Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der zwischen dem Kläger und der beklagten Partei am 18.März 1988 geschlossene Kaufvertrag aufgehoben wird und die beklagte Partei schuldig ist, dem Kläger S 379.000,- samt 4 % Zinsen seit dem 11.Mai 1989 und die mit S 158.042,40 (darin S 20.704,30 Umsatzsteuer und S 33.709,- Barauslagen) bestimmten Kosten dieses Rechtsstreits binnen vierzehn Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Teppichhandelsgesellschaft mbH inserierte Anfang März 1988 in mehreren Tageszeitungen:
Öffentliche
Versteigerung
von Orientteppichen
Am Donnerstag, 10., Freitag 11., und
Samstag 12.März, Beginn jeweils
10 Uhr, werden im
Kongreßhaus B*****
Orientteppiche im Wert von mehreren
Millionen Schilling öffentlich versteigert.
Rufpreis bis zu 5 0 %
unter dem Listenpreis
der I***** Handelsgesellschaft (=beklagte Partei)
Besichtigung: jeweils 1 Stunde vor der
Versteigerung. Preise zuzüglich 7 % Versteigerungsabgabe
Konzessionierter beauftragter Versteigerer: G.D*****
Der Kläger las die Anzeige in der K*****zeitung vom 9.März 1988 und besuchte die Verkaufsveranstaltung im Kongreßhaus in B***** am 17. März 1988.
Die ausgestellten Orientteppiche trugen etwa 30 cm lange Aufkleber, auf denen Teppichart und Maße sowie Preise ausgezeichnet waren. Der erste höhere Preis war durchgestrichen und kleiner geschrieben, der zweite Preis war in größerer Schrift und nicht durchgestrichen auf den Aufklebern sichtbar. Der Kläger wurde von einem Verkäufer der beklagten Partei angesprochen. Der Inhalt des ersten Kontaktgespräches steht nicht fest. Man unterhielt sich über die stark reduzierten Preise und den Ablauf der Versteigerung oder des Verkaufes. Da der Kläger Interesse zeigte, einigte man sich darauf, daß der Verkäufer eine Stunde später mit einer Auswahl von Teppichen ins Haus des Klägers komme. Der Verkäufer kam mit dem Versteigerer zum Kläger und legte in dessen Haus Teppiche auf. Der Kläger besichtigte die Stücke und begann mit Kauf- und Preisverhandlungen. Der Versteigerer bestand auf der Zahlung der 7 %igen Versteigerungsgebühr; der Kläger wollte diese Gebühr nicht zahlen und wies den Versteigerer aus seinem Haus. Auch der Verkäufer ging, versprach aber, noch mit dem Geschäftsführer der beklagten Partei zu reden. Dieser rief am nächsten Tag den Kläger an, entschuldigte sich für das Verhalten seiner Mitarbeiter und fragte, ob der Kläger noch am Kauf der Teppiche interessiert sei. Es kam zu einem neuen Zusammentreffen im Haus des Klägers. Als die beklagte Partei auf Verrechnung der Versteigerungsgebühr verzichtete, entschloß sich der Kläger zum Kauf von acht Teppichen, die jeweils auf dem Klebeband mit "Listenpreisen" und dem halben Betrag als Verkaufspreis angeschrieben waren. Dieser niedrigere Preis wurde als Kaufpreis vereinbart. Daß der Vertreter der beklagten Partei erklärt hätte, es handle sich um Teppiche aus einer Konkursmasse, oder daß die "Listenpreise" Schätzwerte des Dorotheums seien, läßt sich nicht feststellen. Der Kläger übergab nach Abschluß des Kaufvertrages dem Geschäftsführer der beklagten Partei einen Scheck über den Kaufpreis aller acht Teppiche von S 379.000,-.
Er meinte, die Teppiche zu dem besonders günstigen Preis um die Hälfte des tatsächlichen Marktwertes erworben zu haben, kam aber, als er später die Teppiche schätzen ließ darauf, daß sich die Schätzwerte der Teppiche etwa um den bezahlten Kaufpreis bewegten. Die um S 379.000,- gekauften Teppiche hatten nach dem Gutachten des im Prozeß beigezogenen Sachverständigen zur Zeit des Kaufes einen Marktwert von S 470.000,-.
Der Geschäftsführer der beklagten Teppichhandels GmbH ist auch Gesellschafter einer zweiten Gesellschaft mbH. Zwischen den beiden Gesellschaften bestehen organisatorische Zusammenhänge, und es kommt immer wieder zu eine Warenaustausch. Die beklagte Gesellschaft hat kein eigenes Verkaufslokal. Mitunter bietet sie Teppiche der anderen Gesellschaft bei ihren "Versteigerungsverkaufsveranstaltungen" an. Es ist eine Feststellung nicht möglich, daß die dem Kläger veräußerten Teppiche eine Zeit im Verkaufsraum der anderen Gesellschaft zum Verkauf angeboten wurden oder aber daß die bei der "Versteigerung" in B***** angeschriebenen durchgestrichenen "Listenpreise" keine ernsthaften und längere Zeit geforderten Preise waren.
Der Kläger erhob am 28.April 1989 die Klage mit dem Begehren, den
Kaufvertrag vom 18.März 1988 aufzuheben und die beklagte Partei zur
Rückzahlung des Kaufpreises zu verhalten. Die beklagte
Teppichhandelsgesellschaft betreibe gar kein Geschäftslokal, in dem
sie "Listenpreise" fordere. Sie habe beim Kläger den Eindruck
erweckt, der Wert der verkauften Teppiche liege um 100 % über dem
ihm verrechneten Kaufpreis. Er habe den Kauf nur getätigt, weil er
die günstige Gelegenheit nutzen wollte. Der Irrtum des Klägers sei
von den Leuten der beklagten Partei geradezu listig herbeigeführt
worden. Zum Marktpreis hätte der Kläger nie gekauft. Es sei bei den
Verkaufsgesprächen immer davon die Rede gewesen, daß die Teppiche
zum halben Schätzpreis verkauft werden.
Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, weil
sie nie auf Markt- oder Schätzpreise, sondern auf die "Listenpreise"
hingewiesen habe, zu denen die Teppiche geraume Zeit vorher
angeboten worden seien.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, ging vom eingangs
dargestellten Sachverhalt aus und meinte, es fehle an einer listigen
Irreführung. Der Kläger habe nicht beweisen können, daß die
Ankündigung "bis zu 50 % unter dem Listenpreis" falsche Tatsachen
vorspiegelte. Wenn der Kläger meinte, er kaufe besonders günstig,
handle es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum.
Das Berufungsgericht bestätigte und sprach aus, daß die ordentliche
Revision nicht zulässig sei. Es hielt die Beweisrüge für
unberechtigt und teilte auch die Ansicht, daß aus rechtlichen
Erwägungen die Anfechtung des Kaufvertrages scheitern müsse. Der
Kläger habe sich im klaren sein müssen, daß er nicht im Zuge einer
Versteigerung kaufe, weil nach der Zeitungsankündigung die letzte
Versteigerung am 12.März 1988 stattfinden sollte. Auch wenn sich
keine Ladenpreise der beklagten Partei bilden konnten, weil sie gar
kein Verkaufslokal besaß, habe es dem Kläger nicht darum gehen
können, daß es sich bei den durchgestrichenen Preisen um
Listenpreise gerade der beklagten Partei handelte. Die Beweislast
treffe den Irrenden. Der Kläger habe nicht beweisen können, daß die
"Listenpreise", auf welche die beklagte Partei in ihren
Zeitungsankündigungen und auf der Beschilderung der Teppiche hinwies,
keine ernsthaft durch längere Zeit verlangten Preise waren. Dies
falle dem Kläger zur Last. Der Irrtum des Klägers sei zutreffend als
Motivirrtum angesehen worden. Der Irrtum, um die Hälfte des
Marktwertes kaufen zu können, möge zum Kaufentschluß des Klägers
geführt haben. Ein Motivirrtum sei aber nur bei arglistiger
Täuschung zu beachten, die nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen liegt eine arglistige Täuschung
des Klägers vor, wenn die beklagte Teppichhandelsgesellschaft nicht
nur in den Zeitungsankündigungen den wahrheitswidrigen Eindruck zu
erwecken versuchte, bei der beklagten Partei käme es zur
Versteigerung von Teppichen, deren Rufpreis "bis zu 50 % unter dem
Listenpreis" liege, sondern vor allem durch die auf den einzelnen
Teppichen angebrachte Beschilderung vortäuschte, die Teppiche
könnten um den halben Preis gekauft werden. Nicht anders können die
durchgestrichenen 100 % über dem gleichfalls angegebenen aktuellen
Preis verstanden werden. Eine wahrheitsgemäße Anpreisung wäre nur
dann erfolgt, wenn die durchgestrichenen Preise ernsthaft und
längere Zeit hindurch verlangte (Listen-)Preise gewesen wären, die
dann bei der Verkaufsveranstaltung auf 50 % gesenkt wurden. Der
Ansicht des Berufungsgerichtes, den Kläger treffe die Beweislast für
die Widerlegung der Behauptung der beklagten Partei, bei den
"Listenpreisen" habe sich, wenn schon nicht um eigene, so doch um
tatsächlich im Geschäft der anderen Teppichhandels-GmbH verlangte
Preise der Teppiche gehandelt, kann nicht beigepflichtet werden.
Wenn die beklagte Partei in ihren Zeitungsankündigungen von
"Listenpreisen" sprach, obwohl von den interessierten
Verkehrskreisen nicht angenommen wird, daß es vom Hersteller (oder
Importeur) unverbindlich empfohlene Richt- oder Listenpreise für
Orientteppiche gebe (OGH 13.Juni 1989, 4 Ob 75/89 = MuR 1989,
181), und durch die an den Teppichen angebrachten Aufschriften
vortäuscht, die Teppiche würden nun zum halben Preis angeboten, so
kann bei redlicher Verkehrsauffassung bei dem angesprochenen
Interessenten nur der Eindruck entstehen, die Teppiche seien zuvor
um einen doppelt so hohen Preis wirklich und ernsthaft angeboten
worden. Dem Kläger fehlt jede Nähe zum Beweis einer solchen
Tatsache. Die Beweislast dafür trägt die beklagte Partei, der es
zumutbar ist nachzuweisen, daß es sich bei den doppelt so hohen
durchgestrichenen Preisen um die eigenen oder zumindest aber im
Geschäft der personell verbundenen anderen GmbH vorher verlangten
(Normal-)Preise handelte. Daß dieser Beweis nicht gelungen ist,
schlägt daher nicht zum Nachteil des Klägers, sondern der beklagten
Partei aus.
Bei dem auch auf dem inländischen Markt für Orientteppiche
bestehenden Wettbewerb konnte der Kläger, auch wenn er als Architekt
über höhere Bildung verfügt, nicht annehmen, die beklagte Partei oder
sonst eine Teppichhandelsgesellschaft habe zuvor einen den Marktwert
oder den im Durchschnitt üblicherweise verlangten Kaufpreis um etwa
100 % überschritten und erst jetzt ihre Verkaufspreise dem Marktwert
angepaßt. Der Kläger wurde bewußt darüber irregeführt, daß die
Teppiche nun zum halben Preis zu erwerben sind, wenn auf den
Preisschildern der doppelt so hohe Preis durchgestrichen war. Mit
der Ankündigung der Teppichversteigerung besteht insoweit ein
Zusammenhang, als auch dort ein "Listenpreis" erwähnt wird,
während der "Rufpreis" bis zu 50 % darunter liegen sollte. Nach §
276 Abs 1 EO sind in der gerichtlichen Versteigerung Fahrnisse unter
Angabe des Schätzungswertes (Ausrufpreises) auszubieten und nach §
277 Abs 1 EO Anbote, die nicht wenigstens die Hälfte des
Ausrufpreises erreichen, nicht zu berücksichtigen.
Auch dadurch wird vorgespiegelt, der "Listenpreis" etwa dem Schätzungswert, wenn die Ausbietung bis zu 50 % unter dem "Listenpreis" stattfindet.
Die der beklagten Partei zuzurechnende Verhaltensweise bei der
Abwicklung des Verkaufes an den Kläger ist daher durchaus als dessen
listige Irreführung anzusehen, handelt es sich doch nicht bloß um
eine rein marktschreierische Ankündigung eines besonders günstigen
Angebotes, sondern um eine rechtswidrige, vorsätzliche Täuschung.
Eine weitere Voraussetzung für die Anfechtung nach § 870 ABGB liegt
im Erfordernis, daß das Verhalten des Täuschenden und damit der
Irrtum für den Vertragsabschluß kausal war (JBl 1990, 175), was der
Anfechtende zu beweisen hat. Dieser Beweis ist aber dem Kläger
gelungen, denn es ergibt sich klar, daß er sich nur durch die in
ihm erweckte Vorstellung, die Teppiche um einen etwa bei der Hälfte
des Wertes liegenden Preis kaufen zu können, zum Vertragsabschluß
verstand. Abnehmern wird durch signifikante Nachlässe auf nicht
marktgerechte "Listenpreise" ein in Wahrheit nicht vorliegendes
besonders günstiges Angebot vorgespiegelt (SZ 60/44 ua).
Es spielt daher keine Rolle, daß der Wert der Teppiche über dem
bezahlten Kaufpreis lag, weil es entscheidend darauf ankommt, daß
der Kläger durch die listige Irreführung über das Bestehen echter
"Listenpreise", zumindest aber von der beklagten Partei geforderter
marktgerechter Verkaufspreise nur dadurch zum Kauf verleitet wurde,
daß in ihm die nicht berechtigte Vorstellung erweckt wurde, der
"Listenpreis" oder Wert der Ware liege erheblich über dem von ihm
begehrten Kaufpreis, ja übersteige diesen um fast 100 %. Bei der
Anfechtung wegen List erfolgt dann aber keine Unterscheidung nach
der Art des Irrtums. Auch der Motivirrtum rechtfertigt die
Vertragsanfechtung, wenn ihn der Erklärungsempfänger arglistig
herbeigeführt oder ausgenutzt hat (Schuhmacher, Verbraucherschutz und
Vertragsanbahnung, 177 ff FN 4; Koziol-Welser9 I 128; Rummel in
Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 870; SZ 23/272; SZ 27/63; EvBl 1967/437
uva). Dabei ist das Verhalten der von der beklagten Partei
beauftragten Personen ihr voll zuzurechnen, also nicht etwa nur die
Einwirkung Dritter anzunehmen (vgl dazu Iro, JBl 1974, 225 ff und
236). Es erübrigt sich daher eine Auseinandersetzung mit dem
Problem, ob nicht ohnedies auch schon ein nach § 871 ABGB
beachtlicher Geschäftsirrtum vorliegt (vgl Rummel in Rummel, ABGB2
Rz 9 zu § 871) und ob ein Irrtum über den Wert einer Sache
grundsätzlich unbeachtlich ist (Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 11 zu §
871).
Da der Kläger schon in der Klage alle Tatsachen angab, die die
Vertragsanfechtung nach § 870 ABGB rechtfertigten, und sich auch auf
listige Herbeiführung des Irrtums berief, kommt es nicht mehr darauf
an, ob auch § 871 ABGB die Vertragsaufhebung rechtfertigen könnte.
Der Kläger, der von der beklagten Partei durch List zu dem Vertrag
veranlaßt wurde, ist ihn zu halten nicht verbunden (§ 870 ABGB). Es
hat deshalb die Rückabwicklung stattzufinden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO (Schriftsatz vom 31.7.1990 nach TP 2)
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