OGH 3Ob573/91

OGH3Ob573/9123.10.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Dr. Angst als Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Kindes Ricarda-Maria H*****, geboren am 18. Feber 1989, in der Obsorge der Mutter Angela-Maria H*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Ölz, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen der Festsetzung des vom Vater Manfred H*****, vertreten durch Dr. Walter Loacker, Rechtsanwalt in Bregenz, zu leistenden Unterhalts, infolge Revisionsrekurses des Kindes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 3. September 1991, GZ 1 a R 361/91-38, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 5. August 1991, GZ P 2/91-34, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Erstgerichtes, der insoweit als in Teilrechtskraft erwachsen unberührt bleibt, als der Vater ab 1. Juli 1991 zur Leistung des monatlichen Unterhaltsbetrages von S 2.000 für sein Kind verpflichtet und ein S 3.000 im Monat übersteigendes Unterhaltsmehrbegehren abgewiesen wurde, werden aufgehoben. Die Sache wird in diesem Umfang zur neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern des Mädchens im dritten Lebensjahr wurde mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 23. Jänner 1991 zu 7 C 36/90 k geschieden. Das Landesgericht Feldkirch gab am 30. April 1991 zu 1 a R 183/91 der Berufung des Mannes nicht Folge.

Das Erstgericht trug dem Vater auf, ab dem 1. Juli 1991 monatlich S 3.000 für den Unterhalt des Kindes zu bezahlen und wies das Mehrbegehren von weiteren S 1.000 im Monat ab. Es stellte fest, daß der Vater seit dem 1. Feber 1991 einschließlich des Anteils an den jährlichen Sonderzahlungen im Monatsdurchschnitt S 28.219 verdient und für seine Söhne aus der früheren Ehe Andreas-Manfred H*****, geboren am 13. Juli 1975, und Ronald H*****, geboren am 4. März 1977, monatlich S 3.000 und S 2.850 Unterhalt leisten muß. Über seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Mutter des Mädchens sei noch nicht entschieden. Sollte er ihr Unterhalt leisten müssen, sei dies bei der Bemessung des Unterhalts zu berücksichtigen. Das Mädchen benötige den geforderten Unterhalt und habe an den besseren Lebensverhältnissen des Vaters teilzunehmen, doch sei wegen der Gleichbehandlung der drei Kinder eine S 3.000 übersteigende Unterhaltsverpflichtung des Vaters nicht gerechtfertigt.

Der Vater bekämpfte die Auferlegung eines S 2.000 im Monat übersteigenden Unterhalts; die Abweisung des Mehrbegehrens von S 1.000 blieb unangefochten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß das S 2.000 im Monat übersteigende Unterhaltsbegehren des Kindes abgewiesen wird. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ob der Vater S 500 weniger verdiene als das Erstgericht festgestellt habe, sei ohne Bedeutung, weil er auch bei einem Nettoeinkommen von S 27.700 den monatlichen Unterhalt von S 3.000 leisten könne. Es sei jedenfalls von gehobenen Lebensverhältnissen des Vaters auszugehen und eine Unterhaltsbemessung über dem Durchschnittsbedarf gerechtfertigt. Dieser liege an die S 1.700. Bei Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten und Bedachtnahme auf den Grundsatz der Gleichbehandlung sei von der Bedarfsseite her der vom Vater zugestandene Unterhalt von S 2.000 im Monat ausreichend und den Lebensverhältnissen des Vaters angemessen. Die Unterhaltspflicht gegenüber der geschiedenen Ehefrau (und Mutter des Mädchens) sei dann nicht mehr zu prüfen.

Der Revisionsrekurs des Kindes, das die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Bemessung des Unterhalts mit monatlich S 3.000 anstrebt, ist entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes zulässig und insoweit berechtigt, als eine abschließende Unterhaltsbemessung erst nach Verfahrensergänzung möglich sein wird:

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend verweist das Kind auf die inzwischen ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zur Unterhaltsbemessung, wonach der Zuspruch bloß des Regelbedarfes ohne Berücksichtigung der Lebensverhältnisse der Eltern dem Gesetz widerspricht, für durchschnittliche Verhältnisse die Unterhaltsbemessung nach der Prozentsatzkomponente eine brauchbare Handhabe darstellt, damit der Unterhaltsberechtigte an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen angemessen teilhaben kann und daß nur bei erheblich überdurchschnittlichen Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen eine Obergrenze bis etwa zum Zweieinhalbfachen des Regelbedarfes nicht überschritten werden soll (RZ 1991/26; ÖA 1991, 78 ua). Das Rekursgericht ist bei seiner Bemessung einerseits davon ausgegangen, daß der Vater für seine Tochter bei einem Einkommen von etwa S 28.000 netto den vom Erstgericht mit S 3.000 im Monat bemessenen Unterhalt aufbringen könnte und daß eine Bemessung über dem Durchschnittsbedarf gerechtfertigt sei, hat aber dann andererseits eine knapp über dem Regelbedarf liegende Leistung als angemessen angesehen, weil damit von der Bedarfsseite des erst im dritten Lebensjahr stehenden Kindes auch unter Bedachtnahme auf die gehobenen Lebensverhältnisse des Vaters ausreichend für das Kind gesorgt sei.

Auch wenn ein konkretes Berechnungssystem dem Gesetz nicht entnommen werden kann, gehört es zu den im § 140 Abs. 1 ABGB genannten Bemessungskriterien, daß neben den Bedürfnissen des Kindes die Leistungskraft des zur Zahlung von Geldunterhalt verpflichteten Elternteiles zu berücksichtigen ist. Dabei kommt aber nun der Frage Bedeutung zu, ob der Vater auch nach Rechtskraft der Ehescheidung - bis dahin hatte er einen Provisorialunterhalt zu leisten - mit einer Unterhaltspflicht für die geschiedene Ehefrau belastet ist. Es kann nicht einer künftigen Bemessung überlassen bleiben, ob und in welchem Ausmaß der Vater auch für den Unterhalt der Mutter seiner Tochter aufkommen muß, weil er allenfalls rückwirkend diese Unterhaltsansprüche erfüllen muß. Außer Betracht zu bleiben hat aber, ob die konkrete Verpflichtung zur Leistung des Unterhalts für seine beiden Söhne einer neuen Unterhaltsbemessung standhält und ob diese Söhne ihren Unterhaltsanspruch zur Zeit nicht voll gedeckt erhalten. Es ist vielmehr bei der nun anstehenden Bemessung des Unterhalts auf die weiteren Sorgepflichten derart Bedacht zu nehmen, daß als Vorfrage beurteilt wird, welche Ansprüche den einzelnen Unterhaltsberechtigten zustehen, weil diese auch für die Vergangenheit eine Ergänzung des ungenügenden Unterhalts verlangen könnten, wenn sich gegenüber der letzten Bemessung durch Gerichtsbeschluß oder Vergleich die Verhältnisse wesentlich geändert haben. Daß für die Söhne nur Beträge von S 3.000 und S 2.850 festgesetzt sind, bedeutet nicht, daß sich das jüngste Kind deshalb mit einem verhältnismäßig geringeren Unterhalt begnügen müßte.

Das Erstgericht wird daher vor einer endgültigen Bemessung (zwischen S 2.000 und S 3.000 im Monat) noch Feststellungen zu treffen haben, welche den Lebensverhältnissen der Eltern angemessenen Bedürfnisse des Kindes neben der Betreuungsleistung durch die Mutter abzudecken sind und welche Unterhaltspflichten der Vater tatsächlich aus seinen Einkünften zu erfüllen hat, besonders ob der geschiedenen Ehefrau ein Unterhaltsanspruch zusteht oder nicht.

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