Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die klagende Partei, ein Bauunternehmen, erstellte am 30.5.1989 im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung für die Ausführung von Straßenbauarbeiten im Gebiet der beklagten Gemeinde unter Verwendung eines von dieser zur Verfügung gestellten Formulars ein Anbot, in dem das Gesamtentgelt mit S 5,794.404,- ausgewiesen war. Für einen Teilbereich der Straße in der Länge von etwa 2,3 km, für die eine Kronenbreite von 4,50 m und eine Asphaltbreite von 3,50 m verlangt wurde, enthielt es unter anderem folgende Positionen:
"2.) Auskofferung auf eine durchschnittliche
Tiefe von 50 cm herstellen.
Das Aushubmaterial bis 3 km Entfernung
verführen, dort abladen und planieren.
Gemessen und abgerechnet im gewachsenen
Zustand
420,00 m3 A.....25,-
M.....43,-
S.....68,- S 28.560,-
2a) Unterbauplanum.
1.050,00 m2 A.....4,-
M.....8,-
S 12,- S 12.600,-
2b) Offener Abtrag (Seitenentnahme),
sonst wie in Pos.2.) beschrieben.
950,00 m3 A.....25,-
M.....40,-
S..... 65,- S 61.750,-
3.) Schieben der Rohtrasse bei der
Straßenumlegung im Bereich
K***** ab der Bundesstraße
in G*****.
Kronenbreite 4,50 m.
500,00 lfm A.....4,-
M....14,-
S......18,- S 9.000,-
5.) Dammschüttung mit vorhandenem
Material. Der Damm ist in Lagen
bis 40 cm Stärke zu schütten, wobei
jede Lage bis zur vollkommenen
Standfestigkeit zu verdichten ist.
1.900,00 m3 A.....10,-
M.....12,-
S......22,- S 41.800,-
6.) Liefern von geeignetem
Schüttmaterial für die Herstellung
des Straßendammes für die
Verbreiterungen des vorhandenen Weges.
550,00 m3 A.....30,-
M.....70,-
S.....100,- S 55.000,-"
Die klagende Partei erhielt als Bestbieter den Auftrag zur Ausführung der angebotenen Arbeiten. Sie legte eine Schlußrechnung über insgesamt S 7,407.657,10, (später korrigiert auf S 6,857.602,40) in der für die Position 2b des Anbots (offener Abtrag) der Betrag von S 269.537,45, ds 4.146,73 m3 zu S 65, und für die Position 5 des Anbots (Dammschüttung) der Betrag von S 156.942,06, ds 7.133,73 m3 zu S 22,-
in Rechnung gestellt wurden. Die Position 3 des Anbots (Schieben der Rohtrasse) wurde in der Schlußrechnung nicht erwähnt. Die beklagte Partei bezahlte für die Arbeiten gemäß Punkt 2b des Anbots nur S 20.020,- ds 308 m3 zu S 65,-, und für die Arbeiten gemäß Punkt 5 des Anbots nur S 65.714,- ds 2.987 m3 zu S 22,-, jeweils zuzüglich 20 % Umsatzsteuer. Gegenüber dem von der klagenden Partei in Rechnung gestellten Betrag war daher der von der beklagten Partei bezahlte Betrag unter Berücksichtigung eines vereinbarten Haftrücklasses in der Höhe von 3 % um S 396.627,77 geringer.
Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei die Bezahlung von S 396.627,77 sA. Die beklagte Partei habe das in Rechnung gestellte Entgelt zu Unrecht um den eingeklagten Betrag vermindert. Der Ausschreibung der beklagten Partei seien keine Baupläne beigelegt gewesen und es sei ihr (klagende Partei) zur Zeit der Erstellung des Anbots die genaue Trassenführung nicht bekannt gewesen. Sie sei ihr erst an Ort und Stelle bekannt geworden. Für die Herstellung des strittigen Teils der Straße seien das Abtragen der Humusschichte, der offene Abtrag sowie das Schütten des Abtragsmaterials in Lagen, und zwar in trassenförmiger Form, die Herstellung des Unterbauplanums die Frostkofferschüttung und die Asphaltierung der Straßenfläche notwendig gewesen. Das in der Position 3 des Anbots angeführte "Schieben der Rohtrasse" sei von ihr "branchenüblich" dahin verstanden worden, daß nach Abtragen des Hanges eine Rohtrasse geschoben werden solle, um die Zufahrtsmöglichkeit für die bei der Bauausführung zum Einsatz gelangenden Baumaschinen zu gewährleisten. Die beklagte Partei meine demgegenüber zu Unrecht, daß hievon das Abtragen der Rohschicht, der offene Abtrag, die Schüttung des Abtragsmaterials in Lagen und die Herstellung eines Unterbauplanums umfaßt seien und diese Arbeiten daher nicht gesondert in Rechnung gestellt werden dürften. Bei dieser Auslegung hätte der angemessene Preis S 681,- je Laufmeter betragen. Der ihr unterlaufene von der beklagten Partei veranlaßte und offenbare Kalkulationsirrtum hätte den Organen der beklagten Partei auffallen müssen. Diese wäre verpflichtet gewesen, sie (klagende Partei) darauf hinzuweisen.
Die beklagte Partei wendete ein, daß es Aufgabe der klagenden Partei gewesen sei, die alte Wegtrasse zu verlegen und ein neues Wegstück mit einer Länge von etwa 500 m zu schaffen und außerdem den alten nach Norden weiterführenden Weg teilweise zu verbreitern und nach Osten hin zu verlegen. Die neue Wegtrasse sei schon zur Zeit der Auftragserteilung festgelegt und in der Natur ausgepflockt gewesen. Die klagende Partei habe die Örtlichkeit vor Erstellung des Anbots besichtigt und wäre nach den Bestimmungen des mit ihr geschlossenen Werkvertrages verpflichtet gewesen, sich vor der Erstellung des Anbots über die Lage und die Beschaffenheit der Baustelle und über die örtlichen Verhältnisse eingehend zu unterrichten. Unter dem in der Position 3 erwähnten "Schieben der Rohtrasse" sei der Ausschub einer Rohtrasse mit vorhandenen Materialien in ihrer endgültigen Form zu verstehen, wobei hangseitig abgetragen und talseitig aufgeschüttet werde. Nicht erfaßt seien die Herstellung des Unterbauplanums, die Dammschüttung und die Folgearbeiten. Gerade der in der Klage angeführte offene Abtrag und das Schütten des Abtragsmaterials in Lagen beziehe sich begrifflich und vereinbarungsgemäß auf das "Schieben der Rohtrasse". Hingegen beziehe sich der im Anbot angeführte "offene Abtrag (Seitenentnahme)" ausschließlich auf Abtragsarbeiten nördlich des strittigen Wegstücks. Unter der Position 5 sei die Dammschüttung mit dem bereits gewonnenen und dem zusätzlich gelieferten Schüttmaterial zu verstehen. Das beim "Schieben der Rohtrasse" umgewälzte Material, das mit der Dammschüttung in keinem Zusammenhang stehe und nach der Rohtrassenlegung auch nicht mehr vorhanden gewesen sei, dürfe nicht, wie dies von der klagenden Partei getan worden sei, unter der Position "Dammschüttung" verrechnet werden. Sämtliche Agrarbezirksbehörden in Kärnten hätten bei der Ausschreibung von Güter- und Seilwegen den Begriff "Schieben der Rohtrasse" in dem dargestellten Sinn verwendet, der damit auch den offenen Abtrag umfaßt habe, und dasselbe habe seit Jahrzehnten auch die zuständige "Verwaltungsgemeinschaft" getan. Ein allfälliger Kalkulationsirrtum der klagenden Partei sei von ihr (beklagte Partei) weder veranlaßt worden noch hätte er ihr auffallen müssen. Es stehe ihr außerdem eine Forderung in der Höhe S 107.300,- an vereinbartem Pönale zu, weil die klagende Partei das Werk verspätet vollendet habe. Mit dieser Forderung werde gegen die eingeklagte Forderung aufgerechnet.
Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruchs ein und entschied mit Zwischenurteil, daß das Klagebegehren nicht zu Recht besteht. Es stellte im wesentlichen noch folgendes fest:
Das der klagenden Partei für das Anbot zur Verfügung gestellte Formular wurde von einem Angestellten der Verwaltungsgemeinschaft mehrerer Gemeinden, darunter der beklagten Partei, verfaßt. Im Bereich seiner Dienststelle wurden für die zur Verwaltungsgemeinschaft gehörenden Gemeinden die Güterwegerrichtungen, Neubauten und Sanierungen unter Verwendung der Richtlinien der Agrarbezirksbehörden ausgeschrieben. Bei der Verwaltungsgemeinschaft war es im Straßenbau üblich, daß unter dem "Schieben der Rohtrasse" die Unterbauarbeiten bis zur Frostschutzschicht zu verstehen sind. Der erwähnte Angestellte der Verwaltungsgemeinschaft betreute während seiner 28jährigen beruflichen Tätigkeit etwa 20 bis 30 Projekte in der Größenordnung des hier zu beurteilenden, wobei in den Anboten die Position "Schieben der Rohtrasse" immer in dem dargestellten Sinn verstanden wurde. Von den mit den Arbeiten betrauten Unternehmen wurde nie unter der Position "offener Abtrag" etwas verrechnet, was unter der Position "Schieben der Rohtrasse" zu verrechnen gewesen wäre.
Ende 1988 wurden in der Mitte der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Straße Pflöcke gut sichtbar eingeschlagen. Pläne für diese Straße lagen zumindest seit 1989 sowohl bei der Verwaltungsgemeinschaft als auch bei der beklagten Partei auf. Der klagenden Partei wurden diese Pläne allerdings bei der Übermittlung des Formulars für das Anbot nicht übersandt. Ihr Geschäftsführer sah sich einen Tag vor der Erstellung des Anbots die Straße und "die Gegend" an. Ohne Pläne konnte er sich aber auch nicht ungefähr eine Vorstellung davon machen, wo die Straße verlaufen sollte. Da er nicht im Gelände herumging, sah er die Auspflockung nicht. Der Geschäftsführer der klagenden Partei versteht (zu ergänzen offensichtlich: und verstand) unter "Schieben der Rohtrasse", daß durch einen Hydraulikbagger ein Rohabtrag erfolgt, sodaß die Trasse nach dem Schieben für Baugeräte befahrbar ist. Im strittigen Straßenabschnitt wurde von der klagenden Partei der Humusabtrag, der offene Abtrag, das Schütten des Abtragmaterials in Lagen seitlich, die Herstellung des Unterbauplanums-, die Schüttung des Frostkoffers sowie die Herstellung der Feinplanie der bituminösen Tragschicht, einer Sickerleitung und des Banketts ausgeführt.
Unter "Schieben der Rohtrasse" versteht man branchenüblich einen Ausschub der Rohtrasse, wobei hangseitig Material abgetragen und dieses talseitig aufgeschüttet wird. Offener Abtrag in der Seitenentnahme bedeutet, daß Material außerhalb des Bauloses gewonnen und für die Dammschüttung verwendet wird. Es ist nicht möglich, zuerst den offenen Abtrag auszuführen und dann die Rohtrasse zu schieben. Man muß zuerst den gesamten Humus abtragen und anschließend die Rohtrasse für das neu zu trassierende Stück schieben. Für das "Schieben der Rohtrasse" in diesem Sinn wäre in dem hier zu entscheidenden Fall ein Preis von S 681,- je Laufmeter zu kalkulieren gewesen. In der Praxis kommt es oft vor, daß Anbieter einige Positionen bewußt tiefer kalkulieren und dafür andere Positionen, "die tatsächlich zur Ausführung kommen werden", höher ansetzen.
Rechtlich war das Erstgericht der Meinung, daß die für das hangseitige Abtragen und das talseitige Aufschütten des Materials verrechneten Arbeiten nach dem branchenüblichen Verständnis unter die Position "Schieben der Rohtrasse" fielen und daher von der klagenden Partei zu Unrecht gesondert in Rechnung gestellt worden seien. Die beklagte Partei sei daher zur Bezahlung des Entgelts für die gesondert verrechneten Arbeiten nicht verpflichtet.
Das Berufungsgericht trug dem Erstgericht infolge Berufung der klagenden Partei die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Da im Hinblick auf die örtlichen Gegebenheiten keine undeutliche Erklärung vorgelegen sei, habe das Erstgericht zwar zutreffend einen auf das Anbot und die Rechnungslegung gestützten Anspruch der klagenden Partei verneint. Der klagenden Partei hätte aber der offenbare Kalkulationsirrtum der klagenden Partei auffallen müssen, die unter der Position 3 S 18,- je Laufmeter ausgewiesen habe, obwohl S 681,- angemessen gewesen wären. Ein Kalkulationsirrtum, der dem anderen offenbar auffallen mußte, berechtige aber dazu, gemäß § 872 ABGB die Anpassung des Vertrages zu begehren. Ob die Voraussetzungen für eine solche Vertragsanpassung vorliegen, sei vom Erstgericht nicht geprüft und mit den Parteien auch nicht erörtert worden, weshalb sein Urteil aufgehoben werden müsse.
Rechtliche Beurteilung
Der von der beklagten Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.
Die Bedeutung einer Willenserklärung ist so zu verstehen, wie sie der redliche Empfänger der Erklärung unter Berücksichtigung aller Umstände verstehen mußte (ÖBA 1992, 745; ÖBA 1990, 843; Miet 42.110, 40.107; 3 Ob 135/93 ua). Da es dabei auf das Verständnis des Empfängers der Erklärung ankommt, ist hier nicht entscheidend, daß nach den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes nicht eindeutig ist, ob die Bedeutung, welche die beklagte Partei der im Anbot der klagenden Parteien enthaltenen Position "Schieben der Rohtrasse" beilegte, in der gesamte Baubranche (zumindest Österreichs) oder nur in dem Gebiet, in dem die Arbeiten vorzunehmen waren, üblich ist. Auch in diesem Fall wäre der Vertrag zwischen den Streitteilen mit dem Inhalt zustande gekommen, wie es der "Erklärungssitte" (vgl WoBl 1991 139; Miet 31.106) im Bereich der beklagten Partei entspricht. Dazu kommt hier noch, daß es nach den Feststellungen des Erstgerichtes gar nicht möglich ist, zuerst den offenen Abtrag vorzunehmen und dann die Rohtrasse zu schieben. Auch dies spricht dafür, daß die beklagte Partei der Meinung sein mußte, in der im Anbot enthaltenen Position "Schieben der Rohtrasse" seien die damit verbundenen Abtragungsarbeiten enthalten.
Das Gesagte bedeutet, daß die klagende Partei alle mit dem Schieben
der Rohtrasse verbundenen Arbeiten nur zu dem unter der Position 3
angeführten und nicht zu einem in anderen Positionen erwähnten Preis
in Rechnung stellen durfte. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf
Grund des zwischen den Streitteilen geschlossenen Werkvertrages haben
die Vorinstanzen zutreffend verneint.
Geht man von den Feststellungen des Erstgerichtes aus, so ist den
Personen, deren Verhalten der klagenden Partei zuzurechnen ist, zwar
nicht ein Kalkulationsirrtum, wohl aber ein Erklärungsirrtum
unterlaufen, weil sie meinten, unter der Position 3 des Anbotes etwas
anderes zu erklären, als sie wirklich erklärten, sie sich also über
die Bedeutung ihrer Erklärung im Irrtum befunden haben (vgl JBl 1988,
783 mwN; Koziol/Welser I9 122). Ein solcher Irrtum über den
Erklärungsinhalt ist unter den Voraussetzungen des § 871 ABGB
beachtlich. Daß die klagende Partei den Irrtum nicht rechtzeitig
aufklärte, muß nicht weiter begründet werden. Es liegt aber auch kein
Anhaltspunkt dafür vor, daß er von der beklagten Partei veranlaßt
wurde. Die Veranlassung des Irrtums kann vor allem nicht darin
erblickt werden, daß der Text des von der klagenden Partei gestellten
Anbots von einer Person stammt, deren Verhalten möglicherweise der
beklagten Partei zuzurechnen ist. Dies war nämlich nicht die Ursache
für den Irrtum, auf den sich die klagende Partei beruft, sondern der
Irrtum ging ausschließlich darauf zurück, daß die für die klagende Partei handelnden Personen den Wortlaut des ihnen übermittelten Anbotsformulars falsch verstanden. Hiefür war aber die Übermittlung des Formulars durch die klagende Partei nicht ursächlich.
In Betracht kommt daher nur, daß den für die beklagten Parteien
handelnden Personen der Irrtum offenbar auffallen mußte. Auf diesen
Tatbestand hat sich die klagende Partei entgegen der im Rekurs der
beklagten Partei vertretenen Ansicht in der Tagsatzung zur mündlichen
Streitverhandlung vom 23.9.1993 auch berufen (AS 157). Entscheidend
ist daher, in welchem Umfang die für die beklagte Partei handelnden
Personen verpflichtet waren, die Angemessenheit der im Anbot der
klagenden Partei angeführten Beträge zu prüfen. Hiezu bestimmt die
ÖNORM A-2050, Ausgabetag 30.3.1957, die zur Zeit des von der
klagenden Partei erstellten Anbots maßgebend war, im Punkt 4,326, daß
bei Anboten insbesondere die Angemessenheit des Preises in bezug auf
die angebotene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände,
unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen ist, sowie daß
dann, wenn ein Bieter, gegen den hinsichtlich Zuverlässigkeit und
Leistungsfähigkeit keine Bedenken bestehen, zu so niedrigen Preisen
anbietet, daß eine nicht einwandfreie Ausführung zu befürchten wäre,
von ihm gemäß 4, 33 Aufklärung zu verlangen ist. Die geltende Fassung
der angeführten ÖNORM (Ausgabetag 1.1.1993) enthält unter Punkt
4.3.4.4 eine im wesentlichen gleichartige Regelung, in der jedoch
außerdem angeordnet wird, daß bei der Prüfung der Angemessenheit der
Preise von vergleichbaren Erfahrungswerten und sonst vorliegenden
Unterlagen auszugehen ist.
Die ÖNORMEN sind zwar ohne darauf gerichtete Vereinbarung oder
Verbindlicherklärung nach § 4 Abs 6 NormenG nicht unmittelbar
verbindlicher Vertragsinhalt (ecolex 1995, 95; SZ 61/90, SZ
59/101; EvBl 1983/41; Thienel, Verweisungen auf ÖNormen 14 mwN aus
dem Schrifttum in FN 6), sie können aber als Maßstab für die
Sorgfaltspflichten angesehen werden, die den Ausschreibenden im
Rahmen seiner vorvertraglichen Pflichten treffen (SZ 61/90; ÖBl
1989, 77; WBl 1988, 342 ua), weil sie das wiedergeben, was
branchenüblich ist (vgl § 2 Abs 2 Z 4 NormenG 1971 BGBl
240). Aus diesem Grund kann schon auf die Fassung des Ausgabetages
1.1.1993 Bedacht genommen werden. Es kann nämlich angenommen werden,
daß damit nur die frühere Fassung verdeutlicht werden sollte und daß
überdies nur das festgeschrieben wurde, was schon vorher üblich war.
Dies bedeutet aber, daß es zu den Pflichten des Ausschreibenden
gehört, die Angemessenheit der einzelnen in einem Anbot ausgewiesenen
Preise gegebenenfalls durch einen Vergleich mit den entsprechenden
Preisen anderer Anbote zu prüfen (arg. "sonstige Unterlagen" der
bezogenen Bestimmung der ÖNORM A-2050, Ausgabetag 1.1.1993; vgl
Krejci in ecolex 1991, 232).
Entgegen der von der klagenden Partei in der Berufung und auch vom Berufungsgericht vertretenen Meinung kommt es hier aber nicht darauf an, daß bei wirtschaftlich richtiger Kalkulation unter der Position 3 ihres Anbots ein Entgelt von S 681,- je Laufmeter angesetzt werden hätte müssen. Es ist nämlich nicht hervorgekommen, daß den für die beklagte Partei handelnden Personen dieser Betrag, der von dem vom Erstgericht bestellten Sachverständigen nachträglich errechnet wurde, schon beim Empfang des Anbots bekannt war oder bekannt sein hätte müssen.
Offenbar auffallen muß ein Irrtum, wenn er bei verkehrsüblicher Sorgfalt erkennbar gewesen wäre oder der Partner wenigstens Verdacht hätte schöpfen müssen (JBl 1988, 783; Miet 36.078; SZ 51/144; EvBl 1967/218). Gehört aber bei einer Ausschreibung der Vergleich der einzelnen Positionen verschiedener Anbote zur verkehrsüblichen Sorgfalt, so hängt die Frage, ob der Irrtum dem Ausschreibenden auffallen mußte, davon ab, ob er ihm auf Grund dieses Vergleiches erkennbar war oder ob er zumindest Verdacht hätte schöpfen müssen.
Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren daher in erster Linie zu prüfen haben, welches Entgelt in den anderen Anboten für die hier strittige Position ausgewiesen wurde. Sollte sich dabei herausstellen, daß die anderen Unternehmer, worauf die vorhandenen Urkunden hindeuten, dort ein Entgelt zwischen S 54,- und S 67,50 je Laufmeter angeführt haben, also ein Entgelt in der Höhe von mindestens des Dreifachen des im Anbot der klagenden Partei enthaltenen Entgelts, so hätten die für die beklagte Partei handelnden Personen nach Ansicht des erkennenden Senates zumindest Verdacht schöpfen müssen. Dies bedeutet aber, daß ihnen der Erklärungsirrtum der für die klagende Partei handelnden Personen "offenbar" auffallen hätte müssen. Die klagende Partei wäre dann berechtigt, gemäß § 872 ABGB eine "angemessene Vergütung" zu begehren (vgl JBl 1979, 652; Miet 23.072 ua).
"Angemessene Vergütung" im Sinne des § 872 ABGB ist nicht Schadenersatz, sondern Anpassung des Vertrages an die wahren Gegebenheiten (JBl 1974, 144; Apathy in Schwimann Rz 3 zu § 872; Rummel in Rummel2 Rz 5 zu § 872; vgl auch Koziol/Welser I9 131). Dies bedeutet bei einem Werkvertrag, der auf Grund eines mit einem Irrtum behafteten Anbots zustandekam, daß der Unternehmer für die erbrachten, vom Irrtum betroffenen Leistungen Anspruch auf das angemessene Entgelt hat. Wurde das Anbot im Rahmen einer Ausschreibung abgegeben, so ist aber ferner zu beachten, daß durch die Anpassung des Vertrages der Zweck der Ausschreibung, den Besteller den Abschluß des für ihn günstigsten Vertrages zu ermöglichen, nicht hinfällig werden darf. Hätte also das angemessene Entgelt, wäre es schon dem Anbot zugrundegelegt worden, dazu geführt, daß das Anbot des Irrenden höher als das Anbot desjenigen Bieters gewesen wäre, der das zweitgünstigste Anbot abgegeben hat, so ist das dem Irrenden auf Grund der Vertragsanpassung gebührende Entgelt entsprechend nur so weit hinaufzusetzen, daß ohne den Irrtum das zweitbeste Anbot nicht überschritten worden wäre. Wäre dies der Fall gewesen, müßte nämlich angenommen werden, daß der Vertrag nicht zustandegekommen wäre.
Sollte sich im fortzusetzenden Verfahren herausstellen, daß der Erklärungsirrtum, den die klagende Partei geltend macht, den für die beklagte Partei handelnden Personen offenbar auffallen mußte, so wird das Erstgericht die dargelegten Grundsätze für die dann vorzunehmende Vertragsanpassung zu beachten haben. Andernfalls wird im fortzusetzenden Verfahren zu klären sein, ob der klagenden Partei nicht ein Teil des eingeklagten Entgelts in der Höhe zusteht, die sich aus den in der Position 3 des Anbots angeführten Beträgen ergibt. Die beklagte Partei hat hiezu in der Klagebeantwortung zwar vorgebracht, aus diesem Grund S 16.866,36 berücksichtigt zu haben. Feststellungen zur Richtigkeit dieser Behauptung und zur Höhe des der klagenden Partei aus diesem Titel gebührenden Entgelts fehlen jedoch.
Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO (EvBl 1958/28 ua).
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