Spruch:
Eine Vereinbarung geschiedener Ehegatten über den Unterhalt ihrer Kinder bedarf der Genehmigung des Pflegschaftsgerichtes, um Wirksamkeit gegenüber den Kindern zu erlangen. Die Rechtsbeziehungen der Eltern zueinander werden aber durch die Erteilung oder Versagung der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung nicht betroffen. Den Kindern zugekommene Unterhaltsbeträge, die über die Vereinbarung hinausgehen, kann der leistende Elternteil vom anderen Elternteil zurückverlangen
OGH 8. Oktober 1981, 3 Ob 572/81 (LG Salzburg 32 R 170/81; BG Salzburg 21 C 22/80)
Text
Der Kläger begehrt die Zahlung eines Betrages von 20 000 S und bringt vor, er habe vor der am 3. Oktober 1977 erfolgten Scheidung seiner Ehe mit der Beklagten, und zwar am 10. September 1977, mit der Beklagten bindend vereinbart, daß er für die beiden ehelichen Kinder einen monatlichen Unterhaltsbetrag von je 500 S zahlen und daß ein allfälliger Mehrbedarf der Kinder von der Beklagten getragen werde; als Gegenleistung hiefür habe sich der Kläger verpflichtet, den ihm gehörigen Hälftenanteil an der Liegenschaft EZ 268 KG A der Beklagten in deren freien Besitz und Eigentum zu übertragen. Diese Vereinbarung sei in einem Aktenvermerk des seinerzeitigen Rechtsvertreters des Klägers vom 10. September 1977 festgehalten; ihr Inhalt der Beklagten mit Schreiben vom 19. Oktober 1977 neuerlich und unwidersprochen mitgeteilt worden. Der Vereinbarung entsprechend habe der Kläger der Beklagten noch vor Scheidung der Ehe am 30. September 1977 die Hälfte seiner Liegenschaft ins Eigentum übertragen. Entgegen ihrer vertraglich übernommenen Verpflichtung habe die Beklagte beim Bezirksgericht Mondsee als Pflegschaftsgericht mit 1. Juni 1978 eine Erhöhung der monatlichen Unterhaltsleistung auf 1000 S je Kind erwirkt. Der Kläger leiste zwar den ihm aufgetragenen Unterhalt; es stehe ihm jedoch ein Rückforderungsanspruch hinsichtlich jener Beträge zu, die er entgegen der Vereinbarung vom 10. September 1977 zahlen müsse.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, die dem Kläger gehörige Liegenschaftshälfte sei nicht in ihr freies Eigentum übertragen, sondern mit einem Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Kinder belastet worden. Die vom Kläger behauptete Vereinbarung vom 10. September 1977 sei nicht zustande gekommen; sie sei zudem sitten- und gesetzwidrig. Die Vereinbarung gereiche den beiden Kindern zum Nachteil, da die Beklagte danach für den Unterhalt der Kinder mit Ausnahme eines Betrages von je 500 S allein aufkommen müßte. Da die Beklagte jedoch auch die Schuldentilgung für das ehemals gemeinsame Haus übernommen habe, sei ihr dies gar nicht mehr möglich. Die Kinder würden durch die Vereinbarung deshalb in ihrem Unterhaltsanspruch sowohl gegen den Kläger als auch gegen die Beklagte beeinträchtigt; die Vereinbarung hätte daher einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedurft. Eine solche Genehmigung sei jedoch nie erteilt worden. Die Beklagte habe sich bei Abschluß der Vereinbarung überdies in einer Zwangslage befunden; denn der Kläger, der bereits mit einer Freundin zusammengelebt habe, habe sich nur für den Fall des Zustandekommens der Vereinbarung scheiden lassen wollen und habe überdies darauf bestanden, daß ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten der beiden Kinder einverleibt werde.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte folgenden Sachverhalt fest: Die Regelung der Unterhaltspflicht des Klägers hinsichtlich der beiden minderjährigen ehelichen Kinder erfolgte mit gerichtlichem Vergleich vom 3. Oktober 1977 im Rahmen des Scheidungsverfahrens 2 Cg 317/77 des Kreisgerichtes Wels. Dieser Vergleich wurde mit der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung durch das Bezirksgericht Mondsee (Beschluß vom 29. Marz 1978) rechtswirksam. Der Kläger hat sich in diesem Vergleich verpflichtet, beginnend mit 1. November 1977 bis auf weiteres einen monatlichen Betrag von 500 S je Kind, insgesamt sohin 1000 S, und außerdem die staatlichen Familienbeihilfen zu Handen der Beklagten zu bezahlen. Im Vergleichstext selbst fehlt die vom Kläger behauptete Verpflichtung der Beklagten, allfällige zukünftige Differenzbeträge zum weiteren Unterhaltsbedarf der beiden ehelichen Kinder aus eigenem zu tragen, sowie ein Hinweis auf die Übereignung des Hälfteeigentums an der Liegenschaft. Dem von der Beklagten gestellten Unterhaltserhöhungsantrag auf monatlich 1000 S je Kind hat das Bezirksgericht Mondsee als Pflegschaftsgericht mit Beschluß vom 17. Oktober 1978 stattgegeben. Der Kläger hat diese Beträge ab 1. Juni 1978 bisher bezahlt. Der dem Kläger eigentümliche Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ 268 KG A wurde mit Notariatsakt vom 30. September 1977 der Beklagten übertragen. Weiters wurde gemäß diesem Notariatsakt auf die gesamte Liegenschaft ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der beiden ehelichen Kinder im Grundbuch eingetragen.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, daß bei der Besprechung am 10. September 1977 - wie aus dem Aktenvermerk des Rechtsanwaltes Dr. S klar ersichtlich sei - Absicht der Streitteile lediglich gewesen sei, anläßlich des Scheidungsverfahrens einen gerichtlichen Vergleich über die Scheidungsfolgen abzuschließen. Der Inhalt des abzuschließenden Vergleiches sei zur Zeit der Abfassung des Aktenvermerkes vom 10. September 1977 noch keinesfalls festgestanden; es sei darüber hinaus klar gewesen, daß zuerst die Zustimmung des Pflegeschaftsrichters hiezu eingeholt werden müsse. Von einer bindenden Vereinbarung der Streitteile bereits vor Abschluß des gerichtlichen Vergleiches könne daher nicht gesprochen werden.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und führte aus, daß der Kläger seinen Rückforderungsanspruch auf eine mit der Beklagten noch vor Scheidung der Ehe am 10. September 1977 geschlossene Vereinbarung stütze. Wesentlich sei daher, ob eine solche Vereinbarung zustande gekommen sei. Mit Recht rüge der Kläger, daß das Erstgericht Dr. S als Zeugen nicht vernommen habe, da dieser nach den Klagebehauptungen die Vereinbarung nicht nur festgehalten, sondern die Streitteile in der Scheidungsverhandlung vom 3. Oktober 1977 auch darauf aufmerksam gemacht habe, daß zwar eine Begrenzung der Unterhaltsleistungen des Klägers für seine Kinder für die weitere Zukunft pflegeschaftsbehördlich nicht möglich sei, daß jedoch dem Kläger gegenüber der Beklagten auf Grund der Vereinbarung vom 10. September 1977 ein Regreßanspruch bezüglich der 1000 S monatlich übersteigenden Unterhaltsleistungen zustehe. Das Verfahren des Erstgerichtes sei daher mangelhaft geblieben. Sollte das Erstgericht im zweiten Rechtsgang zur Feststellung gelangen, daß die Vereinbarung der Streitteile vom 10. September 1977 wirksam sei, werde es auch zu prüfen haben, ob die Beklagte dabei, wie sie behaupte, unter Zwang gestanden sei - wenngleich das Vorbringen der Beklagten in dieser Richtung aufklärungsbedürftig sei, da es danach einerseits der Kläger gewesen sei, der auf Scheidung gedrängt habe, weil er bereits mit einer Freundin zusammengelebt habe, andererseits aber der Kläger erklärt habe, er willige in die Scheidung nicht ein, wenn die Beklagte mit der vorgesehenen Unterhaltsregelung hinsichtlich der Kinder und mit einem Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Kinder nicht einverstanden sei. Die vom Kläger behauptete Vereinbarung vom 10. September 1977 sei nicht sittenwidrig, da durch sie die gesetzliche Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber den Kindern in keiner Weise berührt werde und die Beklagte als Gegenleistung für den von ihr an die Kinder zu erbringenden Unterhalt das Hälfteeigentum an der Liegenschaft EZ 268 KG A erhalten habe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Beklagte meint, daß die vom Kläger behauptete Vereinbarung vom 10. September 1977 entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes rechts- und sittenwidrig sei, sodaß ihr Zustandekommen nicht geprüft werden müsse. Die Beklagte verdiene monatlich 5500 S und müsse hievon noch 3200 S (monatlich) für das Haus zahlen. Sei bei dieser Sachlage der Kläger zur Zahlung eines Unterhaltsbeitrages von lediglich 500 S je Kind ohne weitere Berücksichtigung seines Einkommens und seines Vermögens verpflichtet, erhielten die Kinder nicht den ihnen zustehenden Unterhalt; die behauptete Vereinbarung gehe daher zu Lasten der Kinder und sei damit gesetzwidrig. Bei der Vereinbarung vom 10. September 1977 könnte es sich darüber hinaus nur um einen Kaufvertrag handeln; der Kaufpreis für die der Beklagten übertragene Liegenschaftshälfte werde darin jedoch weder bestimmt, noch sei er bestimmbar, da derzeit nicht gesagt werden könne, welche Belastungen die Beklagte bei Leistung des Unterhaltes an die Kinder über einen Betrag von 500 S hinaus zu tragen haben werde.
Nach § 140 Abs. 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des (ehelichen) Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Eine von dieser gesetzlichen Unterhaltsregelung abweichende vertragliche Regelung ist der Pflegschaftsbehörde anzuzeigen und bedarf deren Genehmigung, sofern sie hinsichtlich der Pflegebefohlenen wirksam sein soll (JBl. 1970, 94; EvBl. 1969/346); sie ist bis zu dieser Genehmigung ohne rechtliche Wirkung (EFSlg. 30 790; EFSlg. 26 172). Daß allerdings die Vereinbarung vom 10. September 1977 (auch) hinsichtlich der beiden ehelichen Kinder wirksam werden sollte, hat der Kläger gar nicht behauptet. Die Vereinbarung ist dementsprechend niemals dem Pflegschaftsgericht zur Genehmigung übermittelt worden (dies geschah nur hinsichtlich des vor dem Kreisgericht Wels am 3. Oktober 1977 im Verfahren 2 Cg 317/77 zwischen den Streitteilen für den Fall der Scheidung ihrer Ehe abgeschlossenen Vergleiches), und der Kläger hat sie bei seiner Einvernahme zum Unterhaltserhöhungsantrag der Beklagten vor dem Pflegschaftsgericht nicht einmal erwähnt. Bedarf aber auch eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarung geschiedener Ehegatten über den Unterhalt ihrer Kinder der Genehmigung des Pflegschaftsgerichtes, um hinsichtlich der Kinder Wirksamkeit zu erlangen, werden doch die aus der Vereinbarung resultierenden Rechtsbeziehungen der Kontrahenten zueinander durch die Erteilung oder Versagung der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung nicht betroffen (EFSlg. 16 951; SZ 28/81; JBl. 1970, 94). Daß den Leistungen der Beklagten (Unterhaltsergänzung für die Kinder) keine Leistung des Klägers gegenüberstunde (vgl. den der Entscheidung SZ 28/81 zugrunde liegenden Sachverhalt), trifft auf den vorliegenden Fall nach den Klagebehauptungen nicht zu und könnte auch nach dem Aktenvermerk vom 10. September 1977 nicht angenommen werden; denn danach sollte der von der Beklagten zu zahlende "Differenzbetrag zum weiteren Bedarf der Kinder" eine Gegenleistung für die Übertragung der Hälfte jener Liegenschaften an die Beklagte darstellen, auf der sich das Einfamilienhaus der Streitteile in A befindet. Es trifft schließlich auch nicht zu, daß die vom Kläger geltend gemachte Vereinbarung zu Lasten der Kinder ginge; denn der vom Kläger an die Kinder zu zahlende Unterhaltsbetrag wurde vom Pflegschaftsgericht ohne Bedachtnahme auf die zwischen den Streitteilen nach dem Klagevorbringen getroffene Vereinbarung festgesetzt; der Kläger leistet den ihm aufgetragenen Unterhalt auch tatsächlich.
Dadurch, daß sich die behauptete Vereinbarung mittelbar zuungunsten der Kinder auswirken könnte, wird sie noch nicht zum Vertrag zu Lasten Dritter.
Die vom Kläger behauptete Vereinbarung wäre somit weder rechts- noch auch sittenwidrig, sodaß das Berufungsgericht mit Recht die Ansicht vertreten hat, es sei das (wirksame) Zustandekommen dieser Vereinbarung zu prüfen. Erachtet das Berufungsgericht das Verfahren des Erstgerichtes in dieser Richtung für ergänzungsbedürftig, vermag der OGH dieser Auffassung nicht entgegenzutreten, weil er damit in unzulässiger Weise Tatfragen lösen würde (Fasching IV, 414; EFSlg. 34 510 u. a.).
Nicht gefolgt werden kann schließlich der Ansicht der Beklagten, es liege ein Kaufvertrag vor, bei dem der Kaufpreis nicht bestimmt sei. Auch wenn man die behauptete Vereinbarung als Kaufvertrag qualifizieren wollte, wäre doch die Gegenleistung der Beklagten - Leistung des "Differenzbetrages zum weiteren Bedarf der Kinder" - durchaus bestimmt, zumindest aber bestimmbar; denn auch bei einem Verkauf gegen Leibrente und gegen eine Verpflichtung zur Alimentation des Käufers wird nach Lehre und Rechtsprechung eine ausreichend bestimmte Entgeltvereinbarung angenommen (vgl. Mayer - Maly in Klang[2] IV/2, 232).
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