iSd § 381 Z 2 EO.
Infolge Rekurses der beklagten Partei änderte das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts im antragsabweisenden Sinn ab.
Ob die mangelnde Bereitschaft der beklagten Partei zum Kontrahieren als sittenwidrig zu werten sei, hänge entscheidend auch davon ab, ob für den Kläger die von der beklagten Partei behaupteten Reparaturalternativen mit anderen Systemen zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen bestünden. Der Kläger habe in diesem Zusammenhang nicht hinreichend dargetan, dass die Reparatur der Schäden durch die Beiziehung eines von der beklagten Partei verschiedenen Unternehmens nicht sinnvoll durchführbar wäre. Der Anspruch sei daher nicht hinreichend bescheinigt, worauf es aber letztlich nicht entscheidend ankomme.
Darüber hinaus liege kein Fall einer „Verhinderung drohender Gewalt“ oder einer „Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens“ vor. Gewalt, die von allfälligen Einbrechern ausgehen könnte, sei kein der beklagten Partei zuzurechnendes Verhalten. Auch der der beklagten Partei vorgeworfene Versuch, den Kläger zum Einlenken im anhängigen Mängelprozess und zur Zahlung des restlichen Werklohns zu bewegen, sei nicht unter den Begriff der drohenden Gewalt iSd § 381 Z 2 EO zu subsumieren. Ähnliches gelte auch für den Tatbestand des unwiederbringlichen Schadens. Die Behauptungs- und Bescheinigungslast für das Vorliegen solcher Umstände liege ausschließlich bei der gefährdeten Partei (RIS-Justiz RS0005311). Werde durch die einstweilige Verfügung - wie hier - der Erfolg in der Hauptsache vorweggenommen, sei bei der Beurteilung des Vorliegens der konkreten Gefährdung durch Eintritt eines unwiederbringlichen Schadens ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Für den Kläger sei die aktuelle bauliche Situation durch Wählen einer anderen, wenn auch allenfalls kostspieligeren Sanierungsvariante jederzeit behebbar. Dass eine solche Sanierungsmöglichkeit bestehe, ergebe sich schon aus der Natur der Sache, zumal wegen Schäden im Bereiche zweier Glastüren eine Einfamilienvilla wohl niemals endgültig unbrauchbar werden könne. Der dem Kläger bei einer solchen Vorgehensweise entstehende Nachteil sei jedenfalls nur ein pekuniärer, der niemals die Kriterien eines drohenden unwiederbringlichen Schadens iSd § 381 Z 2 2. Fall EO erfüllen könne, zumal der Kläger eine fehlende Bonität der beklagten Partei zu Schadenersatzleistungen nicht behauptet habe.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteige und dass der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei.
Der Kläger macht in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage geltend. Im Wesentlichen spricht er in seinem Rechtsmittel folgende Fragen an:
(a) Das Rekursgericht hätte die nicht gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge der beklagten Partei nicht behandeln dürfen.
(b) Ein unwiederbringlicher Schaden des Klägers sei evident; müsste er die Westfassade umbauen, würde auch gleich der Klage die Grundlage entzogen. In diesem Zusammenhang sei das Rekursgericht im Übrigen vom festgestellten Sachverhalt abgewichen, indem es das Vorliegen eines unwiederbringlichen Schadens mit der Begründung verneint habe, dass die gegebene Situation für den Kläger durch Auswahl einer anderen, wenn auch allenfalls kostspieligeren Sanierungsvariante jederzeit behebbar sei.
(c) „Drohende Gewalt“ liege auch dann vor, wenn sie zwar nicht unmittelbar vom Antragsgegner ausgehe, aber ihre Ursache in dessen Verhalten habe.
(d) Der Anspruch sei ausreichend bescheinigt; ohne die Belieferung durch die beklagte Partei könne der Schaden nur durch Umbau der gesamten Westfassade des Hauses behoben werden.
(e) Die Kostenentscheidung des Rekursgerichts sei verfehlt.
Rechtliche Beurteilung
Dazu ist auszuführen:
ad (a): Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof den Umstand aufzugreifen hat, dass das Rechtsmittelgericht dem Rechtsmittel trotz nicht gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge Folge gegeben hat (RIS-Justiz RS0043352 [T6]).
Eine Rechtsrüge ist gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie - ausgehend von den getroffenen Feststellungen - zumindest in einem Punkt aufzeigt, aus welchem Grund die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts unrichtig ist (RIS-Justiz RS0043352 [T29]). Der Rekurs der beklagten Partei entsprach diesem Erfordernis, weil darin aufgezeigt wurde, dass das Erstgericht den Tatbestand des § 381 Z 2 2. Fall EO als verwirklicht ansah, obwohl der Kläger keinen unwiederbringlichen Schaden im Sinne dieser Bestimmung bescheinigt hat. Es ist nicht richtig, dass die Rechtsrüge der beklagten Partei insgesamt nicht von dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt ausgegangen ist.
ad (b): Die Beurteilung der Unwiederbringlichkeit eines Schadens iSd § 381 Z 2 EO ist grundsätzlich stets von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängig (RIS-Justiz RS0005275 [T17]). Im Allgemeinen nimmt die Rechtsprechung keinen unwiederbringlichen Schaden an, wenn bloße Vermögensschäden im Raum stehen und der Gegner der gefährdeten Partei nicht zahlungsunfähig ist (RIS-Justiz RS0005275 [T16]). Die Behauptungs- und Bescheinigungslast für das Vorliegen konkreter Umstände, die die Voraussetzung eines unwiederbringlichen Schadens begründen, liegt bei der gefährdeten Partei (RIS-Justiz RS0005311). Dann, wenn mit der einstweiligen Verfügung - wie hier - der angestrebte Prozesserfolg vorweggenommen werden soll, sind nach der Rechtsprechung die Voraussetzungen des § 381 Z 2 EO streng auszulegen (RIS-Justiz RS0005300).
Das Rekursgericht hat seine Rechtsansicht, wonach es sich bei dem dem Kläger nach seinen Behauptungen drohenden Schaden nicht um einen unwiederbringlichen Schaden im Sinne des Gesetzes handelt, aus dem Parteivorbringen des Klägers abgeleitet, wonach die Öffnung nur provisorisch mit Plexiglasscheiben verschlossen sei und damit nur ein ungenügender Schutz gegen Einbrecher bestehe; gesundheitliche Beeinträchtigungen und eine Einschränkung der Wohn- und Lebensqualität (ständige Angst vor Einbrechern in einer Wohngegend im 17. Wiener Gemeindebezirk, in dem Einbrüche an der Tagesordnung stehen; fehlender Schutz vor Kälte und Feuchtigkeit) würden jedenfalls einen unwiederbringlichen Schaden begründen.
Die Ansicht des Rekursgerichts, auch aus dieser drastischen Schilderung sei kein unwiederbringlicher Schaden abzuleiten, ist nicht unvertretbar. Die Argumentation des Klägers würde darauf hinauslaufen, dass die Qualifikation eines auf das Verhalten der beklagten Partei zurückzuführenden „unwiederbringlichen Schadens“ infolge von Einbruchsgefahr, Kälte und Feuchtigkeit jedenfalls erfüllt wäre, wenn er nach dem Einbruch überhaupt keine Behebungsmaßnahmen gesetzt hätte. Er ist nicht gezwungen, die Schadensbehebung so vorzunehmen, dass unbedingt wiederum von der beklagten Partei stammende Elemente eingebaut werden müssten. Gegebenenfalls muss der durch den Einbruch entstandene Zustand mit einem größeren finanziellen Aufwand beseitigt werden; das Fehlen von Zahlungsmitteln beim Kläger könnte per se ebenfalls keinen unwiederbringlichen Schaden begründen (vgl 1 Ob 725/80 = SZ 54/4; RIS-Justiz RS0016404 [T1]; anstatt vieler Honsell, Der Zinsschaden bei der Geldschuld, wbl 1999, 97 [101]: „Geld muß man haben.“). Der Kläger hat auch nicht behauptet, dass mit Zahlungsunfähigkeit der beklagten Partei zu rechnen ist, weshalb gegebenenfalls entstehende Schadenersatzansprüche gegen die beklagte Partei nicht als undurchsetzbar anzusehen sind.
ad (c): Gewalt iSd § 381 Z 2 EO setzt eine rechtswidrige, physisch oder psychisch einwirkende Eigenmacht voraus, die ein Zuwarten auf Urteil und Exekution als unzumutbar erscheinen lässt (RIS-Justiz RS0125385). Der gegen den Anspruchsberechtigten gerichtete Zwang (bzw die Drohung mit einem solchen Zwang) muss seinem Gewicht nach dazu bestimmt sein, den zu erwartenden Widerstand des Berechtigten zu beseitigen (RIS-Justiz RS0005353). Der Gesetzgeber hat den Tatbestand bewusst einschränkend formuliert, weshalb beispielsweise eine analoge Anwendung im Fall der List nicht in Betracht kommt (Sailer in Burgstaller/Deixler-Hübner, [7. Lfg 2002] § 381 EO Rz 10).
Auf der Grundlage der dargestellten Rechtsprechung ist es nicht unvertretbar, wenn das Rekursgericht angesichts des vom Kläger geschilderten Zustands den Begriff der drohenden Gewalt nicht als erfüllt angesehen hat.
ad (d): § 528 Abs 1 Z 2 ZPO schließt die Überprüfung der zweitinstanzlichen Entscheidung über die Kosten des Verfahrens durch den Obersten Gerichtshof aus (RIS-Justiz RS0044228). Rekurse gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz über den Kostenpunkt, und zwar sowohl über die Verpflichtung zum Kostenersatz als auch über die ziffernmäßige Festsetzung des Kostenbetrags sind grundsätzlich und ausnahmslos unzulässig (RIS-Justiz RS0053407).
Mangels erheblicher Rechtsfrage ist der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers zurückzuweisen.
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